Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 07.11.2012, Az. IV ZB 20/12

IV. Zivilsenat | REWIS RS 2012, 1639

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
IV ZB 20/12
vom

7. November 2012

in dem Rechtsstreit

-
2
-

Der IV.
Zivilsenat des [X.] hat durch die
Vorsitzen-de Richterin [X.], [X.], [X.], die Richterin
[X.] und [X.]
Karczewski

am 7. November 2012

beschlossen:

Auf die Rechtsbeschwerde der Beklagten wird der Be-schluss des 6.
Zivilsenats des [X.] vom 15.
Mai 2012 aufgehoben.

Der Beklagten wird Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung der Berufung gewährt.

Die Sache wird zur Verhandlung und Entscheidung über die Berufung der Beklagten an das Berufungsgericht zu-rückverwiesen, dem auch die Entscheidung über die Kosten des [X.] vorbehalten bleibt.

[X.]: 6.536,13

Gründe:

[X.] Die Beklagte begehrt
die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Berufungsfrist. Sie hat gegen das ihr am 13.
Fe-1
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-

bruar 2012 zugestellte Urteil des [X.], mit dem sie zur Zahlung von 6.536,13

urteilt worden ist, durch Schriftsatz vom 13.
März 2012, der am selben Tag per Telefax beim [X.] und am 15.
März 2012 beim Berufungsgericht eingegangen ist, Berufung eingelegt. Auf den Hinweis des Berufungsgerichts vom 21.
März 2012 bezüglich
der nicht gewahrten Berufungsfrist hat die Beklagte mit Schriftsatz vom 4.
April 2012 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt, und am 12.
April 2012 die Berufung begründet.

Zur Begründung ihres [X.] hat die Beklagte ausgeführt: Die seit Jahren bei ihrem Prozessbevollmächtigten zuverläs-sig arbeitende Rechtsanwaltsfachangestellte habe bei der Anfertigung des [X.]es versehentlich statt der Telefaxnummer des [X.] die des [X.], welche sie einem Schriftstück aus der Akte entnommen habe,
auf dem [X.] vermerkt. Die Mitarbeiterin habe sodann den Schriftsatz an die Telefaxnummer ge-sandt, die auf dem [X.] aufgedruckt gewesen sei. [X.] habe sie die Angabe der Telefaxnummer und
der übermittelten Sei-tenzahl im Kommunikationssendebericht auf Übereinstimmung mit der auf dem Schriftsatz angebrachten Telefaxnummer und mit der Seitenzahl des Schriftsatzes überprüft. In der Kanzlei der Prozessbevollmächtigten
der Beklagten
bestehe bei der Ermittlung der Telefaxnummern
von Ge-richten bei der Versendung fristgebundener Schriftsätze die allgemeine Anweisung, die Faxnummer des [X.] aus einem schon in der gerichtlichen Akte befindlichen Schriftstück zu entnehmen, soweit ein solches vorhanden sei. Die Faxnummer dieses
gerichtlichen Schrift-stücks
sei in den Schriftsatz zu übernehmen,
der Kommunikationsergeb-nisbericht auf den [X.], die per Telefax übermittelten Seiten und die Übereinstimmung der in dem Ergebnisbericht ausgewiesenen [X.]
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4
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faxnummer mit derjenigen zu überprüfen, die dem gerichtlichen Schrei-ben entnommen worden sei. Habe die Telefaxnummer wie vorliegend und bei einer Berufungseinlegung üblich nicht einem Schriftstück des Gerichts aus der Akte entnommen werden können, bestehe die [X.], diese
aus einem in der Kanzlei des [X.] verwendeten elektronischen Verzeichnis auf der Grundlage einer entsprechenden Software zu entnehmen. Nach der Übersendung des Schriftstücks sei der Kommunikationsergebnisbericht nicht nur auf den [X.], die übertragenen Seiten und die Übereinstimmung der in dem Ergebnisbericht nachgewiesenen Telefaxnummer mit der auf dem Schriftsatz aufgebrachten zu überprüfen, sondern auch darauf, dass [X.] Telefaxnummer mit derjenigen, die dem elektronischen Verzeichnis zu entnehmen sei, übereinstimme.

