Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 10.01.2018, Az. 2 StR 525/16

2. Strafsenat | REWIS RS 2018, 15885

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[X.]:[X.]:[X.]:2018:100118U2STR525.16.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

IM NAMEN [X.]S VOLKES

URTEIL
2
StR 525/16

vom
10. Januar 2018
in der
Strafsache
gegen

wegen gefährlicher Körperverletzung

-
2
-
Der 2.
Strafsenat des [X.] hat in der Sitzung vom 10. Januar 2018, an der teilgenommen haben:

[X.] am [X.]
Prof. Dr. [X.],

als Vorsitzender

die [X.] am [X.]
Dr. [X.],
[X.],
die [X.]innen am [X.]
Dr. [X.],
Wimmer

Bundesanwältin beim [X.]

in der Verhandlung,
Staatsanwalt

bei der Verkündung

als Vertreter der [X.],

Rechtsanwalt

als Verteidiger,

Amtsinspektorin

als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
-
3
-

1.
Auf die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des [X.] vom 7. Juli 2016
wird
a) die Urteilsformel dahin ergänzt, dass der Angeklagte im Übrigen freigesprochen wird und die Staatskasse inso-weit die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Angeklagten trägt;

b) im gesamten Rechtsfolgenausspruch mit den zugehöri-gen Feststellungen aufgehoben.
2.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur
neuen
Ver-handlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere als [X.] zustän-dige Strafkammer des [X.] zurückverwiesen.
3.
Die weitergehende Revision wird verworfen.

Von Rechts wegen

Gründe:
Das [X.] hat den Angeklagten der gefährlichen Körperverletzung schuldig gesprochen und seine Unterbringung in einem psychiatrischen Kran-kenhaus angeordnet. In den Urteilsgründen hat es von der Verhängung einer

3 [X.] abgesehen. Die Revi-sion des Angeklagten, mit der er die Verletzung materiellen Rechts rügt,
hat 1
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4
-
den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Erfolg; im Übrigen erweist sie
sich als unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
1. Der Senat holt den versehentlich unterbliebenen Freispruch nach, so-weit die Anklage dem Angeklagten eine weitere Tat vorwirft, für die er
nicht ver-urteilt wurde und für die das [X.] in den Urteilsgründen zum Ausdruck gebracht
hat, dass der Angeklagte insoweit freizusprechen ist.
2. Das [X.] hat im Wesentlichen die folgenden Feststellungen und Wertungen getroffen:
a) Der
bislang nicht vorbestrafte Angeklagte begab sich am Morgen des 3. Oktober 2015
älteren [X.] und freundschaftliche e-p-nach [X.] reisen wollte, dessen
[X.] nach M.

gestrichen worden war. Der Angeklagte schlug -
fach -
mindestens 4 [X.] -
mit [X.], wobei er zumindest mit bedingtem Tötungsvorsatz handelte. Von weiteren Handlungen ließ er ab, obwohl er bemerkt hatte, dass sein Bruder noch lebte; er zu verbinden

2
3
4
-
5
-
b) Das [X.] hat die Tat des Angeklagten als gefährliche Körper-verletzung gemäß §
224 Abs.
1 Nr.
2
Var.
2
und Nr.
5 StGB gewertet; vom (un-beendeten) Versuch eines Tötungsdelikts sei der Angeklagte gemäß §
24 Abs.
1 Satz
1 Var.
1 StGB strafbefreiend zurückgetreten.
Das sachverständig beratene [X.] hat zum Zustand des Ange-r-

Stimulanzien mit e-gen sei zwar bei dem Angeklagten zum Tatzeitpunkt seine Fähigkeit, das [X.] einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, nicht gemäß §
20 StGB ausgesch

