Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 13.11.2002, Az. 4 StR 438/02

4. Strafsenat | REWIS RS 2002, 726

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[X.] StR 438/02vom13. November 2002in der Strafsachegegenwegen gefährlicher Körperverletzung u.a.- 2 -Der 4. Strafsenat des [X.] hat nach Anhörung des [X.] und des Beschwerdeführers am 13. November 2002 gemäß § 349Abs. 2 und 4 StPO [X.] Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil [X.] vom 21. Mai 2002 mit [X.] aufgehoben, soweit die Unterbringungdes Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhausangeordnet worden ist.2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer [X.] und Entscheidung, auch über die Kosten [X.], an eine andere [X.] des Landge-richts zurückverwiesen.3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.Gründe:Das [X.] hat den Angeklagten wegen gefährlicher Körperverlet-zung und Körperverletzung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs [X.] einer Woche verurteilt. Von dem Vorwurf des Mißbrauchs einer Wider-standsunfähigen in drei Fällen hat es ihn wegen fehlender Schuldfähigkeit (Un-rechtseinsichtsfähigkeit) freigesprochen und - wie sich aus dem verkündetenUrteilsspruch und auch aus den Urteilsgründen ergibt - seine Unterbringung ineinem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet; von dem weiteren [X.] schweren sexuellen Mißbrauchs eines Kindes in zwei Fällen und des se-xuellen Mißbrauchs eines Kindes hat es ihn aus tatsächlichen Gründen freige-sprochen. Die auf die Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision des- 3 -Angeklagten hat hinsichtlich des [X.] Erfolg; im übrigen ist sieunbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.Die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus nach § 63StGB setzt neben der positiven Feststellung einer auf einem länger andauern-den, nicht nur vorübergehenden geistigen Defekt beruhenden Schuldunfähig-keit (§ 20 StGB) oder erheblichen Verminderung der Schuldfähigkeit (§ 21StGB) voraus, daß die unterzubringende Person eine rechtswidrige Tat began-gen hat, in der sich die Störung manifestiert. Weiterhin muß die Gesamtwürdi-gung von Tat und Täter ergeben, daß aufgrund des zur Schuldunfähigkeit odererheblich verminderten Schuldfähigkeit führenden Zustandes eine über diebloße Möglichkeit hinausgehende Wahrscheinlichkeit weiterer erheblicherrechtswidriger Taten besteht (st. Rspr., vgl. nur BGHSt 34, 22, 26/27). [X.] werden die Darlegungen in dem angefochtenen Urteil nicht ge-recht.1. Die Urteilsgründe belegen zwar, daß der Angeklagte, der einen Intel-ligenzquotienten von 42 aufweist, aufgrund einer mittelgradigen Intelligenzmin-derung (Schwachsinn i.S. des § 20 StGB) schuldunfähig war, weil es ihm, be-zogen auf die ihm zur Last gelegten rechtswidrigen Taten des sexuellen Miß-brauchs einer Widerstandsunfähigen, an der erforderlichen Einsichtsfähigkeitfehlte [[X.] 7]. Aus dem angefochtenen Urteil ergibt sich aber nicht, daß der An-geklagte mit seinem Verhalten den äußeren Tatbestand des § 179 StGB über-haupt verwirklicht hat.a) Zu den [X.] stellt die [X.] lediglich fest, daß der An-geklagte dreimal, und zwar im [X.] 1996 sowie in den Jahren 2000 und2001, sexuelle Handlungen an der am 5. Juli 1975 geborenen [X.] , der- 4 -Tochter seiner Lebensgefährtin, vornahm und beim [X.] auch den [X.] mit ihr vollzog [[X.]]. Das Urteil teilt ferner mit, daß dieaufgrund ihrer geistigen Behinderung ([X.]) zu 80 % schwerbehin-derte Frau dies über sich ergehen ließ, ohne verbale oder körperliche Gegen-wehr zu zeigen. Es enthält jedoch keine eindeutigen Feststellungen [X.], daß [X.] aufgrund ihrer Behinderung psychisch widerstandsun-fähig (vgl. dazu BGHSt 32, 183, 185 m.w.