Bundesfinanzhof, Urteil vom 14.05.2014, Az. XI R 56/10

11. Senat | REWIS RS 2014, 5600

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Gegenstand

Zum Kindergeldanspruch eines von seinem polnischen Arbeitgeber nach Deutschland entsandten polnischen Arbeitnehmers


Leitsatz

1. NV: Ein Anspruch auf Kindergeld nach dem (deutschen) EStG entfällt nicht dadurch, dass ein von seinem polnischen Arbeitgeber nach Deutschland entsandter polnischer Arbeitnehmer nach Unionsrecht weiterhin den polnischen Rechtsvorschriften unterliegt.

2. NV: Nach Zurückverweisung durch den Bundesfinanzhof wurde der Rechtsstreit im 2. Rechtsgang beim Finanzgericht übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärt. Die Kosten des gesamten Verfahrens betreffend die Monate Dezember 2004 bis April 2005 sowie August 2005 bis April 2006 trägt der Kläger zu 10 % und die Beklagte zu 90 %. Die Kosten des Revisionsverfahrens betreffend die Monate Januar bis April 2004, Oktober und November 2004, Mai bis Juli 2005 und Mai bis Dezember 2006 hat der Kläger zu tragen (Beschluss vom 2. November 2015 10 K 3691/14 Kg - nicht dokumentiert).

Tatbestand

1

I. Der Kläger und Revisionskläger (Kläger), ein [X.] Staatsangehöriger, der von 2004 bis 2006 zusammen mit seiner Ehefrau und seinen Kindern in [X.] lebte, war vom 12. Mai 2004 bis zum 10. September 2004, vom 11. Dezember 2004 bis zum 26. [X.]pril 2005 sowie vom 18. [X.]ugust 2005 bis zum 29. [X.]pril 2006 bei der "[X.]" beschäftigt und von ihr als [X.]rbeitnehmer in die [X.] ([X.]) entsandt. [X.] war er in [X.].

2

Von den vom Kläger in [X.] bezogenen (inländischen) [X.]rbeitslöhnen wurden Lohnsteuer und Solidaritätszuschlag, jedoch keine [X.]rbeitnehmeranteile zur Sozialversicherung einbehalten. In [X.]en, in denen sich der Kläger nicht in [X.] zur [X.]rbeit aufhielt, erzielte er keine inländischen Einkünfte.

3

Das Finanzamt [X.] ([X.]) veranlagte den Kläger und dessen Ehefrau für die Kalenderjahre 2004 bis 2006 zusammen zur Einkommensteuer, die jeweils auf [X.] € festgesetzt wurde.

4

Der Kläger beantragte im Dezember 2008 bei der [X.] für seine 1998, 2000 sowie 2005 geborenen Kinder [X.] ([X.]), [X.] ([X.]) und [X.] ([X.]) Kindergeld für die [X.] von 2004 bis 2006. Er gab an, dass er in [X.] unselbständig, jedoch nicht sozialversicherungspflichtig tätig gewesen sei und seine Ehefrau von Juni 2004 bzw. September 2005 bis [X.]ugust 2008 in [X.] Familienleistungen in Höhe von monatlich jeweils [X.] [X.] für [X.] und [X.] sowie [X.] [X.] für [X.] erhalten habe.

5

Mit [X.]escheid vom 14. Januar 2009 lehnte die [X.] den [X.]ntrag des [X.] ab, weil er wegen seiner Sozialversicherungsplicht in [X.] ausschließlich den [X.] Rechtsvorschriften unterliege.

6

Die [X.]eklagte und Revisionsbeklagte --die vormals zuständige [X.] (Familienkasse) wies den an sie abgegebenen Einspruch des [X.] mit Einspruchsentscheidung vom 12. März 2009 als unbegründet zurück.

7

Die Klage mit dem [X.]ntrag, die Familienkasse unter [X.]ufhebung des angefochtenen [X.]blehnungsbescheids in Gestalt der Einspruchsentscheidung zu verpflichten, Kindergeld für die [X.], [X.] und [X.] für die [X.] von 2004 bis 2006 zu gewähren, hatte ebenso wenig Erfolg.

