Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 19.02.2013, Az. 9 AZR 452/11

9. Senat | REWIS RS 2013, 8081

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Gegenstand

Altersteilzeit - Berechnung des Mindestnettobetrages nach Mindestnettobetrags-Verordnung - keine Tariflücke im TV ATZ - kein Verstoß gegen Gleichheitssatz


Tenor

1. Die Revision des [X.] gegen das Urteil des [X.] vom 5. Mai 2011 - 2 Sa 2596/10 - wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten darüber, ob das Altersteilzeitentgelt anhand der [X.] zu ermitteln ist.

2

Die Parteien vereinbarten unter dem 10. November 2008, ihr Arbeitsverhältnis ab dem 1. Januar 2009 ua. auf der Grundlage des Tarifvertrags zur Regelung der Altersteilzeitarbeit vom 5. Mai 1998 in der jeweils geltenden Fassung als Altersteilzeitarbeitsverhältnis im Teilzeitmodell fortzuführen.

3

Der Tarifvertrag zur Regelung der Altersteilzeitarbeit vom 5. Mai 1998 in der Fassung des [X.] Nr. 2 vom 30. Juni 2000 ([X.]) sieht auszugsweise folgende Bestimmungen vor:

        

„§ 4   

        

Höhe der Bezüge

        

(1)     

Der Arbeitnehmer erhält als Bezüge die sich für entsprechende Teilzeitkräfte bei Anwendung der tariflichen Vorschriften … ergebenden Beträge …

        

…       

        
        

§ 5     

        

Aufstockungsleistungen

        

(1)     

Die dem Arbeitnehmer nach § 4 zustehenden Bezüge zuzüglich des darauf entfallenden sozialversicherungspflichtigen Teils der vom Arbeitgeber zu tragenden Umlage zur Zusatzversorgungseinrichtung werden um 20 v. H. dieser Bezüge aufgestockt ([X.]). …

        

(2)     

Der [X.] muss so hoch sein, dass der Arbeitnehmer 83 v. [X.] des bisherigen Arbeitsentgelts erhält (Mindestnettobetrag). Als bisheriges Arbeitsentgelt ist anzusetzen das gesamte, dem Grunde nach beitragspflichtige Arbeitsentgelt, das der Arbeitnehmer für eine Arbeitsleistung bei bisheriger wöchentlicher Arbeitszeit ... zu beanspruchen hätte; …

        

(3)     

Für die Berechnung des [X.] nach Absatz 2 ist die Rechtsverordnung nach § 15 Satz 1 Nr. 1 des Altersteilzeitgesetzes zugrunde zu legen. Sofern das bei bisheriger Arbeitszeit zustehende Arbeitsentgelt nach Absatz 2 Unterabs. 1 Satz 2 das höchste in dieser Rechtsverordnung ausgewiesene Arbeitsentgelt übersteigt, sind für die Berechnung des [X.] diejenigen gesetzlichen Abzüge anzusetzen, die bei Arbeitnehmern gewöhnlich anfallen (§ 3 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a des Altersteilzeitgesetzes).

        

…“    

        

4

Die in § 5 Abs. 3 [X.] in Bezug genommenen Vorschriften des Altersteilzeitgesetzes hatten bei Inkrafttreten des [X.] Nr. 2 zum [X.] am 1. Juli 2000 folgenden Wortlaut ([X.] aF):

        

„§ 3 Anspruchsvoraussetzungen

        

(1)     

Der Anspruch auf die Leistungen nach § 4 setzt voraus, dass

                 

1.    

der Arbeitgeber auf Grund eines Tarifvertrages ... oder einer Vereinbarung mit dem Arbeitnehmer

                          

a)    

das Arbeitsentgelt für die Altersteilzeit um mindestens 20 vom Hundert dieses Arbeitsentgelts, jedoch auf mindestens 70 vom Hundert des um die gesetzlichen Abzüge, die bei Arbeitnehmern gewöhnlich anfallen, verminderten bisherigen Arbeitsentgelts im Sinne des § 6 Abs. 1 (Mindestnettobetrag), aufgestockt hat ...

