Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 11.03.2021, Az. 2 B 76/20

2. Senat | REWIS RS 2021, 7991

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Gegenstand

Dienstherr als Kläger im Disziplinarklageverfahren


Leitsatz

1. Auch in den Fällen der Übertragung der Befugnis zur Erhebung der Disziplinarklage nach § 34 Abs. 2 Satz 2 BDG auf einen nachgeordneten Dienstvorgesetzten ist der Dienstherr des betroffenen Beamten Kläger des Disziplinarklageverfahrens. Der nachgeordnete Dienstvorgesetzte, auf den die Befugnis übertragen worden ist, handelt nur als dessen Vertreter und ist dementsprechend auch im Rubrum lediglich als Vertreter des Dienstherrn aufzuführen (Richtigstellung zu BVerwG, Beschluss vom 18. Dezember 2007 - 2 B 113.07 - juris Rn. 7).

2. Die Abweichung von einer vereinzelt gebliebenen Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts führt nicht zur Zulassung der Revision wegen Divergenz nach § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO, wenn diese Entscheidung aufgrund späterer ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts überholt ist (stRspr).

Tenor

Die Beschwerde des Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des [X.] für das [X.] vom 23. September 2020 wird zurückgewiesen.

Der Beklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Gründe

1

Die auf Divergenz und grundsätzliche [X.]edeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 und 2 VwGO und § 69 [X.]) gestützte [X.]eschwerde des [X.]eklagten ist zulässig, aber nicht begründet.

2

1. Der 1962 geborene [X.]eklagte steht als Verwaltungsoberinspektor im Dienst der klagenden [X.]. Mit Strafbefehl vom Juni 2017 wurde der [X.]eklagte wegen sexuellen Missbrauchs eines Kindes rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten verurteilt, deren Vollstreckung zur [X.]ewährung ausgesetzt wurde. Nach dem Strafbefehl hatte der [X.]eklagte im September 2001 an einem damals 13 Jahre alten Jungen, der ihn gemeinsam mit anderen Jugendlichen zu Schwimmausflügen und Saunagängen begleitet hatte, auf der Rückfahrt mit dem Auto sexuelle Handlungen vorgenommen, über die das Opfer aus Scham bis zum [X.] schwieg. Im sachgleichen Disziplinarverfahren hat das Verwaltungsgericht den [X.]eklagten aus dem [X.]eamtenverhältnis entfernt. Das Oberverwaltungsgericht hat die [X.]erufung des [X.]eklagten zurückgewiesen. Zur [X.]egründung hat es im Wesentlichen ausgeführt:

3

Gegen die Wirksamkeit der [X.] spreche nach Vorlage einer von der zuständigen [X.]in unterzeichneten Klageschrift in der [X.]erufungsverhandlung nichts mehr. Die im Strafbefehl enthaltenen Feststellungen könnten der Disziplinarentscheidung nach § 57 Abs. 2 [X.] zugrunde gelegt werden. Zudem stehe der im Strafbefehl wiedergegebene Sachverhalt auch aufgrund des glaubhaften Geständnisses des [X.]eklagten im Disziplinarverfahren fest. Das außerdienstliche Dienstvergehen sei [X.]. Es führe im Rahmen einer Gesamtwürdigung sämtlicher zu berücksichtigender Umstände zur Entfernung des [X.]eklagten aus dem [X.]eamtenverhältnis.

4

2. Die Revision ist nicht wegen Divergenz (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO und § 69 [X.]) zuzulassen.