8

Das Finanzgericht ([X.]) führte im Wesentlichen aus, dem Kläger stehe für die [X.]räume nach dem 1. Mai 2004 --nach dem [X.]eitritt [X.]s zur [X.] ([X.], in denen er in [X.] tätig gewesen sei, kein Kindergeld nach [X.] Recht zu, weil die [X.] Kindergeldvorschriften nach den [X.]estimmungen des Unionsrechts keine [X.]nwendung fänden. Die Klage sei zudem für die [X.]räume, in denen die Ehefrau des [X.] [X.] Familienleistungen erhalten habe, auch deshalb unbegründet, weil nach § 65 [X.]bs. 1 Satz 1 Nr. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) kein Kindergeld gezahlt werde, wenn --wie hier-- für das betreffende Kind im [X.]usland dem [X.] Kindergeld vergleichbare Leistungen gewährt würden.

9

[X.]uch für die [X.]räume nach dem 1. Mai 2004, in denen der Kläger nicht in [X.] gearbeitet habe, bestehe kein Kindergeldanspruch nach [X.] Recht. Weder bestünden [X.]nhaltspunkte dafür, dass der Kläger insoweit einen Wohnsitz oder seinen gewöhnlichen [X.]ufenthalt in [X.] gehabt habe, noch könne § 1 [X.]bs. 3 i.V.m. § 62 [X.]bs. 1 Nr. 2 [X.]uchst. b EStG für die [X.]räume eine Kindergeldberechtigung begründen, in denen ein Steuerpflichtiger --wie hier der [X.] keine inländischen Einkünfte i.S. des § 49 EStG erzielt habe.

Vom 1. Januar 2004 bis zum 30. [X.]pril 2004 --in der [X.] vor dem [X.]eitritt [X.]s zur EU-- lasse sich schon nicht feststellen, dass der Kläger einen Wohnsitz oder seinen gewöhnlichen [X.]ufenthalt in [X.] gehabt habe und kindergeldberechtigt nach § 62 [X.]bs. 1 EStG gewesen sei.

Der Kläger stützt seine vom [X.] zugelassene Revision auf die Verletzung materiellen Rechts.

Er bringt im Wesentlichen vor, die Verordnung ([X.]) Nr. 1408/71 des Rates vom 14. Juni 1971 zur [X.]nwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf [X.]rbeitnehmer und Selbständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der [X.] zu- und abwandern, in der im Streitzeitraum maßgeblichen Fassung ([X.] 1408/71), verpflichte die jeweiligen [X.]ehörden des [X.]eschäftigungsstaats, den dort tätigen Wanderarbeitnehmern Familienleistungen zu gewähren. Seien in [X.] als [X.]eschäftigungsstaat die Voraussetzungen für einen Kindergeldanspruch nach §§ 62 ff. EStG gegeben, bestehe hiernach ein [X.]nspruch auf Kindergeld. Die unionsrechtlich zwingende [X.]nwendbarkeit des innerstaatlichen Rechts "konterkariere" § 65 [X.]bs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG; diese Vorschrift sei daher unionsrechtswidrig.

Zudem bestehe entgegen der vom [X.] vertretenen Rechtsansicht nach § 62 [X.]bs. 1 Nr. 2 [X.]uchst. b EStG ein [X.]nspruch auf Kindergeld für jedes volle Kalenderjahr, in dem die Voraussetzungen des § 1 [X.]bs. 3 EStG gegeben seien.

Der vormals zuständige III. Senat des [X.]undesfinanzhofs ([X.]FH) hat das Revisionsverfahren mit [X.]eschluss vom 17. März 2011 III R 27/10 bis zur Entscheidung des Gerichtshofs der [X.] ([X.]) über die bei ihm anhängigen Vorabentscheidungsersuchen [X.]-611/10 und [X.]-612/10 ausgesetzt.

