Bundesfinanzhof, Urteil vom 21.02.2017, Az. VII R 2/15

7. Senat | REWIS RS 2017, 15296

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Gegenstand

Einreihung von Waren, die Leuchtdioden (LED) enthalten


Leitsatz

1. NV: Leuchtdioden (LED), die mit weiteren elektronischen Komponenten zusammengefügt sind, werden nicht vom Wortlaut der Pos. 8541 KN erfasst; gleichwohl kann die Ware nach der AV 3 Buchst. b in die Pos. 8541 KN einzureihen sein.

2. NV: Für die Einreihung von Waren in die Pos. 8541 KN ist es irrelevant, ob die Bauteile der Ware untrennbar miteinander verbunden sind.

Tenor

Auf die Revision des [X.] wird das Urteil des [X.] vom 04.12.2014  14 K 2827/11 aufgehoben, soweit das Hauptzollamt verpflichtet wurde, die [X.] unter Einreihung der Waren gemäß [X.]. 73 bis 75, 14 und 117 der Warenaufstellung in die [X.]. 8541 40 10 der Kombinierten Nomenklatur zu ändern.

Die Sache wird insoweit an das [X.] zurückverwiesen.

Diesem wird die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens übertragen.

Tatbestand

1

I. Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) führte in den Jahren 2007 bis 2009 verschiedene Leuchtdiodenmodelle in das Zollgebiet der [X.] ein. Sie meldete die Waren bei der Abfertigung zum freien Verkehr überwiegend als "Leuchtdioden" mit der Codenr. 8541 40 10 00 0 der Kombinierten Nomenklatur ([X.]) an (Zollsatz frei).

2

Im Rahmen einer Außenprüfung kam der Beklagte und Revisionskläger (das Hauptzollamt --[X.]--) zu dem Ergebnis, die eingeführten Waren seien als "Beleuchtungskörper" in die [X.]. 9405 [X.] einzureihen. Lediglich für Leuchtdioden als einzelne Bauelemente sei die [X.]. 8541 40 10 [X.] zutreffend. Das [X.] erhob Zoll und Einfuhrumsatzsteuer nach. Die Nacherhebung betraf u.a. die hier noch streitgegenständlichen Waren mit den [X.]. 14, 73 bis 75 und 117 aus der Warenaufstellung, die Grundlage des finanzgerichtlichen Verfahrens war.

3

Die nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobene Klage hatte (u.a.) hinsichtlich der im Revisionsverfahren noch streitgegenständlichen Waren Erfolg.

4

Das Finanzgericht ([X.]) stellte fest, das Modell mit der Nr. 73 verfüge über zwei Chips mit lichtemittierenden Dioden (LED), sog. LED-Chips, in jeweils einem Kunststoffgehäuse, montiert auf einer Metallkernplatine (gedruckte Schaltung). Die verschiedenen Bestandteile seien praktisch nicht voneinander trennbar. Das Modell der Nr. 73 sei vergleichbar mit den Modellen der [X.]. 74 und 75.

5

Die Modelle der [X.]. 14 und 117 verfügten über sieben Aluminiumringe, montiert auf einer Aluminiumplatte, in denen LED in Chipform enthalten seien. Es bestehe eine untrennbare Einheit mit der Aluminiumplatte. Die LED verfügten über [X.] und Linsen.

6

Das [X.] urteilte, die Waren mit den [X.]. 14, 73 bis 75 und 117 der Warenaufstellung seien unter Berücksichtigung der Durchführungsverordnung ([X.]) Nr. 1037/2014 ([X.] 1037/2014) der [X.] vom 25. September 2014 zur Einreihung bestimmter Waren in die Kombinierte Nomenklatur (Amtsblatt der Europäischen [X.] Nr. L 287/9) in die [X.]. 8541 40 10 [X.] einzureihen.

7

Der [X.] 1037/2014 komme eine Indizwirkung zu. Die Einreihungsverordnung weise Waren der [X.]. 8541 40 10 [X.] zu, die über mehrere miteinander verschaltete LED-Chips verfügten oder bei denen die LED mit weiteren Bauelementen wie [X.], Kühlkörpern oder Gehäusen verbunden seien. Sie stelle entscheidend auf die insbesondere aus wirtschaftlicher Sicht praktisch untrennbare Verbindung der verschiedenen Bauteile ab. Auch seien nach der Verordnung einzelne Bestandteile wie [X.] und Kühlkörper in zolltariflicher Hinsicht nicht ausschlaggebend, wenn diese die Merkmale und Eigenschaften der jeweiligen Ware als Leuchtdiode der [X.]. 8541 [X.] grundsätzlich nicht veränderten.

8

Die streitgegenständlichen Waren seien durch die praktisch untrennbare Verbindung der verschiedenen Bestandteile gekennzeichnet. Zudem veränderten bei den Waren mit den [X.]. 14 und 117 die vorhandenen [X.] nicht die Merkmale und Eigenschaften der Leuchtdioden; sie stünden somit einer Einreihung in [X.]. 8541 [X.] nicht entgegen.