3. Ausweislich der Feststellungen ist der Schuldspruch gegen den Ange-klagten wegen gefährlicher Körperverletzung revisionsrechtlich nicht zu [X.]. Die auf die erhobene Sachrüge durchzuführende umfassende Über-prüfung des Urteils zeigt keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten
auf. Der Senat kann auch dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe noch ausreichend entnehmen, dass die [X.] von einer erheblich einge-schränkten Steuerungsfähigkeit des Angeklagten ausgegangen ist.
4. [X.] gemäß §
63 StGB ist hingegen rechtlich zu beanstanden. Die für eine Unterbringungsanordnung vorausgesetzte Gefahren-prognose ist nicht ausreichend begründet.
Dadurch verliert auch die auf §
5 Abs.
3 [X.] gestützte Entscheidung zum Absehen von der Verhängung einer Jugendstrafe ihre Grundlage.
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6
-
a)
Die unbefristete Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus gemäß §
63
StGB ist eine außerordentlich belastende Maßnahme, die einen besonders gravierenden Eingriff in die Rechte des Betroffenen darstellt. Sie darf daher nur angeordnet werden, wenn eine Wahrscheinlichkeit höheren Grades dafür besteht, der Täter werde infolge seines fortdauernden Zustands in Zukunft erhebliche rechtswidrige Taten begehen, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich erheblich geschädigt oder erheblich gefährdet werden oder schwerer wirtschaftlicher Schaden angerichtet wird (§
63 Satz
1 StGB). Diese Prognose ist auf der Grundlage einer umfassenden Würdigung der Persönlichkeit des [X.], seines [X.] und der von ihm begangenen [X.] zu entwickeln (st. Rspr.;
vgl. etwa [X.], Beschluss vom 7.
Juni 2016 -
4
StR 79/16, [X.], 306 mwN). Einzustellen sind die konkrete Krankheits-
und Kriminalitäts-entwicklung sowie die auf die Person des Angeklagten und seine konkrete [X.] bezogenen Risikofaktoren,
die eine individuelle krankheitsbeding-te Disposition zur Begehung von Straftaten jenseits der [X.]en belegen können (vgl. auch [X.], Beschluss vom 21.
Dezember 2016 -
1
StR 594/16, [X.], 76, 77). Der Tatrichter hat die der Unterbringungsanordnung zugrunde liegenden Umstände in den Urteilsgründen so umfassend darzustel-len,
dass das Revisionsgericht in die Lage versetzt wird, die Entscheidung nachzuvollziehen (st. Rspr.; etwa [X.], Beschlüsse vom 12.
Oktober 2016
-
4
StR 78/16, [X.], 74, 75; vom 15.
Januar 2015 -
4
StR 419/14, [X.], 394, 395 und vom 10.
November
2015 -
1
StR 265/15, [X.], 76
mwN).
b)
Die knappen und damit angesichts des erheblichen Eingriffs, der mit der Unterbringung nach §
63 StGB verbunden ist, nicht mehr ausreichenden Urteilsgründe belegen nicht eine Wahrscheinlichkeit höheren Grades für die Begehung erheblicher Straftaten.
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10
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7
-
Nach den Ausführungen des Sachverständigen, denen die [X.] auch insoweit gefolgt ist, seien von dem Angeklagten auch zukünftig die Allgemeinheit gefährdende erhebliche Straftaten zu erwarten.
Die Gefährlichkeit des Angeklagten für die Allgemeinheit ergebe sich aus der [X.] und einem weiteren Vorfall in der Psychiatrischen Klinik am 5. Mai 2016, in der
der Ange-klagte nach seiner Festnahme untergebracht worden war.
Diesen Darlegungen lässt sich nicht hinreichend entnehmen, mit welcher Wahrscheinlichkeit die Gefahr einer Wiederholung in der Zukunft besteht. Es ist schon nicht ausreichend mit Tatsachen belegt, dass die -
nicht angeklagte
-
Tat vom 5.
Mai 2016
auf der Erkrankung des Angeklagten
beruht, dessen [X.] und innere Tatseite zudem nicht mitgeteilt werden,
sodass deren Prog-noserelevanz nicht beurteilt werden kann (vgl. Senat, Beschluss vom 15.
März 2017 -
2 [X.], [X.]R StGB §
63 Gefährlichkeit 35; [X.], Beschluss vom 7.
Juni 2016 -
4 StR 79/16, [X.], 306, 307 mwN;
Senat, Beschluss vom 8.
August 2007 -
2 StR 296/07, StraFo
2007, 468;
vgl. auch
Matt/[X.]/[X.], StGB, §
63 Rn. 33).
Auch der Umstand, dass eine solche Tat während der stationären Unterbringung begangen wurde,
ist im Rahmen der zu treffenden Gefährlichkeitsprognose einzustellen
(vgl. auch Senat, Be-schluss vom 9.
Dezember 2014 -
2
StR 297/14, [X.]R StGB §
63 Gefährlich-keit 33 mwN).

