Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 11.08.2015, Az. 9 AZR 952/13

9. Senat | REWIS RS 2015, 6840

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Gegenstand

Altersteilzeit - Mindestnettobetrag iSd. § 5 Abs 2 TV ATZ


Tenor

1. Die Revision des [X.] gegen das Urteil des [X.] vom 10. Juli 2013 - 2 Sa 1564/12 - wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Der Kläger begehrt die Berücksichtigung von tariflichen Sonderzahlungen, die aufgrund einer Änderung der tariflichen Grundlage während der Freistellungsphase seines [X.] nicht mehr vorgesehen sind, im Rahmen der Berechnung des [X.].

2

Der Kläger stand in einem Arbeitsverhältnis zum beklagten Land, das sich kraft arbeitsvertraglicher Vereinbarung nach dem Bundes-Angestelltentarifvertrag ([X.]) und den diesen ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträgen bestimmte. Aufgrund des [X.] vom 17. März 2005 iVm. der Änderung vom 28. August 2008 vereinbarten die Parteien unter Bezugnahme auf den Tarifvertrag zur Regelung der Altersteilzeitarbeit vom 5. Mai 1998 in der jeweils geltenden Fassung ([X.]) zuletzt für die [X.] vom 1. Dezember 2005 bis zum 31. Januar 2013 Altersteilzeit im Blockmodell mit einem Wechsel in die Freistellungsphase zum 1. Juli 2009. Mit Wirkung ab dem 1. Januar 2010 fand auf das Arbeitsverhältnis der Parteien der den [X.] ablösende Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst des [X.] (TV-H) vom 1. September 2009 Anwendung, der die Zahlung eines Urlaubsgelds nicht mehr und statt einer bislang zu zahlenden (jährlichen) Zuwendung iHv. [X.] die Zahlung einer Jahressonderzahlung gemäß § 20 TV-H iHv. [X.] des Bezugsentgelts vorsieht.

3

Der [X.] idF des [X.] Nr. 2 vom 30. Juni 2000 lautet auszugsweise:

        

§ 4  

        

Höhe der Bezüge

        

(1)     

Der Arbeitnehmer erhält als Bezüge die sich für entsprechende Teilzeitkräfte bei Anwendung der tariflichen Vorschriften (z. B. § 34 [X.]/[X.]-O) ergebenden Beträge mit der Maßgabe, dass die Bezügebestandteile, die üblicherweise in die Berechnung des Aufschlags zur Urlaubsvergütung/Zuschlags zum [X.] einfließen, sowie Wechselschicht- und Schichtzulagen entsprechend dem Umfang der tatsächlich geleisteten Tätigkeit berücksichtigt werden.

        

(2)     

Als Bezüge im Sinne des Absatzes 1 gelten auch Einmalzahlungen (z. B. Zuwendung, Urlaubsgeld, Jubiläumszuwendung) und vermögenswirksame Leistungen.

                 
        

§ 5    

        

Aufstockungsleistungen

        

(1)     

Die dem Arbeitnehmer nach § 4 zustehenden Bezüge zuzüglich des darauf entfallenden sozialversicherungspflichtigen Teils der vom Arbeitgeber zu tragenden Umlage zur [X.] werden um 20 v. H. dieser Bezüge aufgestockt ([X.]). Bei der Berechnung des [X.]s bleiben steuerfreie Bezügebestandteile, Entgelte für Mehrarbeits- und Überstunden, Bereitschaftsdienste und Rufbereitschaften sowie für Arbeitsbereitschaften (§ 18 Abs. 1 Unterabs. 2 [X.]/[X.]-O bzw. § 67 Nr. 10 [X.]/[X.]-O) unberücksichtigt; diese werden, soweit sie nicht unter Absatz 2 Unterabs. 2 und 3 fallen, neben dem [X.] gezahlt.

