Bundessozialgericht, Beschluss vom 19.07.2018, Az. B 8 SO 6/18 B

8. Senat | REWIS RS 2018, 5756

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Gegenstand

Sozialgerichtliches Verfahren - Nichtzulassungsbeschwerde - Verfahrensmangel - Verletzung des Grundsatzes des gesetzlichen Richters - Ablehnung eines Befangenheitsantrags in den Urteilsgründen unter Mitwirkung des abgelehnten Richters - Verlust des Ablehnungsrechts - Einlassung in die Verhandlung


Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des [X.] vom 15. Dezember 2017 wird als unzulässig verworfen.

Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Gründe

1

I. Im Streit ist die Erstattung von Kosten der Unterkunft für die [X.] der Inhaftierung des [X.].

2

Der Kläger war in der [X.] vom 17.9.2015 bis zum 15.3.2016 zur Ableistung einer Ersatzfreiheitsstrafe in Haft. Seinen Antrag auf Übernahme des Mietzinses zum Erhalt seiner Wohnung während seiner Abwesenheit lehnte der Beklagte ab (Bescheid vom 21.10.2015; Widerspruchsbescheid vom 3.2.2016). Seine hiergegen gerichtete Klage ist in erster Instanz ohne Erfolg geblieben (Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Nürnberg vom 13.6.2016). Im Berufungsverfahren hat der Berichterstatter, dem die Berufung übertragen worden war, die Anträge des [X.] auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) unter Beiordnung eines Rechtsanwalts sowie auf Erstattung von Fahrtkosten für die Teilnahme an der mündlichen Verhandlung abgelehnt und einen [X.] vor der mündlichen Verhandlung nicht beschieden. Einen Befangenheitsantrag des [X.] vom [X.] hat das [X.] ([X.]) als unzulässig behandelt und mit dem abgelehnten [X.] darüber im Rahmen seiner die Berufung des [X.] zurückweisenden Entscheidung befunden (Urteil des [X.] vom 11.8.2016). Auf die gegen dieses Urteil erhobene Nichtzulassungsbeschwerde des [X.] hat der Senat wegen der vom Kläger gerügten Nichtbescheidung des [X.] bis zum Beginn der mündlichen Verhandlung den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das [X.] zurückverwiesen (Beschluss vom 12.5.2017 - [X.] [X.] 69/16 B).

3

Im wiedereröffneten Berufungsverfahren hat das [X.] - nach durchgeführter nichtöffentlicher Beweisaufnahme - unter Mitwirkung des abgelehnten [X.]s die Berufung des [X.] mit Zustimmung der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung zurückgewiesen (Urteil vom 15.12.2017). Es hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt, die Voraussetzungen für die Übernahme der Kosten der Unterkunft während des [X.] lägen nicht vor. Das Ablehnungsgesuch des [X.] gegen den Vorsitzenden vom [X.] sei unzulässig.

4

Gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil vom 15.12.2017 wendet sich der Kläger mit seiner Nichtzulassungsbeschwerde. Er rügt eine fehlerhafte Besetzung des Gerichts, weil sein Ablehnungsgesuch nicht unzulässig gewesen sei (Art 101 Abs 1 Satz 2 Grundgesetz ; § 202 Sozialgerichtsgesetz <[X.]> iVm § 547 [X.] Zivilprozessordnung ).

5

II. Die Beschwerde ist unzulässig und daher gemäß § 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm § 169 Satz 3 [X.] ohne Zuziehung der ehrenamtlichen [X.] zu verwerfen. Ihre Begründung entspricht nicht den aus § 160a Abs 2 Satz 3 [X.] abzuleitenden Anforderungen an die Bezeichnung eines Verfahrensfehlers.

6

Gemäß § 160 Abs 2 [X.] [X.] ist die Revision zuzulassen, wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der geltend gemachte Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung von § 109 [X.] und § 128 Abs 1 Satz 1 [X.] (Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung) und auf eine Verletzung des § 103 [X.] (Amtsermittlungsgrundsatz) nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das [X.] ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Um einen Verfahrensmangel in diesem Sinne geltend zu machen, müssen die Umstände bezeichnet werden, die den entscheidungserheblichen Mangel ergeben sollen (vgl zB [X.] § 160a [X.]4, 24, 36). Diesen Anforderungen genügt das Vorbingen des [X.] zur Entziehung des gesetzlichen [X.]s gemäß Art 101 Abs 1 Satz 2 GG infolge Verstoßes gegen die Vorschriften zum Befangenheitsgesuch (§ 60 Abs 1 [X.], § 45 Abs 2 ZPO) nicht. Zur hinreichenden Bezeichnung eines solchen Verfahrensmangels hätte der Kläger - wofür auch Anlass bestanden hätte - schlüssig aufzeigen müssen, dass sich sein Befangenheitsgesuch durch sein eigenes Verhalten nicht erledigt bzw er sein Ablehnungsrecht nicht verloren hat. Hieran fehlt es.

