Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 24.11.2015, Az. 2 B 37/15

2. Senat | REWIS RS 2015, 1907

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Gegenstand

Hilfspersonaleinsatz bei Erstellung eines Sachverständigengutachten


Gründe

1

1. [X.]er 1959 geborene [X.] steht als Regierungsdirektor ([X.]esoldungsgruppe [X.]) im [X.]ienst der [X.]n und war zuletzt als Referent in der Haushaltsabteilung eines Ministeriums verwendet worden. [X.]urch rechtskräftiges Strafurteil verurteilte ihn das Amtsgericht wegen [X.]etrugs in vier Fällen und versuchten [X.]etrugs in zwei Fällen sowie wegen Urkundenfälschung zu einer Gesamtgeldstrafe von 130 Tagessätzen. Nach den tatsächlichen Feststellungen im Strafurteil hat der [X.] u.a. wahrheitswidrige Reisekostenanträge eingereicht und das Enddatum einer [X.]ienstreisegenehmigung gefälscht.

2

Im sachgleichen [X.]isziplinarverfahren hat das Verwaltungsgericht den [X.]n aus dem [X.]eamtenverhältnis entfernt, die hiergegen gerichtete [X.]erufung blieb erfolglos. [X.]as Oberverwaltungsgericht hat dabei durch Einholung eines gerichtlichen Sachverständigengutachtens [X.]eweis über die Frage erhoben, ob der [X.] zum Tatzeitpunkt in seiner Schuldfähigkeit eingeschränkt war.

3

2. [X.]ie geltend gemachten Verfahrensmängel (§ 69 [X.] i.V.m. § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) der angegriffenen Entscheidung liegen nicht vor.

4

a) [X.]ie Ablehnung des in der mündlichen Verhandlung hilfsweise gestellten Antrags auf Einholung eines weiteren Sachverständigengutachtens zur Schuldfähigkeit des [X.]n ist nicht zu beanstanden. Entgegen der mit der [X.]eschwerde vorgetragenen Auffassung war das Gutachten des gerichtlich bestellten Sachverständigen [X.]r. [X.]. vom 24. Oktober 2014 nicht deshalb unverwertbar, weil bei seiner Erstellung eine weitere Person mitgewirkt hat.

5

Nach § 3 [X.], § 98 VwGO, § 407a Abs. 2 Satz 1 ZPO ist der Sachverständige nicht befugt, den Auftrag auf eine andere Person zu übertragen. Er darf zur Erledigung seines [X.] aber weitere Personen hinzuziehen. Soweit er sich der Mitarbeit einer anderen Person bedient, hat er gemäß § 407a Abs. 2 Satz 2 ZPO diese namhaft zu machen und den Umfang ihrer Tätigkeit anzugeben, falls es sich nicht um Hilfsdienste von untergeordneter [X.]edeutung handelt. Wenn sich aus der Eigenart des [X.] nicht ergibt, dass für bestimmte Untersuchungen die spezielle Sachkunde und Erfahrung des Sachverständigen benötigt wird oder es auf seinen persönlichen Eindruck während der gesamten Untersuchung ankommt, kann der Sachverständige einzelne Untersuchungen daher auch durch Hilfskräfte durchführen lassen. Ihre Grenze findet diese Mitwirkung anderer Personen darin, dass die volle persönliche Verantwortung des vom Gericht ausgewählten Sachverständigen gewahrt bleiben muss (vgl. [X.], Urteil vom 9. März 1984 - 8 [X.] 97.83 - [X.]E 69, 70 <75 f.>; [X.]eschluss vom 25. Juli 1994 - 8 [X.] - juris Rn. 3 sowie zuletzt etwa [X.]SG, [X.]eschluss vom 1. Oktober 2014 - [X.] S[X.] 53/14 [X.] - juris Rn. 6 m.w.N.).

