Bundesfinanzhof, Urteil vom 27.09.2022, Az. VII R 10/22 (VII R 48/18), VII R 10/22, VII R 48/18

7. Senat | REWIS RS 2022, 9263

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Gegenstand

(Im Wesentlichen inhaltsgleich mit BFH-Urteil vom 27.09.2022 VII R 6/22 (VII R 44/18) - Tarifierung von Vanille-Oleoresin und der Aromenbegriff im Branntweinsteuerrecht


Leitsatz

1. NV: Eine Ware bestehend aus rund 90 % (v/v) bzw. 85 % (m/m) Ethanol, 4,8 % (m/m) Trockenrückstand, bis zu 10 % (m/m) Wasser und mit einem durchschnittlichen Vanillin-Gehalt von 0,5 % (m/m) ist als Vanille-Oleoresin in die Unterpos. 1302 19 05 KN einzureihen. Die Pos. 1302 KN ist gegenüber den Pos. 3301 und 3302 KN nicht subsidiär.

2. NV: Vanille-Oleoresin der Unterpos. 1302 19 05 KN ist als Aroma i.S. von § 152 Abs. 1 Nr. 5 BranntwMonG anzusehen, wenn es eine Zutat darstellt, die einem bestimmten Erzeugnis einen spezifischen Geschmack oder Geruch verleiht.

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des [X.], [X.], vom 18.09.2018 - 11 K 384/18 aufgehoben.

Die Sache wird an das [X.], [X.], zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen.

Diesem wird die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens übertragen.

Tatbestand

I.

1

Mit Zollanmeldung vom 20.01.2017 meldete die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) … kg "[X.] Extract 0,5 % aromatisch flüssig …, Alkoholgehalt 85 %" unter der Codenummer 1302 19 05 00 0 und dem [X.] 2070 (… Hektoliter, 85 %) aus [X.] zur Überführung in den zoll- und steuerrechtlich freien Verkehr an. Zugleich beantragte sie unter Angabe einer Warenverkehrsbescheinigung [X.] die Anwendung des Präferenzzollsatzes (0 %).

2

Bei dieser Ware handelt es sich um ein ursprünglich mittels eines Lösungsmittels (nach Angaben der Klägerin mittels Ethanol) aus der Pflanze ([X.]schote) gewonnenes, stark riechendes, zähflüssiges, dunkelbraunes Produkt mit Ursprung [X.], das anschließend in [X.] mit Alkohol und Wasser verdünnt und in die [X.] ([X.]) eingeführt wird. Nach der Verdünnung ist die Ware goldbraun und dünnflüssig und riecht stark nach [X.]. Nach der Verdünnung besteht sie aus rund 90 % (v/v) bzw. 85 % (m/m) Ethanol, 4,8 % (m/m) [X.] und bis zu 10 % (m/m) Wasser und verfügt über einen durchschnittlichen Vanillin-Gehalt von 0,5 % (m/m).

3

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (Hauptzollamt --[X.]--) setzte mit [X.] vom 20.01.2017 ([X.]/40/…) … € [X.] und … € Branntweinsteuer (insgesamt … €) fest. Die [X.] ist nicht streitig.