        

(2)     

Der [X.] muss so hoch sein, dass der Arbeitnehmer 83 v. [X.] des bisherigen Arbeitsentgelts erhält (Mindestnettobetrag). Als bisheriges Arbeitsentgelt ist anzusetzen das gesamte, dem Grunde nach beitragspflichtige Arbeitsentgelt, das der Arbeitnehmer für eine Arbeitsleistung bei bisheriger wöchentlicher Arbeitszeit (§ 3 Abs. 1 Unterabs. 2) zu beanspruchen hätte; der sozialversicherungspflichtige Teil der vom Arbeitgeber zu tragenden Umlage zur [X.] bleibt unberücksichtigt.

                 

…       

        

Protokollerklärung zu Absatz 2:

        

… Allgemeine Bezügeerhöhungen sind zu berücksichtigen, soweit die zugrunde liegenden Bezügebestandteile ebenfalls an allgemeinen Bezügeerhöhungen teilnehmen.“

4

Mit dem [X.] für Dezember 2011 nahm das beklagte Land gegenüber dem Kläger für die Monate Juli 2010 und Juli 2011 eine Nachzahlung von Urlaubsgeld für die [X.] und 2011 und für die Monate November 2010 und November 2011 eine Nachzahlung der (jährlichen) Zuwendung für die [X.] und 2011 vor. Eine Berücksichtigung von Urlaubsgeld und (jährlicher) Zuwendung bei der [X.]berechnung nach § 5 Abs. 2 [X.] für die Monate Juli und November 2010 sowie Juli und November 2011 lehnte das beklagte Land auch nach Beanstandung durch den Kläger unter Hinweis auf einen Erlass des [X.] und für Sport vom 22. Juli 2011 ab.

5

Mit seiner dem beklagten Land am 29. Juni 2012 zugestellten Klage hat der Kläger die Zahlung eines - in der Höhe zwischen den Parteien unstreitigen - Betrags iHv. 1.324,06 Euro netto nebst Zinsen als weitere [X.] verlangt. Dazu hat der Kläger die Ansicht vertreten, in der Freistellungsphase seien Urlaubsgeld und (jährliche) Zuwendung nach der sog. Spiegelbildtheorie auch bei der Berechnung des [X.] nach § 5 Abs. 2 [X.] trotz zwischenzeitlichen Inkrafttretens des TV-H zu berücksichtigen.

6

Der Kläger hat beantragt,

        

das beklagte Land zu verurteilen, an ihn 1.324,06 Euro netto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

7

Das beklagte Land hat zu seinem Klageabweisungsantrag die Auffassung vertreten, Urlaubsgeld und (jährliche) Zuwendung seien bei der Berechnung des [X.] nach dem klaren Wortlaut des Tarifvertrags nicht zu berücksichtigen.

8

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das [X.] hat die Berufung des [X.] zurückgewiesen. Mit seiner Revision verfolgt der Kläger seinen Klageantrag weiter.

Entscheidungsgründe

9

Die zulässige Revision ist nicht begründet. Die Vorinstanzen haben die Klage zu Recht abgewiesen. Der Kläger hat gegen das beklagte Land keinen Anspruch auf Zahlung eines weiteren [X.] [X.]. 1.324,06 Euro aus dem [X.]. § 5 Abs. 2 TV [X.].

I. Bei Arbeitnehmern, die Altersteilzeit im Blockmodell vereinbart haben, ist zwischen der Berechnung der Bezüge nach § 4 Abs. 1 TV [X.] und der Berechnung des [X.] nach § 5 Abs. 2 TV [X.] zu differenzieren (vgl. [X.] 4. Oktober 2005 - 9 [X.] - Rn. 21, [X.]E 116, 86; 24. Juni 2003 - 9 [X.] - zu [X.] 1 b [X.] (5) der Gründe, [X.]E 106, 353; Langenbrinck/Litzka/Kulok Altersteilzeit im öffentlichen Dienst für Tarifbeschäftigte 5. Aufl. § 4 TV [X.] Rn. 6). Streitgegenstand ist im vorliegenden Verfahren allein die Höhe des [X.] iSd. § 5 Abs. 2 TV [X.].

