Bundesgerichtshof, Beschluss vom 21.02.2011, Az. II ZB 2/10

2. Zivilsenat | REWIS RS 2011, 9301

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Gegenstand

Richterablehnung: Rechtsschutzbedürfnis bei Ablehnung eines ausgeschiedenen BGH-Richters; Eintritt des ausgeschiedenen Senatsvorsitzenden in die Kanzlei der vorinstanzlichen Prozessbevollmächtigten einer der Prozessparteien; Ablehnung wegen Beziehungen zu einem vorinstanzlichen Gericht; Teilnahme von Richtern am Bundesgerichtshof an Fachtagungen; dienstliche Äußerung des abgelehnten Richters


Tenor

Die Ablehnungsgesuche der Antragstellerinnen zu 63, 71 und 75 sowie der Antragsteller zu 40, 53 und 57 werden zurückgewiesen.

Gründe

1

I. Die Antragstellerin zu 63 hat durch Schriftsatz ihres Prozessbevollmächtigten II. Instanz vom 17. November 2010 die [X.] am [X.] [X.], [X.], [X.], [X.]. und S. sowie den Vorsitzenden [X.] [X.] Prof. Dr. [X.] (für die Amtszeit bis zum 30. September 2010) wegen [X.]esorgnis der [X.]efangenheit abgelehnt. Mit weiterem Schriftsatz vom 26. November 2011 hat die Antragstellerin zu 63 das gegen die [X.]in am [X.] [X.] gerichtete Ablehnungsgesuch zurückgenommen, da diese nach der [X.]esetzungsauskunft des [X.] vom 15. November 2010 nicht an der zuständigen [X.] beteiligt sei, und ein weiteres Ablehnungsgesuch gegen die [X.]in am [X.] [X.] erhoben. Zur [X.]egründung ihrer Ablehnungsgesuche hat sie ausgeführt, dass der ehemalige Vorsitzende des [X.] Prof. Dr. [X.] mit Wirkung vom 1. Oktober 2010 als "of counsel" in die Dienste der Anwaltskanzlei [X.], S., getreten sei. Im Hinblick darauf habe der frühere [X.]vorsitzende schon vor dem 1. Oktober 2010 wegen seiner Nähe und [X.]eziehung zu dieser Anwaltskanzlei nicht mehr unbefangen und unparteiisch als [X.] handeln können. Es müsse davon ausgegangen werden, dass der ausgeschiedene [X.]vorsitzende bei der Vorbereitung des Spruchverfahrens, in dem die Antragsgegnerin in beiden Vorinstanzen von Anwälten der Kanzlei [X.] vertreten worden sei, "prägend" mitgewirkt habe. Die übrigen abgelehnten [X.]mitglieder hätten die Pflicht verletzt, den Prozessbeteiligten den beabsichtigten Eintritt des früheren [X.]vorsitzenden in die Anwaltskanzlei [X.] anzuzeigen. Das Gericht als Ganzes sei verpflichtet gewesen, alle Umstände offen zu legen, die Zweifel an der Unparteilichkeit oder Unabhängigkeit eines mitwirkenden [X.]s wecken könnten. Die Verletzung dieser Pflicht begründe ihnen gegenüber ebenso die [X.]esorgnis der [X.]efangenheit wie der [X.], der entstehe, wenn die verbliebenen [X.]mitglieder sich mit dem Führungsstil des früheren [X.]vorsitzenden nun in Gestalt von [X.] auseinandersetzen müssten. [X.] am [X.] [X.] sei auch dadurch befangen, dass in allen drei Instanzenzügen [X.] entschieden hätten, die dem gesellschaftsrechtlichen Senat des [X.] angehörten oder angehört hätten. Komme es in solcher Konstellation zu einem Dialog zwischen dem [X.] und den unteren Instanzen, dann vermittle dies keine unabhängige Rechtsfindung, sondern eine instanzenbürokratisch vorgeprägte.