Das [X.] hat durch den angefochtenen Beschluss den Wiedereinsetzungsantrag zurückgewiesen und die Berufung als unzuläs-sig verworfen. Es hat ein Organisationsverschulden der [X.] der Beklagten hinsichtlich der gebotenen Ausgangskontrolle bei [X.] angenommen. Sei das Büropersonal
angewiesen, die Telefaxnummer des [X.] eigenständig zu ermitteln und dürfe es dabei entweder auf ein in der Kanzlei verwendetes elektroni-sches Verzeichnis zugreifen oder ein in der anwaltlichen Handakte be-findliches Schreiben des [X.] verwenden, müsse der Pro-zessbevollmächtigte anordnen, dass die Bürokraft noch einmal [X.], ob das Empfangsgericht und das Gericht, von dem das Schreiben in der Handakte stamme, identisch seien. Insoweit sei eine Prüfung durch einen zweiten, gegenüber dem Heraussuchen der Nummer eigenständi-gen Arbeitsschritt
notwendig. Der Prozessbevollmächtigte der Beklagten habe nicht hinreichend glaubhaft gemacht, dass es in seinem Büro eine 3
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-

derartige Anweisung zu einem nochmaligen Abgleich der Telefaxnummer des [X.] mit dem Gericht, von dem das Schriftstück in der Handakte stamme, gegeben habe. Der Vortrag
könne genauso gut be-deuten, dass lediglich die allgemeine Anweisung bestanden habe, einmal

und zwar bei der Ermittlung der Telefaxnummer anhand der Handakte

zu prüfen, dass es sich bei dem gerichtlichen Schreiben, dem die Fax-nummer entnommen worden sei,
um ein solches des zuständigen Emp-fangsgerichts handele. Der Wiedereinsetzungsantrag müsse auch [X.] ohne Erfolg bleiben, weil die Beklagte nicht vorgetragen habe, dass und wie ihr Prozessbevollmächtigter die Rechtsanwaltsfachangestellte über die bestehenden allgemeinen Weisungen unterrichtet habe.

I[X.] Die Rechtsbeschwerde hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses, zur Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung der Berufung und zur [X.] an das Berufungsgericht.

1. Die nach den §§
574 Abs.
1 Satz
1 Nr.
1, 238 Abs.
2 Satz
1, 522 Abs.
1 Satz
4 ZPO statthafte Rechtsbeschwerde ist auch im Übrigen zu-lässig. Eine Entscheidung des [X.] ist nach §
574 Abs.
2 Nr.
2 Alt.
2 ZPO zur Sicherung einer einheitlichen Rechtspre-chung erforderlich. Die angefochtene Entscheidung verletzt die [X.] der Beklagten auf Gewährung wirkungsvollen Rechts-schutzes (Art.
2 Abs.
1 GG i.V.m. dem Rechtsstaatsprinzip) und auf rechtliches Gehör (Art.
103 Abs.
1 GG).

2. Die Rechtsbeschwerde ist auch begründet. Das Berufungsge-richt hat der Beklagten zu Unrecht die Wiedereinsetzung in den vorigen 4
5
6
-
6
-

Stand gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung der Berufung ver-sagt.

a)
Ein Rechtsanwalt darf Tätigkeiten im Zusammenhang mit dem durch Fax erfolgenden Versand fristgebundener Schriftsätze grundsätz-lich dem geschulten und zuverlässigen Kanzleipersonal eigenverantwort-lich überlassen und braucht die Ausführung eines solchen Auftrages
nicht konkret zu überwachen oder zu kontrollieren (Senatsbeschlüsse vom 12.
Mai 2010

IV
ZB 18/08, [X.], 2811 Rn.
9; vom 16.
De-zember 2009

IV
ZB 30/09, r+s
2010, 307 Rn. 9).

b) Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts ist dem Pro-zessbevollmächtigten der Beklagten kein Organisationsverschulden hin-sichtlich der gebotenen Ausgangskontrolle anzulasten.

aa) Nach ständiger Rechtsprechung des [X.] ge-nügt der Rechtsanwalt seiner Pflicht zur wirksamen Ausgangskontrolle fristwahrender Schriftsätze nur, wenn er seine Angestellten anweist, nach einer Übermittlung per Telefax anhand des [X.] zu überprüfen, ob der Schriftsatz vollständig und an das richtige Gericht übermittelt worden ist. Erst danach darf die Frist im [X.] ge-strichen werden. Dabei darf sich die Kontrolle des [X.] nicht darauf beschränken, die auf diesem
ausgedruckte Faxnummer mit der zuvor aufgeschriebenen, z.B. bereits in den Schriftsatz eingefügten, Faxnummer zu vergleichen, sondern der Abgleich hat anhand eines [X.] Verzeichnisses oder einer anderen geeigneten Quelle zu er-folgen, um auch Fehler bei der Ermittlung der Faxnummer aufdecken zu können (Senatsbeschluss vom 12.
Mai 2010 aaO Rn.
11; [X.], [X.] vom
27.
März 2012

VI
ZB 49/11, NJW-RR 2012, 744 Rn.
7; 7
8
9
-
7
-

vom 27.
Januar 2011

III
ZB 30/10 Rn.
8 bei
juris; vom 24.
Juni 2010

III
ZB 63/09 Rn.
11 bei juris; vom 4.
Februar 2010

I
ZB 3/09, [X.], 1543 Rn.
14; [X.]/[X.], ZPO 29.
Aufl. §
233 Rn.
23
"Telefax").

bb) Die Beklagte hat hierzu in ihrem Wiedereinsetzungsgesuch vom 4.
April 2012, S.
4 unten, vorgetragen
und
glaubhaft gemacht, es sei in Fällen wie diesem, in denen die Telefaxnummer nicht aus der [X.] entnommen werden könne, durch eine allgemeine Weisung sicherge-stellt, dass der Kommunikationsergebnisbericht nicht nur auf den
[X.], die übertragenen Seiten und die Übereinstimmung der in dem Kommunikationsergebnisbericht nachgewiesenen Telefaxnummer mit der auf dem Schriftsatz aufgebrachten Telefaxnummer überprüft werde, son-dern auch
darauf, dass diese Telefaxnummer mit derjenigen, die dem elektronischen Verzeichnis zu entnehmen sei, übereinstimme.

Nach dem Vortrag der Prozessbevollmächtigten der Beklagten handelte es sich hier mithin um einen Fall, in dem die Rechtsanwalts-fachangestellte die Telefaxnummer dem elektronischen Verzeichnis der Kanzleisoftware zu entnehmen hatte, nicht dagegen aus einem Schrift-stück des [X.]. Soweit das Beschwerdegericht dagegen
ausführt, es könne nicht festgestellt werden, dass es im Büro des Pro-zessbevollmächtigten der Beklagten eine Anweisung zu einem nochmali-gen Abgleich des [X.] mit dem Gericht, von dem das Schriftstück in der Handakte stamme, gegeben habe, betrifft dies nicht den vorliegenden Sachverhalt und lässt den hierzu erfolgten Vortrag der Beklagten
außer Betracht. Entsprechendes
gilt
für die Ausführungen des Berufungsgerichts, der Vortrag der Beklagten könne ebenso gut [X.], dass die allgemeine Anweisung bestanden habe, einmal -
und zwar bei der Ermittlung der Telefaxnummer anhand der Handakte
-
zu prüfen, 10
11
-
8
-