II. [X.] hat der Berechnung des [X.] iSd. § 5 Abs. 2 TV [X.] zu Recht das sog. Hätte-Entgelt zugrunde gelegt. Gemäß § 5 Abs. 2 Unterabs. 1 Satz 1 TV [X.] muss der [X.] so hoch sein, dass der Arbeitnehmer [X.] des [X.] des bisherigen Arbeitsentgelts erhält. Nach § 5 Abs. 2 Unterabs. 1 Satz 2 TV [X.] ist als bisheriges Arbeitsentgelt anzusetzen das gesamte, dem Grunde nach beitragspflichtige Arbeitsentgelt, das der Arbeitnehmer für eine Arbeitsleistung bei bisheriger wöchentlicher Arbeitszeit (§ 3 Abs. 1 Unterabs. 2 TV [X.]) zu beanspruchen hätte.

1. Wie nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a [X.] sowie § 6 Abs. 1 [X.] idF vom 27. Juni 2000 (geändert durch das [X.] am Arbeitsmarkt vom 23. Dezember 2003, BGBl. I S. 2848), denen § 5 Abs. 2 TV [X.] nachgebildet wurde (zur Gesetzes- und Tarifgeschichte vgl. [X.] 11. April 2006 - 9 [X.] - Rn. 47, [X.]E 118, 1), ist bei der Berechnung des (Netto-)[X.]s das sog. Hätte-Entgelt zugrunde zu legen ([X.] 4. Oktober 2005 - 9 [X.] - Rn. 21, [X.]E 116, 86; 24. Juni 2003 - 9 [X.] - zu [X.] 1 b [X.] (4) der Gründe, [X.]E 106, 353).

Zutreffend hat das [X.] im Wesentlichen auf den klaren Wortlaut der [X.] abgestellt. Darüber hinaus gebietet auch der Sinn und Zweck des [X.] die Ermittlung des fiktiven Entgelts, das dem Arbeitnehmer im fraglichen Monat der Freistellungsphase zugestanden hätte, wenn er mit seiner bisherigen Arbeitszeit, die mit ihm vor dem Übergang in die Altersteilzeitarbeit vereinbart war, tatsächlich gearbeitet hätte. Die Aufstockung auf den Mindestnettobetrag stellt keine Gegenleistung für die vom Arbeitnehmer geschuldete Arbeitsleistung dar ([X.] 19. Oktober 2004 - 9 [X.] - zu II 4 der Gründe, [X.]E 112, 214). Die [X.] haben zum Ziel, den Lebensstandard des Arbeitnehmers auch in der Altersteilzeit zu sichern ([X.] 4. Oktober 2005 - 9 [X.] - Rn. 21, [X.]E 116, 86). Würde sich der Mindestnettobetrag an den - regelmäßig - bereits einige Jahre alten tariflichen Regelungen während der Aktivphase orientieren, so wäre nicht gewährleistet, dass der Lebensstandard auch unter den geänderten Lebensbedingungen in der Freistellungsphase aufrechterhalten werden kann. Dies wird vielmehr durch die Anwendung der dann aktuellen Tarifregelungen gesichert, was in der Regel zu einem höheren Mindestnettobetrag führt als die spiegelbildliche Betrachtung der Vergütung im Referenzmonat der Aktivphase. Dafür, dass diese Dynamik dem Willen der Tarifvertragsparteien entspricht, streitet auch die Protokollnotiz zu § 5 Abs. 2 TV [X.], nach der allgemeine [X.] zu berücksichtigen sind, soweit die zugrunde liegenden Bezügebestandteile ebenfalls an allgemeinen [X.] teilnehmen. Dies lässt sich mit der Auffassung des [X.], bei der Ermittlung des [X.] sei die [X.] im entsprechenden Monat der Aktivphase zugrunde zu legen, nicht in Einklang bringen.