4

Das Finanzgericht ([X.]) urteilte, die Festsetzung von Branntweinsteuer sei rechtmäßig. Bei dem eingeführten [X.]-Extrakt handele es sich um eine branntweinsteuerpflichtige Ware. Die für bestimmte Lebensmittelaromen bestehende Steuerbefreiung gelte nicht. Die eingeführte Ware sei eine solche der [X.]. 1302 19 05 der Kombinierten Nomenklatur ([X.]). Die Ware sei zwar kein reines [X.]-[X.], sondern eine Mischung aus [X.]-[X.], Alkohol und Wasser. Gleichwohl sei sie in die [X.]. 1302 des Harmonisierten [X.] ([X.]) einzureihen. Das [X.]-[X.] verleihe der Ware ihren wesentlichen Charakter, weshalb auch das mit Alkohol und Wasser verdünnte [X.]-[X.] in diese [X.]ition einzureihen sei. Eine Verarbeitung in Bezug auf eine Standardisierung der Ware habe keinen Einfluss auf die Tarifierung. Der von der Klägerin eingeführte [X.]-Extrakt habe auch nicht durch den Zusatz anderer Stoffe den Charakter von Lebensmittelzubereitungen erhalten, weil Alkohol und Wasser auch bereits beim Ausziehen des [X.]-[X.]s verwendet worden seien. Eine Einreihung in die [X.]. 3302 10 90 [X.] scheide dagegen aus. Voraussetzung für eine Einreihung in die [X.]. 3302 [X.] sei, dass es sich bei dem [X.]-[X.] um einen Riechstoff handele, was nicht der Fall sei. Abgesehen davon werde [X.]-[X.] ausdrücklich in der [X.]. 1302 19 05 [X.] genannt. Der Wortlaut der [X.]. 1302 [X.] unterscheide nicht zwischen natürlichem und extrahiertem [X.]-[X.]. Bei dem [X.]-Extrakt handele es sich weiterhin nicht um eine Mischung, die aus mehreren Pflanzenarten gewonnen worden sei. Entsprechendes gelte im Hinblick auf Lebensmittelaromen nach den nationalen Vorschriften.

5

Ihre Revision begründet die Klägerin damit, dass die Ware in die [X.]. 3302 10 90 [X.] einzureihen sei. Das [X.] habe zu Unrecht die [X.] (AV) 2 Buchst. b und AV 3 angewandt. Die [X.]. 3302 [X.] erfasse u.a. Mischungen auf der Grundlage eines Riechstoffs, von der als Rohstoffe für die Industrie verwendeten Art. Riechstoffe in diesem Sinne seien die Substanzen der [X.]. 3301 [X.], wozu u.a. alle extrahierten [X.]e gehörten. Die eingeführte Ware enthalte ein solches extrahiertes [X.]. Dem gefundenen Ergebnis stünden auch nicht die Erläuterungen zum Harmonisierten System (Erl[X.]) 29.0 und 30.1 zu [X.]. 3301 entgegen, wonach zu dieser [X.]ition nicht [X.]-[X.] gehöre, denn nach dem Wortlaut der [X.]. 1 Buchst. a zu [X.]. 33 [X.] sei nur ein natürliches [X.] ausgeschlossen. Vorliegend habe das extrahierte [X.] seinen natürlichen Charakter allerdings sowohl durch die Extraktion in [X.] als auch durch den Zusatz von Alkohol und Wasser in [X.] verloren. Ausgehend davon, dass der [X.] zwischen natürlichen und extrahierten [X.]en unterscheide, stelle ein [X.]-[X.] ohne den Zusatz "extrahiert", wie es in der [X.]. 1302 19 05 [X.] aufgeführt sei, ein [X.] in seiner natürlichen Form dar. Doch selbst wenn man annehmen wollte, das aus [X.] bezogene Produkt sei eine Ware der [X.]. 1302 [X.] gewesen, verbleibe es wegen der Vermischung in [X.] mit Alkohol und Wasser nicht bei dieser Einreihung, denn dadurch sei eine Zubereitung für die Lebensmittelindustrie entstanden. Weiterhin weist die Klägerin darauf hin, dass die [X.]. 1 Buchst. ij zu [X.]. 13 [X.], der Gesetzesrang zukomme, extrahierte [X.]e ausdrücklich aus der [X.]. 1302 [X.] ausschließe. Der Wortlaut der [X.]. 1302 19 05 [X.] dürfe diese übergeordnete [X.]erkung nicht konterkarieren.