                          

…       

        
        

§ 4 Leistungen

        

(1)     

Die [X.] erstattet dem Arbeitgeber für längstens sechs Jahre

                 

1.    

den [X.] nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 Buchstabe a in Höhe von 20 vom Hundert des für die Altersteilzeitarbeit gezahlten Arbeitsentgelts, jedoch mindestens den Betrag zwischen dem für die Altersteilzeitarbeit gezahlten Arbeitsentgelt und dem Mindestnettobetrag …

                 

…       

        
        

§ 15 Verordnungsermächtigung

        

Das [X.] für Arbeit und Sozialordnung kann durch Rechtsverordnung jeweils für ein Kalenderjahr

        

1.    

die Mindestnettobeträge nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 Buchstabe a,

        

2.    

Nettobeträge des Arbeitsentgelts für die Altersteilzeitarbeit

        

bestimmen. § 132 Abs. 3 und § 136 des [X.] gelten entsprechend. Der Kalendermonat ist mit 30 Tagen anzusetzen.“

5

Das Dritte Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 23. Dezember 2003 ([X.]I S. 2848) sah mit Wirkung zum 1. Juli 2004 Änderungen des [X.] vor. Für [X.], die ab dem 1. Juli 2004 begannen, gelten nunmehr ua. folgende Regelungen:

        

„§ 3 Anspruchsvoraussetzungen

        

(1)     

Der Anspruch auf die Leistungen nach § 4 setzt voraus, dass

                 

1.    

der Arbeitgeber auf Grund eines Tarifvertrages ... oder einer Vereinbarung mit dem Arbeitnehmer

                          

a)    

das Regelarbeitsentgelt für die Altersteilzeitarbeit um mindestens 20 vom Hundert aufgestockt hat, wobei die Aufstockung auch weitere Entgeltbestandteile umfassen kann ...

                          

…       

        

        

§ 15 Verordnungsermächtigung

        

Das [X.] für Arbeit und Soziales [Fassung bis zum 7. November 2006: [X.] für Wirtschaft und Arbeit] kann durch Rechtsverordnung die Mindestnettobeträge nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 Buchstabe a in der bis zum 30. Juni 2004 gültigen Fassung bestimmen. Die Vorschriften zum Leistungsentgelt des [X.] gelten entsprechend. …“

6

Das damals zuständige [X.] erließ am 15. Dezember 2004 eine Verordnung über die [X.] nach dem Altersteilzeitgesetz ([X.]I S. 3470, [X.] 2005), die am 1. Januar 2005 in [X.] trat. Diese legte mittels der sogenannten [X.] die [X.] [X.]. [X.] für monatliche Arbeitsentgelte bis einschließlich 5.200,00 Euro brutto fest. Die Tabelle wurde in den Jahren 2006 und 2007 nicht geändert.

7

Letztmalig am 19. Dezember 2007 bestimmte das nunmehr zuständige [X.] mit Wirkung zum 1. Januar 2008 die [X.] für Bruttoarbeitsentgelte bis einschließlich 5.300,00 Euro ([X.]I S. 3040, [X.] 2008). Unter dem 12. Dezember 2008 teilte das [X.] mit, die auf der Rechtsverordnung vom 19. Dezember 2007 beruhenden und seit dem 1. Januar 2008 gültigen [X.] nach dem [X.] seien auch im Jahr 2009 maßgebend. Wegen nur geringfügiger Veränderungen sei es nicht notwendig, die [X.] neu festzusetzen. Mit Pressemitteilung vom 9. Dezember 2009 erklärte das [X.], die „derzeit gültigen gesetzlichen [X.]“ gölten für das [X.] fort. Für den Erlass einer neuen Verordnung bestehe keine Notwendigkeit, da die Förderdauer für die vor dem 1. Juli 2004 begonnenen [X.] zum 30. Juni 2010 auslaufe und bundesweit lediglich etwa 1.000 Altfälle betroffen seien.

8

Die Beklagte zahlt an den Kläger seit Beginn der Altersteilzeit ein monatliches Altersteilzeitentgelt [X.]. 1.439,22 Euro netto, das sie auf der Grundlage der [X.] 2008 ermittelt. Mit Schreiben vom 14. Februar 2010 verlangte der Kläger erfolglos von der [X.], an ihn mit Wirkung ab 1. Januar 2010 einen höheren [X.] zu zahlen.

