Bundespatentgericht, Beschluss vom 31.07.2012, Az. 27 W (pat) 511/12

27. Senat | REWIS RS 2012, 4158

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Gegenstand

Markenbeschwerdeverfahren – "Massaker" – Verstoß gegen die guten Sitten -


Leitsatz

Massaker

Zeichen, die menschenverachtende Inhalte transportieren, die Opfer von Grausamkeiten in einen ihrem Andenken unwürdigen Kontext stellen, sind nicht als Marke schutzfähig.

Markenschutz darf solche Zeichen auch im Zusammenhang mit harmlosen Waren und Dienstleistungen nicht banalisieren.

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Markenanmeldung 30 2011 039 708.2

hat der 27. Senat ([X.]) des [X.] durch [X.] [X.], [X.] und die Richterin [X.] auf die mündliche Verhandlung vom 31. Juli 2012

beschlossen:

1. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

2. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Gründe

I.

1

Die Anmeldung der Wortmarke

2

[X.]

3

vom 20. Juli 2011 für die Waren und Dienstleistungen der

4

Kasse 25: Bekleidungsstücke und Schuhwaren;

5

Klasse 28: Turn- und Sportartikel;

6

Klasse 41: Unterhaltung, kulturelle und sportliche Aktivitäten

7

hat die mit einem Beamten des höheren Dienstes besetzte Markenstelle für Klasse 41 des [X.] nach Beanstandung mit Bescheid vom 20. September 2011 mit [X.]uss vom 7. Dezember 2011 nach § 37 Abs. 1, § 8 Abs. 2 Nr. 5 [X.] zurückgewiesen, da das angemeldete Zeichen im markenrechtlichen Sinn gegen die guten Sitten verstoße.

8

Viele Abnehmer seien beim Gebrauch von Begriffen, die ein Blutbad und ein Hinmetzeln von Menschen signalisierten, auch in den letzten Jahren nicht großzügiger geworden, und angesichts einer weltumfassenden, pazifistischen und menschenwürdigen Darstellung würden die Verwendung derartiger Begriffe das normale Geschmacksempfinden verletzen. Dabei dürfe auch nicht übersehen werden, dass nicht jeder Gebrauch solcher Angaben zu Geschäftszwecken in Einklang zu bringen sei mit dem sittlichen Empfinden eines beachtlichen Teiles der Käuferschaft.

9

Das angemeldete Zeichen werde in [X.] Umfang für die beanspruchten Waren und Dienstleistungen als anstößig und Ärgernis erregend empfunden. „[X.]" beschreibe das Hinmorden einer großen Anzahl (unschuldiger, wehrloser) Menschen, ein Blutbad. Mit diesem Begriff werde eine Reihe von Taten mit ungeheuerlichem Ausmaß von Brutalität und menschenverachtendem Verhalten beschrieben ([X.] - Ermordung tausender [X.] Offiziere durch den Geheimdienst der stalinistischen [X.], [X.] - Ermordung tausender Männer und Kinder muslimischer Herkunft durch [X.] Freischärler, [X.] - Blutbad der [X.] Soldaten an der [X.] Zivilbevölkerung; Nanking - Ermordung hunderttausender [X.] durch [X.] Truppen, [X.] bzw. [X.] - Ermordung vieler Menschen aus ideologischen Motiven, [X.] - [X.]e an [X.] durch muslimische Milizen usw.). Dieses Wort werde in den Medien allgemein verwendet, um menschenverachtendes Handeln zum Ausdruck zu bringen. Selbst wenn die Aussage ironisch oder zugespitzt gemeint sein könnte, so übersteige doch der schlagwortartige Inhalt, etwa im Hinblick auf das [X.], eindeutig die Grenzen des guten Geschmacks und könne als Bedrohung gegen Menschen allgemein aufgefasst werden.

Dabei komme es nicht darauf an, welche Intentionen die Markenanmelderin mit ihrem Zeichen verfolge, sondern die Anstößigkeit eines Zeichens beurteile sich nach dem Empfinden des Durchschnittsverbrauchers der - insgesamt - beanspruchten Waren und Dienstleistungen.

Wenn das angemeldete Wort durch eine staatliche Behörde als Marke registriert würde, entstünde zudem der Eindruck der staatlichen Billigung derartiger grob geschmacksverletzender Bezeichnungen. Dies könne nicht hingenommen werden.

Soweit die Anmelderin auf die Voreintragung „[X.]“, „Slaughterhouse" und „[X.]" hinweise, sei nicht erkennbar auf Grund welchen Umstandes die Eintragung dieser Marken zum damaligen Zeitpunkt erfolgt sei. Diese Eintragungen entfalteten allerdings keine Bindungswirkung.

Der [X.]uss ist der Anmelderin am 13. Dezember 2011 zugestellt worden.

Mit ihrer Beschwerde, eingegangen am 3. Januar 2012, wendet sie sich gegen die Wertungen in dem angegriffenen [X.]uss und verfolgt ihren Eintragungsantrag weiter.

Sie ist der Ansicht, der Begriff „[X.]" verletze hier nicht - in unerträglicher Weise - das Anstandsgefühl des durchschnittlichen Verbrauchers.