Die Familienkasse hat nach Fortsetzung des Revisionsverfahrens den angefochtenen [X.]blehnungsbescheid vom 14. Januar 2009 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 12. März 2009 im Hinblick auf das inzwischen ergangene [X.]-Urteil vom 12. Juni 2012 [X.]-611/10, [X.]-612/10 --Hudzinski und [X.] ([X.] --DStRE-- 2012, 999, [X.]schrift für europäisches Sozial- und [X.]rbeitsrecht --ZES[X.]R-- 2012, 475) mit [X.]escheid vom 28. Januar 2014 geändert und nunmehr Kindergeld für [X.] und [X.] für die [X.] von [X.]ugust 2005 bis [X.]pril 2006 und für [X.] für die [X.] von September 2005 bis [X.]pril 2006 unter [X.]nrechnung der erhaltenen [X.] Familienleistungen festgesetzt sowie den Rechtsstreit (insgesamt) in der Hauptsache für erledigt erklärt.

Hierauf erwiderte der Kläger, dass wegen dieser Teilabhilfe der Rechtsstreit in der Hauptsache nicht (insgesamt) für erledigt erklärt werden könne. Hinsichtlich der danach weiter streitigen [X.]räume habe er --entgegen der [X.]uffassung der [X.] das Vorliegen der [X.]nspruchsvoraussetzungen (ebenfalls) nachgewiesen. Er habe vom 12. Mai 2004 bis zum 26. [X.]pril 2005 --mit kurzzeitiger nicht relevanter Unterbrechung vom 11. September 2004 bis zum 10. Dezember 2004-- seinen gewöhnlichen [X.]ufenthalt i.S. des § 9 der [X.]bgabenordnung ([X.]) im Inland gehabt, weshalb er auch für diesen [X.]raum nach § 62 [X.]bs. 1 Nr. 1 [X.]lternative 2 EStG [X.]nspruch auf Kindergeld habe. Im Übrigen lägen die [X.]nspruchsvoraussetzungen des § 62 [X.]bs. 1 Nr. 2 [X.]uchst. b EStG vor, weil er nach § 1 [X.]bs. 3 EStG zur Einkommensteuer veranlagt worden sei und dies bereits im [X.]ntragsverfahren durch Vorlage der betreffenden Einkommensteuerbescheide auch nachgewiesen habe. Soweit die Familienkasse von ihrer abweichenden Rechtsansicht nicht abrücke, könne der Rechtsstreit lediglich für die mit [X.]escheid vom 28. Januar 2014 umfassten Monate in der Hauptsache für erledigt erklärt werden.

Der Kläger hat beantragt,
die Vorentscheidung und den [X.]blehnungsbescheid vom 14. Januar 2009 sowie die hierzu ergangene Einspruchsentscheidung vom 12. März 2009 aufzuheben und die Familienkasse zu verpflichten, Kindergeld für seine Kinder für die [X.] von 2004 bis 2006 festzusetzen.

Die Familienkasse beantragt,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Sie trägt vor, nach [X.]uskunft des [X.] habe eine Veranlagung des [X.] nach § 1 [X.]bs. 3 EStG nicht stattgefunden. [X.]uch habe der Kläger für eine [X.]nspruchsberechtigung nach § 62 [X.]bs. 1 Nr. 1 EStG keine Nachweise zu einem inländischen Wohnsitz vorgelegt.

Entscheidungsgründe

II. Im Streitfall hat zum 1. Mai 2013 ein gesetzlicher [X.] stattgefunden; Beklagte und Revisionsbeklagte ist nunmehr die [X.] (vgl. z.B. [X.]-Urteile vom 22. [X.]ugust 2007 [X.], [X.], 533, [X.], 109; vom 16. Mai 2013 III R 8/11, [X.], 511, [X.], 1040, Rz 11; vom 28. Mai 2013 XI R 38/11, [X.], 1774, Rz 14; vom 24. Juli 2013 XI R 8/12, [X.], 495, Rz 18). Das Rubrum des Verfahrens ist entsprechend zu ändern.

III.

Der Rechtsstreit ist in der Hauptsache erledigt, soweit er Kindergeld für [X.] und B von [X.]ugust 2005 bis [X.]pril 2006 sowie für [X.] von September 2005 bis [X.]pril 2006 betrifft.