9

Der Kläger hat die Rechtsauffassung vertreten, die Beklagte sei verpflichtet, den [X.] unter entsprechender Anwendung der [X.] zum Leistungsentgelt nach § 133 [X.] in der bis zum 31. März 2012 geltenden Fassung (aF) zu berechnen. Die tarifliche Verweisung auf die Rechtsverordnung iSd. § 15 [X.] gelte nur insoweit, als diese auf den geltenden gesetzlichen Abzügen des [X.] beruhe, in den der Entgeltanspruch falle. Seit der letztmaligen Änderung der Tabelle zum [X.] sei der monatliche Steuerabzug einschließlich des Solidaritätszuschlags auf der Grundlage der für ihn geltenden Steuerklasse I um 66,82 Euro gesunken. Dies habe zur Folge, dass sich das pauschaliert zu berechnende Nettoeinkommen [X.]. 1.734,00 Euro im [X.] auf 1.800,82 Euro ab Januar 2010 erhöht habe. Hierauf bezogen betrage der ihm jetzt gewährte Nettobetrag nicht [X.], sondern [X.] des [X.]s, das er bei gleichbleibender Arbeitszeit erzielen würde. Die Tarifvertragsparteien hätten eine aktualisierte Berechnung des [X.] regeln und nicht auf eine veraltete Steuertabelle Bezug nehmen wollen. Der [X.] habe in § 5 die Höhe des auszuzahlenden [X.]s unter Bezugnahme auf § 3 Abs. 1 [X.] legaldefiniert.

Der Kläger hat beantragt

        

festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ab Januar 2010 bei der Ermittlung der Altersteilzeitbezüge die Berechnung des ihm nach § 5 Abs. 2 TV [X.] zustehenden [X.] unter entsprechender Anwendung der Vorschriften zur Berechnung des Leistungsentgelts (§ 133 SGB III aF) durchzuführen.

Die Beklagte hat die Abweisung der Klage mit der Begründung beantragt, das dem Kläger zustehende [X.] sei weiterhin auf der Grundlage der [X.] 2008 zu ermitteln, die unverändert in [X.] sei. Mangels einer Regelungslücke scheide eine ergänzende Auslegung des § 5 Abs. 3 [X.] ebenso aus wie eine Rechtsanalogie zu § 133 [X.] aF. Den Tarifvertragsparteien sei bei Abschluss des [X.] bekannt gewesen, dass das zuständige [X.] nicht verpflichtet sei, die Verordnung jährlich anzupassen. Die Verweisung habe nicht nur einen steuerrechtlichen Hintergrund, sondern sei auch zum Zwecke der Vereinfachung und Pauschalierung des zu zahlenden Entgelts erfolgt.

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung der [X.] hat das [X.] das Urteil des Arbeitsgerichts abgeändert und die Klage abgewiesen. Mit der zugelassenen Revision begehrt der Kläger die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.

Entscheidungsgründe

Die Revision des [X.] ist nicht begründet. Das [X.] hat das Urteil des Arbeitsgerichts zu Recht abgeändert und die Klage abgewiesen. Die [X.] ist nicht verpflichtet, die Altersteilzeitbezüge des [X.] nach § 133 [X.] aF bzw. § 153 [X.] zu berechnen.

I. Aus § 5 Abs. 1 und Abs. 2 Unterabs. 1 Satz 1 iVm. § 5 Abs. 3 Satz 1 TV [X.] folgt nicht, dass der Mindestnettobetrag gemäß § 133 [X.] aF bzw. § 153 [X.] zu berechnen ist. Trotz des Umstands, dass § 5 Abs. 3 Satz 1 TV [X.] auf § 15 Satz 1 Nr. 1 [X.] aF und damit auf eine Vorschrift verweist, die seit dem 1. Juli 2004 nicht mehr in [X.] ist, hat die Ermittlung des von der [X.]n geschuldeten [X.] weiterhin auf der Grundlage der [X.]-Verordnung 2008 zu erfolgen. Eine Tariflücke liegt nicht vor. Die Tarifvertragsparteien haben grundsätzlich in eigener Verantwortung darüber zu befinden, ob sie eine von ihnen geschaffene Ordnung beibehalten oder ändern ([X.] 16. Dezember 2010 - 6 [X.] - Rn. 16).