2

Die Antragstellerinnen zu 71 und 75 haben sich dem Ablehnungsgesuch durch Schriftsatz ihres Prozessbevollmächtigten II. Instanz vom 15. Dezember 2010 angeschlossen und die vorgebrachten [X.]efangenheitsgründe vertieft, ebenso die Antragsteller zu 40 und 57, soweit es den Vorsitzenden [X.] [X.] Prof. Dr. [X.] und den [X.] am [X.] [X.] betrifft, durch Schriftsatz ihres Prozessbevollmächtigten II. Instanz vom 2. Januar 2011. Der Antragsteller zu 53 hat sich dem Ablehnungsgesuch mit Schreiben vom 3. Januar 2011 unter ausdrücklicher Einbeziehung der [X.]in am [X.] [X.] sowie des [X.]s am [X.] Dr. [X.] (als Mitwirkender am Verfahren [X.]) ebenfalls angeschlossen und - ebenso wie der Antragsteller zu 49 - weitergehende Auskünfte und Stellungnahmen der abgelehnten [X.] erbeten. Der Antragsteller zu 42 hat ohne Anbringung eines eigenen [X.] Stellung genommen. Mit Schreiben vom 10. Februar 2011 hat der Antragsteller zu 53 die [X.]in am [X.] [X.] ([X.]eschwerdeführerin des Verfahrens 4 S 1/11 [X.]) in sein Ablehnungsgesuch einbezogen und weitere Auskünfte über die [X.]mitglieder, die Mitwirkungsgrundsätze des [X.] und einzelne Erwägungen des [X.] erbeten.

3

Mit Schriftsatz vom 3. Januar 2011 hat die Antragstellerin zu 63 ihr Ablehnungsgesuch bezüglich des [X.]s am [X.] S. zurückgenommen und zu den dienstlichen Äußerungen der [X.] am [X.] [X.], [X.] und [X.]. sowie der [X.]in am [X.] [X.] Stellung genommen und dabei ausgeführt, diese vertieften und verstärkten die [X.]esorgnis der [X.]efangenheit und gäben Anlass und Gründe für eine erneute Ablehnung der [X.]. Mit Schreiben vom 15. Februar 2011 hat sie das Ablehnungsgesuch erneut auch auf [X.]in am [X.] [X.] erstreckt, nunmehr wegen einer bestehenden [X.] zu einem Angehörigen der Rechtsanwaltssozietät [X.]

4

II. Der Senat entscheidet in der [X.]esetzung ohne die [X.]in am [X.] [X.] und ohne die abgelehnten [X.].

5

Gemäß Ziffer [X.] der nach § 21g GVG beschlossenen Mitwirkungsgrundsätze des [X.] werden Sachen, in denen die Rechtsanwaltssozietät [X.] in den Vorinstanzen als [X.]evollmächtigte einer der [X.]eteiligten tätig war, ohne [X.]in am [X.] [X.] - auch in [X.] - bearbeitet. Diese Regelung, die in den [X.] des [X.] bereits seit dem 7. Juli 2008 verankert ist, dient der Vermeidung möglicher Interessenkollisionen, welche aufgrund einer persönlichen [X.] der [X.]in am [X.] [X.] zu einem Angehörigen der Rechtsanwaltssozietät [X.] entstehen könnten.

6

Zwar ist die Rechtsanwaltssozietät [X.] in der hier zur Entscheidung stehenden Sache nicht in den Vorinstanzen als [X.]evollmächtigte einer der [X.]eteiligten tätig geworden. Die Sache ist jedoch wegen [X.] mit dem weiteren Verfahren [X.], in dem die Rechtsanwaltssozietät [X.] tätig geworden ist und somit die Interessenlage einer der [X.]eteiligten teilt, derjenigen [X.] zugewiesen worden, der [X.]in am [X.] [X.] nicht angehört. Darauf beruht die [X.]esetzungsauskunft des [X.] vom 15. November 2010.

7

III. Die Ablehnungsgesuche haben keinen Erfolg.

8

1. Auf das Verfahren ist gemäß Art. 111 Abs. 1 Satz 1 des [X.] und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit ([X.]) das bis zum 31. August 2009 geltende Verfahrensrecht anwendbar, da der das Verfahren einleitende Antrag vor dem 1. September 2009 gestellt wurde (vgl. [X.], [X.]eschluss vom 1. März 2010 - [X.], [X.], 446 Rn. 7).

9

Auch im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit ist, seitdem das [X.] die frühere Regelung des § 6 Abs. 2 Satz 2 [X.] für verfassungswidrig erklärt hat ([X.], [X.]eschluss vom 8. Februar 1967 - 2 [X.]vR 235/64, [X.]E 21, 139), die Ablehnung von [X.]n wegen [X.]esorgnis der [X.]efangenheit zulässig. Nach ständiger Rechtsprechung und ganz herrschender Meinung werden hierbei die §§ 42 ff. ZPO entsprechend angewendet ([X.], [X.]eschluss vom 31. Oktober 1966 - [X.] ([X.]) 3/66, [X.]Z 46, 195; [X.]ayObLG, NJW 2002, 3262; [X.]/[X.]/[X.]/[X.], [X.], 15. Aufl., § 6 Rn. 56; [X.]assenge/[X.], [X.], 11. Aufl., § 6 Rn. 1).