9

Zur Begründung der Revision trägt das [X.] vor, die streitgegenständlichen Waren unterschieden sich erheblich von den in der [X.] 1037/2014 beschriebenen Waren.

Das [X.] beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben, soweit diese das [X.] verpflichtet, die [X.] unter Einreihung der Waren gemäß [X.]. 73 bis 75, 14 und 117 der Warenaufstellung in die [X.]. 8541 40 10 [X.] zu ändern, und die Klage insoweit abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II. Die Revision des [X.] ist begründet; sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und Zurückverweisung der Sache an das [X.] (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --[X.]O--). Das Urteil verletzt Bundesrecht (§ 118 Abs. 1 Satz 1 [X.]O).

1. Die Einreihung der streitgegenständlichen Waren in die Unterpos. 8541 40 10 [X.] unter Heranziehung der in der [X.] Nr. 1037/2014 genannten [X.] hält einer rechtlichen Prüfung nicht stand.

Für die zolltarifliche Einreihung der Waren des Streitfalls ist die [X.] Nr. 1037/2014 ohne rechtliche Bedeutung, weil sie erst nach der Einfuhr der Waren des Streitfalls in [X.] getreten ist (vgl. Senatsurteil vom 12. April 2011 VII R 20/07, [X.], 561, Zeitschrift für Zölle und Verbrauchsteuern --ZfZ-- 2011, 177) und im Übrigen andere Waren betrifft. Anders als das [X.] meint, kommt der [X.] Nr. 1037/2014 auch keine Indizwirkung (vgl. insoweit Senatsurteil in [X.], 561, [X.], 177) für die Tarifentscheidung des Streitfalls zu, weil das ihr zu entnehmende [X.] der Verbundenheit der Warenbestandteile "auf praktisch untrennbare Weise", welches das [X.] für die Tarifierung der streitgegenständlichen Waren übernommen hat, keine Stütze in den die [X.]. 8541 [X.] betreffenden zolltariflichen Vorschriften findet und die [X.] mit diesem [X.] in unzulässiger Weise in die Struktur des Harmonisierten Systems eingreift.

2. Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs der [X.] ([X.]), der sich der Senat angeschlossen hat, ist das entscheidende Kriterium für die zollrechtliche Tarifierung von Waren allgemein in deren objektiven Merkmalen und Eigenschaften zu suchen, wie sie im Wortlaut der [X.]itionen der [X.] und den [X.]erkungen zu den Abschnitten oder Kapiteln festgelegt sind ([X.]-Urteile Kip Europe vom 11. Dezember 2008 [X.]/07, [X.]:C:2008:710, [X.], 46, 139, und [X.] vom 29. April 2010 [X.]/09, [X.]:[X.], [X.], 190). Bei der Einreihung von Waren in die [X.] gelten zudem die Allgemeinen Vorschriften für die Auslegung der Kombinierten Nomenklatur ([X.]). Daneben gibt es nach dem Übereinkommen zum Harmonisierten System Erläuterungen ([X.]) und Einreihungsavise (Tarifavise), die ebenso wie die Erläuterungen zur [X.] ein wichtiges, wenn auch nicht verbindliches Erkenntnismittel für die Auslegung der einzelnen Tarifpositionen sind (vgl. [X.]-Urteile TNT Freight Management vom 12. Juli 2012 [X.]/11, [X.]:[X.], Rz 30 ff., [X.], 332, und [X.] vom 27. November 2008 [X.]/07, [X.]:[X.], [X.], 15, 16, sowie Senatsurteile vom 5. Mai 2015 VII R 10/13, [X.], 1449; vom 30. März 2010 VII R 35/09, [X.], 399, [X.], 74, Rz 7, und vom 4. November 2003 VII R 58/02, [X.], 375, 377, [X.], 165, m.w.N.).

Nach den danach maßgebenden objektiven Beschaffenheitsmerkmalen, wie sie vom [X.] festgestellt worden sind, handelt es sich bei den streitgegenständlichen Waren nicht um Leuchtdioden, sondern um Waren, die neben anderen Bestandteilen auch Leuchtdioden enthalten. Es handelt sich also um aus mehr als einem Stoff bestehende Waren i.S. der [X.] 2 Buchst. b Satz 3, die nach den Grundsätzen der [X.] einzureihen sind.

Eine Einreihung nach der genaueren Warenbezeichnung der [X.]ition gemäß der [X.] Buchst. a Satz 1 kommt nicht in Betracht, weil nach [X.] Buchst. a Satz 2 zwei oder mehr [X.]itionen, von denen sich --wie im [X.] jede nur auf einen in einer zusammengesetzten Ware enthaltenen Teil bezieht, im Hinblick auf diese Waren als gleich genau betrachtet werden (vgl. hierzu [X.], Zollrecht, A 4, [X.] [X.], [X.]. 1: Kombinierte Nomenklatur --Einf.-- Rz 52, 55).