6

Außerdem beruhe die Vorentscheidung auf einer unrichtigen Anwendung des Branntweinsteuerrechts. Die Branntweinsteuer entfalle, wenn die eingeführte Ware zur [X.]. 3302 10 90 [X.] gehöre. Dies gelte auch, wenn sie in die [X.]. 1302 19 05 [X.] eingereiht werde. Das [X.] habe den Umfang der Steuerbefreiung von Aromen der [X.]. 1302 [X.] rechtsfehlerhaft auf solche aus zusammengesetzten Pflanzenauszügen beschränkt. Nach der Erlasslage seien jedoch auch einfache Pflanzenauszüge von der Branntweinsteuer befreit.

7

Die Klägerin beantragt sinngemäß, die Vorentscheidung vollständig und den [X.] vom 20.01.2017 ([X.]/00…) in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 23.01.2018 insoweit aufzuheben, als damit Branntweinsteuer in Höhe von … € festgesetzt wurde.

8

Das [X.] beantragt, die Revision zurückzuweisen.

9

Es schließt sich der Vorentscheidung an und ergänzt, es sei nicht einreihungsrelevant, ob es sich bei dem [X.] um reines Ethanol oder um eine Ethanol-Wasser-Mischung handele. Durch das nachträgliche Verdünnen werde die Ware nicht zum Gegenstand der [X.]. 3302 [X.]. Eine Einreihung in die [X.]. 3302 [X.] sei vielmehr durch die [X.]. 2 zu [X.]. 33 zwingend ausgeschlossen. Zudem sei nicht richtig, dass nur natürliche [X.]e der [X.]. 1301 [X.] aus [X.]. 33 ausgenommen seien. Auch ein Ausschluss von Pflanzenauszügen der [X.]. 1302 [X.] sei hier genannt. Zur branntweinsteuerrechtlichen Beurteilung der Ware ergänzt das [X.], dass nur zusammengesetzte Pflanzenauszüge des [X.]-Codes 1302 19 30 (Stand 2003) in der Leitlinie CED Nr. 458 des Verbrauchsteuerausschusses der [X.]-[X.] vom 19.11.2003 (Leitlinie CED Nr. 458) als Aromen aufgeführt seien. Einfache Pflanzenauszüge der [X.]. 1302 [X.] seien nicht in dieser Leitlinie aufgeführt und demnach keine Aromen i.S. des Art. 27 Abs. 1 Buchst. e der [X.]/[X.] des Rates vom 19.10.1992 zur Harmonisierung der Struktur der Verbrauchsteuern auf Alkohol und alkoholische Getränke [X.] 92/83-- ([X.] 1992, Nr. L 316, 21).

Der erkennende Senat hat mit Beschluss vom 07.07.2020 - VII R 44/18 ([X.], 275, Zeitschrift für Zölle und Verbrauchsteuern --ZfZ-- 2021, 142) ein Vorabentscheidungsersuchen an den [X.] ([X.]) gerichtet, das dieser mit Urteil [X.] ([X.]-[X.]) vom [X.] - C-668/20 ([X.]:C:2022:270, [X.], 184) wie folgt beantwortet hat:

"1. Die Kombinierte Nomenklatur in Anhang I der Verordnung ([X.]) Nr. 2658/87 des Rates vom 23. Juli 1987 über die zolltarifliche und statistische Nomenklatur sowie den Gemeinsamen [X.] in der durch die Durchführungsverordnung ([X.]) 2015/1754 der [X.] vom 6. Oktober 2015 geänderten Fassung ist dahin auszulegen, dass eine Ware, die ungefähr aus 85 % Ethanol, 10 % Wasser und 4,8 % [X.] besteht, einen durchschnittlichen Vanillingehalt von 0,5 % aufweist und dadurch hergestellt wird, dass man zur Standardisierung ein mittels Ethanol aus [X.]schoten gewonnenes Zwischenerzeugnis mit Wasser und Ethanol verdünnt, zur [X.]ition 1302 19 05 der genannten Nomenklatur gehört.