2. Die Ablehnungsgesuche sind als unzulässig zurückzuweisen, soweit sie den Vorsitzenden [X.] am [X.] [X.] Prof. Dr. [X.], den [X.] am [X.] Dr. [X.] und die [X.]in am [X.] [X.] betreffen. Das Recht einer Partei, einen [X.] wegen [X.]esorgnis der [X.]efangenheit abzulehnen (§ 42 Abs. 1 ZPO), ist darauf gerichtet, eine weitere Mitwirkung des befangenen [X.]s zu verhindern. Für ein Ablehnungsgesuch, das gegen einen [X.] gerichtet ist, dessen weitere Mitwirkung ohnehin nicht mehr in [X.]etracht kommt, weil er durch Eintritt in den Ruhestand (Prof. Dr. [X.]) oder wegen Wechsels in einen anderen Senat (Dr. [X.]) aus dem Spruchkörper ausgeschieden ist, besteht kein Rechtsschutzbedürfnis (vgl. [X.]FH, NJW-RR 1996, 57 f.; Musielak/[X.], ZPO, 7. Aufl., § 44 Rn. 5; [X.], ZPO, 22. Aufl., § 42 Rn. 14, § 44 Rn. 9).

Ebenso sind die von den Antragstellern zu 53 und 63 mit Schreiben vom 10. und 15. Februar 2011 gegen die [X.]in am [X.] [X.] angebrachten Ablehnungsgesuche unzulässig, da die abgelehnte [X.]in bereits aufgrund Ziffer [X.] der Mitwirkungsgrundsätze des [X.] nicht an dem Verfahren mitwirkt.

3. Die Ablehnungsgesuche sind in der Sache nicht begründet.

a) Nach § 42 ZPO kann ein [X.] von den Prozessparteien außer in den Fällen seines Ausschlusses kraft Gesetzes auch wegen [X.]esorgnis der [X.]efangenheit abgelehnt werden, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit des [X.]s zu rechtfertigen. Misstrauen gegen die Unparteilichkeit des [X.]s vermögen nur objektive Gründe zu rechtfertigen, die vom Standpunkt des [X.] bei vernünftiger [X.]etrachtung die [X.]efürchtung wecken können, der [X.] stehe der Sache nicht unvoreingenommen und damit unparteiisch gegenüber (vgl. [X.], [X.]eschluss vom 6. April 2006 - V Z[X.] 194/05, [X.], 2492, 2494; [X.]/Vollkommer, ZPO, 28. Aufl., § 42 Rn. 9, jeweils m.w.N.).

b) Derartige Gründe sind bezüglich der abgelehnten [X.] nicht gegeben. Die [X.] beanstanden in erster Linie das in den Ablehnungsgesuchen vorgetragene Verhalten von Prof. Dr. [X.] im Zusammenhang mit seinem Ausscheiden zum 30. September 2010 aus dem [X.]dienst und der daran unmittelbar anschließenden Aufnahme einer Rechtsanwaltstätigkeit. Hinsichtlich der abgelehnten [X.] [X.], [X.], [X.], [X.]. und S. halten die [X.] die [X.]esorgnis der [X.]efangenheit deshalb für begründet, weil keinerlei Distanzierung erkennbar sei und weil sich diese im weiteren Verfahren mit dem beanstandeten Verhalten ihres ehemaligen [X.]vorsitzenden auseinandersetzen müssten und deshalb in einen [X.] gerieten. Außerdem hätten sie ihr Wächteramt, das sie zur Wahrung der Integrität ihres Spruchkörpers verpflichte, nicht wahrgenommen.