1. Im Streitfall liegen insoweit übereinstimmende Erledigungserklärungen vor.

a) Die Erklärung der Familienkasse ist eindeutig erfolgt; sie hat den Rechtsstreit vollumfänglich --mithin auch die Monate der [X.] umfassend-- für erledigt erklärt.

b) Die Erklärung des [X.] legt der Senat entsprechend aus.

aa) Soweit der Kläger vorgetragen hat, der Rechtsstreit könne wegen der [X.] durch die Familienkasse nicht für erledigt erklärt werden, bezieht sich dies auf die vollumfängliche Hauptsacheerledigungserklärung der Familienkasse, der der Kläger nicht zu folgen vermochte. Denn aus dem weiteren Vorbringen des [X.] zu den "danach weiter streitigen [X.]räumen" und seinem Vortrag, dass der Rechtsstreit "lediglich" für die mit Bescheid vom 28. Januar 2014 umfassten Monate der [X.] in der Hauptsache für erledigt erklärt werden könne, wenn die Familienkasse von ihrer bisher geäußerten --die übrigen streitigen [X.]räume betreffenden und für ihn, den Kläger, nachteiligen-- Rechtsansicht nicht abrücke, ergibt sich eindeutig, dass der Kläger für die [X.]räume der [X.] zuletzt kein Kindergeld über das bereits gewährte [X.] hinaus mehr begehrt.

bb) [X.]usgehend von diesem erkennbaren Rechtsschutzziel entspricht die so verstandene Prozesserklärung des [X.] allein dem, was nach den Maßstäben der Rechtsordnung vernünftig ist und --im Hinblick auf die [X.] zudem in seinem wohlverstandenen Interesse liegt (vgl. dazu Urteil des [X.] vom 1. [X.]ugust 2013 VII ZR 268/11, Neue Juristische Wochenschrift --NJW-- 2014, 155, Betriebs-Berater 2014, 719, m.w.N.; Kammerbeschluss des [X.] vom 25. Januar 2014  1 BvR 1126/11, NJW 2014, 991, m.w.N.). Denn das Rechtsschutzbedürfnis für eine Revision entfällt nachträglich mit der Folge, dass das Rechtsmittel unzulässig wird, soweit sich --wie hier die [X.]räume der [X.] betreffend-- die Hauptsache während des Rechtsmittelverfahrens materiell erledigt und der Rechtsmittelführer gleichwohl seinen ursprünglichen Sachantrag aufrechterhält (vgl. dazu z.B. [X.] vom 5. [X.]ugust 2009 X B 198/08, [X.]schrift für Steuern und Recht 2009, [X.], unter II.2.; Senatsurteil vom 5. September 2013 XI R 52/10, [X.], 33, Rz 21; ferner Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 7. [X.]ufl., Vor § 115 Rz 21a, jeweils m.w.N.).

2. Erklären --wie somit hier hinsichtlich der vorgenannten [X.]räume-- die Beteiligten im Revisionsverfahren übereinstimmend den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt, ist das angefochtene Urteil des [X.] einschließlich der darin enthaltenen Kostenentscheidung insoweit gegenstandslos geworden (vgl. dazu z.B. [X.] vom 18. Juni 2013 III R 19/09, [X.], 1568; vom 6. Dezember 2013 III R 2/12, [X.], 549; vom 8. Januar 2014 VII R 38/12, [X.], 562).

IV.

Die Revision des [X.] ist hinsichtlich des Kindergelds für [X.] und B von Januar 2004 bis [X.]pril 2004, Oktober 2004 bis November 2004, Mai 2005 bis Juli 2005 und Mai 2006 bis Dezember 2006 sowie für [X.] von Mai 2006 bis Dezember 2006 unbegründet.

Sie hat --soweit sie Kindergeld für [X.] und B von Mai 2004 bis September 2004 und Dezember 2004 bis [X.]pril 2005 betrifft-- hingegen Erfolg und führt zur [X.]ufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der nicht spruchreifen Sache an das [X.] zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 [X.]bs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung –-[X.]O--).