Zudem hat das [X.] die bisherige Unbestraftheit des Angeklagten in den Urteilsgründen nicht erkennbar berücksichtigt und auch nicht festgestellt, dass früheres Verhalten des Angeklagten gegenüber Mitschülern auf seiner Erkrankung beruht.
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8
-
Schließlich hätte die [X.] auch in ihre Erwägungen [X.] müssen, dass die Motivation zur [X.] wesentlich in konstellativen Fak-toren zu sehen sein könnte, die dem persönlichen Lebensbereich des Ange-klagten vor dem Hintergrund der besonderen Beziehung zu seinem Bruder zu-zuordnen sind. Auch die Feststellungen, von weiteren Handlungen habe er ab-h-
Wenn sich
Straftaten, aufgrund derer die Unterbringung angeordnet wird, nur gegen eine bestimmte Person richten oder in der Beziehung zu dieser Person ihre Ursache haben, bedarf die Annahme, dass der Täter für die Allgemeinheit gefährlich ist, genauer Prüfung und Darlegung aufgrund konkreter tatsächlicher Feststellun-gen (vgl. [X.], Beschluss vom 31. August 2017 -
4 [X.]/17,
BeckRS 2017, 127903 mwN; Senat, Urteil vom 22. April 2015 -
2
StR 393/14, [X.], 306 f.); insoweit genügt die bloße Wiederholungsmöglichkeit ebenso wenig wie eine nur latente Gefahr weiterer Straftaten
(vgl. auch [X.], Beschluss vom 19.
Januar 2010 -
4 [X.], insoweit nicht abgedruckt in [X.], 384, 385).
c) Mit Blick auf den schwerwiegenden Eingriff der mit der -
grundsätzlich
unbefristeten -
Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus verbunden ist, kann auch dann nicht auf eine sorgfältige Prüfung und Darlegung aller Un-terbringungsvoraussetzungen verzichtet werden, wenn bei dem Betroffenen

-
wie hier dem
Angeklagten
-

der die Gefahr der Begehung erheblicher Straftaten nicht fernliegend erschei-nen lässt.
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9
-
Die Aufhebung des [X.] hat aufgrund des bestehenden inneren Zusammenhangs auch die Aufhebung der Entscheidung nach §
5 Abs.
3 [X.] zur Folge. Der Umstand, dass nur der Angeklagte Revision einge-legt hat, steht dem nicht entgegen. Wird die Anordnung einer Unterbringung nach §
63 StGB allein auf eine Revision des Angeklagten hin aufgehoben, hin-dert das [X.] den neuen Tatrichter nicht daran, an Stelle der Unterbringung eine Strafe zu verhängen (§
358 Abs.
2 Satz
2 StPO). Dies gilt nach §
2 Abs.
2 [X.] auch im Jugendverfahren
(vgl. auch [X.], Beschluss vom 19. Dezember 2012 -
4 [X.], [X.]R
[X.] §
5 Abs 3 Absehen 3).
[X.] [X.] [X.]

[X.] Wimmer
16

Meta

2 StR 525/16

10.01.2018

Bundesgerichtshof 2. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 10.01.2018, Az. 2 StR 525/16 (REWIS RS 2018, 15885)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2018, 15885

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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