Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 09.10.2014, Az. V ZB 127/13

V. Zivilsenat | REWIS RS 2014, 2263

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BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
[X.] 127/13
vom
9. Oktober 2014
in der Abschiebungshaftsache
Nachschlagewerk:
ja
BGHZ:
nein
BGHR:
ja
[X.] § 71 Abs. 3 Nr. 1a und b
Gemäß § 71 Abs. 3 Nr. 1a und [X.] in der Fassung vom 22. November 2011 ist die [X.] für Abschiebungen zuständig, sofern der unerlaubt ein-gereiste Ausländer im grenznahen Raum (innerhalb von 30 km Entfernung von der Grenze) aufgegriffen wird; eines unmittelbaren zeitlichen Zusammenhangs mit der unerlaubten Einreise bedarf es nicht
mehr (Abgrenzung zu dem Senatsbeschluss vom 28. April 2011

[X.] 239/10, [X.] 2011, 200).
BGH, Beschluss vom 9. Oktober 2014 -
[X.] 127/13 -
LG [X.] (Oder)

AG [X.]

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Der V. Zivilsenat des [X.] hat am 9. Oktober 2014
durch die Vorsitzende Richterin Dr.
Stresemann, den Richter Dr.
Roth,
die Richterinnen Dr.
Brückner und Weinland und den Richter Dr.
Kazele

beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde wird unter Zurückweisung des Rechtsmittels im Übrigen festgestellt, dass der Beschluss des [X.] vom 18. Juli 2013 den Betroffenen bis zum Ablauf des 15. August 2013 in seinen Rechten verletzt hat.
Die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Auslagen des Betroffenen in allen Instanzen werden der [X.] zu
2/3 auferlegt. Im Übrigen findet eine Aus-lagenerstattung nicht statt. Gerichtskosten werden in allen Instan-zen nicht erhoben.
Der Gegenstandswert des [X.] beträgt

Gründe:
I.
Der Betroffene, ein [X.] Staatsangehöriger, wurde am 10.
Juli
2013
am Bahnhof
[X.]/Oder festgenommen und äußerte ein Asylbegehren. Über einen Pass oder einen Aufenthaltstitel verfügte er nicht. Mit Beschluss vom 11. Juli 2013 ordnete das Amtsgericht [X.]/Oder zunächst [X.] bis zum 18. Juli 2013 an. Am gleichen Tag ging das Asylgesuch 1

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des Betroffenen bei
dem [X.] ([X.])
ein. Der Betroffene wurde in [X.] inhaftiert.
Mit Bescheid vom 31.
Juli
2013 lehnte das [X.] den Asylantrag als offensichtlich unbegründet ab.
Auf Antrag der beteiligten Behörde, der [X.]direktion [X.], hat das Amtsgericht [X.] mit Beschluss vom 18. Juli 2013 Haft bis zum 19. September 2013 angeordnet. Die Beschwerde des Betroffenen hat das [X.]
[X.] (Oder)
nach dessen Anhörung durch Beschluss vom 15.
August 2013 zurückgewiesen. Dagegen wendet sich der Betroffene mit der Rechtsbeschwerde, mit der er nach der am 29. August 2013 erfolgten Abschiebung die Rechtswidrigkeit der Haftanordnung feststellen lassen will. Die beteiligte Behörde beantragt die Zurückweisung der Rechtsbeschwerde.
II.
Das Beschwerdegericht meint, die [X.] sei
sachlich und örtlich für die Beantragung der [X.] zuständig
gewesen. Dies ergebe sich aus der anwendbaren neuen Fassung des § 71 Abs. 3 Nr. 1a [X.]. Der Betroffene sei im grenznahen Raum angetroffen worden; eine zeitliche Be-schränkung enthalte die Vorschrift nicht mehr. Die Zuständigkeit des
Amtsge-richts
[X.] ergebe sich aus § 416 Satz 2 FamFG. Der Haftantrag sei zulässig. Der Betroffene sei aufgrund des Asylbescheids vom 31.
Juli 2013 vollziehbar ausreisepflichtig; dieser stelle zugleich die erforderliche Rückkeh-rentscheidung dar. Der Haftgrund des § 62 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 [X.] sei gegeben
und das Beschleunigungsgebot sei eingehalten worden.

