Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 17.01.2003, Az. 2 StR 471/02

2. Strafsenat | REWIS RS 2003, 4843

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Entscheidungstext


Formatierung

Dieses Urteil liegt noch nicht ordentlich formatiert vor. Bitte nutzen Sie das PDF für eine ordentliche Formatierung.

PDF anzeigen

[X.]/02vom17. Januar 2003in der [X.] 2 -Der 2. Strafsenat des [X.] hat nach Anhörung des [X.] und des Beschwerdeführers am 17. Januar 2003 gemäß § 349Abs. 2 und 4 StPO [X.] Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 17. Juni 2002 im Strafausspruch mit den zuge-hörigen Feststellungen aufgehoben.Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhand-lung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmit-tels, an eine andere Schwurgerichtskammer des [X.]szurückverwiesen.2. Die weitergehende Revision wird verworfen.Gründe:Das [X.] hat den Angeklagten wegen Totschlags in Tateinheitmit Führen einer halbautomatischen Selbstladekurzwaffe zu einer Freiheits-strafe von 14 Jahren verurteilt. Seine auf Verfahrensrügen und die Sachrügegestützte Revision ist aus den vom [X.] dargelegten Gründenunbegründet, soweit sie sich gegen den Schuldspruch richtet; sie führt mit derSachrüge aber zur Aufhebung des Strafausspruchs.1. Nach den Feststellungen des [X.]s tötete der Angeklagte sei-ne von ihm getrennt lebende Ehefrau, die sich aus der Ehe lösen und ein selb-ständiges Leben führen wollte, indem er an ihrer Arbeitsstelle in der von ihr- 3 -geleiteten Bäckerei in Anwesenheit mehrerer dort beschäftigter Personen mitdirektem Tötungsvorsatz aus nächster Nähe sechs Schüsse aus seiner halb-automatischen Pistole auf sie abgab; anschließend benachrichtigte er seineMutter und stellte sich der Polizei. Der Tat vorausgegangen waren [X.] Auseinandersetzungen namentlich auch im Sorgerechtsstreit um die ge-meinsame Tochter. Der in diesem Zusammenhang von dem späteren [X.] erhobene Vorwurf des sexuellen Mißbrauchs war von einer Sach-verständigen sowie von der Tochter selbst ausgeräumt worden. Die [X.] Angeklagten hatte Strafanträge wegen früherer körperlicher Mißhandlun-gen zurückgenommen. Nachdem der Angeklagte erfahren hatte, daß sie eineneue Beziehung eingegangen war, kam es wiederum zu körperlichen Über-griffen. Der Angeklagte kaufte die später zur Tat verwendete Pistole und [X.] seine Ehefrau damit, sie zu erschießen; deshalb erstattete sie erneutStrafanzeige.Unmittelbarer Anlaß für die am 24. Dezember 2001 begangene Tat warein Telefongespräch, das der Angeklagte etwa 45 Minuten vor der Tat mit [X.] führte, um von ihr die Zustimmung zu einem Treffen mit [X.] zu erlangen. In diesem Gespräch teilte ihm die Geschädigte mit, esgehe ihn nichts an, wo seine Tochter sei, und verweigerte ihm den Kontakt.Überdies warf sie ihm erneut angeblichen sexuellen Mißbrauch des Kindes vorund bezeichnete ihn als "Kinderschänder". Der Angeklagte, der hierdurch ge-kränkt war, entschloß sich daraufhin zu der Tat, holte seine Pistole aus ihremVersteck, fuhr mit dem PKW zur Arbeitsstelle seiner Ehefrau und tötete diese.Das [X.] hat eine erhebliche Beeinträchtigung der Steuerungs-fähigkeit des Angeklagten aufgrund der vorliegenden Alkoholisierung von 1,49Promille oder aufgrund einer tiefgreifenden Bewußtseinsstörung im Sinne [X.] ausgeschlossen. Das Vorliegen eines Mordes durch Tötung aus niedri-gen Beweggründen hat es ebenso verneint wie die Annahme eines minderschweren Falles im Sinne von § 213, 1. Alternative StGB aufgrund der voraus-gegangenen Beleidigung; es hat daher der Strafzumessung den [X.] § 212 Abs. 1 StGB zugrundegelegt. Ob die Darlegungen des Urteils hierzuim Ergebnis rechtsfehlerfrei sind, kann offenbleiben, weil der [X.] aus anderen Gründen aufzuheben ist.2. Die Bemessung der hohen Freiheitsstrafe innerhalb des [X.] § 212 Abs. 1 StGB hält rechtlicher Prüfung nicht stand. Das [X.]hat insoweit ausgeführt, die Strafe müsse nahe an der Höchstgrenze liegen,weil die strafschärfenden die zugunsten des