Bundespatentgericht, Beschluss vom 10.07.2018, Az. 7 W (pat) 10/17

7. Senat | REWIS RS 2018, 6273

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Patenteinspruchsbeschwerdeverfahren – Übergang der Einsprechendenstellung - "Verfahren zum Herstellen einer Lamelle für einen Luftausströmer und Lamelle" – zur Entscheidung über die Frage des Übergangs der Einsprechendenstellung – Entscheidung in der gesetzlich vorgeschriebenen Besetzung mit mindestens drei Mitgliedern


Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend das Patent …

wegen Übergangs der Einsprechendenstellung

hat der 7. Senat (Juristischer Beschwerdesenat und Nichtigkeitssenat) des [X.] am 10. Juli 2018 durch [X.], die Richterin [X.] und die Richterin Dr. Schnurr

beschlossen:

1. Auf die Beschwerde wird der Beschluss der [X.] des [X.] vom 6. April 2017 aufgehoben und die Sache an das [X.] zurückverwiesen.

2. Die Rückzahlung der Beschwerdegebühr wird angeordnet.

Gründe

I.

1

Gegen das ein „… …“ betreffende, am 24. Juli 2014 veröffentlichte Patent … hat die [X.]… GmbH am 24. April 2015 Einspruch erhoben.

2

Mit Schriftsatz vom 13. Februar 2017 hat die Antragstellerin beantragt, sie anstelle der derzeitigen [X.] als Einsprechende zuzulassen. Sie habe von der [X.] das Geschäftsfeld „Befestigungssysteme und Komponenten“ erworben. Diesem Geschäftsfeld unterfalle der Bereich der [X.] für Fahrzeuge, dem auch das Patent des vorliegenden [X.] zuzuordnen sei.

3

Die [X.]… GmbH habe zunächst zur [X.]., einem Automobilzulieferer mit Sitz in den [X.], gehört. Im Mai 2015 sei die [X.]. als vollkonsolidiertes Tochterunternehmen in die [X.] integriert worden. Dort seien die Geschäfte der [X.]. als „Division Aktive und Passive Sicherheitstechnik“ fortgeführt worden, zu der u. a. das Geschäftsfeld „Befestigungssysteme & Komponenten“ gehört habe.

4

Am 25. Januar 2016 habe die [X.] mit der [X.] mit Sitz in den [X.] eine Vereinbarung – ein so genanntes „[X.]“ (Anlage [X.]), wie sich aus den im Beschwerdeverfahren ergänzend vorgelegten Unterlagen ergibt – zum Verkauf dieses Geschäftsfeldes geschlossen. Dessen vollständige Übertragung sei im Juli 2016 abgeschlossen worden. Im Rahmen dieses Erwerbs habe die Antragstellerin von der derzeitigen [X.] durch ein vom 1. Juli 2016 datierendes „Patent Assignment“ (Anlage [X.]) die zum Geschäftsfeld „Befestigungssysteme & Komponenten“ gehörenden Patente erworben. Die dort bezeichneten Patente hätten – ebenso wie das angegriffene Patent – Lamellen für [X.] für Fahrzeuge zum Gegenstand.

5

Die derzeitige Einsprechende hat durch schriftliche Erklärung vom 27. Januar 2017 (Anlage [X.]) dem Wechsel in der [X.]stellung zugestimmt.

6

Die zuständige [X.] des [X.] hat durch [X.] vom 22. Februar 2017 – der in der Eingangszeile den fettgedruckten Hinweis enthält, dass eine Antwort an die [X.] zu richten sei – um Vorlage eines Handelsregisterauszugs ersucht, aus dem der behauptete Übergang der [X.]stellung ersichtlich sei, und darauf hingewiesen, dass mit der Zurückweisung des „Antrags auf Umschreibung“ zu rechnen sei, wenn die angeforderten Unterlagen bis zum Fristablauf nicht vorgelegt würden.