1. Soweit sich die Klage gegen die [X.]blehnung des [X.]ntrags auf Kindergeld für [X.] und B von Januar 2004 bis [X.]pril 2004, Oktober 2004 bis November 2004, Mai 2005 bis Juli 2005 und Mai 2006 bis Dezember 2006 sowie für [X.] von Mai 2006 bis Dezember 2006 richtet, ist die Revision als unbegründet zurückzuweisen (§ 126 [X.]bs. 2 [X.]O).

a) Nach § 62 [X.]bs. 1 EStG hat [X.]nspruch auf Kindergeld nach dem EStG, wer
"1. im Inland einen Wohnsitz oder seinen gewöhnlichen [X.]ufenthalt hat oder
2. ohne Wohnsitz oder gewöhnlichen [X.]ufenthalt im Inland
a) nach § 1 [X.]bs. 2 unbeschränkt einkommensteuerpflichtig ist oder
b) nach § 1 [X.]bs. 3 als unbeschränkt einkommensteuerpflichtig behandelt wird."

b) Der Kläger hat für die genannten [X.]räume, in denen er nicht in [X.] gearbeitet hat, keinen [X.]nspruch auf Kindergeld nach § 62 [X.]bs. 1 Nr. 1 EStG.

aa) Das [X.] hat festgestellt, es gebe keine [X.]nhaltspunkte dafür, dass der Kläger in den betreffenden [X.]räumen, in denen er nicht in [X.] gearbeitet habe, einen Wohnsitz oder seinen gewöhnlichen [X.]ufenthalt in [X.] gehabt habe. Dies hat der Kläger nicht mit zulässigen und begründeten Verfahrensrügen angegriffen und ist deshalb nach § 118 [X.]bs. 2 [X.]O bindend.

bb) Der Einwand des [X.], dass er in der [X.] vom 12. Mai 2004 bis 26. [X.]pril 2005 --mit kurzzeitiger nicht relevanter Unterbrechung vom 11. September 2004 bis zum 10. Dezember 2004-- seinen gewöhnlichen [X.]ufenthalt [X.] des § 9 [X.] im Inland gehabt habe, greift nicht durch.

(1) Einen gewöhnlichen [X.]ufenthalt hat jemand dort, wo er sich unter Umständen aufhält, die erkennen lassen, dass er an diesem Ort oder in diesem Gebiet nicht nur vorübergehend verweilt (§ 9 Satz 1 [X.]). [X.]ls gewöhnlicher [X.]ufenthalt ist stets und von Beginn an ein zeitlich zusammenhängender [X.]ufenthalt von mehr als sechs Monaten anzusehen; kurzfristige Unterbrechungen bleiben unberücksichtigt (§ 9 Satz 2 [X.]). Bei einem --hier nicht vorliegenden-- [X.]ufenthalt zu privaten Zwecken trifft § 9 Satz 3 [X.] eine Sonderregelung.

(2) Zwar stehen nach der Rechtsprechung des [X.] z.B. übliche Familienheimfahrten und urlaubsbedingte [X.]bwesenheitszeiten einem zusammenhängenden [X.]ufenthalt [X.] des § 9 Satz 2 [X.] nicht entgegen (vgl. dazu [X.]-Urteil vom 22. Juni 2011 I R 26/10, [X.]/NV 2011, 2001, Rz 14, m.w.N.).

Entgegen der [X.]nsicht des [X.] stellt aber die (fast) dreimonatige [X.]spanne vom 11. September 2004 bis zum 10. Dezember 2004 keine "kurzfristige Unterbrechung" [X.] des § 9 Satz 2 Halbsatz 2 [X.] dar. Denn es ist weder festgestellt noch nach den objektiven Umständen des Einzelfalles ersichtlich, dass die wiederholten beschäftigungsbedingten [X.]ufenthalte des [X.] in [X.] im Zusammenhang standen. Mithin kommt eine Fortdauer des [X.]nlasses für den [X.]ufenthalt im Inland nicht in Betracht.