1. § 5 Abs. 3 Satz 1 TV [X.] verweist für die Ermittlung des [X.] auf die Rechtsverordnung nach § 15 Satz 1 Nr. 1 [X.] aF. Seit dem Inkrafttreten des [X.] am Arbeitsmarkt vom 23. Dezember 2003 existiert diese Vorschrift nicht mehr. Nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a [X.] in der bis zum 30. Juni 2004 geltenden Fassung (aF) war das vom Arbeitgeber während des [X.] zu zahlende Bruttoarbeitsentgelt um [X.] des Arbeitsentgelts aufzustocken, mindestens jedoch auf [X.] des um die gesetzlichen Abzüge, die bei Arbeitnehmern gewöhnlich anfallen, verminderten bisherigen Arbeitsentgelts iSd. § 6 Abs. 1 [X.] aF (Mindestnettobetrag). Bisheriges Arbeitsentgelt iSd. § 6 Abs. 1 [X.] aF war das Arbeitsentgelt, das der Arbeitnehmer in Altersteilzeit für eine Arbeitsleistung bei bisheriger wöchentlicher Arbeitszeit zu beanspruchen hätte, soweit es die Beitragsbemessungsgrenze des [X.] nicht überstieg. § 15 Satz 1 Nr. 1 [X.] aF ermächtigte das zuständige [X.], jeweils für ein Kalenderjahr die [X.] nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a [X.] aF durch Rechtsverordnung zu bestimmen.

2. Die Tarifvertragsparteien haben die Bemessungsregelung eigenständig und dynamisiert zum Inhalt des § 5 Abs. 3 TV [X.] gemacht (vgl. [X.] 14. Oktober 2008 - 9 [X.] - Rn. 24 f.). Der Wortlaut des § 5 Abs. 3 Satz 1 TV [X.] zwingt zu der Annahme, dass für die Ermittlung des [X.] die [X.]tabelle maßgebend ist, die der [X.]-Verordnung als Anlage beigefügt ist. Die Tarifvertragsparteien haben mit der Erhöhung des (früheren) gesetzlichen [X.] von [X.] auf [X.] des sog. Hätte-Entgelts (§ 5 Abs. 2 TV [X.]) eine eigenständige Regelung getroffen, die von der Gesetzesänderung unberührt geblieben ist. Entgegen der Ansicht der Revision hatte die Gesetzesänderung auf die damit in sachlichem Zusammenhang stehende Bemessungsmethode des [X.] (§ 5 Abs. 3 TV [X.]) keinen Einfluss. Die Anwendung aktuellen Steuerrechts ist tariflich nicht vorgeschrieben. Der Zweck der Tarifnorm, den Arbeitsvertragsparteien eine bewährte und einfache Ermittlung des zu zahlenden [X.] zu ermöglichen (vgl. hierzu bereits [X.] 18. März 2003 - 9 [X.] - zu I 2 b bb der Gründe), wird durch die seit dem Jahr 2008 geltende [X.]tabelle unabhängig davon erfüllt, dass diese in den Folgejahren nicht mehr aktualisiert wurde. Die zum 1. Januar 2008 in [X.] getretene [X.]-Verordnung 2008, durch die die [X.] bestimmt wurden, ist nicht außer [X.] getreten. Eine Verordnungsermächtigung besteht mit § 15 [X.] fort. Die [X.]tabelle war damit nicht nur befristet anzuwenden.

3. Die tarifliche Bemessung nach pauschalierenden Merkmalen und die Verweisung auf die durch Rechtsverordnung bestimmten [X.] verstoßen nicht gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG.

a) Es kann dahinstehen, ob Tarifvertragsparteien als Normgeber unmittelbar an Art. 3 Abs. 1 GG (vgl. [X.] 16. Dezember 2003 - 3 [X.] - zu [X.] 1 der Gründe, [X.]E 109, 129) oder nur mittelbar an dessen Grundsätze gebunden sind (so [X.] 25. Oktober 2007 - 6 [X.]/07 - Rn. 23, [X.]E 124, 284). Für den Prüfungsmaßstab ist die dogmatische Herleitung ohne Bedeutung ([X.] 16. August 2005 - 9 [X.] [X.] 3 a der Gründe).