Die Konkurrenz der hinsichtlich der verschiedenen Warenbestandteile in Betracht kommenden [X.]itionen ist somit gemäß der [X.] Buchst. b aufzulösen, der zufolge Waren, die aus verschiedenen Stoffen oder Bestandteilen bestehen, nach dem Stoff oder Bestandteil eingereiht werden, der ihnen ihren wesentlichen Charakter verleiht, wenn dieser Stoff oder Bestandteil ermittelt werden kann.

Es handelt sich hierbei um eine tatsächliche Würdigung auf der Grundlage der festgestellten objektiven Beschaffenheitsmerkmale der Ware (vgl. Senatsurteil vom 7. August 2013 VII R 32/12, [X.], 1954, [X.], 72), die das [X.] ausgehend von seinem Maßstab der praktischen Untrennbarkeit der Warenbestandteile nicht vorgenommen hat und die im zweiten Rechtsgang nachzuholen sein wird. Dabei wird als ein wichtiges Erkenntnismittel die [X.] zu [X.] Buchst. b Rz 19.1 zu berücksichtigen sein, der zufolge sich das charakterbestimmende Merkmal einer Ware aus der Art und Beschaffenheit der Bestandteile, aus ihrem Umfang, Menge, Gewicht, dem Wert oder der Bedeutung für die Verwendung der Ware sowie auch aus dem Erscheinungsbild der Ware ergeben kann (vgl. Senatsurteil vom 19. Dezember 2006 VII R 8/06, [X.], 1368, [X.], 192).

3. Das [X.]-Urteil [X.] vom 8. Dezember 2016 [X.] ([X.]:C:2016:937, [X.], 13) steht nicht entgegen. Der [X.] hat darin zum einen bestätigt, dass Leuchtdioden, die mit weiteren elektronischen Komponenten zusammengefügt sind, nicht vom Wortlaut der [X.]. 8541 [X.] erfasst werden (Rz 45 des [X.]-Urteils). Zum anderen schließt das [X.]-Urteil (das die [X.] unerwähnt lässt) nicht aus, dass mit weiteren elektronischen Komponenten zusammengefügte Leuchtdioden gleichwohl nach der [X.] Buchst. b in die [X.]. 8541 [X.] eingereiht werden können.

Soweit der [X.] im Urteil in [X.]:C:2016:937, [X.], 13, a.a.[X.] ausführt, die dort streitigen LED-Lampen bestünden neben Leuchtdioden auch aus zahlreichen anderen Komponenten, die für ihre Funktion erforderlich sind, oder im Urteil vom 2. Oktober 2008 [X.]/07 ([X.]:C:2008:533, [X.], 302), die Einfügung einer Verstärkerschaltung sei unschädlich, wenn sie die Merkmale und Eigenschaften des Optokopplers nicht wesentlich ändere, besteht kein Anlass anzunehmen, der [X.] habe seine ständige Rechtsprechung ändern wollen, wonach auf den Wortlaut der [X.]itionen und Unterpositionen der [X.], die [X.]erkungen zu den Abschnitten oder Kapiteln und, soweit in den [X.]itionen und [X.]erkungen nichts anderes bestimmt ist, die [X.] abzustellen ist. Gleiches gilt für das [X.]-Urteil [X.] vom 20. November 2014 [X.]/13 ([X.]:[X.], [X.] --[X.]-- 2015, 94).

4. Sollte die Würdigung der objektiven Beschaffenheitsmerkmale der streitigen Waren gemäß [X.] Buchst. b ergeben, dass sie in die [X.]. 8541 [X.] einzureihen sind, käme dieser [X.]ition nach [X.]. 1 Buchst. f zu Kap. 94 [X.] Vorrang vor der [X.]. 9405 [X.] zu.

5. Ließen sich die streitigen Waren nicht in die [X.]. 8541 [X.] einreihen, wäre zu prüfen, ob sie eine eigene Funktion i.S. der [X.]. 8543 [X.] haben (vgl. [X.]-Urteile in [X.]:[X.], [X.] 2015, 94, und in [X.]:C:2016:937, [X.], 13). Die Einreihung in diese [X.]ition schlösse nach [X.]. 1 Buchst. f zu Kap. 94 [X.] ebenfalls die [X.]. 9405 [X.] aus.

6. [X.] beruht auf § 143 Abs. 2 [X.]O.

Meta

VII R 2/15

21.02.2017

Bundesfinanzhof 7. Senat

Urteil

vorgehend FG München, 4. Dezember 2014, Az: 14 K 2827/11, Urteil

Pos 8543 KN, Pos 9405 KN, Kap 94 Anm 1 Buchst f KN, EUV 1037/2014, Pos 8541 UPos 4010 KN, AllgVorschr 3 Buchst b KN

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 21.02.2017, Az. VII R 2/15 (REWIS RS 2017, 15296)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 15296

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