2. Art. 27 Abs. 1 Buchst. e der [X.]/[X.] vom 19. Oktober 1992 zur Harmonisierung der Struktur der Verbrauchsteuern auf Alkohol und alkoholische Getränke ist dahin auszulegen, dass [X.]-[X.] der [X.]ition 1302 19 05 der Kombinierten Nomenklatur in Anhang I der Verordnung Nr. 2658/87 in der durch die Durchführungsverordnung 2015/1754 geänderten Fassung als 'Aroma' im Sinne dieser Bestimmung anzusehen ist, vorausgesetzt, es stellt eine Zutat dar, die einem bestimmten Erzeugnis einen spezifischen Geschmack oder Geruch verleiht."

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision ist begründet und die Vorentscheidung daher aufzuheben. Diese verstößt gegen Bundesrecht (§ 118 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung --[X.]O--). Die Sache ist zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das [X.] zurückzuverweisen (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 [X.]O).

Das [X.] hat in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise entschieden, dass die hier zu beurteilende Ware in die [X.]. 1302 19 05 [X.] einzureihen ist. Allerdings hält die Vorentscheidung im Hinblick auf eine etwaige Befreiung der Ware von der Branntweinsteuer als Aroma einer revisionsrechtlichen Prüfung nicht stand. Der [X.] kann jedoch nicht abschließend in der Sache entscheiden, weil das [X.] --ausgehend von seinem rechtlichen Standpunkt zu [X.] bislang keine Feststellungen hinsichtlich des Verwendungszwecks der Ware getroffen hat.

1. Die von der Klägerin eingeführte Ware ist als [X.] in die Codenummer 1302 19 05 00 0 (Zollsatz 3 %) einzureihen.

a) Die [X.]. 1302 [X.] erfasst nach ihrem Wortlaut Pflanzensäfte und Pflanzenauszüge; Pektinstoffe, Pektinate und Pektate; Agar-Agar und andere Schleime und Verdickungsstoffe von Pflanzen, auch modifiziert. In der [X.]. 1302 19 05 [X.] wird [X.] genannt. Demgegenüber werden extrahierte Oleoresine in [X.]. 3301 [X.] angesprochen.

Für die Abgrenzung der [X.]. 1302 und 3301 [X.] ist zum einen [X.]. 1 Buchst. ij zu [X.]. 13 [X.] maßgeblich, wonach extrahierte Oleoresine ([X.] [X.], [X.]. [X.]) aus [X.]. 1302 [X.] ausgeschlossen werden. Zum anderen stellt [X.]. 1 Buchst. a zu [X.]. 33 [X.] klar, dass Pflanzenauszüge der [X.]. 1302 [X.] nicht zu [X.]. 33 [X.] gehören. Wie sich weiter aus [X.] 02.5 zu [X.]. 1302 ergibt, unterscheiden sich Pflanzensäfte und Pflanzenauszüge von den extrahierten Oleoresinen dadurch, dass sie abgesehen von den flüchtigen, wohlriechenden Bestandteilen einen weit höheren Anteil an anderen Pflanzeninhaltsstoffen enthalten.

b) Wie der [X.] mit seinem Urteil [X.] ([X.]) --[X.]:C:2022:270, [X.], 184-- entschieden hat, darf die von der Klägerin eingeführte Ware jedenfalls dann nicht in die [X.]. 1302 19 05 [X.] eingereiht werden, wenn es sich bei dieser Ware nicht um einen Pflanzenauszug i.S. der [X.]. 1302 [X.] handelt (Rz 46). Dies ist jedoch nach Auffassung des [X.] nicht der Fall; vielmehr hat der [X.] die fragliche Ware als Pflanzenauszug i.S. der [X.]. 1302 [X.] und insbesondere als [X.] i.S. der [X.]. 1302 19 05 [X.] angesehen (Rz 47 und 62). Des Weiteren stellte der [X.] klar, dass die [X.]. 1302 [X.] nicht als eine subsidiäre [X.]ition anzusehen ist (Rz 49). Davon ausgehend handelt es sich bei den [X.]. 1302 und 3301 bzw. 3302 [X.] um gleichwertige [X.]itionen.

