Bundesgerichtshof, Beschluss vom 10.07.2012, Az. 1 StR 293/12

1. Strafsenat | REWIS RS 2012, 4900

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Gegenstand

Strafverfahren: Zuständigkeit für eine Verfahrenseinstellung wegen des Todes des Angeklagten zwischen den Instanzen


Tenor

Der Antrag auf Entscheidung des Senats über die Einstellung des Verfahrens wird zurückgewiesen.

Gründe

1

I. Das [X.] hat den Angeklagten am 12. Mai 2011 wegen 16 Fällen der Beihilfe zum Mord zu einer Gesamtfreiheitsstrafe verurteilt. Nach den Feststellungen hatte er sich an der Ermordung von über 28.000 Opfern beteiligt, die 1943 in 16 Transporten in das Vernichtungslager [X.] gebracht worden waren.

2

Gegen dieses Urteil hatte der Verteidiger Revision eingelegt. Am 17. März 2012 ist der Angeklagte verstorben. Zu diesem Zeitpunkt hatte der Verteidiger bereits die Revisionsanträge angebracht und begründet (§ 344 Abs. 1 [X.]), die Sache war dem Senat aber noch nicht vorgelegt worden. Das [X.] hat das Verfahren durch Beschluss vom 5. April 2012 gemäß § 206a [X.] eingestellt und davon abgesehen, die notwendigen Auslagen des Angeklagten der Staatskasse aufzuerlegen; eine Entscheidung nach dem [X.] unterblieb. Gegen diesen Beschluss hat der Verteidiger des verstorbenen Angeklagten am 12. April 2012 sofortige Beschwerde eingelegt und näher begründet beantragt, diesen Beschluss aufzuheben und die Sache dem [X.] vorzulegen. Mit Schriftsatz vom 22. Mai 2012 legte der Verteidiger dem Senat ihm von der [X.] überlassene Teilakten des Verfahrens vor. Zur Verhinderung von Straftaten wie Strafvereitelung oder Verfolgung Unschuldiger solle vorliegend der Senat nach Beiziehung weiterer Akten über die Erledigung des Verfahrens, dessen Kosten, die notwendigen Auslagen des Angeklagten sowie über Entschädigung nach Maßgabe des [X.] entscheiden.

3

Der [X.] sieht für solche Entscheidungen des Senats in der [X.] keine Stütze.

4

II. Der Senat teilt die Auffassung des [X.]s.

5

1. Stirbt der Angeklagte vor dem rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens, so gilt ein Beschluss gemäß § 206a [X.] zum ordnungsgemäßen Abschluss des Verfahrens als geboten (st. Rspr. seit [X.], Beschluss vom 8. Juni 1999 - 4 [X.], [X.]St 45, 108 ff. [X.], auch zur gegenteiligen Auffassung, die im Tod des Angeklagten eine genügende "Selbstbeendigung" des Verfahrens sieht; vgl. zusammenfassend [X.], [X.], 55. Aufl., § 206a Rn. 8 [X.]).

6

2. Zuständig hierfür ist das Gericht, bei dem die Sache anhängig ist. Das ist das Tatgericht auch dann, wenn zum Zeitpunkt des Todes des Angeklagten zwar das Urteil schon ergangen, die Sache aber noch nicht beim Revisionsgericht anhängig geworden ist (vgl. [X.], Beschluss vom 17. Juli 1968 - 3 [X.], [X.]St 22, 213, 217 f.; [X.] in [X.], § 206a Rn. 9, 11, 12; [X.] in [X.], 26. Aufl., § 206a Rn. 12). Dies ist erst dann der Fall, wenn sie ihm gemäß § 347 Abs. 2 [X.] zur Entscheidung über eine Revision vorgelegt worden ist ([X.], Beschluss vom 2. Juni 1992 - 5 [X.], [X.]St 38, 307, 308; [X.] in [X.], 6. Aufl., § 347 Rn. 10 [X.]). Erst ab diesem Zeitpunkt ist das Revisionsgericht zu der hier in Rede stehenden Entscheidung berufen ([X.]St 22, 213, 218; [X.] in [X.], § 347 Rn. 10; [X.] aaO Rn. 11 [X.]). Es kommt dabei nicht darauf an, ob die Revision bereits begründet worden ist; auch sind hypothetische Überlegungen darüber bedeutungslos, ob die Sache zum Todeszeitpunkt schon beim Revisionsgericht hätte anhängig sein können.

7

3. Die Auffassung, Rechtsprechung des [X.]s ergebe, dass - dennoch - hier anstelle des [X.]s der Senat zu entscheiden hätte, trifft nicht zu:

8

Die genannte Entscheidung des [X.]s vom 8. Juni 1999 (4 [X.], [X.]St 48, 108) betrifft ein in der Revisions- bzw. [X.] (aaO 108, 109, 111), in den nachfolgend ergangenen Entscheidungen verhielt es sich ebenso. Dies ergibt sich wiederholt aus den Ausführungen zum Stand des Revisionsverfahrens (vgl. z.B. Beschlüsse vom 5. August 1999 - 4 [X.], vom 18. April 2000 - 5 [X.], vom 16. Mai 2002 - 1 [X.], vom 8. Dezember 2005 - 4 [X.]), im Übrigen in der Regel aus der Bezugnahme auf die Entscheidung [X.]St 45, 108. Demgegenüber ist nicht ersichtlich, dass der [X.] je ausdrücklich oder ausweislich des [X.] seine Zuständigkeit deshalb bejaht hätte, weil eine Revision bei ihm anhängig zu machen gewesen wäre, wäre der Angeklagte nicht verstorben.

9

4. Hat, wie hier, das [X.] in einer bei ihm anhängigen Sache entschieden, hat über eine hiergegen gerichtete (sofortige) Beschwerde mangels abweichender gesetzlicher Regelung gemäß § 121 Abs. 1 Nr. 2 [X.] allein das [X.] zu entscheiden.

[X.]                                   Wahl                              Hebenstreit

                     [X.]

Meta

1 StR 293/12

10.07.2012

Bundesgerichtshof 1. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG München II, 12. Mai 2011, Az: 115 Js 12496/08 - 1 Ks

§ 206a StPO, § 344 Abs 1 StPO, § 347 Abs 2 StPO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 10.07.2012, Az. 1 StR 293/12 (REWIS RS 2012, 4900)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 4900

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4 StR 149/22

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