Die abgelehnten [X.] haben sich dienstlich dahin geäußert, dass sie vor dem Ausscheiden von Prof. Dr. [X.] zum 30. September 2010 von dessen Absicht, als "of counsel" in die Rechtsanwaltskanzlei [X.] einzutreten, von der Umsetzung dieses Entschlusses sowie von Angeboten anderer Anwaltskanzleien für Prof. Dr. [X.] und Verhandlungen darüber keine Kenntnis hatten. Schon deshalb ist auch aus der Sicht der [X.] bei vernünftiger [X.]etrachtung das in den Ablehnungsgesuchen vorgetragene Verhalten von Prof. Dr. [X.] als solches nicht geeignet, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit der im Spruchkörper verbliebenen [X.] zu erwecken.

Das in den Ablehnungsgesuchen beanstandete Verhalten von Prof. Dr. [X.] rechtfertigt ferner nicht deshalb die Ablehnung der übrigen [X.]mitglieder, weil diese in jedem Fall in einen [X.] gerieten, unabhängig davon, wie sie sich zu dem Verhalten und der Einstellung ihres ehemaligen Vorsitzenden stellten. Es besteht - auch aus vernünftiger Sicht der [X.] - kein hinreichender Anlass für die Annahme, dass die abgelehnten [X.], die zur Neutralität und Distanz gegenüber den Verfahrensbeteiligten verpflichtet sind, nicht (mehr) in der Lage sind, das [X.] unvoreingenommen zu würdigen, weil der ehemalige [X.]vorsitzende nunmehr der Kanzlei der vorinstanzlichen Prozessbevollmächtigten der Antragsgegnerin angehört und er, wie die Antragstellerin zu 63 geltend macht, über Spezialwissen um die Interna der Einstellungen des [X.] verfüge, das er aufgrund seiner neuen Stellung in die Sozietät [X.] einzubringen habe. Soweit sich Prof. Dr. [X.] nach dem Vorbringen der Antragstellerin zu 63 auf Tagungen oder in Aufsätzen zu Fragen geäußert haben soll, die der Senat im vorliegenden Verfahren, an dem die Kanzlei [X.] beteiligt ist, "nur noch … zu definieren" habe, begründet dies bei objektiver [X.]etrachtung gleichfalls nicht die [X.]efürchtung, die zur Entscheidung berufenen [X.] könnten sich dadurch in einer Weise beeinflussen lassen, dass sie der Sache nicht mehr mit der gebotenen Unparteilichkeit und Unvoreingenommenheit gegenüberstünden. Die dienstlichen Äußerungen lassen auch aus der Sicht der [X.] keine Zweifel daran aufkommen, dass die abgelehnten [X.] diese - und weitere in den Ablehnungsgesuchen vorgetragene - mündlichen und schriftlichen Kundgaben von Prof. Dr. [X.] nicht anders würdigen, als sie sich bei objektiver [X.]etrachtung darstellen: als persönliche Meinungsäußerungen eines aus dem aktiven Dienst ausgeschiedenen, an den zukünftigen Entscheidungen des [X.] nicht mehr beteiligten [X.]s, der aufgrund seiner jetzigen Tätigkeit in der Rechtsanwaltskanzlei [X.] die Interessen der von ihm vertretenen Mandanten wahrzunehmen hat (vgl. § 1 Abs. 3 [X.]ORA).

Das Ablehnungsgesuch der Antragstellerin zu 63 ist auch insoweit unbegründet, als sie es darauf stützt, die dienstlichen Äußerungen der abgelehnten [X.] verhielten sich nicht zu allen geltend gemachten Ablehnungsgründen. Der abgelehnte [X.] hat sich gemäß § 44 Abs. 3 ZPO über den Ablehnungsgrund dienstlich zu äußern. Wie sich aus § 44 Abs. 2 ZPO ergibt, hat sich diese dienstliche Äußerung auf die Tatsachen zu beziehen, die der Ablehnende zur [X.]egründung seines [X.] vorgetragen hat. Die dienstliche Äußerung des [X.]s ist dessen Zeugnis, auf das sich der Ablehnende zur Glaubhaftmachung des von ihm behaupteten [X.] beziehen darf, § 44 Abs. 2 Satz 2 ZPO. Die dienstliche Äußerung des abgelehnten [X.]s muss sich daher nicht auf Vorbringen erstrecken, das keiner Glaubhaftmachung bedarf, weil damit ein Ablehnungsgrund offensichtlich schon nicht hinreichend dargelegt ist. Ausführungen zur [X.]egründetheit des [X.] - also zur Frage, ob die vorgetragenen Tatsachen die [X.]esorgnis der [X.]efangenheit begründen - haben zu unterbleiben. Ebenso muss sich der abgelehnte [X.] nicht, wie von den Antragstellern zu 29, 49 und 53 verlangt, einer Ausforschung solcher Umstände stellen, bezüglich derer ein substantiierter Ablehnungsgrund schon nicht dargetan ist.