Auf dieser Grundlage hat der [X.] weiter festgestellt, dass das [X.], das zunächst mittels Ethanol aus Vanilleschoten gewonnen wurde, als [X.] i.S. der [X.]. 1302 19 05 [X.] eingestuft werden kann (Rz 51). Die anschließende starke Verdünnung des [X.]ses mittels Ethanol und Wasser führt nicht dazu, dass ein Pflanzenauszug nicht mehr unter die [X.]. 1302 [X.] fällt, sofern diese Verarbeitung der Standardisierung dient (vgl. Rz 55 ff.). Eine Höchstgrenze für Erzeugnisse, die zur Standardisierung verwendet werden können, besteht insoweit nicht (Rz 57). Schließlich kommt der [X.] zu dem Ergebnis, dass eine Ware wie im Streitfall zur [X.]. 1302 19 05 [X.] gehört (Rz 62).

c) Ausgehend davon und unter Berücksichtigung der bisherigen Feststellungen des [X.] erfüllt die von der Klägerin eingeführte Ware die von der [X.]. 1302 19 05 [X.] vorgegebenen und vom [X.] in der genannten Entscheidung weiter konkretisierten Kriterien. Die Ware besteht aus rund 90 % (v/v) bzw. 85 % (m/m) Ethanol, 4,8 % (m/m) [X.] und bis zu 10 % (m/m) Wasser und verfügt über einen durchschnittlichen Vanillin-Gehalt von 0,5 % (m/m). Die Zufügung von Alkohol und Wasser zu dem zunächst aus der Vanilleschote extrahierten Oleoresin erfolgte zum Zweck der Standardisierung (S. 8 oben der Vorentscheidung) und führt somit nicht dazu, dass die Ware nicht mehr als [X.] der [X.]. 1302 19 05 [X.] angesehen werden könnte.

d) Eine Einreihung der Ware als eine Mischung von Riechstoffen bzw. eine Mischung auf der Grundlage eines oder mehrerer dieser Stoffe in die von der Klägerin für einschlägig gehaltene zollfreie Codenummer 3302 10 90 00 9 kommt nicht in Betracht, weil nach [X.]. 1 Buchst. a zu [X.]. 33 [X.] Pflanzenauszüge der [X.]. 1302 [X.] aus diesem [X.]itel ausgenommen sind.

e) Eine Rückfrage beim [X.] zur Bedeutung und zur Reichweite der [X.]. 1 Buchst. ij zu [X.]. 13 [X.], wonach extrahierte Oleoresine aus [X.]. 13 [X.] ausgenommen sind, hält der erkennende [X.] nicht für geboten. Der [X.] hat klar darauf abgestellt, dass die hier zu beurteilende Ware einen weit höheren Anteil an anderen Pflanzeninhaltsstoffen als die extrahierten Oleoresine der [X.]. 3301 [X.] hat, weil der Anteil an Trockenrückständen der Vanilleschote neunmal höher als der Vanillinanteil ist --[X.]-Urteil [X.] ([X.]), [X.]:C:2022:270, Rz 60 f., [X.], 184--. Dieser höhere Anteil an anderen Pflanzeninhaltsstoffen als an den flüchtigen, wohlriechenden Bestandteilen ist demnach ein maßgebliches Kriterium dafür, dass die von der Klägerin eingeführte Ware als Pflanzenauszug i.S. der [X.]. 1302 [X.] anzusprechen ist.

