Bundesfinanzhof, Beschluss vom 10.06.2010, Az. IX B 202/09

9. Senat | REWIS RS 2010, 5971

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Gegenstand

Keine fehlende Urteilsbegründung bei Übergehen vom FG nicht bedachter Gründe - Beweiswürdigung - Keine Revisionszulassung wegen Einwänden gegen die materiell-rechtliche Richtigkeit einer Schätzung


Leitsatz

1. NV: Ein Mangel i.S.v. § 119 Nr. 6 FGO liegt insbesondere dann nicht vor, wenn im Urteil Gründe übergangen werden, die das FG tatsächlich nicht bedacht hat .

2. NV: § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO gebietet nicht, alle im Einzelfall gegebenen Umstände im Urteil zu erörtern .

Gründe

1

Die Beschwerde hat keinen Erfolg.

2

1. Die Revision ist nicht wegen fehlender Begründung gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 3, § 119 Nr. 6, § 105 Abs. 2 Nr. 5 der Finanzgerichtsordnung ([X.]O) zuzulassen. Die Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) tragen vor, das Finanzgericht ([X.]) habe seine Bestätigung der Wirksamkeit der Schätzung des Beklagten und Beschwerdegegners (Finanzamt) nicht hinreichend begründet; sie betrachten die Argumentationskette des [X.] als lückenhaft. Damit ist ein Verfahrensmangel jedoch nicht dargetan. Ein Mangel i.S. des § 119 Nr. 6 [X.]O liegt insbesondere dann nicht vor, wenn im Urteil Gründe übergangen werden, die das [X.] zwar hätte bedenken müssen, tatsächlich aber nicht bedacht hat. Von einem wesentlichen Verfahrensmangel kann vielmehr erst dann ausgegangen werden, wenn den Beteiligten die Möglichkeit entzogen ist, die getroffene Entscheidung auf ihre Rechtmäßigkeit hin zu überprüfen (Beschluss des [X.] --BFH-- vom 28. April 1993 II R 123/91, [X.] 1994, 46, m.w.[X.]). Hiervon kann im Streitfall nicht ausgegangen werden.

3

2. Auch der von den Klägern behauptete Verstoß gegen § 96 Abs. 1 [X.]O liegt nicht vor. Nach dieser Vorschrift hat das [X.] seiner Überzeugungsbildung das Gesamtergebnis des Verfahrens, also den gesamten konkretisierten Prozessstoff, zugrunde zu legen. § 96 Abs. 1 Satz 1 [X.]O gebietet allerdings nicht, alle im Einzelfall gegebenen Umstände im Urteil zu erörtern. Vielmehr ist im Allgemeinen davon auszugehen, dass ein Gericht auch denjenigen Akteninhalt in Erwägung gezogen hat, mit dem es sich in den schriftlichen Entscheidungsgründen nicht ausdrücklich auseinandergesetzt hat ([X.] vom 15. September 2006 [X.], [X.] 2007, 80, unter 3. c, m.w.[X.]). Insoweit kann vorliegend nicht davon ausgegangen werden, das [X.] hätte trotz Bezugnahme auf alle vorgelegten Unterlagen und Akten am Ende des Tatbestandes und Berücksichtigung der AfA-Höhe im Streitjahr nicht auch alle von den Klägern im Rahmen der Nichtzulassungsbeschwerde genannten möglichen Schätzungsgrundlagen erwogen. Im Übrigen legen die Kläger nicht schlüssig dar, inwiefern ein etwaiges Übergehen von wesentlichem Akteninhalt für das angefochtene Urteil auf der Grundlage der materiell-rechtlichen Rechtsauffassung des [X.] ursächlich war. Insoweit erscheint insbesondere fraglich, ob die Beurteilung der Nichtigkeit der einheitlichen und gesonderten Feststellung der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung anders ausgefallen wäre, wenn das [X.] explizit auf die von den Klägern hervorgehobenen [X.] und 2004 eingegangen wäre.

4

Aus denselben Erwägungen ist auch nicht von einer Verletzung der Sachaufklärungspflicht nach § 76 Abs. 1 [X.]O auszugehen.

5

3. Wenn die Kläger meinen, das [X.] habe eine offensichtlich rechtsfehlerhafte und insoweit willkürliche bzw. greifbar gesetzwidrige Entscheidung getroffen (vgl. [X.] vom 14. August 2001 [X.], [X.] 2002, 51; vom 28. Juni 2002 [X.], [X.] 2002, 1474; vom 10. Februar 2010 [X.]/09, [X.] 2010, 887), indem es bei der Beurteilung der Nichtigkeit der Schätzung das erkennbare Ziel verfolgt habe, Sachverhalte so zu konstruieren, dass sie die für den Steuerpflichtigen nachteiligste und zugleich auch geringste Wahrscheinlichkeit für sich hätten, fehlen hierfür nachvollziehbare Gründe. In der Sache wenden sich die Kläger gegen die materiell-rechtliche Richtigkeit der Schätzung. Damit ist jedoch ein Revisionszulassungsgrund nicht dargetan.

6

4. Der Rechtssache kommt schließlich auch keine grundsätzliche Bedeutung zu (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 [X.]O). Diese ist schon mit dem bloßen Hinweis, die höchstrichterliche Rechtsprechung habe die herausgestellte Frage noch nicht entschieden, nicht schlüssig dargelegt. Im Übrigen wenden sich die Kläger der Sache nach gegen die Ablehnung der Wiedereinsetzung in die versäumte Einspruchsfrist durch das [X.]. Die Kläger wollen damit Fragen der konkreten Rechtsanwendung, insbesondere die Ausfüllung des Verschuldensbegriffs des § 110 der Abgabenordnung im Hinblick auf die Besonderheiten des konkreten Einzelfalls geklärt wissen. Dies kann nicht zur Revisionszulassung führen.

Meta

IX B 202/09

10.06.2010

Bundesfinanzhof 9. Senat

Beschluss

vorgehend FG München, 1. Oktober 2009, Az: 11 K 175/09, Urteil

§ 119 Nr 6 FGO, § 96 Abs 1 S 1 FGO, § 115 Abs 2 Nr 3 FGO, § 116 Abs 3 S 3 FGO

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Beschluss vom 10.06.2010, Az. IX B 202/09 (REWIS RS 2010, 5971)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 5971

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