5

Eine Divergenz im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO setzt voraus, dass das [X.]erufungsgericht in dem angefochtenen Urteil einen inhaltlich bestimmten, das Urteil tragenden abstrakten Rechtssatz aufgestellt hat, mit dem es einem ebensolchen Rechtssatz widersprochen hat, der in einer Entscheidung des [X.] in Anwendung derselben Rechtsvorschrift aufgestellt worden ist, und diesen nicht anwendet, weil es ihn für unrichtig hält (stRspr, vgl. [X.]VerwG, [X.]eschlüsse vom 19. August 1997 - 7 [X.] 261.97 - [X.] 310 § 133 VwGO Nr. 26 S. 14, vom 3. Juli 2007 - 2 [X.] 18.07 - [X.] 235.1 § 69 [X.] Nr. 1 Rn. 4 und vom 6. Mai 2014 - 2 [X.] 90.13 - Z[X.]R 2014, 375 Rn. 10). Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor.

6

Allerdings kann der [X.]eschwerde nicht zum Nachteil gereichen, dass die Ausführungen des [X.] im [X.]erufungsurteil zu etwaigen Mängeln der Klageschrift ([X.] unter I) allenfalls kursorisch sind. Diese lassen einen übergeordneten Rechtssatz, der vom Gericht herauszustellen ist und auf den es für den Zulassungsgrund des § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO ankommt, nur in Ansätzen erkennen. Der Sache nach hat das [X.]erufungsgericht aber die [X.]enennung der [X.] für Arbeit als Klägerin des gerichtlichen Verfahrens in der Klageschrift vom 18. September 2020 und ihre Vertretung als rechtlich zutreffend gewertet.

7

Ungereimtheiten ergeben sich aber zunächst daraus, dass das Oberverwaltungsgericht von einer "von der zuständigen [X.]in (vgl. Ziff. I.7.2 [X.]AZustAnO) unterzeichneten Klageschrift" spricht. [X.] sind auch die Angaben im Rubrum des [X.]erufungsurteils zur Vertretung der Klägerin, weil dort nicht der zum Zeitpunkt der Einreichung der zweiten Klageschrift amtierende Vorsitzende der Geschäftsführung der Regionaldirektion genannt ist, der die [X.] wirksam erhoben hat. Diese Umstände machen deutlich, dass das [X.]erufungsgericht die neue Klageschrift nicht richtig erfasst und zudem einen Fehler der Klägerin bei der Formulierung der Klageschrift vom 18. September 2020 übersehen hat.

8

Nach § 34 Abs. 2 Satz 2 [X.] kann die oberste Dienstbehörde ihre [X.]efugnis zur Erhebung der [X.] durch allgemeine, im [X.]undesgesetzblatt zu veröffentlichende Anordnung ganz oder teilweise auf nachgeordnete Dienstvorgesetzte übertragen. Hiervon ist für den Zuständigkeitsbereich der Klägerin auf der Grundlage der Verordnung zur Durchführung des [X.]undesdisziplinargesetzes bei den bundesunmittelbaren Körperschaften mit Dienstherrnfähigkeit im Geschäftsbereich des [X.]undesministeriums für Arbeit und Soziales vom 13. Juli 2006 ([X.]G[X.]l. [X.] 1584), zuletzt geändert durch Art. 1 der Verordnung vom 4. Mai 2016 ([X.]G[X.]l. [X.] 1134), durch die Anordnung des zuständigen Vorstands der [X.] für Arbeit über die Übertragung von [X.]efugnissen auf dem Gebiet des [X.]eamten-, Versorgungs- und [X.] ([X.]AZustAnO) vom 28. Dezember 2017 ([X.]G[X.]l. I 2018 S. 127) Gebrauch gemacht worden.