2. Soweit das [X.] entschieden hat, dass das [X.] die Branntweinsteuer zu Recht festgesetzt hat, verstößt die Vorentscheidung gegen Bundesrecht, weil das [X.] bei der Prüfung einer etwaigen Steuerbefreiung nach § 152 Abs. 1 Nr. 5 des Gesetzes über das Branntweinmonopol in der im Streitjahr 2017 maßgeblichen Fassung ([X.]) zu Unrecht von den unionsrechtswidrigen Vorgaben des [X.] ausgegangen ist und damit den Begriff des Aromas im Sinne der genannten Vorschrift unionsrechtswidrig eingeschränkt hat.

a) Gemäß § 130 Abs. 1 Satz 1 [X.] unterliegen Branntwein sowie branntweinhaltige Waren (Erzeugnisse) im Steuergebiet der Branntweinsteuer. Branntweinhaltige Waren i.S. des § 130 Abs. 1 [X.] sind gemäß § 130 Abs. 4 [X.] andere alkoholhaltige Waren als die des [X.]. 22 [X.], die unter Verwendung von Branntwein hergestellt werden oder Branntwein enthalten und deren Alkoholgehalt bei flüssigen Waren höher als 1,2 Volumenprozent, bei nicht flüssigen Waren als 1 Masseprozent ist. [X.] im Sinne dieses Gesetzes ist gemäß § 130 Abs. 5 [X.] die Warennomenklatur in der am 19.10.1992 geltenden Fassung.

Bei dem [X.] handelt es sich um eine branntweinhaltige Ware, weil es nicht in [X.]. 22 [X.] einzureihen ist (s. oben) und nach den gemäß § 118 Abs. 2 [X.]O bindenden Feststellungen des [X.] 90 % (v/v) Ethanol enthält.

b) Dieses Erzeugnis ist von der Steuer befreit, wenn es gewerblich und unvergällt verwendet wird zur Herstellung von Aromen zur Aromatisierung von Getränken mit einem Alkoholgehalt von nicht mehr als 1,2 Volumenprozent (§ 152 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. a [X.]) oder von anderen Lebensmitteln, ausgenommen Branntwein und andere alkoholhaltige Getränke (§ 152 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. b [X.]).

aa) Dieser Regelung liegt Art. 27 Abs. 1 Buchst. e [X.] 92/83 zugrunde, wonach die Mitgliedstaaten die von dieser Richtlinie erfassten Erzeugnisse von der harmonisierten Verbrauchsteuer nach Maßgabe von Bedingungen befreien, die sie zur Sicherstellung einer korrekten und einfachen Anwendung solcher Steuerbefreiungen sowie zur Vermeidung von Steuerflucht, Steuerhinterziehung oder Missbrauch festlegen, sofern die betreffenden Erzeugnisse zur Herstellung von Aromen für die Bereitung von Lebensmitteln und nichtalkoholischen Getränken mit einem Alkoholgehalt von höchstens 1,2 Volumenprozent verwendet werden. Der Tatsache, dass gemäß Art. 19 und 20 [X.] 92/83 nur der Anteil an Ethanol in den Anwendungsbereich dieser Richtlinie fällt --vgl. auch [X.]-Urteil [X.] ([X.]), [X.]:C:2022:270, Rz 66, [X.], 184--, trägt das [X.] dadurch Rechnung, dass nach § 131 Abs. 1 [X.] nur die Menge reinen Alkohols der Branntweinsteuer unterworfen wird.

bb) In Bezug auf die Voraussetzungen einer Steuerbefreiung für Aromen gemäß Art. 27 Abs. 1 Buchst. e [X.] 92/83 hat der [X.] mit seinem Urteil [X.] ([X.]) --[X.]:C:2022:270, [X.], 184-- entschieden, dass [X.] der [X.]. 1302 19 05 [X.] als Aroma im Sinne dieser Bestimmung anzusehen ist, vorausgesetzt, es stellt eine Zutat dar, die einem bestimmten Erzeugnis einen spezifischen Geschmack oder Geruch verleiht (Rz 73, vgl. auch Rz 68).

cc) Die Reichweite dieses Aromenbegriffs darf durch den Verbrauchsteuerausschuss der [X.] nicht eingeschränkt werden --[X.]-Urteil [X.] ([X.]), [X.]:C:2022:270, Rz 72, [X.], 184--.