dass es sich bei dem gerichtlichen Schreiben, dem die Faxnummer [X.] wurde, auch tatsächlich um ein Schreiben des zuständigen [X.] handele. Aus diesem Grund sind auch die weiteren Erwägungen des Berufungsgerichts zum "einmaligen Verschulden der Rechtsanwaltsfachangestellten" nicht tragfähig. Soweit das Berufungsge-richt diesbezüglich annimmt, bei der erforderlichen doppelten Kontrolle der Richtigkeit der Faxnummer des [X.] müsse von einem zweifachen Fehler der Büroangestellten gesprochen werden, wird der [X.] Sinngehalt des Vortrags der Beklagten nicht zutreffend erfasst. Es geht nicht darum, dass die Beklagte lediglich einen
einmaligen Fehler der Rechtsanwaltsfachangestellten ihres Prozessbevollmächtigten im Gegensatz zu einem doppelten bei der Kontrolle der Faxnummer [X.] wollte, sondern um die Abgrenzung des Fehlverhaltens der [X.] in diesem konkreten Fall zu ihrer bis dahin erledigten [X.]. Der einmalige Fehler bezieht sich daher ersichtlich auf die [X.] der Beklagten in diesem konkreten Fall.

c) Die Prozessbevollmächtigten der
Beklagten haben damit auch bei Zugrundelegung der Rechtsauffassung des Berufungsgerichts für ei-ne genügende Ausgangskontrolle bei der Versendung fristwahrender Schriftsätze per Telefax Sorge getragen. Auf die Frage, ob es [X.] ist, die auf dem Schriftsatz befindliche und sich aus dem Sendebe-richt ergebende
Faxnummer, die zuvor aus einer zuverlässigen Quelle ermittelt worden
war, nach Absenden
des
Schriftsatzes noch [X.] anhand eines zuverlässigen Verzeichnisses zu überprüfen, kommt es hier deshalb nicht an
(vgl. hierzu Senatsbeschluss vom 12.
Mai 2010

IV
ZB 18/08, [X.], 2811 Rn.
14; [X.], Beschluss vom 27.
März 2012

VI
ZB 49/11, NJW-RR 2012, 744 Rn.
7; vom 4.
Februar 2010 12
-
9
-

I
ZB 3/09, [X.], 1543 Rn.
18; aber auch [X.], Beschluss vom 14.
Oktober 2010
[X.], NJW 2011, 312 Rn.
10).

d) Die Hilfsbegründung des Berufungsgerichts, der [X.] müsse auch deshalb ohne Erfolg bleiben, weil die Beklagte nicht vorgetragen habe, dass und wie ihr Prozessbevollmächtigter
die Rechtsanwaltsfachangestellte über die bestehenden allgemeinen Wei-sungen unterrichtet habe, verstößt gegen den verfassungsrechtlich ge-währleisteten Anspruch der Beklagten auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes, weil
das Berufungsgericht hierdurch die Anforderungen an die Darlegungslast der Beklagten unzulässig überspannt. Die [X.] hat vorgetragen und durch anwaltliche Versicherung ihrer [X.] glaubhaft gemacht, dass die Einhaltung der von ihr darge-legten allgemeinen Anweisungen regelmäßig stichprobenartig überprüft werde und es bei der Rechtsanwaltsfachangestellten im Zusammenhang mit der Übermittlung von fristwahrenden Schriftsätzen per Telefax und der Streichung von Fristen niemals zu Beanstandungen gekommen sei. Diesem Vortrag lässt sich entnehmen, dass der Rechtsanwaltsfachange-stellten
zuvor die allgemeinen Weisungen bekannt gemacht worden sind.

13
-
10
-

Der Senat kann nach §
577 Abs.
5 Satz
1 ZPO selbst entscheiden.

[X.] [X.]

[X.]

[X.] Dr.
Karczewski
Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 02.02.2012 -
7 [X.]/09 -

KG Berlin, Entscheidung vom 15.05.2012 -
6 [X.] -

14

Meta

IV ZB 20/12

07.11.2012

Bundesgerichtshof IV. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 07.11.2012, Az. IV ZB 20/12 (REWIS RS 2012, 1639)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 1639

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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IV ZB 20/12

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