9

Nach § 34 Abs. 2 Satz 2 [X.] i.V.m. Nr. I.7.2 [X.]AZustAnO ist für die Erhebung der [X.] gegen einen [X.]eamten der [X.]esoldungsgruppe des [X.]eklagten der Vorsitzende der Geschäftsführung der jeweiligen Regionaldirektion zuständig. Zu dem für die [X.]eurteilung der Rechtmäßigkeit der Klageschrift relevanten Zeitpunkt der Einreichung der Klageschrift in der [X.]erufungsverhandlung vom 23. September 2020 war [X.], der die Klage für die Dienstherrin des [X.]eklagten - [X.] - erhoben hat, Vorsitzender der Geschäftsführung der Regionaldirektion der Klägerin, in deren Geschäftsbereich der [X.]eklagte bis zu seiner vorläufigen Dienstenthebung im September 2017 tätig war. Dementsprechend kommt es auf die unter VI. der Klageschrift vom 18. September 2020 erwähnte Entscheidung der früheren Vorsitzenden der Geschäftsführung der Regionaldirektion zur Erhebung der [X.] und die unter VI. und in den Anlagen erwähnte "Vollmacht" der Frau S. nicht an. Die [X.] ist danach am 23. September 2020 nicht, wie vom [X.]erufungsgericht angenommen, von "der zuständigen [X.]in" erhoben worden, sondern von demjenigen - zuständigen - [X.], auf den die Klägerin die [X.]efugnis zur Erhebung der [X.] zum Zeitpunkt der Einreichung der zweiten Klageschrift wirksam übertragen hatte. Kläger eines [X.]verfahrens ist der jeweilige Dienstherr des [X.]eamten; der nachgeordnete Dienstvorgesetzte, auf den die [X.]efugnis zur Erhebung der [X.] nach § 34 Abs. 2 Satz 2 [X.] übertragen worden ist, ist nicht Kläger, sondern ist lediglich als Vertreter des klagenden Dienstherrn aufzuführen.

Wie sich auch aus dem Rubrum des zugrundeliegenden [X.]erufungsurteils des Niedersächsischen [X.] vom 17. Juli 2007 - 3 LD 5/04 - (n.v.) ergibt, geht der von der [X.]eschwerde herangezogene [X.]eschluss des [X.] vom 18. Dezember 2007 - 2 [X.] 113.07 - (juris Rn. 7) tatsächlich davon aus, dass im Falle der Übertragung der [X.]efugnis nach § 34 Abs. 2 Satz 2 [X.] auf einen nachgeordneten Dienstvorgesetzten dieser im eigenen Namen als Kläger der [X.] auftritt und nicht der jeweilige Dienstherr, vertreten durch den betreffenden Dienstvorgesetzten, und dass das Auftreten dieses Dienstvorgesetzten als - bloßer - gesetzlicher Vertreter der Dienstbehörde anstelle des Auftretens als Dienstvorgesetzter einen formalen Mangel der [X.] darstellt, der zu beseitigen ist. Sowohl in dem [X.]erufungsurteil - unter Verweis auf den [X.]eschluss des [X.] vom 13. Mai 2005 - 3 [X.] - ([X.], 187 f.) - als auch im [X.]eschluss des [X.] über die Nichtzulassungsbeschwerde wird als Kläger nicht die - zum Zeitpunkt der Klageerhebung dienstherrnfähige (§ 149a Abs. 1 Satz 1 SG[X.] VII in der Fassung des [X.], [X.]G[X.]l. [X.] 2167) - Unfallkasse des [X.]undes, sondern deren Geschäftsführer als Kläger genannt.

Von diesem Rechtssatz des [X.] vom 18. Dezember 2007 weicht das hier angegriffene [X.]erufungsurteil, wie von der [X.]eschwerde geltend gemacht, rechtssatzmäßig ab, weil es stillschweigend - rechtlich zutreffend - davon ausgeht, dass im Falle der Übertragung der [X.]efugnis nach § 34 Abs. 2 Satz 2 [X.] auf einen nachgeordneten Dienstvorgesetzten die Dienstherrin Klägerin und der Dienstvorgesetzte, auf den die [X.]efugnis übertragen worden ist, in der Klageschrift lediglich als Vertreter der Dienstherrin aufzuführen ist.