Die Bedingungen für die Steuerbefreiung wurden in der Leitlinie [X.] Nr. 458 festgelegt. Dem hat die [X.] am 01.09.2014 zugestimmt und mit Erlass des [X.] vom 24.10.2014 - III B 7 - V 2310/13/10002 eine überarbeitete Fassung der Verwaltungsvorschrift ([X.]) V 2320-3 über "Herstellung, Beförderung, Verwendung und Verteilung von Aromen" freigegeben (vgl. Elektronische Vorschriftensammlung der Bundesfinanzverwaltung [X.] 2320-3-1 und [X.] N 47 2014 Nr. 222).

Allerdings wurde in der Leitlinie [X.] Nr. 458 eine Steuerbefreiung nur für Aromen festgelegt, die als Waren der [X.]. 3302 [X.], der [X.]. 2106 90 20 [X.] und als zusammengesetzte Pflanzenauszüge zum Herstellen von Getränken oder Lebensmittelzubereitungen ex [X.]. 1302 [X.] anzusehen sind (vgl. Abs. 5 und 2 [X.] V 2320-3-1). Dementsprechend sollten Waren, die --wie die von der Klägerin eingeführte [X.] nicht aus verschiedenen Pflanzenarten gewonnen wurden, nicht von der Steuerbefreiung nach Art. 27 Abs. 1 Buchst. e [X.] 92/83 profitieren. Mit dieser Einschränkung der Steuerbefreiung für Aromen hat der Verbrauchsteuerausschuss seine Kompetenzen überschritten, weshalb die Leitlinie [X.] Nr. 458 insoweit einer Steuerbefreiung der streitgegenständlichen Ware nicht entgegensteht.

dd) Allerdings kann der [X.] nicht abschließend über eine etwaige Befreiung der Waren von der Branntweinsteuer nach § 152 Abs. 1 Nr. 5 [X.] entscheiden, weil das [X.] --von seinem rechtlichen Standpunkt ausgehend zu [X.] nicht festgestellt hat, ob die zu beurteilende Ware eine Zutat darstellt, die einem bestimmten Erzeugnis einen spezifischen Geschmack oder Geruch verleiht.

3. Im zweiten Rechtsgang hat das [X.] daher über eine etwaige Steuerbefreiung nach § 152 Abs. 1 Nr. 5 [X.] erneut zu entscheiden und in diesem Zusammenhang festzustellen, ob die zu beurteilende Ware eine Zutat darstellt, die einem bestimmten Erzeugnis einen spezifischen Geschmack oder Geruch verleiht. Dabei hat das [X.] auch die weiteren Voraussetzungen der genannten Steuerbefreiungsnorm zu prüfen.

4. [X.] beruht auf § 143 Abs. 2 [X.]O.

Meta

VII R 10/22 (VII R 48/18), VII R 10/22, VII R 48/18

27.09.2022

Bundesfinanzhof 7. Senat

Urteil

vorgehend Finanzgericht Baden-Württemberg, 18. September 2018, Az: 11 K 384/18, Urteil

§ 130 Abs 1 S 1 BranntwMonG, § 152 Abs 1 Nr 5 BranntwMonG, Art 27 Abs 1 Buchst e EWGRL 83/92, Pos 1302 UPos 1905 KN, Pos 3301 KN, Pos 3302 KN, Kap 13 Anm 1 Buchst ij KN, Kap 33 Anm 1 Buchst a KN, Art 267 AEUV

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 27.09.2022, Az. VII R 10/22 (VII R 48/18), VII R 10/22, VII R 48/18 (REWIS RS 2022, 9263)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2022, 9263

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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