7

Hierauf hat die Antragstellerin unter dem 30. März 2017 erwidert, es liege ein so genannter „[X.]“ im Sinne eines Teilunternehmenskaufs vor, bei dem nicht die Anteile an einem Unternehmen, sondern ein Teil der Wirtschaftsgüter (Assets) eines Unternehmens, u. a. die zum Geschäftsfeld „Befestigungssysteme & Komponenten“ gehörenden Patente, im Rahmen einer [X.] übertragen worden seien. Eine solche [X.] sei im Handelsregister weder eintragungspflichtig noch eintragungsfähig. Ergänzend verweist sie auf eine Entscheidung der [X.]. Diese hat in der Sache Case M 7972 – [X.]/EF & C (Anlage [X.]) am 14. Juni 2016 entschieden, der Übernahme der alleinigen Kontrolle über den Geschäftsbereich „Befestigungssysteme & Komponenten“ der [X.]. durch die [X.] im Wege des Erwerbs von Anteilen und Vermögensgegenstän- den (Shares & Assets) nicht zu widersprechen. In der Entscheidung ist u. a. festgehalten, dass zum insoweit relevanten Produktmarkt auch der Markt der [X.] für Fahrzeuge gehört.

8

Durch Beschluss vom 6. April 2017 hat die [X.] des [X.] den Antrag auf Übertragung des Einspruchs vom 13. Februar 2017 gemäß „§ 30 Abs. 3 Satz 1 [X.]“ zurückgewiesen, weil die Antragstellerin keine geeigneten Nachweise für eine vollständige Rechtsnachfolge in ein rechtlich abgrenzbares Vermögen vorgelegt habe. Diese Entscheidung wurde nicht durch die zur Entscheidung über den Einspruch zuständigen Mitglieder der [X.], sondern durch den Sachbearbeiter getroffen, der auch schon den [X.] erlassen hatte.

9

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Beschwerde der Antragstellerin. Sie beantragt sinngemäß,

den Beschluss der [X.] des [X.] vom 6. April 2017 aufzuheben und den Übergang der [X.]stellung auf die Antragstellerin festzustellen.

Im Beschwerdeverfahren hat der Senat den Parteien einen Hinweis zukommen lassen, in dem er die Behandlung des Wechsels der [X.]stellung in Analogie zur Klageänderung i. S. d. § 263 ZPO zur Diskussion gestellt hat.

Als Reaktion hierauf hat die Patentinhaberin einem Wechsel der [X.] nicht zugestimmt. Sie meint, der Umstand, dass das angegriffene Patent thematisch dem Geschäftsfeld „Befestigungssysteme & Komponenten“ zugeordnet werden könne, belege weder die Sachdienlichkeit des beantragten Übergangs der [X.]stellung, noch ein hierauf gerichtetes rechtliches Interesse der Antragstellerin. Als erfolgreiches und weltweit aktives Unternehmen sei die Antragstellerin in ihrer Ausrichtung dem übertragenen Geschäftsbereich bereits vor Anmeldung und Erteilung des vorliegenden Patents zugehörig gewesen. Aufgrund ihrer Marktstellung und Marktkenntnis hätte sie bereits während der laufenden Einspruchsfrist selbst Einspruch einlegen können. Einer Sachdienlichkeit der Klageänderung stehe entgegen, dass die Antragstellerin eine wirtschaftlich potente neue Einsprechende mit langem Atem darstelle, die in der Regel neu recherchiere und der die Erhebung einer Nichtigkeitsklage gegen das Patent offen stehe. Dieser Auffassung ist die Antragstellerin mit näheren Ausführungen entgegengetreten.

Mit weiterem gerichtlichem Schreiben vom 28. Mai 2018 hat der Senat die Parteien auf die mögliche Zurückverweisung der Sache an das Patentamt hingewiesen. Hierzu haben sich die Parteien innerhalb der ihnen gesetzten Frist nicht geäußert.

Ergänzend wird auf die Verfahrensakten Bezug genommen.

II.

Die gemäß § 73 Abs. 1 [X.] statthafte und auch im Übrigen zulässige Beschwerde führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Zurückverweisung des Verfahrens an das [X.] gemäß § 79 Abs. 3 Nr. 2 [X.], da das patentamtliche Verfahren an wesentlichen Verfahrensmängeln leidet.

1. Ein schwerwiegender Verfahrensmangel ist zum einen darin zu sehen, dass der angefochtene Beschluss von der zuständigen [X.] in falscher Besetzung erlassen worden ist.