cc) Der Kindergeldanspruch richtet sich im Übrigen --dem [X.] nach § 66 [X.]bs. 2 EStG folgend-- danach, ob die Voraussetzungen für die Gewährung von Kindergeld im jeweiligen Monat vorliegen. Beim Wechsel von der beschränkten zur unbeschränkten Steuerpflicht und umgekehrt kann Kindergeld daher nur vom Beginn des Monats, in dem ein inländischer Wohnsitz oder gewöhnlicher [X.]ufenthalt begründet wird, bis zum [X.]blauf des Monats, in dem dieser aufgegeben wird, gewährt werden (vgl. [X.]-Urteile vom 20. November 2008 III R 53/05, [X.]/NV 2009, 564; vom 24. Oktober 2012 V R 43/11, [X.]E 239, 327, [X.], 491). Vor Begründung und nach [X.]ufgabe des inländischen Wohnsitzes oder gewöhnlichen [X.]ufenthalts besteht daher nach § 62 [X.]bs. 1 Nr. 1 EStG kein [X.]nspruch auf Kindergeld (vgl. [X.]-Urteil in [X.]E 239, 327, [X.], 491; in [X.], 495).

dd) Der Kläger ist für die Monate, in denen er nicht im Inland beschäftigt war, --was hier ausschließlich noch in Betracht kommt-- ebenso wenig nach § 62 [X.]bs. 1 Nr. 2 Buchst. b EStG kindergeldberechtigt, selbst wenn er für die Veranlagungszeiträume 2004 bis 2006 nach § 1 [X.]bs. 3 EStG aufgrund inländischer Einkünfte [X.] des § 49 EStG als unbeschränkt einkommensteuerpflichtig behandelt worden wäre.

(1) Entgegen der Rechtsauffassung des [X.] ist eine Kindergeldberechtigung in den Fällen des § 62 [X.]bs. 1 Nr. 2 Buchst. b EStG nicht für das gesamte Kalenderjahr gegeben, auch wenn die Einkommensteuer eine Jahressteuer ist (§ 2 [X.]bs. 7 Satz 1 EStG). Der [X.] hat bereits in ständiger Rechtsprechung entschieden, dass --wovon auch die Vorinstanz ausgegangen ist-- eine Kindergeldberechtigung nach § 62 [X.]bs. 1 Nr. 2 Buchst. b EStG nur in den Monaten des betreffenden Kalenderjahrs besteht, in denen der [X.]nspruchsberechtigte inländische Einkünfte [X.] des § 49 EStG erzielt, und diese einschränkende [X.]uslegung der [X.]nspruchsnorm auch im Einklang mit dem Unionsrecht steht (vgl. dazu [X.]-Urteile in [X.]E 239, 327, [X.], 491; vom 18. [X.]pril 2013 VI R 70/11, [X.], 1554; vom 18. Juli 2013 III R 59/11, [X.]E 242, 228, [X.], 1992; in [X.], 495).

(2) Bezogen auf den Streitfall hat das [X.] festgestellt, dass --was gleichfalls mit zulässigen und begründeten Verfahrensrügen nicht angegriffen wurde-- der Kläger in den [X.]räumen, in denen er sich nicht in [X.] zur [X.]rbeit aufhielt, keine inländischen Einkünfte erzielte.

c) Die Vorinstanz hat gleichfalls zu Recht entschieden, dass der Kläger für [X.] für die [X.] von Mai 2006 bis Dezember 2006 keinen [X.]nspruch auf Kindergeld hat.

aa) Der Kläger hat für [X.] --aus den für [X.] und B geltenden Gründen (dazu vorstehend unter IV.1.b)-- ebenso wenig einen [X.]nspruch auf Kindergeld für die Monate von Mai 2006 bis Dezember 2006, in denen er weder im Inland beschäftigt war noch inländische Einkünfte [X.] des § 49 EStG erzielte.

bb) Ferner könnte der Kläger Kindergeld für [X.] von Januar 2004 bis [X.]ugust 2005 schon deshalb nicht beanspruchen, weil ein Kind nach § 62 [X.]bs. 1, § 63 [X.]bs. 1 Satz 2 i.V.m. § 32 [X.]bs. 3 EStG erst ab dem Kalendermonat berücksichtigungsfähig ist, in dem es geboren wird (vgl. dazu [X.]-Urteil vom 18. Dezember 2013 III R 52/11, [X.], 851). Im Streitfall war dies der Monat … 2005.