b) Der allgemeine Gleichheitssatz gebietet, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln ([X.] 21. Februar 2012 - 9 [X.] - Rn. 17). Ein Verstoß gegen den Gleichheitssatz setzt voraus, dass die Tarifvertragsparteien bei der Aufstellung tariflicher Vorschriften tatsächliche [X.] oder Ungleichheiten außer Acht lassen, die so wesentlich sind, dass sie bei einer am allgemeinen Gerechtigkeitsgedanken orientierten Betrachtung hätten berücksichtigt werden müssen. Soweit es dabei um die Beurteilung tatsächlicher Umstände und möglicher Regelungsfolgen geht, steht den Tarifvertragsparteien eine [X.] zu. Bei der inhaltlichen Gestaltung der Regelung haben sie einen Beurteilungs- und Ermessensspielraum. Es ist nicht Aufgabe der Gerichte zu prüfen, ob die Tarifvertragsparteien die gerechteste und zweckmäßigste Lösung für den zu regelnden Sachverhalt gefunden haben. Die gerichtliche Kontrolle beschränkt sich darauf, ob die Tarifvertragsparteien ihren Gestaltungsspielraum überschritten haben ([X.] 21. September 2010 - 9 [X.] - Rn. 27).

c) Gemessen an diesen Grundsätzen ist die Regelung in § 5 Abs. 3 Satz 1 TV [X.] mit den Vorgaben des Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar.

aa) Die Tarifregelung unterscheidet zwischen Arbeitnehmern, deren Bruttoeinkommen vor dem Eintritt in die Altersteilzeit geringer als 5.300,00 Euro war, und Arbeitnehmern, deren Einkommen zu diesem Zeitpunkt darüber lag. Während die [X.] der ersten Gruppe anhand der [X.]tabelle zu ermitteln sind (§ 5 Abs. 3 Satz 1 TV [X.]), richtet sich das Entgelt, das die zweite Gruppe beanspruchen kann, gemäß § 5 Abs. 3 Satz 2 TV [X.] nach den sozialrechtlichen Vorschriften über das Leistungsentgelt (§ 133 [X.] aF bzw. § 153 [X.]).

bb) Bei objektiver Betrachtung steht nicht fest, dass die Arbeitnehmer der ersten Gruppe gegenüber den Arbeitnehmern der zweiten Gruppe benachteiligt werden. Sinkt der Steuersatz oder der vom Arbeitnehmer zu tragende Beitrag zur Sozialversicherung und gilt die [X.]tabelle unverändert fort, ist der [X.] zwar niedriger als bei einer Berechnung nach sozialrechtlichen Vorschriften. Steigt der Steuersatz oder der Sozialversicherungsbeitrag jedoch, verhält es sich umgekehrt. Eine systematische Bevorzugung einer Arbeitnehmergruppe lässt sich daher nicht feststellen.

cc) Selbst wenn man zugunsten des [X.] davon ausgeht, eine Ermittlung des [X.]s unter Rückgriff auf die [X.]-Verordnung 2008 benachteilige ihn, rechtfertigt dies noch nicht die Annahme, die Tarifbestimmung verstoße gegen den Gleichheitssatz. Mit der Regelung des § 5 Abs. 3 TV [X.] haben die Tarifvertragsparteien den ihnen zustehenden Beurteilungs- und Ermessensspielraum nicht überschritten.

(1) [X.] des [X.] zielt auf das tarifliche Entgeltgefüge. Den staatlichen Gerichten ist jedoch aufgrund der durch Art. 9 Abs. 3 GG gewährleisteten Tarifautonomie ein Eingriff in dieses Entgeltgefüge grundsätzlich verwehrt. Nach der Konzeption des Grundgesetzes ist die Festlegung der Höhe des Entgelts grundsätzlich den Tarifvertragsparteien übertragen. Das schließt auch die Befugnis zu [X.] ein, die Betroffenen ungerecht und Außenstehenden nicht zwingend sachgerecht erscheinen ([X.] 8. Dezember 2011 - 6 [X.] - Rn. 41). Insbesondere ist es den Tarifvertragsparteien gestattet, im Interesse der Praktikabilität, der Verständlichkeit und der Übersichtlichkeit typisierende Regelungen zu treffen. Bei der Überprüfung von Tarifverträgen anhand des allgemeinen Gleichheitssatzes ist deshalb nicht auf die Einzelfallgerechtigkeit abzustellen, sondern auf die generellen Auswirkungen der Regelung ([X.] 25. Januar 2012 - 4 [X.] - Rn. 32).

