Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 12.04.2017, Az. 2 StR 454/16

2. Strafsenat | REWIS RS 2017, 12501

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[X.]:[X.]:[X.]:2017:120417U2S[X.]R454.16.0

BUN[X.]SGERICH[X.]SHOF

IM NAMEN [X.]S VOLKES

UR[X.]EIL
2 StR 454/16
vom
12. April
2017
in der Strafsache
gegen

wegen Verdachts der besonders schweren räuberischen Erpressung

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2
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Der 2.
Strafsenat des [X.] hat in der Sitzung vom 12.
April
2017, an der teilgenommen haben:
[X.] am [X.]
Prof. Dr. Krehl

als Vorsitzender,

die [X.] am [X.]
Dr. [X.],
[X.],
die [X.]innen
am [X.]
Dr. [X.],
[X.],

[X.] beim [X.]

als Vertreterin
der Bundesanwaltschaft,

Rechtsanwalt

als Verteidiger,

Amtsinspektorin

als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
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Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des [X.] vom 21. Juni 2016 wird verworfen.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tra-gen.

Von Rechts wegen

Gründe:
Das [X.] hatte den Angeklagten in einem ersten Urteil [X.] und seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus [X.]. Nach [X.] und Zurückverweisung der Sache durch Se-natsbeschluss vom 17.
Februar 2016

2 StR 545/15 ([X.], 720 ff.)

hat es mit dem nunmehr angefochtenen Urteil erneut den Angeklagten freigespro-chen und seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus [X.]. Gegen die [X.] richtet sich die auf die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten. Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.

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I.
1. Nach den Feststellungen des [X.]s entwickelte der Angeklagte nach einer Kündigung seines Arbeitsverhältnisses durch die Firma P.

im
Jahre 2006 grundlos die Vorstellung, dieses Unternehmen sei an Geldwäsche beteiligt, die zusammen mit Banken begangen werde. Der Angeklagte zog sich aus seinem [X.] Umfeld zurück und verbrachte seine [X.] im Wesentlichen mit Recherchen zu seinem Verdacht. Es kam zu Strafverfahren wegen ver-schiedener Straftaten gegen ihn. Der Angeklagte befürchtete, vergiftet zu wer-den. Bei einer stationären psychiatrischen Behandlung in der [X.] vom 10.
März bis zum 23.

sowie Nebenkläger. Mehrere Gerichtsverfahren liefen, er solle jetzt mundtot gemacht werden. Alles sei ein großes Komplott. Dahinter steckten die [X.] sowie die Sparkasse, die würden Geldwäsche betreiben, würden alle be-

Nach der Räumung seines Elternhauses lebte der Angeklagte in einem Zelt in den Dünen am [X.] zwischen K.

und [X.].

. Er
verfügte weder über Geld noch über Lebensmittel und hatte zur [X.]atzeit seit zwei [X.]agen nichts gegessen. Daher beschloss er am 16.
April 2015, die Urlau-berinnen H.

und S.

, die am Strand spazieren gingen, zur Herausgabe
von Bargeld zu zwingen. Er ergriff einen Ast und näherte sich den Frauen von hinten. Dann schlug er beiden Geschädigten mit dem Ast mehrfach auf den e-ren Schlägen händigte die Geschädigte S.

dem Angeklagten ihr Porte-
monnaie und ihr Mobiltelefon aus.
Der Angeklagte nahm zehn Euro weg und warf das Mobiltelefon in die [X.]. Von dem Geld kaufte er sich Nahrungsmit-tel.
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2. Das sachverständig beratene [X.] hat angenommen, dass der Angeklagte eine besonders schwere räuberische Erpressung gemäß §§
253, 255, 250 Abs.
2 Nr.
1 StGB in [X.]ateinheit mit gefährlicher Körperverletzung ge-mäß §
224 Abs.
1 Nr.
2 und Nr.
3 StGB begangen habe; jedoch habe er dabei krankheitsbedingt ohne Unrechtseinsicht und deshalb gemäß §
20 StGB ohne Schuld gehandelt. Er sei in
völliger Realitätserkennung davon ausgegangen, a-tive gehabt habe.

