Bundesfinanzhof, Beschluss vom 31.08.2016, Az. I B 146/15

1. Senat | REWIS RS 2016, 6109

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Gegenstand

Sachaufklärungsrüge - Formelle Korrespondenz bei verdeckter Einlage


Leitsatz

1. NV: Die Sachaufklärungsrüge ist nicht dazu bestimmt, Beweisanträge zu ersetzen, welche ein fachkundig vertretener Beteiligter selbst in zumutbarer Weise hätte stellen können, jedoch zu stellen unterlassen hat .

2. NV: Der hinsichtlich der Berücksichtigung einer verdeckten Einlage gegenüber dem Gesellschafter erlassene, aufgehobene oder geänderte Steuer- oder Feststellungsbescheid ist kein Grundlagenbescheid für den Körperschaftsteuerbescheid. Die Bestimmung des § 32a Abs. 2 KStG 2002 n.F. eröffnet nur die Möglichkeit, die materielle Rechtslage verfahrensrechtlich umzusetzen .

Tenor

Die Beschwerde der Klägerin wegen Nichtzulassung der Revision gegen das Urteil des [X.] vom 6. Oktober 2015  6 K 6207/13 wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat die Klägerin zu tragen.

Tatbestand

1

I. Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin), eine [X.]mbH, stand in alleinigem [X.]nteilseigentum der [X.]. Deren Kommanditisten waren [X.] und [X.] mit Kapitalbeteiligungen von je 50 v.H.; [X.] und [X.] waren zugleich mit Kapitalbeteiligungen von je 46,75 v.H. Kommanditisten der [X.]-K[X.].

2

Die [X.]-K[X.] und die Klägerin schlossen im Jahr 1997 im Zusammenhang mit einer Beteiligung der Klägerin an einem geschlossenen Immobilienfonds auf der Basis eines schriftlichen [X.]ngebots der [X.]-K[X.] einen Vertrag, demzufolge die [X.]-K[X.] der Klägerin ein zinsloses Darlehen von 1.570.000 [X.] ausreichen sollte. Das Darlehen sollte für die [X.] der Beteiligung der Klägerin an dem Fonds, spätestens bis zur Beendigung des bis einschließlich 2095 laufenden Erbbaurechts an den Fondsgrundstücken gewährt werden. Die [X.]-K[X.] leistete auf den Vertrag zunächst Zahlungen von 505.000 [X.] (1999) und 780.000 [X.] (2000) an die Klägerin.

3

Die Klägerin erfasste den [X.]esamtbetrag der bis dahin erhaltenen Zahlungen von 1.285.000 [X.] in ihrer Bilanz zum 31. Dezember 2000 als langfristige Verbindlichkeit. Nachdem die Klägerin für das Streitjahr (2000) zunächst unter dem Vorbehalt der Nachprüfung erklärungsgemäß veranlagt worden war, kam das ursprünglich zuständige Finanzamt (F[X.] B) nach einer [X.]ußenprüfung zu der [X.]uffassung, die Darlehensverbindlichkeit sei für die Zwecke der Steuerbilanz abzuzinsen und deshalb lediglich mit 7.710 [X.] anzusetzen. Es erließ einen entsprechend geänderten Bescheid über die Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zur Körperschaftsteuer zum 31. Dezember 2000.

4

Hiergegen wendete sich die Klägerin mit der Begründung, die Leistungen der [X.]-K[X.] seien mangels effektiver Rückzahlungsverpflichtung nicht als Darlehen, sondern als steuerneutrale Einlage der (mittelbaren) [X.]esellschafter [X.] und [X.] anzusehen. Sie bezieht sich dabei insbesondere auf den Umstand, dass nach einer [X.]ußenprüfung das für die [X.]ewinnfeststellung der [X.]-K[X.] zuständige Finanzamt die Darlehensgewährung aus dem genannten [X.]rund als Privatentnahme der [X.]esellschafter beurteilt habe und deshalb in der Steuerbilanz der [X.]-K[X.] keine Darlehensforderung mehr ausgewiesen sei. Die Klage hatte jedoch keinen Erfolg. Das Finanzgericht (F[X.]) Berlin-Brandenburg hat sie mit Urteil vom 6. Oktober 2015  6 K 6207/13 als unbegründet abgewiesen.