[X.]; 36, 145, 147) gegenüber den se-xuellen Übergriffen des Angeklagten war. Zwar hat die Sachverständige, dieden Angeklagten psychiatrisch begutachtet hat, im Rahmen ihrer Ausführungenzu dessen Schuldfähigkeit gemeint, [X.] habe "aufgrund der bei ihrvorliegenden [X.] überhaupt keinen eigenen Willen hinsichtlich [X.] Angeklagten beabsichtigten sexuellen Handlungen bilden" können ([X.] 7).Dies ist jedoch nicht mit der Feststellung in Einklang zu bringen, [X.] habe "in ihrer Vernehmung bekundet, sie habe sich nicht gegen den Ange-klagten gesträubt, obwohl sie nicht mit dessen sexuellen Handlungen einver-standen gewesen sei" ([X.] 6). Aufgrund der bisherigen Feststellungen ist [X.] Revisionsgericht nicht nachprüfbar, ob das [X.] zu Recht von einerpsychischen Widerstandsunfähigkeit der Zeugin ausgegangen [X.]) Vor allem aber ist nicht dargetan, daß das Tatbestandsmerkmal [X.] gegeben ist. Dies ist dann der Fall, wenn der Täter erkennt, daßder Zustand des Opfers die Vornahme oder Duldung der sexuellen Handlungermöglicht oder erleichtert, und dies bewußt einkalkuliert (vgl. [X.]/FischerStGB 50. Aufl. § 179 Rdn. 17). Dem Angeklagten war diese Erkenntnis auf-grund seiner Hirnleistungsschwäche versagt. Es versteht sich vorliegend aberauch nicht von selbst, daß ein geistig Gesunder die Widerstandsunfähigkeitder Frau hätte erkennen können. Die [X.] geht zwar, den Ausführun-gen der zur Schuldfähigkeit des Angeklagten gehörten Sachverständigen [X.] -gend, davon aus. Mangels näherer Beschreibung des bei [X.] vorlie-genden Krankheitsbildes in dem angefochtenen Urteil vermag der Senat [X.] nicht nachzuvollziehen. Auch insoweit bedarf es weiterer [X.] Hinsichtlich der Tat vom [X.] 1996 hat das [X.] zudemnicht bedacht, daß diese bereits verjährt ist und deshalb als Grundlage einerMaßregelanordnung nicht mehr in Betracht kommt (§ 78 Abs. 1 Satz 1 StGB).Diese Tat war nach dem zur Tatzeit geltenden Recht im Höchstmaß mit Frei-heitsstrafe bis zu fünf Jahren bedroht; sie ist mithin im [X.] 2001, also nochvor Anzeigeerstattung [Bd. I Bl. 35 [X.]: 31. August 2001], verjährt (§ 78 Abs. 3Nr. 4 StGB). Dabei ist ohne Belang, daß der Strafrahmen des § 179 Abs. 1StGB durch das [X.] vom 26. Januar 1998 im Höchstmaß auf zehn [X.] angehoben worden ist, da es für die Berechnung der Dauer derVerjährungsfrist bei einer Änderung der Strafandrohung nach § 2 Abs. 3 [X.] den zur Tatzeit geltenden Strafrahmen ankommt (vgl. BGHR StGB § 78Abs. 3 Fristablauf 2).3. Der [X.] hätte im übrigen auch deswegen keinen [X.], weil die nach § 63 StGB vorausgesetzte Gefährlichkeitsprognose [X.] ist. Die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus ist eineaußerordentlich beschwerende Maßnahme. Deshalb darf sie nur angeordnetwerden, wenn die Wahrscheinlichkeit besteht, daß der Betroffene infolge [X.] fortdauernden Zustandes künftig erhebliche rechtswidrige Taten begehenwird. Davon ist das [X.] zwar ausgegangen, es hat seine Prognoseaber nicht ausreichend belegt. Insbesondere stellt die tragende Erwägung [X.], die intensive Beschäftigung des Angeklagten mit Sexualität, bei-spielsweise sein Wäschefetischismus, lasse erwarten, daß er sich dann, wenn- 6 -wegen der Beendigung seiner bisherigen Sozialbeziehungen keine Opfer [X.] zur Verfügung stünden, an anderen Opfern in ähnlicher Weisevergehen werde, nicht mehr als eine Vermutung dar.Tepperwien Kuckein Athing

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4 StR 438/02

13.11.2002

Bundesgerichtshof 4. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 13.11.2002, Az. 4 StR 438/02 (REWIS RS 2002, 726)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2002, 726

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