II.
Die Revision des Angeklagten ist unbegründet.
1. Die Feststellung einer rechtswidrigen [X.]at gemäß §§
253, 255, 250 Abs.
2 Nr.
1, §
224 Abs.
1 Nr.
2 und Nr.
3, §
52 Abs.
1 StGB ist ebenso rechts-fehlerfrei wie die Annahme, dass der Angeklagte bei der Begehung der [X.]at we-gen einer krankhaften seelischen Störung ohne Schuld gehandelt hat (§
20 StGB).
Die Diagnose eines zur [X.]atzeit bestehenden und danach weiter [X.] systematisierten Wahns, verbunden mit akustischen Halluzinationen und Körperhalluzinationen als Symptome einer schizophrenen Psychose hat das sachverständig beratene [X.] im Einzelnen dargelegt. Dagegen ist rechtlich nichts zu erinnern. Seine Auffassung, der Angeklagte sei wegen seiner krankhaften seelischen Störung zur [X.]atzeit nicht in der Lage gewesen, das Un-recht seiner Handlung einzusehen, ist ebenfalls rechtsfehlerfrei.
So hat der Angeklagte nach seiner Einlassung in der Hauptverhandlung 4
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Behauptung, er sei berechtigt gewesen, gegen die Geschädigten Gewalt anzu-das ist für [X.] Verfassungsrecht. Das ist wie [X.], dann geht es um die [X.] hat das [X.] nachvollziehbar darauf geschlossen, dass der Angeklagte infolge seiner Wahnvorstellung von anarchischen [X.] ausgegangen sei, die es ihm gestatteten, ohne Rücksicht auf die Rechte anderer Gewalt anzuwenden, um seine Existenz zu sichern. Insoweit habe sein Handeln trotz des vordergründig rational erscheinenden Handlungsmotivs, sich Geld zu beschaffen, um seinen Hunger zu stillen, auf seinen wahnhaften Denk-inhalten beruht.
Dem Angeklagten war daher die Möglichkeit
zur Unrechtseinsicht auf-grund einer krankheitsbedingten Fehlvorstellung über eine Notstandslage ver-sperrt (vgl. [X.], Beschluss vom 27.
Oktober 2010

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StR 505/10, [X.], 336
f.).
2. Das [X.] hat rechtsfehlerfrei ausgeführt, dass die Gesamtwür-digung des [X.]äters und seiner [X.]at ergibt, dass von ihm infolge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige [X.]aten, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich erheblich geschädigt oder gefährdet werden, zu erwarten sind und er deshalb für die Allgemeinheit gefährlich ist (§
63 Satz
1 StGB).
a) Dazu durfte das [X.] unbeschadet der [X.]ilgung von [X.] im Bundeszentralregister auch auf frühere strafbare Verhaltensweisen zu-rückgreifen. In der Heranziehung im Bundeszentralregister getilgter Verurteilun-gen zur Beurteilung der Gefährlichkeitsprognose liegt hier kein Verstoß gegen das prinzipiell auch bei der Anordnung von Maßregeln der Besserung und Si-9
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cherung geltende Verwertungsverbot gemäß §
51 Abs.
1 [X.] (vgl. [X.], [X.] vom 18.
Juni 2013

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StR 145/13 mwN). Die Verwertung kann auf §
52 Abs.
1 Nr.
2 [X.] gestützt werden. Danach darf eine frühere [X.]at abweichend von §
51 Abs.
1 [X.] berücksichtigt werden, wenn in einem neuen Strafver-fahren ein Gutachten über den Geisteszustand des Betroffenen zu erstatten ist und die Umstände der früheren [X.]at dafür von Bedeutung sind. Dadurch soll vermieden werden, dass ein Sachverständiger, der ein Gutachten über den Geisteszustand des Betroffenen zu erstellen hat, zu falschen oder nicht belast-baren Aussagen gelangt, weil er bei der Persönlichkeitsanamnese auf bedeut-same Erkenntnisse verzichten muss (vgl. [X.], Beschluss vom 21.
August 2012