5

Die Klägerin beantragt mit ihrer Beschwerde die Zulassung der Revision gegen das F[X.]-Urteil.

6

Während des Verfahrens der Nichtzulassungsbeschwerde ist infolge einer verwaltungsseitigen Neuorganisation der nunmehrige Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --F[X.]--) für die Besteuerung der Klägerin zuständig geworden.

7

Das F[X.] beantragt, die Nichtzulassungsbeschwerde als unzulässig zu verwerfen.

Entscheidungsgründe

8

II. 1. Das FA ist mit Wirkung zum 1. Januar 2016 aufgrund eines Organisationsaktes der Finanzverwaltung in die Zuständigkeit und hierdurch im Wege des gesetzlichen Beteiligtenwechsels in die Beteiligtenstellung des [X.] eingetreten (vgl. Senatsbeschluss vom 2. April 2014 I B 21/13, [X.] 2014, 1216).

9

2. Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unbegründet.

a) Die Klägerin rügt als Verfahrensmangel i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 3 der Finanzgerichtsordnung ([X.]O) eine unzureichende Sachaufklärung des [X.] (Verstoß gegen § 76 Abs. 1 Satz 1 [X.]O) hinsichtlich der Frage, ob eine Rückzahlung der Darlehensvaluta nicht gewollt oder die schriftliche Vereinbarung nicht mit dem tatsächlichen Willen der Vertragsparteien übereingestimmt habe. Das [X.] habe insoweit eine Beweislastentscheidung zu ihren Ungunsten getroffen, ohne zuvor von Amts wegen durch Einholung einer Stellungnahme der [X.] bzw. durch Vernehmung deren gesetzlicher Vertreter als Zeugen Beweis erhoben zu haben.

Die Rüge muss schon deshalb ohne Erfolg bleiben, weil nicht ersichtlich ist, warum die (fachkundig vertretene) Klägerin eine Beweiserhebung zu diesem zentralen Streitpunkt nicht spätestens in der mündlichen Verhandlung gegenüber dem [X.] beantragt bzw. deren Unterlassen gegenüber dem [X.] gerügt hat. Die Verletzung der Sachaufklärungspflicht gehört zu den "verzichtbaren" [X.], die nicht mehr mit Erfolg geltend gemacht werden können, wenn die Beteiligten sie nicht in der nächsten mündlichen Verhandlung rügen (z.B. Senatsbeschluss vom 26. Mai 2009 I B 20/09, nicht veröffentlicht). Die Sachaufklärungsrüge ist nicht dazu bestimmt, Beweisanträge zu ersetzen, welche ein fachkundig vertretener Beteiligter selbst in zumutbarer Weise hätte stellen können, jedoch zu stellen unterlassen hat (Senatsbeschluss vom 18. April 2012 I B 123/11, [X.] 2012, 1299, m.w.N.).

Soweit die Klägerin das Unterlassen von Sachaufklärungsmaßnahmen zur Frage der Veranlassung der Darlehenshingabe durch das Gesellschaftsverhältnis rügt, ist nicht ersichtlich, warum dieser Punkt für das Ergebnis des angefochtenen Urteils von Bedeutung sein könnte. Denn nach ausdrücklicher Bekundung in den Entscheidungsgründen des [X.] --auf dessen materiell-rechtlichen Standpunkt bei der Prüfung von [X.] abzustellen ist-- ist diese Frage für den Streitfall nicht entscheidungserheblich. Im Übrigen gilt auch insoweit das zuvor Gesagte.

b) Unter dem Aspekt der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 [X.]O) stellt die Klägerin mit Blick auf die steuerliche Behandlung der Darlehensvergabe als Entnahme bei der [X.] einige Rechtsfragen in Bezug auf die Bestimmung des § 32a Abs. 2 des Körperschaftsteuergesetzes 2002 i.d.F. des Jahressteuergesetzes 2007 vom 13. Dezember 2006 ([X.], 2878, [X.], 28) --[X.] 2002 n.F.-- zur Klärung durch den Senat. Nach dieser Bestimmung kann, soweit gegenüber dem Gesellschafter einer Körperschaft ein Steuerbescheid oder ein Feststellungsbescheid hinsichtlich der Berücksichtigung einer verdeckten Einlage erlassen, aufgehoben oder geändert wird, auch gegenüber der Körperschaft, welcher der Vermögensvorteil zugewendet wurde, ein Steuerbescheid aufgehoben, erlassen oder geändert werden.