6

[X.]iesen Vorgaben genügt die von dem Sachverständigen in seinem Gutachten (S. 2, [X.]. 2) offen gelegte [X.]efunderhebung für eine testpsychologische Untersuchung durch die [X.]iplom-Psychologin L. [X.]er Sachverständige hat die Ergebnisse dieser Untersuchung eigenständig nachvollzogen und unter [X.]erücksichtigung weiterer Vorbegutachtungen ausgewertet. Er hat ausweislich des Gutachtens vier weitere [X.] selbst durchgeführt und sich damit auch einen persönlichen Eindruck verschafft. Es kann daher keine Rede davon sein, dass die Gesamtbeurteilung nicht vom Sachverständigen selbst verantwortet und erstellt worden wäre.

7

Warum auch diese testpsychologische Untersuchung durch den Sachverständigen selbst hätte durchgeführt werden müssen, legt die [X.]eschwerde nicht dar. [X.]er Hinweis auf die [X.]edeutung von Mimik und Gestik des Probanden betrifft allenfalls die Frage der zutreffenden Ergebnisgewinnung; er ist aber nicht geeignet, einen Hinweis für das Erfordernis einer persönlichen Anwesenheit des Sachverständigen selbst zu liefern.

8

Soweit die [X.]eschwerde schließlich die fehlende ärztliche Sachkunde der eingesetzten Hilfsperson rügt, verkennt sie, dass die Sachkunde durch den Sachverständigen selbst vermittelt wird. Im Übrigen hat der Sachverständige ausweislich der Niederschrift in der mündlichen Verhandlung vor dem Oberverwaltungsgericht die spezifische Sachkunde der hinzugezogenen Hilfsperson und die Gründe für deren [X.]eauftragung nachvollziehbar dargestellt. Substantiierte Einwände hiergegen zeigt die [X.]eschwerde nicht auf.

9

b) [X.]as Oberverwaltungsgericht hat mit dem Unterlassen weiterer Ermittlungen zu einem möglichen Mitverschulden des [X.]ienstherrn auch nicht gegen die ihm von Amts wegen obliegende Aufklärungspflicht (§ 65 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 58 Abs. 1 [X.]) verstoßen.

[X.]ies folgt zunächst schon daraus, dass ein entsprechender [X.]eweisantrag im Termin zur mündlichen Verhandlung ausweislich der Niederschrift (vgl. § 105 VwGO i.V.m. § 160 Abs. 2, § 165 ZPO) nicht gestellt worden ist. Welche Tatsachen warum und durch welche [X.]eweismittel weiter hätten aufgeklärt werden sollen, legt auch die [X.]eschwerde nicht dar.

Unabhängig hiervon ist auch nicht ersichtlich, dass die angegriffene Entscheidung auf einem etwaigen Unterlassen beruhen könnte (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 Halbs. 2 VwGO). [X.]enn "ein gewisses Maß an Mitverschulden durch seine Vorgesetzten" hat das Oberverwaltungsgericht in seine [X.]emessungserwägungen eingestellt (UA S. 41).

3. [X.]ie Revision ist auch nicht wegen der geltend gemachten Abweichung von der Rechtsprechung des [X.] zuzulassen.

Eine [X.]ivergenz im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO setzt voraus, dass die Entscheidung des [X.]erufungsgerichts auf einem abstrakten Rechtssatz beruht, der im Widerspruch zu einem Rechtssatz steht, den das [X.] in Anwendung derselben Rechtsvorschrift aufgestellt hat (vgl. [X.], [X.]eschluss vom 9. April 2014 - 2 [X.] 107.13 - [X.] 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 2 VwGO Nr. 20 Rn. 3 m.w.N.). [X.]iese Anforderungen liegen hinsichtlich der von der [X.]eschwerde zitierten Passage im [X.]eschluss des [X.] vom 9. Oktober 2014 - 2 [X.] 60.14 - ([X.] 2015, 34 Rn. 49) schon deshalb nicht vor, weil diese Aussagen keinen tragenden Rechtssatz enthalten, sondern nur Hinweise zum weiteren Verfahren. [X.]ie thematisierte "[X.]" betraf dort im Übrigen unterschiedliche Rechtsfolgen ein und derselben Tat. Einen hierzu widersprüchlichen Rechtssatz enthält das angefochtene Urteil weder abstrakt noch "zwischen den Zeilen".