(2) Den Tarifvertragsparteien des TV [X.] war daran gelegen, den Parteien eines [X.] eine praktikable Ermittlung des Mindestnettoentgelts zu ermöglichen. Zu diesem Zweck knüpften sie die Ermittlung an die [X.]tabelle. Da weder ausgeschlossen werden konnte, dass das zuständige Ministerium von der Verordnungsermächtigung nicht Gebrauch machen würde, noch abzusehen war, bis zu welchem Höchstbetrag Tabellen erstellt würden, schufen die Tarifvertragsparteien die Auffangregelung des § 5 Abs. 3 Satz 2 TV [X.], der zufolge der Mindestnettobetrag nach sozialrechtlichen Vorschriften zu berechnen ist. Die dabei auftretenden Abweichungen sind einer tariflichen Pauschalierung immanent. Bei der Regelung von Massenerscheinungen, wie der Ermittlung von [X.]n von [X.], liegt es in der Natur der Sache, dass es zu [X.] kommen und die Regelung nicht jedem Einzelfall gerecht werden kann (vgl. dazu [X.] 8. Dezember 2011 - 6 [X.] - Rn. 32; vgl. zur Typisierungsbefugnis von Tarifvertragsparteien bei der Regelung von Massenerscheinungen: auch [X.] 18. April 2008 - 1 BvR 759/05 - Rn. 72, [X.]K 13, 455). Die Abweichungen, die die unterschiedlichen Bemessungsregelungen zur Folge haben, sind nicht so wesentlich, um die tarifautonome Entscheidung der Tarifvertragsparteien infrage zu stellen. Dass die Tarifvertragsparteien selbst eine Tabelle hätten erstellen oder diese für höhere Entgelte hätten fortschreiben können, begründet wegen der nur geringfügigen Abweichungen noch keinen Verstoß gegen den Gleichheitssatz.

II. Der von dem Kläger erhobene Anspruch ergibt sich auch nicht aus dem [X.] vom 10. November 2008. Dieser regelt die Berechnung des [X.] nicht selbstständig, sondern verweist hierzu deklaratorisch auf die tariflichen Regelungen des TV [X.].

III. Der Kläger hat gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten seiner erfolglosen Revision zu tragen.

        

    Brühler    

        

    Krasshöfer    

        

    Klose    

        

        

        

    Kranzusch    

        

    Martin Lücke    

                 

Meta

9 AZR 452/11

19.02.2013

Bundesarbeitsgericht 9. Senat

Urteil

Sachgebiet: AZR

vorgehend ArbG Berlin, 30. September 2010, Az: 58 Ca 5595/10, Urteil

Art 3 Abs 1 GG, Art 9 Abs 3 GG, § 5 Abs 1 AltTZTV, § 3 Abs 1 Nr 1 Buchst aaF AltTZG 1996, § 4 Abs 1 Nr 1 Buchst aaF AltTZG 1996, § 6 Abs 1aF AltTZG 1996, § 15aF AltTZG 1996, § 3 Abs 1 Nr 1 Buchst a AltTZG 1996 vom 01.07.2004, § 15 AltTZG 1996 vom 01.07.2004, § 3 Abs 1 Nr 1 Buchst a AltTZG 1996, § 4 Abs 1 Nr 1 Buchst a AltTZG 1996, § 6 Abs 1 AltTZG 1996, § 15 AltTZG 1996, § 5 Abs 2 UAbs 1 S 1 AltTZTV, § 5 Abs 3 S 1 AltTZTV, § 133 SGB 3 vom 07.12.2011, § 153 SGB 3 vom 01.04.2012, MinNettoV 2008

Zitier­vorschlag: Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 19.02.2013, Az. 9 AZR 452/11 (REWIS RS 2013, 8081)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 8081

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Referenzen
Wird zitiert von

6 Ca 908/15

7 Sa 754/15

12 Sa 631/15

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