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III.
Die
Rechtsbeschwerde
ist zulässig. Entgegen der Auffassung der betei-ligten Behörde hängt die Rechtsmittelbefugnis des Betroffenen nicht von der Angabe zutreffender Personalien ab. In der Sache hat das Rechtsmittel teilwei-se Erfolg.
1. Die Haftanordnung des Amtsgerichts war schon deshalb rechtswidrig, weil der Haftantrag unzulässig
war.
a) Das Vorliegen eines zulässigen [X.] ist eine in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu prüfende Verfahrensvoraussetzung. Zulässig ist der Haftantrag der beteiligten Behörde nur, wenn er den gesetzlichen Anforde-rungen an die Begründung entspricht. Erforderlich sind Darlegungen zu der zweifelsfreien Ausreisepflicht, zu den Abschiebungsvoraussetzungen, zu der Erforderlichkeit der Haft, zu der Durchführbarkeit der Abschiebung und zu der notwendigen Haftdauer (§
417 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 bis 5 FamFG). Zwar dürfen die Ausführungen zur Begründung des [X.] knapp gehalten sein, sie müssen aber die für die richterliche Prüfung des Falls wesentlichen Punkte an-sprechen. Fehlt es daran, darf die beantragte [X.] nicht angeordnet werden (st. Rspr., Senat, Beschlüsse vom 10. Mai 2012

V
ZB
246/11,
[X.] 2012, 328
ff. Rn. 10; vom
6.
Dezember 2012

V
ZB
118/12, juris; vom 31. Januar 2013

[X.] 20/12, [X.] 2013, 130 f., jeweils mwN).
b) Zu den gemäß §
417 Abs. 2 Satz 2 Nr. 5 FamFG darzulegenden [X.] gehört die nach § 59 [X.] erforderliche Ab-schiebungsandrohung. Fehlt es an einer für die Vollstreckung der Abschiebung notwendigen Voraussetzung, darf auch eine [X.] Gesetzes (§ 58 Abs. 2 Satz 1 [X.]) vollziehbare Ausreisepflicht nicht ohne weiteres durchgesetzt wer-den. Eine bestehende Fluchtgefahr berechtigt die Behörde zwar dazu, von einer Fristsetzung für die freiwillige Ausreise abzusehen (§ 59 Abs. 1 Satz 2 Auf-4
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enthG), macht die Abschiebungsandrohung aber nicht entbehrlich. Der [X.] muss daher entweder Ausführungen zu einer Abschiebungsandrohung enthalten oder dazu, dass es einer solchen ausnahmsweise nicht bedurfte (z.B. nach § 59 Abs. 1 Satz 3 [X.] oder nach § 34a Abs. 1 Satz 3 AsylVfG; ein-gehend zum Ganzen Senat, Beschluss vom 16. Mai 2013

[X.] 44/12,
[X.] 2013, 349 Rn. 9
ff. mwN).
c) Solche Angaben fehlten in dem Haftantrag.
Auch in der Sache
gehen das Beschwerdegericht

ebenso wie die Vertreterin
der beteiligten Behörde in der Anhörung
vor dem Beschwerdegericht

davon aus, dass der Betroffene bei Anordnung der Haft nicht vollziehbar ausreisepflichtig und [X.] nach dem [X.] zur Rückübernahme nicht verpflichtet war. Erst der ab-lehnende Bescheid des [X.] vom 31. Juli 2013 enthielt nach den Feststellun-gen des [X.] die erforderliche Abschiebungsandrohung.
2. Der Mangel der Haftanordnung ist jedoch im Beschwerdeverfahren geheilt worden.
a) Das [X.] hat nach
ergänzender Stellungnahme der beteiligten Behörde und Erörterung mit den Beteiligten im Rahmen der Anhörung selbst Feststellungen zu der Durchführbarkeit der Abschiebung getroffen. Hierdurch ist der Mangel in der Begründung des [X.] behoben worden
(vgl. Senat, Beschluss vom 16. Juli 2014

[X.] 80/13 Rn. 24, juris). Auch der Sache nach war der Betroffene im Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung vollziehbar ausreisepflichtig.