Danach war eine Äußerung der abgelehnten [X.] zur Frage des Kontakts zwischen Mitgliedern des [X.] und Tatrichtern der Instanzgerichte nicht veranlasst. Die Antragstellerin zu 63 hatte in ihrem Ablehnungsgesuch vom 17. November 2010 lediglich auszugsweise Teile von Äußerungen aus einem Interview von Prof. Dr. [X.] in der [X.] vom 22. September 2010 zu einem "von Herrn [X.] 'erwähnten' Dialog 'mit den unteren Instanzen' " angeführt. Sodann hatte sie in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen, dass im vorliegenden Spruchverfahren in allen drei Rechtszügen [X.] entschieden, die dem gesellschaftsrechtlichen Senat des [X.] angehörten oder angehört hätten. So sei der Vorsitzende [X.] am [X.] ebenso [X.] des [X.] unter Leitung des Präsidenten des [X.] gewesen wie der [X.] am [X.] [X.]. Komme es in solcher Konstellation, so wird in dem Ablehnungsgesuch im [X.] daran ausgeführt, noch zum "Dialog" zwischen dem [X.] und den "unteren Instanzen", dann vermittele dies einem objektiven [X.]etrachter keine unabhängige Rechtsfindung mehr, sondern ein uniformes Entscheidungsprodukt, das über alle Instanzen hinweg bereits höchstrichterlich begleitet und damit instanzenbürokratisch vorgeprägt worden sei. Die insoweit vorgetragenen Tatsachen erschöpfen sich darin, dass Prof. Dr. [X.] in dem angeführten Interview für einen Dialog des [X.] mit den unteren Instanzen eingetreten sein soll und [X.] am [X.] [X.] vor seiner Ernennung zum [X.]undesrichter neben anderen Instanzrichtern dem vom Präsidenten des [X.] angeführten Senat angehört hat. Diese Tatsachen vermögen ersichtlich die [X.]esorgnis der [X.]efangenheit der abgelehnten [X.] nicht zu rechtfertigen, so dass sich deren dienstliche Stellungnahme dazu erübrigt.

Dasselbe gilt für das Vorbringen der Antragstellerin zu 63 zu den von ihr als unausgewogene Dienstauffassung gerügten intensiven außergerichtlichen Nebentätigkeiten von Prof. Dr. [X.]. Es ist nicht erkennbar, aus welchem Grund der Umfang der Nebentätigkeiten des früheren [X.]vorsitzenden vor seinem Ausscheiden bei objektiver [X.]etrachtung Zweifel daran begründen könnte, dass die im Spruchkörper verbliebenen [X.]mitglieder bei zukünftigen Entscheidungen der Sache unvoreingenommen gegenüber stehen.

Die Ablehnungsgesuche sind ferner unschlüssig, soweit sie Äußerungen von Prof. Dr. [X.] in dem genannten Interview in der [X.] zu Gesprächen mit Rechtsanwälten und Unternehmensjuristen betreffen. Die Antragstellerin zu 63 führt in ihren ergänzenden Ausführungen vom 26. November 2010 insoweit an, Prof. Dr. [X.] habe in dem Interview geäußert, dass zur "Erweiterung des [X.]" bei gerichtlichen Auseinandersetzungen nach einer Hauptversammlung "besonders wichtig … die Gespräche, Fragen und Diskussionen mit Wissenschaftlern, Anwälten und Praktikern aus Unternehmen sind, wie sie bei zahlreichen Fachtagungen stattfinden". Den aus seiner Sicht wünschenswerten Weg der Rechtsfindung habe er dahin definiert, dass "ein Gedankenaustausch mit Wissenschaft und Praxis … unerlässlich für eine weitsichtige Entscheidungsfindung (ist), die nicht auf dem [X.]uchstaben des Gesetzes fixiert ist, sondern den Unternehmen den gebotenen Freiraum gebe". Die Antragstellerinnen zu 71 und 75 haben dazu ergänzend unter [X.]ezugnahme auf den [X.]eitrag von Prof. Dr. [X.] in der [X.] 2010, 1293 angeführt, die dienstlichen Äußerungen der abgelehnten [X.] gingen nicht in dem erforderlichen Umfang auf die Verflechtung zwischen den "meisten Mitgliedern des [X.]" durch das Gespräch "mit Rechtsanwälten und Unternehmensjuristen" ein, das bei dem erkennenden Senat "bewährte Tradition" sein solle.