Dennoch scheidet die Zulassung der Revision wegen Divergenz aus. Eine Abweichung im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO liegt nicht vor, wenn das [X.]erufungsgericht einer Rechtsansicht nicht gefolgt ist, die das [X.]undesverwaltungsgericht zwar in der Vergangenheit vertreten hat, die aber der seit dieser Entscheidung langjährig geübten gerichtlichen Praxis widerspricht ([X.]VerwG, [X.]eschlüsse vom 5. Mai 1999 - 4 [X.] 35.99 - NVwZ 2000, 65 <66>, vom 6. Mai 2014 - 2 [X.] 90.13 - [X.] 239.1 § 12 [X.]eamtVG Nr. 22 Rn. 14 f. und vom 9. März 2021 - 2 [X.] 6.21 - Rn. 6 m.w.N.). Die Zulassung der Revision wegen Divergenz dient der Wahrung und Erhaltung der Rechtseinheit. Diese Rechtseinheit ist aber nicht gefährdet, wenn die Entscheidung, von der abgewichen wird, zwischenzeitlich überholt ist ([X.]VerwG, Urteil vom 11. April 2002 - 4 [X.] 4.01 - [X.]VerwGE 116, 169 <173>). Dies ist auch gegeben, wenn das Revisionsgericht die seiner früheren Spruchpraxis widersprechende Rechtsprechung wieder aufgegeben hat und nunmehr wieder in Übereinstimmung mit der früheren ständigen Rechtsprechung entscheidet. So liegt es hier; die genannten Erwägungen des [X.] vom 18. Dezember 2007 zur Frage des Klägers des Disziplinarverfahrens und der Rolle des für den Dienstherrn handelnden [X.]ediensteten im Falle des § 34 Abs. 2 Satz 2 [X.] sind offenkundig unrichtig und widersprechen der ständigen Praxis.

Zumindest seit dem von der [X.]eschwerde herangezogenen [X.]eschluss des Senats vom 18. Dezember 2007 geht das [X.]undesverwaltungsgericht für diejenigen Disziplinargesetze, die für die Zurückstufung, die Entfernung aus dem [X.]eamtenverhältnis und die Aberkennung des Ruhegehalts die Erhebung der [X.] vorsehen, wie selbstverständlich davon aus, dass Kläger des gerichtlichen Verfahrens der jeweilige Dienstherr des betroffenen [X.]eamten ist und nicht derjenige [X.]edienstete des Dienstherrn, der für diesen die Klage erhebt. Die mit der [X.] angestrebten Disziplinarmaßnahmen betreffen das Dienstverhältnis, das zwischen Dienstherrn und [X.]eamten besteht. Ziel sämtlicher Disziplinarmaßnahmen ist die Gewährleistung der Funktionsfähigkeit der öffentlichen Verwaltung, für die der Dienstherr zu sorgen hat. Die [X.]efugnis zur Erhebung der [X.] folgt aus dem Dienstverhältnis und steht deshalb dem Dienstherrn zu; § 34 Abs. 2 Satz 2 [X.] regelt lediglich die Zuständigkeit für die Erhebung der Klage. Ohnehin führt die Annahme, Kläger des gerichtlichen Disziplinarverfahrens sei der konkrete [X.]edienstete, der für den Dienstherrn handelt, im Falle des Todes oder des Ausscheidens dieses [X.]ediensteten aus dem Dienst des Dienstherrn zu absurden Ergebnissen. Dies gilt auch für den Vollzug der Kostenentscheidung der gerichtlichen Entscheidung, sollte diese dem betroffenen [X.]eamten nicht sämtliche Kosten auferlegen.

3. Die Rechtssache hat nicht die grundsätzliche [X.]edeutung, die ihr der [X.]eklagte beimisst.

Grundsätzliche [X.]edeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine - vom [X.]eschwerdeführer zu bezeichnende - grundsätzliche, bisher höchstrichterlich nicht beantwortete Rechtsfrage aufwirft, die im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder einer Weiterentwicklung des Rechts revisionsgerichtlicher Klärung bedarf und die für die Entscheidung des [X.] erheblich sein wird (stRspr, [X.]VerwG, [X.]eschluss vom 2. Oktober 1961 - 8 [X.] 78.61 - [X.]VerwGE 13, 90 <91 f.>). Das ist bei den von der [X.]eschwerde aufgeworfenen Fragen nicht der Fall.