Ob ein Übergang der [X.]stellung stattgefunden hat, ist eine im Rahmen des [X.] von der [X.] in der gesetzlich vorgeschriebenen Besetzung mit mindestens drei Mitgliedern (§ 27 Abs. 3 Satz 1 [X.]) zu entscheidende Frage. Dies gilt unabhängig davon, ob die insoweit zu treffende Entscheidung mit der Endentscheidung über den Einspruch oder – etwa weil der Wechsel von dem Patentinhaber bestritten wird – durch einen gesondert anfechtbaren Zwischenbeschluss (vgl. hierzu [X.], [X.], 10. Aufl., Einleitung Rn. 513 ff.) getroffen wird.

Abweichend hiervon wurde im vorliegenden Fall die Entscheidung über den Übergang der [X.]stellung – ausgehend davon, dass diese in unzutreffender Weise als Umschreibungsangelegenheit angesehen worden ist (siehe nachfolgend unter 2.) – von einem zur Entscheidung über [X.] zuständigen Sachbearbeiter getroffen. Hierfür gibt es keine Rechtsgrundlage. Eine Übertragung dieser Entscheidung auf den gehobenen oder mittleren Dienst ist in der [X.] nicht vorgesehen; insbesondere handelt es sich bei der Frage, welche Personen auf Seiten der [X.] Beteiligte des [X.] (geworden) sind, um keine Angelegenheit, die zur bloß „formellen Bearbeitung des [X.]“ i. S. von § 1 Abs. 1 Nr. 9 [X.] zu rechnen ist.

2. Mit dem unter 1. genannten Verfahrensmangel der Entscheidung durch einen unzuständigen Spruchkörper geht als weiterer wesentlicher Verfahrensmangel einher, dass das Patentamt den Antrag vom 13. Februar 2017 fälschlich als Antrag auf Umschreibung des Registers gemäß § 30 Abs. 3 Satz 1 [X.] behandelt und beschieden hat, wie dem [X.] und den Gründen des angefochtenen Beschlusses zu entnehmen ist. Ein solcher Antrag ist jedoch nicht gestellt worden. Ein Antrag gemäß § 30 Abs. 3 Satz 1 [X.] ist gerichtet auf die Änderung einer der in der Vorschrift genannten Angaben betreffend Person, Name oder Wohnort des Anmelders oder Patentinhabers oder seines Vertreters im [X.]. Um die Änderung des [X.]s – die Person des [X.] wird im Gegensatz zur Einspruchserhebung als solcher, § 30 Abs. 1 Satz 2 [X.], noch nicht einmal im [X.] vermerkt – geht es bei dem vorliegend gestellten Antrag jedoch nicht. Beim Wechsel in der [X.]stellung handelt es sich nicht um eine Umschreibungsangelegenheit, sondern um die Frage der Beteiligtenstellung im Einspruchsverfahren. Aufgrund dieser Fehlbehandlung hat das Patentamt auf einer falschen Rechtsgrundlage entschieden.

3. Der Senat hat es auf Grund der genannten wesentlichen Verfahrensmängel gemäß § 79 Abs. 3 Nr. 2 [X.] für sachgerecht erachtet, den angefochtenen Beschluss ohne Sachentscheidung aufzuheben und die Sache an das Patentamt zurückzuverweisen, mit der Folge, dass es in die Lage versetzt ist, erstinstanzlich über den tatsächlich gestellten Antrag auf Übergang der [X.]stellung nach den hierfür in der Rechtsprechung aufgestellten Kriterien und in der korrekten Besetzung – ggf. unter Hinzuziehung eines rechtskundigen Mitglieds (§ 27 Abs. 3 Satz 2 [X.]) – zu entscheiden.