2. Die Vorentscheidung ist --soweit sie Kindergeld für [X.] und B von Mai 2004 bis September 2004 und Dezember 2004 bis [X.]pril 2005 betrifft-- aufzuheben und die Sache mangels Spruchreife an das [X.] zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen.

a) Entgegen der [X.]nsicht des [X.] entfällt die sich aus den §§ 62 ff. EStG ergebende [X.]nspruchsberechtigung nicht dadurch, dass --wie im Falle der Entsendung-- eine Person gemäß [X.]rt. 13 ff. der [X.] 1408/71 nicht den [X.] Rechtsvorschriften, sondern nur den Vorschriften eines anderen Mitgliedstaats der [X.] unterliegt. Obwohl [X.] in diesem Fall im Hinblick auf die Gewährung der Familienleistungen an sich der unzuständige Staat ist, wird ein sich aus § 62 [X.]bs. 1 Nr. 1 oder Nr. 2 Buchst. b EStG ergebender Kindergeldanspruch nicht ausgeschlossen. Denn die [X.]rt. 13 ff. der [X.] 1408/71 entfalten keine Sperrwirkung für die [X.]nwendung des Rechts des nicht zuständigen Mitgliedstaats, sodass sich die [X.]nspruchsberechtigung auch bei Personen und bei Leistungen, die dem persönlichen und sachlichen [X.]nwendungsbereich der [X.] 1408/71 unterliegen, allein nach den Bestimmungen des [X.] Rechts richtet (vgl. dazu z.B. [X.]-Urteile in [X.], 511, [X.], 1040, Leitsatz; vom 18. Juli 2013 III R 51/09, [X.]E 242, 222, [X.], 1973, Rz 18; in [X.], 33, Rz 29; in [X.], 851, Rz 20, jeweils m.w.N.).

Die gegenteilige [X.]uffassung, die der vorinstanzlichen Entscheidung zugrunde liegt und die auch der [X.] in ständiger Rechtsprechung früher vertreten hat (vgl. z.B. Urteile vom 13. [X.]ugust 2002 VIII R 61/00, [X.]E 200, 205, [X.] 2002, 869, und [X.], [X.]E 200, 211, [X.] 2002, 869; vom 24. März 2006 III R 41/05, [X.]E 212, 551, [X.], 369), wurde im Hinblick auf die Rechtsprechung des [X.] (--Hudzinski und Wawrzyniak-- in [X.], 999, [X.], 475) inzwischen aufgegeben (vgl. dazu [X.]-Urteile in [X.], 511, [X.], 1040; in [X.]E 242, 222, [X.], 1973; in [X.], 33, Rz 30).

b) Das [X.] ist von anderen Rechtsgrundsätzen ausgegangen. Seine Entscheidung konnte daher insoweit --das Kindergeld für [X.] und B von Mai 2004 bis September 2004 und Dezember 2004 bis [X.]pril 2005 betreffend-- keinen Bestand haben und war demnach aufzuheben.

Hinsichtlich der vorstehend genannten [X.]räume kommt für [X.] und B die Gewährung von [X.], ggf. sogar die Gewährung von Kindergeld in voller Höhe in Betracht. [X.]llerdings reichen die vom [X.] getroffenen Feststellungen nicht aus, um abschließend zu beurteilen, ob ein solcher [X.]nspruch tatsächlich besteht.

aa) Der Kläger ist zwar insoweit nicht schon nach § 62 [X.]bs. 1 Nr. 1 [X.]lternative 1 EStG anspruchsberechtigt. Denn es ist weder vorgebracht noch ersichtlich, dass der Kläger neben seinem Familienwohnsitz in [X.] in den betreffenden [X.]räumen einen weiteren Wohnsitz im Inland begründet hätte, was gemäß § 8 [X.] erfordert, dass jemand eine Wohnung unter Umständen innehat, die darauf schließen lassen, dass er die Wohnung beibehalten und benutzen wird.