Angeklagten wirkenden Gesichts-punkte überwiegen ([X.]). Die Darlegungen des Tatrichters hierzu sindaber nicht ohne Widerspruch und genügen den Anforderungen nicht, [X.] Verhängung einer nahe an der Höchstgrenze des Strafrahmens liegendenStrafe an die Darlegung der Zumessungserwägungen zu stellen sind (vgl. dazuBGH NJW 1995, 2234, 2235; [X.], 271).a) So führt das [X.] bei der Erörterung möglicher niedriger Be-weggründe des Angeklagten zunächst aus, "tatbestimmend" sei neben der [X.] Kränkung im Rahmen des Telefonats auch die Befürchtung gewesen,seine Tochter nicht sehen zu können. Eine weitere Rolle "dürften die Verlet-zungen gespielt haben, die die Geschädigte dem Angeklagten zugefügt [X.]). Im Zusammenhang mit der Erörterung des § 213 StGB ist dagegenausgeführt, es fehle an einem "durchgehenden Kausalzusammenhang" zwi-schen der Beleidigung durch die Geschädigte und der Tötung; den Angeklag-ten habe "ein ganzes Motivbündel zur Tat veranlaßt, wobei der Ärger über [X.] nur eine untergeordnete Rolle spielte" ([X.]); dies ergebe sich- 5 -aus dem Umstand, daß der Angeklagte nach der Tat immer wieder gesagt ha-be, er habe doch nur seine Tochter sehen wollen, sowie aus seinen früherenDrohungen (ebenda). Diese Erwägungen sind nicht widerspruchsfrei und ge-ben auch in sich zu Bedenken [X.]) Dies gilt gleichermaßen für die Erwägung, die Beleidigung als "Kin-derschänder" sei deshalb als weniger schwerwiegend anzusehen, weil [X.] des sexuellen Mißbrauchs sich zuvor als unberechtigt erwiesen hatte([X.]). Das ist nicht naheliegend und steht im Widerspruch zu der voran-gehenden Erwägung des [X.]s, Anlaß für die Tat sei das kurz zuvorgeführte Telefongespräch gewesen; es müsse auf den Angeklagten "sehrkränkend" gewirkt haben, daß seine Ehefrau ihm erneut sexuellen Mißbrauchder Tochter vorwarf und ihm den Kontakt verweigerte, obwohl der [X.] ausgeräumt worden [X.]) Schließlich begründen auch die sehr knappen Darlegungen des[X.]s zu einzelnen Strafzumessungsgründen ([X.] f.) die Besorg-nis, der Tatrichter habe das Gewicht der von ihm festgestellten strafmilderndenUmstände nicht hinreichend berücksichtigt und den strafschärfenden [X.] daher insgesamt zu hohes Gewicht beigemessen. Zugunsten des [X.] sprechende Umstände führen die Urteilsgründe hier nur in fünf Zei-len auf und stellen ihnen - deutlich breiter - Gesichtspunkte entgegen, derenstrafschärfende Berücksichtigung auf der Grundlage der [X.] bedenkenfrei erscheint. So kommt etwa den straferhöhend gewertetenUmständen, daß der Angeklagte "zielgerichtet mit der Pistole in der Tasche [X.] betreten (hat)", daß er "zielgerichtet und zügig (ausführte), was er fürerforderlich hielt", und daß er sich bei den anwesenden Zeugen entschuldigteund "zur Polizei (ging), nachdem er sein Werk erledigt hatte" ([X.]), hier- 6 -kaum das vom [X.] angenommene Gewicht zu; sie lassen überdieseinen Verstoß gegen § 46 Abs. 3 StGB besorgen.Im Widerspruch zu den Feststellungen steht die strafschärfende Erwä-gung, der Angeklagte habe die Tat begangen, weil er die Entscheidung [X.] im Sorgerechtsstreit nicht abwarten, seine Tochter ganz für sich ha-ben und "seine eigene Entscheidung im Wege der Selbstjustiz" treffen wollte([X.]). Es ist nicht ersichtlich, wie der Angeklagte dieses Ziel durch dieoffene Tötung seiner Ehefrau und die sofort anschließende Selbststellung hätteerreichen können; Feststellungen zu entsprechenden Vorstellungen enthältdas Urteil nicht.3. Der Senat kann auf der Grundlage der unzureichenden und im [X.] nicht bedenkenfreien Darlegungen der Urteilsgründe nicht ausschlie-ßen, daß der Tatrichter bei erschöpfender und [X.] für die Strafzumessung wesentlichen Umstände zu einer milderen Strafegelangt wäre.[X.] Fischer Roggenbuck

Meta

2 StR 471/02

17.01.2003

Bundesgerichtshof 2. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 17.01.2003, Az. 2 StR 471/02 (REWIS RS 2003, 4843)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2003, 4843

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.