Unabhängig hiervon ist in der Rechtsprechung des [X.] geklärt, dass für die [X.]emessung der erforderlichen [X.]isziplinarmaßnahme alle be- und entlastenden Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen sind. [X.]ie Schwere des [X.]ienstvergehens ist dabei bereits durch die ausdrückliche Anordnung in § 13 Abs. 1 Satz 2 [X.] zum richtungsweisenden [X.]emessungskriterium bestimmt. Zur Ausfüllung des abstrakt für bestimmte [X.]eliktsgruppen angenommenen [X.] ist deshalb der Schweregrad des vom [X.]eamten konkret begangenen [X.]ienstvergehens in den [X.]lick zu nehmen. [X.]ies macht eine [X.]etrachtung der von der [X.]eschwerde gerügten Gesichtspunkte wie Anzahl und Art der Pflichtverletzungen zwingend erforderlich (vgl. zuletzt etwa [X.], Urteil vom 18. Juni 2015 - 2 [X.] 9.14 - [X.] 2015, 245 S. 250 f. = juris Rn. 35 ff.). Entsprechendes gilt für die vom Oberverwaltungsgericht herangezogenen Umstände der [X.]auer der [X.] sowie deren Fortführung trotz eingeleiteten [X.]isziplinarverfahrens (vgl. hierzu [X.], Urteil vom 29. Oktober 2013 - 1 [X.] 1.12 - [X.]E 148, 192 Rn. 46).

Ob eine den Orientierungsrahmen verlassende [X.]isziplinarmaßnahme mit Gesichtspunkten begründet werden kann, die den Unrechtsgehalt der Straftat kennzeichnen und damit bereits abstrakt bei der [X.]estimmung des [X.] berücksichtigt worden sind (vgl. hierzu [X.], [X.]eschluss vom 14. Mai 2012 - 2 [X.] 146.11 - NVwZ-RR 2012, 658 Rn. 10), bedarf vorliegend keiner Entscheidung. [X.]em Kläger war neben den als schwerste Verfehlung herangezogenen [X.]etrugshandlungen auch eine Urkundenfälschung zur Last gelegt worden (vgl. [X.], [X.]eschluss vom 11. Februar 2014 - 2 [X.] 37.12 - juris Rn. 21).

4. [X.]ie Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs. 1 [X.] i.V.m. § 154 Abs. 2 VwGO.

Ein Streitwert für das [X.]eschwerdeverfahren muss nicht festgesetzt werden, weil sich die Höhe der Gerichtskosten streitwertunabhängig aus dem Gesetz ergibt (vgl. § 78 Satz 1 [X.] i.V.m. Nr. 10 und 62 des als Anlage zu diesem Gesetz erlassenen Gebührenverzeichnisses).

Meta

2 B 37/15

24.11.2015

Bundesverwaltungsgericht 2. Senat

Beschluss

Sachgebiet: B

vorgehend Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg, 11. März 2015, Az: OVG 82 D 2.11, Urteil

§ 13 BDG, § 58 Abs 1 BDG, § 65 Abs 1 S 1 BDG, § 132 Abs 2 Nr 3 VwGO, § 132 Abs 2 Nr 2 VwGO, § 98 VwGO, § 407a Abs 2 S 2 ZPO, § 407a Abs 2 S 1 ZPO

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 24.11.2015, Az. 2 B 37/15 (REWIS RS 2015, 1907)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 1907

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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20 K 335/20

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