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StR 247/12, [X.]R [X.] §
52 Abs.
1 Nr.
2 Verwertbarkeit
1 mwN). §
52 Abs.
1 Nr.
2 [X.] hebt das Verwertungsverbot für
bestimmte [X.] aus der getilgten Verurteilung auf, wenn deren Verwendung für eine tragfä-hige Beurteilung des Geisteszustandes des Betroffenen erforderlich ist. Auf die-sen Verwendungszweck hat sich das [X.] beschränkt.
b) Die Gefährlichkeit des Angeklagten wegen einer erhöhten Wahr-scheinlichkeit der künftigen Begehung erheblicher Straftaten ist hinreichend dargetan.
Aus den [X.]atsachen des Vorliegens eines systematisierten Wahns, des Fehlens von Krankheitseinsicht, der darauf beruhenden
Ablehnung von [X.] und der Art der Fehlvorstellung des Angeklagten, er dürfe aufgrund einer notstandsähnlichen Situation Gewalt gegen beliebige Dritte anwenden, n-lichkeitvergleichbare Handlungen des Angeklagten wie bei der rechtswidrigen [X.]at vom 16.
April 2015 zu erwarten seien. Dies wird auch durch seine Erklärung in der 12
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er in vergleichbarer Lage wieder so handeln

c) Die [X.] ist schließlich mit Blick auf die [X.] gemäß §
62 StGB nicht zu beanstanden.
Die Anordnung der Unterbringung wird grundsätzlich nicht durch die Möglichkeit
minder einschneidender Maßnahmen außerhalb des Bereichs der strafrechtlichen Maßregeln gehindert. Bei den freiheitsentziehenden Maßregeln gilt das Subsidiaritätsprinzip nach der Rechtsprechung des [X.] allein für die Frage der Vollstreckung (vgl. [X.], Urteil vom 11.
Dezember 2008

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StR 469/08, [X.], 260, 261). Daher ist es für die Entscheidung über die Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus uner-heblich, ob die von dem Angeklagten ausgehende Gefahr für die Allgemeinheit durch eine konsequente medizinische Behandlung abgewendet werden könnte. Auch die Überwachung der Medikation oder die Bestellung eines Betreuers, eines Bewährungshelfers sowie die Erteilung von Bewährungsauflagen und Weisungen, die allein die Aussetzung der Vollstreckung der verhängten Frei-heitsstrafe betreffen, sind insoweit ohne Belang. Solche Maßnahmen erlangen erst für die Frage Bedeutung, ob die Vollziehung der Unterbringung gemäß §
67b StGB zur Bewährung ausgesetzt werden kann.
Zur Angemessenheit der [X.] mit Blick auf die Schwere der [X.] und der künftig zu erwartenden [X.]aten hat das [X.] zwar keine näheren Ausführungen gemacht. Dies ist aber kein Rechtsfehler, weil sich die Angemessenheit aus dem Gesamtzusammenhang der [X.] entnehmen lässt. Die [X.] bestand in einem qualifizierten [X.] mit erheblichen Gefahren und [X.]atfolgen für die Geschädigten. Nach den Urteilsgründen besteht eine erhöhte Wahrscheinlichkeit für die künftige Bege-14
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hung vergleichbar schwer wiegender [X.]aten, wenn der Angeklagte nicht in ei-nem psychiatrischen Krankenhaus untergebracht wird.
d) Schließlich ist das [X.] ohne Rechtsfehler davon ausgegan-gen, dass eine Aussetzung der Vollziehung der Maßregel zur Bewährung nicht in Betracht kommt, weil der Angeklagte ohne die Unterbringung völlig isoliert lebt, keine Krankheitseinsicht zeigt, jede Hilfe ablehnt und ein [X.] Emp-fangsraum fehlt, der ihn ausreichend zur Einnahme von Medikamenten veran-lassen und an rechtswidrigen [X.]aten hindern könnte.
Krehl [X.] [X.]

[X.] [X.]

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Meta

2 StR 454/16

12.04.2017

Bundesgerichtshof 2. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 12.04.2017, Az. 2 StR 454/16 (REWIS RS 2017, 12501)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 12501

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