4. Für das weitere Verfahren wird darauf hingewiesen, dass in der Rechtsprechung ein Wechsel in der [X.]stellung nicht nur bei einer Gesamtrechtsnachfolge, sondern z. B. auch bei vollständiger Übertragung eines abgrenzbaren Geschäftsbereichs anerkannt worden ist (vgl. B[X.]E 42, 225 – Übergang der [X.]stellung; Busse/[X.], [X.], 8. Aufl., § 59 Rn. 241 m. w. N. ; [X.]/[X.], [X.], 10. Aufl., § 59 Rn. 146 m. w. N.). Im [X.] an die Entscheidung des [X.] vom 17. April 2007 ([X.], 87 – [X.] im Einspruchsverfahren) wird diesbezüglich auch die entsprechende Anwendung der für einen Parteiwechsel im Zivilprozess (und im Patentnichtigkeitsverfahren) gültigen Vorschrift des § 263 ZPO diskutiert (vgl. [X.], [X.]. 2009, 481 ff.; Busse/[X.], a. a. O., Rn. 243). Danach wäre der Übergang der [X.]stellung als Klageänderung anzusehen; diese wäre zulässig, sofern Parteiwechselerklärungen der alten und neuen [X.] vorliegen und zusätzlich entweder der Patentinhaber einwilligt oder das Gericht den Wechsel der [X.] für sachdienlich erachtet.

Beide genannten Auffassungen dürften im vorliegenden Fall für einen wirksamen Wechsel der [X.]stellung sprechen, wenn man davon ausgeht, dass ein abgeschlossenes Geschäftsfeld „Befestigungssysteme und Komponenten“, mit dem das Interesse an dem Einspruch thematisch eng verknüpft ist, von der derzeitigen [X.] auf die Antragstellerin übergegangen ist.

Für einen solchen Übergang spricht nicht nur die vollständige Übernahme der [X.] – als Teil der [X.]. – in die [X.] am 15. Mai 2015, wobei die Geschäfte der derzeitigen [X.] dort u. a. als Geschäftsfeld „Befestigungssysteme und Komponenten“ fortgeführt worden sind (vgl. Anlage [X.], Auszug aus dem Geschäftsbericht der [X.], dort S. 16, 25, 122). Vielmehr ergeben sich weitere Hinweise aus dem als Anlage [X.] vorgelegten „[X.]“ und der als Anlage [X.] überreichten Entscheidung der [X.] vom 14. Juni 2016. Gemäß dem vom 1. Juli 2016 datierenden „Patent Assignment“ (Anlage [X.]) hat die Antragstellerin von der derzeitigen [X.] auch die zu dem genannten Geschäftsfeld gehörenden Patente erworben.

Im Übrigen dürfte der Wechsel der [X.] auch sachdienlich sein. Ob das angegriffene Patent zu widerrufen ist oder nicht, kann unter Beteiligung der neuen [X.] unter vollständiger Verwertung des bisherigen Prozessstoffs und ohne die Erhebung einer für beide Verfahrensbeteiligten zeit- und kostenintensiveren Nichtigkeitsklage geklärt werden. Es ist nicht zu erkennen, dass dadurch die Interessen der Patentinhaberin beeinträchtigt würden.

[X.]

Die Rückzahlung der Beschwerdegebühr entspricht auf Grund der genannten schwerwiegenden Verfahrensfehler der Billigkeit (§ 80 Abs. 3 [X.]).

Meta

7 W (pat) 10/17

10.07.2018

Bundespatentgericht 7. Senat

Beschluss

Sachgebiet: W (pat)

§ 263 ZPO

Zitier­vorschlag: Bundespatentgericht, Beschluss vom 10.07.2018, Az. 7 W (pat) 10/17 (REWIS RS 2018, 6273)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2018, 6273

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

23 W (pat) 19/18 (Bundespatentgericht)


8 W (pat) 26/09 (Bundespatentgericht)

Patentbeschwerdeverfahren – „Vorrichtung zum Einspannen von Werkzeugen oder Werkstücken“ – zur Zulässigkeit des Einspruchs – …


7 W (pat) 17/11 (Bundespatentgericht)

Patentbeschwerdeverfahren – "Authentifizierungssystem" – zu den formalen Anforderungen eines sich auf einen druckschriftlichen Stand der …


19 W (pat) 3/11 (Bundespatentgericht)

Patentbeschwerdeverfahren – „Verfahren zum Anschließen einer Anschlusseinrichtung an einer Heizeinrichtung“ – zu den Anforderungen an …


7 W (pat) 14/17 (Bundespatentgericht)

Patentbeschwerdeverfahren – "Kolloidalmischer" – Umschreibung – Eintragung einer Zweigniederlassung – zur Eintragung des Patentinhabers unter …


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.