2. Der Senat hat auch mit seiner Entscheidung vom 11. April 2006 (- 9 [X.] - [X.]E 118, 1) die Maßgeblichkeit des sog. [X.] im Rahmen des § 5 Abs. 2 TV [X.] nicht zugunsten einer Geltung des Spiegelbildprinzips aufgegeben. Zwar hat der Senat in dieser Entscheidung ausgeführt, die [X.] seien gleichfalls „spiegelbildlich“ nach dem Entgelt zu bemessen, das der Arbeitnehmer während der Arbeitsphase zu beanspruchen hatte ([X.] 11. April 2006 - 9 [X.] - Rn. 52, aaO). Diese Erwägung ist jedoch im Zusammenhang der gesamten Entscheidungsgründe zu sehen. Nur der sog. Zeitfaktor ist vergangenheitsbezogen. Für das - vorliegend streitgegenständliche - Arbeitsentgelt (sog. Geldfaktor) hat der Senat an der Gegenwartsbezogenheit ausdrücklich festgehalten ([X.] 11. April 2006 - 9 [X.] - Rn. 44, aaO).

Ebenso wenig ergibt sich aus dem Urteil des Senats vom 16. November 2010 ein anderes Ergebnis. Streitgegenstand war in jener Entscheidung allein die Auszahlung des während der Aktivphase nicht ausgezahlten Teils der tariflichen Einmalzahlung, nicht die Berechnung des [X.] iSd. § 5 Abs. 2 TV [X.] ([X.] 16. November 2010 - 9 [X.] - Rn. 28 ff.).

3. Zur Ermittlung des [X.] hat mithin auch bei Arbeitnehmern in der Passivphase der Altersteilzeit eine (fiktive) Überleitung in den TV-H zu erfolgen (vgl. zur Überleitung in den [X.]/[X.] Langenbrinck/Litzka/Kulok Altersteilzeit im öffentlichen Dienst für Tarifbeschäftigte 5. Aufl. § 5 TV [X.] Rn. 58; siehe auch [X.] zur Anwendung des TV [X.] im Geltungsbereich des [X.], zu [X.] 4.2, abgedruckt bei [X.]/Steinherr [X.]/[X.] Ergänzende Vorschriften Ordner 1 TV [X.] Anhang Nr. 2.2). Danach hätte der Kläger keinen Anspruch auf Zahlung des tariflichen Urlaubsgelds und anstelle der früher gezahlten (jährlichen) Zuwendung nur noch Anspruch auf eine Jahressonderzahlung gemäß § 20 [X.] Urlaubsgeld und (jährliche) Zuwendung waren daher bei der Berechnung des [X.] nicht zu berücksichtigen. Nach einem Vergleich des [X.]s nach § 5 Abs. 1 Satz 1 TV [X.] mit dem Mindestnettobetrag nach § 5 Abs. 2 Satz 1 TV [X.] ist dem Arbeitnehmer der höhere Betrag zu zahlen. Das war hier der Fall.

[X.]. [X.] beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Der Kläger hat die Kosten seines erfolglosen Rechtsmittels zu tragen.

        

    Brühler    

        

    Suckow    

        

    Klose    

        

        

        

    Brühler    

        

    [X.]    

                 

Meta

9 AZR 952/13

11.08.2015

Bundesarbeitsgericht 9. Senat

Urteil

Sachgebiet: AZR

vorgehend ArbG Wiesbaden, 13. September 2012, Az: 5 Ca 726/12, Urteil

§ 5 Abs 2 AltTZTV, § 3 Abs 1 Nr 1 Buchst a AltTZG 1996, § 6 Abs 1 AltTZG 1996, § 4 AltTZTV, § 5 Abs 1 AltTZTV

Zitier­vorschlag: Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 11.08.2015, Az. 9 AZR 952/13 (REWIS RS 2015, 6840)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 6840

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