bb) Die Feststellungen des [X.] lassen keine Beurteilung darüber zu, ob hinsichtlich der betreffenden [X.]räume von Mai 2004 bis September 2004 und Dezember 2004 bis [X.]pril 2005 der Kläger [X.] von § 62 [X.]bs. 1 Nr. 1 [X.]lternative 2 EStG i.V.m. § 9 [X.] seinen gewöhnlichen [X.]ufenthalt im Inland hatte (vgl. dazu z.B. [X.]-Urteil vom 27. [X.]pril 1995 III R 57/93, [X.]/NV 1995, 967, unter 2.; Stapperfend in [X.]/[X.]/[X.], § 1 EStG Rz 76; [X.]/Gersch, [X.], 12. [X.]ufl., § 9 Rz 3, jeweils m.w.N.).

cc) Soweit der Kläger insoweit nicht schon nach § 62 [X.]bs. 1 Nr. 1 [X.]lternative 2 EStG anspruchsberechtigt ist, kommt für die Monate von Mai 2004 bis September 2004 und Dezember 2004 bis [X.]pril 2005, in denen dieser im Inland beschäftigt war, nach § 62 [X.]bs. 1 Nr. 2 Buchst. b EStG ein [X.]nspruch auf Kindergeld in Betracht, wenn der Kläger für die Veranlagungszeiträume 2004 bis 2006 nach § 1 [X.]bs. 3 EStG als unbeschränkt einkommensteuerpflichtig behandelt worden ist und in den betreffenden Monaten inländische Einkünfte [X.] des § 49 EStG erzielt hat (vgl. dazu z.B. [X.]-Urteile vom 24. Mai 2012 III R 14/10, [X.]E 237, 239, [X.] 2012, 897; in [X.]E 239, 327, [X.], 491, Rz 33; in [X.], 495). Ob diese Voraussetzungen vorliegen, lässt sich den Feststellungen des [X.] nicht entnehmen.

c) Soweit hiernach der Kläger für die verbleibenden streitigen Monate der Jahre 2004 und 2005 kindergeldberechtigt wäre, bliebe abschließend zu prüfen, ob in diesen Monaten eine Konkurrenzsituation mit [X.] Familienleistungen gegeben war, und eine sich ggf. ergebende [X.]nspruchskumulierung nach den einschlägigen Vorschriften aufzulösen (vgl. dazu [X.]-Urteil --Hudzinski und Wawrzyniak–- in [X.], 999, [X.], 475, Rz 73 ff.; [X.]-Urteile in [X.]E 242, 222, [X.], 1973; in [X.], 33, Rz 38 ff.; in [X.], 851, Rz 18 f.).

3. Die Kostenentscheidung wird dem [X.] für das gesamte Verfahren, auch soweit der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt ist und die Revision keinen Erfolg hatte, gemäß § 143 [X.]bs. 2 [X.]O übertragen (vgl. dazu z.B. [X.]-Urteile in [X.], 33; in [X.], 851).

Meta

XI R 56/10

14.05.2014

Bundesfinanzhof 11. Senat

Urteil

vorgehend FG Düsseldorf, 16. März 2010, Az: 10 K 1829/09 Kg, Urteil

§ 1 Abs 3 EStG 2002, § 2 Abs 7 S 1 EStG 2002, § 32 Abs 3 EStG 2002, § 49 EStG 2002, § 62 Abs 1 Nr 1 EStG 2002, § 62 Abs 1 Nr 2 Buchst b EStG 2002, § 63 Abs 1 EStG 2002, § 65 EStG 2002, § 66 EStG 2002, § 8 AO, § 9 AO, Art 13ff EWGV 1408/71, Art 13 EWGV 1408/71, EStG VZ 2006, EStG VZ 2007

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 14.05.2014, Az. XI R 56/10 (REWIS RS 2014, 5600)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 5600

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