b) Zutreffend geht das Beschwerdegericht ferner von der Zuständigkeit der [X.] aus.
aa) Allerdings hat der Senat für die Zuständigkeitsvorschrift des § 71 Abs. 3 Nr. 1 [X.] in der bis zum 25. November 2011
geltenden Fassung 8
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angenommen, dass eine die Zuständigkeit der [X.] begründende Grenzmaßnahme nur vorlag, wenn ein Ausländer in grenznahem Gebiet in un-mittelbarem zeitlichem Zusammenhang mit seiner unerlaubten Einreise ange-troffen wurde (Senat, Beschluss vom 28. April 2011

[X.] 239/10, [X.] 2011, 200). Dies ist jedoch seit der
Neufassung des
§ 71 Abs. 3 [X.] vom 22. November 2011
überholt, die mit Wirkung zum 26. November 2011 in [X.] getreten ist (BGBl. I 2258).
bb) Gemäß §
71 Abs. 3 Nr. 1a [X.] ist die [X.] seither für Abschiebungen an der Grenze zuständig, sofern der [X.] unerlaubten Einreise über eine Binnengrenze aufgegriffen wird. Dass das Erfordernis eines unmittelbaren zeitlichen Zusammenhangs mit der unerlaubten Einreise nicht mehr besteht, bestätigt zudem die Regelung des § 71 Abs. 3 Nr.
1[X.], wonach es sogar ausreicht, wenn sich der unerlaubt einge-reiste Ausländer
fortbewegt und in einem anderen Grenzraum aufgegriffen wird (vgl. GK-[X.]/[X.] [2012] §
71 Rn.
137). Entgegen der Ansicht der
Rechtsbeschwerde ergibt sich nichts anderes aus der Gesetzesbegründung. Zwar ist dort ausgeführt, dass
die Zuständigkeit der [X.] unverändert bleiben sollte (BT-Drucks. 17/5470, S. 25 f.);
der Gesetzgeber hat die Änderung aber offenbar als Klarstellung verstanden.
cc) Danach reichte es für die Begründung der Zuständigkeit aus, dass der Betroffene unerlaubt eingereist war und im grenznahen Raum aufgegriffen wurde (also innerhalb von 30 km Entfernung von der Grenze, vgl. Senat, [X.] vom 28. April 2011

[X.] 239/10, [X.] 2011, 200 Rn. 7).
Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde war die [X.] auch für die Be-antragung der Haft (weiter) zuständig. Dies ergibt sich aus § 71 Abs. 3 Nr. 1e [X.]. Dass zwischen dem Aufgreifen und dem Haftantrag mehrere Tage lagen, ändert nichts daran, dass eine Abschiebung an der Grenze erfolgte; der Betroffene war bereits zuvor auf Antrag der [X.] inhaftiert worden.
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c) Die örtliche Zuständigkeit des [X.] hat der Senat nicht zu prüfen (§ 72 Abs. 2 FamFG; vgl. Senat, Beschluss vom 6.
Mai
2010

[X.] 193/09, [X.] 2010, 361 Rn. 16).
Hinsichtlich der weite-ren Rügen
der Rechtsbeschwerde wird von einer Begründung abgesehen (§
74
Abs. 7 FamFG).

IV.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 81 Abs. 1 Satz 1 und 2,
§ 83 Abs.
2,
§
430 FamFG, Art. 5 Abs. 5 [X.] analog. Die Kostenquote trägt dem Umstand Rechnung, dass die Rechtsbeschwerde nur für einen Teil des bean-standeten [X.] Erfolg hat. Die Festsetzung des [X.] folgt aus §
36 Abs. 2 und 3 GNotKG.

Stresemann

Roth

Brückner

Weinland

Kazele

Vorinstanzen:
AG [X.], Entscheidung vom 18.07.2013 -
23 [X.] -

LG [X.] (Oder), Entscheidung vom 15.08.2013 -
15 [X.]/13 -

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Meta

V ZB 127/13

09.10.2014

Bundesgerichtshof V. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 09.10.2014, Az. V ZB 127/13 (REWIS RS 2014, 2263)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 2263

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V ZB 127/13

V ZB 239/10

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V ZB 44/12

V ZB 80/13

V ZB 193/09

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