a) Die [X.]eschwerde sieht die grundsätzliche [X.]edeutung der Rechtssache zunächst in der Frage:

"Ist der bei außerdienstlich begangenen Dienstvergehen für die [X.]estimmung der Disziplinarmaßnahme zunächst zu bestimmende Orientierungsrahmen in Form von Abstufungen zu reduzieren, wenn der betroffene [X.]eamte strafrechtlich - lediglich - zu der im Strafgesetz vorgesehenen Mindeststrafe, die unter einem Jahr liegt, verurteilt worden ist?"

Diese Frage vermag die Zulassung der Revision nicht zu rechtfertigen, weil sie auf der Grundlage der einschlägigen Rechtsprechung des [X.] ohne Durchführung eines Revisionsverfahrens - verneinend - beantwortet werden kann ([X.]VerwG, [X.]eschlüsse vom 9. April 2014 - 2 [X.] 107.13 - [X.] 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 2 VwGO Nr. 20 Rn. 9 und vom 28. November 2017 - 2 [X.] 53.17 - [X.] 240 § 42 [X.][X.]esG Nr. 32 Rn. 5).

Die in der Fragestellung zum Ausdruck kommende Erwägung einer Abstufung des [X.] widerspricht der Funktion dieses Verfahrensschritts bei der [X.]emessung der Disziplinarmaßnahme nach § 13 [X.], die im pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts liegt und primär nach der Schwere des Dienstvergehens zu bestimmen ist. Wie bereits die [X.]ezeichnung verdeutlicht, bestimmt die Ausrichtung an dem zum Tatzeitpunkt geltenden Strafrahmen lediglich die [X.]andbreite der für das konkrete Dienstvergehen in [X.]etracht kommenden Disziplinarmaßnahme i.[X.]. § 5 [X.]. Die generelle Orientierung des Umfangs des Vertrauensverlusts am gesetzlichen Strafrahmen gewährleistet eine nachvollziehbare und gleichmäßige disziplinarische Ahndung der Dienstvergehen ([X.]VerwG, Urteil vom 10. Dezember 2015 - 2 [X.] 6.14 - [X.]VerwGE 154, 10 Rn. 19 f.). Mit der Anknüpfung an die (im Tatzeitpunkt geltende) Strafandrohung wird zugleich verhindert, dass die Disziplinargerichte ihre jeweils eigene Einschätzung des [X.] eines Delikts an die Stelle der [X.]ewertung des Gesetzgebers setzen ([X.]VerwG, Urteile vom 19. August 2010 - 2 [X.] 5.10 - [X.] 235.2 LDisziplinarG Nr. 12 Rn. 22 und - 2 [X.] 13.10 - [X.] 235.1 § 13 [X.] Nr. 12 Rn. 25). Nicht die Vorstellung des jeweiligen Disziplinargerichts, sondern die Einschätzung des [X.] bestimmt, welche Straftaten als besonders verwerflich anzusehen sind. Aus dieser Funktion des [X.] leitet sich die in der Praxis des Senats übliche Formulierung ab, dass ausgehend vom Strafrahmen der Orientierungsrahmen "bis hin" zur Zurückstufung oder Entfernung aus dem [X.]eamtenverhältnis eröffnet ist ([X.]VerwG, Urteile vom 18. Juni 2015 - 2 [X.] 9.14 - [X.]VerwGE 152, 228 Rn. 32 und vom 10. Dezember 2015 - 2 [X.] 50.13 - [X.] 235.2 LDisziplinarG Nr. 39 Rn. 16).