Die Klägerin möchte insbesondere geklärt wissen, ob die Vorschrift analog anwendbar ist, wenn ein Steuerbescheid oder Feststellungsbescheid hinsichtlich der Berücksichtigung einer verdeckten Einlage nicht gegenüber dem Gesellschafter, sondern gegenüber einer diesem nahe stehenden Person erlassen, aufgehoben oder geändert worden ist oder wenn es in jenem Bescheid nicht um die Berücksichtigung einer verdeckten Einlage, sondern um die Berücksichtigung einer Entnahme geht.

Diese Fragen sind jedoch im Streitfall nicht klärungsfähig, weil die Anwendbarkeit des § 32a Abs. 2 [X.] 2002 n.F. hier nicht zu einem anderen als dem vom [X.] gefundenen Ergebnis führen würde. Denn auch wenn die Bestimmung des § 32a Abs. 2 [X.] 2002 n.F. hinsichtlich verdeckter Einlagen [X.] wie Abs. 1 der Vorschrift in Bezug auf verdeckte [X.] eine einheitliche Besteuerung von Kapitalgesellschaft und Anteilseigner bezweckt, geht ihre Rechtsfolge nicht dahin, den gegenüber dem Gesellschafter erlassenen Bescheid als Grundlagenbescheid i.S. von § 171 Abs. 10, § 351 Abs. 2 der Abgabenordnung für den Körperschaftsteuerbescheid zu qualifizieren. Vielmehr beschränkt sich die Rechtswirkung der Vorschrift nach deren ausdrücklichem Wortlaut auf die Schaffung einer verfahrensrechtlichen Änderungsmöglichkeit für den Körperschaftsteuerbescheid und verschiebt mithin gegebenenfalls den Zeitpunkt dessen formeller Bestandskraft. § 32a Abs. 2 [X.] 2002 n.F. eröffnet danach nur die Möglichkeit, die materielle Rechtslage verfahrensrechtlich umzusetzen (verfahrensrechtliche Korrespondenz). Ob eine Änderung erfolgt, ist aber weiterhin allein nach materiellem Recht zu entscheiden. Der [X.] ([X.]) hat dies zur spiegelbildlichen Vorschrift des § 32a Abs. 1 [X.] 2002 n.F. bereits entschieden (z.B. [X.]-Urteile vom 18. September 2012 VIII R 9/09, [X.]E 238, 512, [X.], 149, und vom 16. Dezember 2014 VIII R 30/12, [X.]E 248, 325, [X.], 858). Nichts anderes kann im Bereich des § 32a Abs. 2 [X.] 2002 n.F. gelten (vgl. [X.] in [X.]/[X.]/[X.], § 32a [X.] Rz 19; [X.]/[X.], [X.], 3. Aufl., § 32a Rz 45; [X.] in [X.]/[X.], [X.], § 32a Rz 61, 89; [X.], § 32a [X.] Rz 58; [X.] in Dötsch/[X.]/Möhlenbrock, Die Körperschaftsteuer, § 32a [X.] Rz 51; [X.], [X.], 8. Aufl., § 32a Rz 6). Bei solch klarer und offenkundiger Rechtslage bedarf es keiner Klärung in einem Revisionsverfahren (vgl. Senatsbeschluss vom 24. August 2011 I B 1/11, [X.] 2011, 2044, m.w.N.).

3. [X.] beruht auf § 135 Abs. 2 [X.]O.

Meta

I B 146/15

31.08.2016

Bundesfinanzhof 1. Senat

Beschluss

vorgehend Finanzgericht Berlin-Brandenburg, 6. Oktober 2015, Az: 6 K 6207/13, Urteil

§ 76 Abs 1 S 1 FGO, § 115 Abs 2 Nr 3 FGO, § 32a Abs 2 KStG 2002 vom 13.12.2006, § 115 Abs 2 Nr 1 FGO

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Beschluss vom 31.08.2016, Az. I B 146/15 (REWIS RS 2016, 6109)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 6109

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