7

Erfolgt die Ablehnung eines Befangenheitsantrags nicht durch Zwischenentscheidung (dazu [X.]-1500 § 160a [X.] Rd[X.] 9 f), sondern - wie hier - in den Urteilsgründen unter Mitwirkung des abgelehnten [X.]s, kann zwar ein Verfahrensfehler vorliegen, auf dem die Entscheidung beruhen kann (vgl [X.]-1500 § 60 [X.] 4; [X.]-1100 Art 101 [X.]). Der abgelehnte [X.] darf über ein Ablehnungsgesuch nur selbst entscheiden, wenn das Ablehnungsgesuch rechtsmissbräuchlich oder offensichtlich unzulässig ist (vgl zB [X.] vom 20.7.2007 - 1 BvR 2228/06 - NJW 2007, 3771 f). Dies gilt jedoch nur, wenn das Ablehnungsrecht nicht nach § 60 [X.] iVm § 43 ZPO verloren gegangen ist. Nach § 43 ZPO kann eine [X.] einen [X.] wegen Besorgnis der Befangenheit nicht mehr ablehnen, wenn sie sich bei ihm, ohne den ihr bekannten Ablehnungsgrund geltend zu machen, in die Verhandlung eingelassen oder Anträge gestellt hat. Nach der Rechtsprechung des [X.] erledigt sich ein Ablehnungsgesuch nach § 60 Abs 1 [X.] iVm §§ 43, 47 ZPO, wenn der Kläger einen Befangenheitsantrag gestellt, jedoch der zur mündlichen Verhandlung erschienene Prozessbevollmächtigte des [X.] sich in Kenntnis des Ablehnungsgesuchs in die Verhandlung eingelassen und ausschließlich Sachantrag gestellt hat (vgl [X.] Beschluss vom 20.1.2016 - B 14 [X.] 193/15 B - juris Rd[X.] 9 ff; anders aber [X.] Beschluss vom 26.4.2016 - [X.]/15 - juris Rd[X.]4 ff).

8

Ausführungen hierzu fehlen. Gerade im wiedereröffneten Berufungsverfahren, in welchem Prozessbevollmächtigter und Kläger an einer durch den abgelehnten [X.] geführten nichtöffentlichen Sitzung zur Beweisaufnahme und Erörterung des Sachverhalts teilgenommen und anschließend einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung (§ 124 Abs 2 [X.]) zugestimmt haben, hätte es aber der Auseinandersetzung mit dieser Rechtsprechung bedurft. Dies gilt auch mit Blick darauf, dass der vom Kläger abgelehnte [X.] an der Verfahrensweise, mit der der Kläger sein Ablehnungsgesuch sachlich begründet hatte (Ablehnung von PKH und eines Reisekostenvorschusses für den Besuch der mündlichen Verhandlung), nach Wiedereröffnung des Berufungsverfahrens nicht festgehalten hat, er vielmehr PKH bewilligt und das persönliche Erscheinen zum Termin (§ 111 Abs 1 [X.]) angeordnet hat. Daher zeigt auch der Verweis auf die fehlende dienstliche Äußerung des abgelehnten [X.]s und auf einen Verstoß gegen § 47 ZPO einen Verfahrensfehler nicht schlüssig auf.

9

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 Abs 1 [X.].

Meta

B 8 SO 6/18 B

19.07.2018

Bundessozialgericht 8. Senat

Beschluss

Sachgebiet: SO

vorgehend SG Nürnberg, 13. Juni 2016, Az: S 20 SO 28/16, Gerichtsbescheid

§ 160a Abs 1 S 1 SGG, § 160 Abs 2 Nr 3 SGG, § 60 Abs 1 SGG, § 42 Abs 1 ZPO, § 45 Abs 2 S 1 ZPO, § 43 ZPO, § 47 Abs 1 ZPO, Art 101 Abs 1 S 2 GG

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Beschluss vom 19.07.2018, Az. B 8 SO 6/18 B (REWIS RS 2018, 5756)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2018, 5756

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VIII ZB 47/15

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