Die weiteren Schritte zur Festlegung der Disziplinarmaßnahme, etwa ob der Orientierungsrahmen ausgeschöpft oder gar überschritten wird, sind eine Frage des konkreten Einzelfalls und der dem Disziplinargericht aufgegebenen Würdigung sämtlicher be- und entlastenden Umstände. Die dem Disziplinargericht in diesem Zusammenhang obliegenden Überlegungen betreffen die [X.]estimmung des [X.] nicht mehr.

b) Als rechtsgrundsätzlich bedeutsam sieht die [X.]eschwerde des [X.]eklagten ferner die Frage an:

"Ist der Umstand, dass eine Tat, die als außerdienstliches Dienstvergehen gewürdigt wird, bereits sehr lange zurückliegt, bei der [X.]estimmung der Disziplinarmaßnahme als [X.] zu berücksichtigen?"

Diese Frage führt nicht zur Zulassung der Revision nach § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO und § 69 [X.], weil sie im angestrebten Revisionsverfahren nicht rechtsgrundsätzlich geklärt werden könnte. Die Frage betrifft die [X.]estimmung der Disziplinarmaßnahme durch das Gericht nach Maßgabe von § 13 [X.]. Diese [X.]emessung ist aber stets eine Frage der Würdigung aller be- und entlastenden Umstände des Einzelfalls (stRspr, zuletzt [X.]VerwG, Urteil vom 16. Juni 2020 - 2 [X.] 12.19 - NJW 2020, 2907 Rn. 39) und entzieht sich damit einer rechtsgrundsätzlichen Klärung. Eine genaue [X.]estimmung von Milderungsgründen, die im Rahmen der [X.]emessungsentscheidung vom Gericht nach Tatbestand und Rechtsfolge zu prüfen wären, ist dem [X.]undesdisziplinargesetz gerade nicht zu entnehmen.

c) Zuletzt benennt die [X.]eschwerde die Frage:

"Ist der Umstand, dass ein außerdienstliches Dienstvergehen, welches keinen [X.]ezug zum Dienst hat, und von dem Strafgericht - lediglich - mit der im Gesetz vorgesehenen Mindeststrafe von sechs Monaten geahndet worden ist, als [X.] bei der [X.]emessung der Disziplinarmaßnahme zu berücksichtigen?"

Auch diese Frage verleiht der Rechtssache nicht die erforderliche grundsätzliche [X.]edeutung, weil sie auf der Grundlage der bereits vorliegenden Rechtsprechung des [X.] - wiederum verneinend - beantwortet werden kann.

Unter Aufgabe der teilweise entgegenstehenden Auffassung im Senatsurteil vom 18. Juni 2015 - 2 [X.] 9.14 - ([X.]VerwGE 152, 228 Rn. 38) hat der Senat im [X.] an seine frühere Rechtsprechung entschieden, dass der konkreten im Wege der Strafzumessung ausgesprochenen Strafe aufgrund der unterschiedlichen Zwecke von Straf- und Disziplinarrecht keine die disziplinare Maßnahmebemessung begrenzende Indizwirkung zukommt ([X.]VerwG, Urteil vom 24. Oktober 2019 - 2 [X.] 3.18 - [X.]VerwGE 166, 389 Rn. 34 f. und [X.]eschluss vom 5. Juli 2016 - 2 [X.] 24.16 - [X.] 235.1 § 13 [X.] Nr. 38 Rn. 13).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 77 Abs. 1 [X.] und § 154 Abs. 2 VwGO. Einer Festsetzung des Streitwerts bedarf es nicht, weil für das [X.]eschwerdeverfahren Festgebühren nach dem Gebührenverzeichnis der Anlage zu § 78 [X.] erhoben werden.

Meta

2 B 76/20

11.03.2021

Bundesverwaltungsgericht 2. Senat

Beschluss

Sachgebiet: B

vorgehend Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, 23. September 2020, Az: 3d A 3226/19.BDG, Urteil

§ 34 Abs 2 BDG, § 132 Abs 2 Nr 2 VwGO

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 11.03.2021, Az. 2 B 76/20 (REWIS RS 2021, 7991)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2021, 7991

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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