Die Teilnahme von [X.]n am [X.] an Tagungen und anderen wissenschaftlichen Veranstaltungen dient der Darstellung und Vermittlung der Rechtsprechung des [X.]s und dem Austausch von Meinungen, auch in [X.]ezug auf sich in der Praxis neu stellende Probleme und deren wirtschaftlichen Hintergrund. Ein wissenschaftlicher Austausch in diesem Sinne ist insbesondere für ein oberstes [X.]undesgericht unverzichtbar. Damit geht einher, dass die Teilnahme von [X.]n an solchen Tagungen und ihre Meinungsbekundungen dort grundsätzlich nicht geeignet sind, ihre [X.]efangenheit zu begründen. Dies gilt auch dann, wenn wissenschaftliche Äußerungen über die bereits vorliegende Rechtsprechung hinausgehen ([X.], [X.]eschluss vom 14. Mai 2002 - [X.], juris).

Ebenfalls haben sich die [X.]mitglieder nicht dadurch befangen gemacht, dass sie der von Prof. Dr. [X.] publizierten Auffassung über die in Freigabeverfahren gebotene Prüfungsdichte der Instanzgerichte "ersichtlich keinen Widerstand entgegensetzt" hätten. [X.]loßen Meinungsäußerungen des früheren Vorsitzenden mussten die [X.]mitglieder nicht entgegentreten.

Auch haben sich die [X.]mitglieder nicht dadurch befangen gemacht, dass sie einem "offensichtlich über Jahre andauernden verfahrensübergreifenden Interessenkonflikt", der aus der [X.] zwischen der [X.]in am [X.] [X.] und einem Mitglied der Rechtsanwaltssozietät [X.] herrühre, nicht Einhalt geboten hätten. Unmittelbar nachdem die betroffene [X.]in die [X.] anzeigte und in dem Verfahren [X.] die [X.] erklärte, hat der Senat seine Mitwirkungsgrundsätze darauf eingestellt und die Mitwirkung der betroffenen [X.]in in Sachen ausgeschlossen, in denen die Rechtsanwaltssozietät [X.] in den Vorinstanzen als [X.]evollmächtigte einer der [X.]eteiligten tätig war. Aufgrund der entsprechenden Regelung in den [X.] kann die Ausschlussklausel auch in Verfahren Wirkung erlangen, die mit solchen Sachen im Sachzusammenhang stehen. Damit hat der Senat hinreichende Maßnahmen zur Vermeidung möglicher Interessenkollisionen getroffen.

Schließlich wird eine [X.]efangenheit der [X.]in am [X.] [X.] sowie der [X.] am [X.] [X.] und [X.]. nicht durch deren Vorbefassung mit der Sache [X.] ([X.]) begründet, in welcher rechtliche Fragestellungen aufgeworfen waren, die auch für die Entscheidung des vorliegenden Falls von [X.]edeutung sein könnten. Das [X.] Verfahrensrecht wird von der Auffassung getragen, dass der [X.] auch dann unvoreingenommen an die [X.]eurteilung einer Sache herantritt, wenn er sich schon früher über denselben Sachverhalt ein Urteil gebildet hat. Der unabhängige [X.] unterliegt der Verpflichtung zur Unbefangenheit und Unparteilichkeit. Erst die Übernahme von [X.] im konkreten Rechtsstreit führt daher zu der Gefahr einer Vorfestlegung. Ausschließend wirkt daher nur eine richterliche Tätigkeit, die im Ausgangsverfahren erfolgte ([X.], [X.]eschluss vom 15. Mai 2007 - 1 [X.]vR 971/07, juris). Das ist hier nicht der Fall.

[X.]ergmann                               Maihold                               Matthias

                        Pamp                             Nedden-[X.]oeger

Meta

II ZB 2/10

21.02.2011

Bundesgerichtshof 2. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZB

vorgehend OLG Stuttgart, 18. Dezember 2009, Az: 20 W 2/08, Beschluss

§ 42 Abs 2 ZPO, § 44 Abs 2 S 2 ZPO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 21.02.2011, Az. II ZB 2/10 (REWIS RS 2011, 9301)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 9301

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