Nach der Rechtsprechung des [X.] sei der Begriff „Ficken" als Marke für die Bereiche Bekleidung, Bier und alkoholische Getränke eintragbar, auch wenn das Wort nicht den Anforderungen des guten Geschmacks genüge. Der Begriff [X.] könne zwar als geschmacklos empfunden werden, jedoch genüge dies nicht, um ihm markenrechtlichen Schutz zu versagen.

So habe die angesehene und bekannte Kunstzeitschrift „[X.]" in den Ausstellungsräumen der öffentlich geförderten [X.] Kunstausstellung „Based in [X.]" ein Tischtennisturnier unter den Begriff „Das Monopol-[X.]" veranstaltet.

Die Nutzung des Begriffs „[X.]" im Zusammenhang mit beispielsweise einem Tischtennisturnier (sportliche Veranstaltung) errege beim Durchschnittsverbraucher weder Ärgernis noch werde sie als anstößig empfunden.

Das Turnier in [X.] zeige, dass der Begriff „[X.]“, wenn er einem anderen - hier sportlichen - Kontext zugeordnet sei, nicht Anstoß errege. Beziehe sich die Bezeichnung „[X.]" auf einen tatsächlichen Amoklauf, seien dies zweifelsohne schreckliche Bilder. Werde damit jedoch ein sommerliches Tischtennisturnier betitelt, nehme niemand Anstoß an dem Begriff „das Monopol-[X.]", weil dabei eben niemand an Leichen und Verstümmelte denke, sondern an einen sportlichen - nicht ganz [X.] gemeinten - Wettkampf.

Seit Anfang 1998 veranstalte die Anmelderin nächtliche [X.] in [X.] Szenekneipen und Clubs. Diese Veranstaltungen liefen unter dem Titel „[X.] - das [X.]" oder auch „[X.] - das [X.]" (pawn = englisch Bauer/Schachfigur). [X.] habe irgendjemand daran Anstoß genommen. Vielmehr habe der Schriftsteller  [X.] ([X.]) einen längeren Artikel darüber in der [X.] veröffentlicht. Im September 2010 habe die Anmelderin eine Kunstausstellung in [X.], bei der viele international anerkannte Künstler teilgenommen hätten ([X.], [X.], [X.] u.v.m.), organisiert. Darüber hätten die Kunstzeitschriften „Art" und „Monopol" berichtet. Bei der Eröffnung habe ein Schachturnier stattgefunden, das auf der offiziellen Einladungskarte als „[X.]" angekündigt gewesen sei. Auch dies habe keinen Anstoß erregt. Vielmehr sei es als ironischer Umgang mit Sprache aufgefasst worden, so wie man auch von einem „Mordsspaß" spreche, ohne dass dies eine Verletzung darstelle. Auch das anerkannte „Kunstmagazin" weise in seiner Online-Ausgabe auf das „NOTP-[X.]" hin.

All dies zeige, dass der Begriff nicht - erst recht nicht in unerträglicher Weise - als anstößig empfunden werde, wenn er im Zusammenhang mit sportlichen oder kulturellen Veranstaltungen, Bekleidungsstücken oder Sportgeräten verwendet werde.

Die 1980 gegründete Experimental- und Jazzband „Massacre" von [X.] und [X.] sei eine anerkannte Musikgruppe gewesen, die unter diesem Namen mehrere Alben veröffentlicht habe und international anerkannt gewesen sei.

Der Verbraucher könne also sehr wohl unterscheiden, ob ein Verbrechen gemeint sei oder unter der (ironischen) Bezeichnung Kultur oder Sport stattfinden solle.

Die Anmelderin nutze den Begriff [X.] für sportliche und kulturelle Veranstaltungen und möchte hierzu gehörende Waren markenrechtlich schützen lassen. Der Begriff [X.] sei für Bekleidungsstücke, Sportturniere und kulturelle Veranstaltungen auch nicht beschreibend. Das Markenamt definiere den Begriff zutreffend - ohne die ironische Verschiebung - als Abschlachten und Gemetzel.

Der Begriff sei im Kontext der angemeldeten Waren und Dienstleistungen - wie die obigen Beispiele zeigten - jedoch nicht Ärgernis erregend oder sittenwidrig.

 „[X.]", „[X.]“, „[X.]“ u. ä. Begriffe seien in der Vergangenheit problemlos eingetragen worden. Daraus lasse sich zwar kein unmittelbarer Anspruch herleiten, es zeige aber, wie der Durchschnittsverbraucher denke und empfinde.

Die Anmelderin beantragt sinngemäß,

den [X.]uss der Markenstelle für Klasse 41 des [X.] und Markenamts vom 7. Dezember 2011 aufzuheben.

In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat hat die Anmelderin ihren Standpunkt aufrechterhalten und vertieft.

II.

Die nach §§ 66, 64 Abs. 6 [X.] zulässige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg.

Zu Recht und mit eingehender sowie zutreffender Begründung, hat die Markenstelle dem angemeldeten Zeichen die Eintragung nach § 37 Abs. 1, § 8 Abs. 2 Nr. 5 [X.] versagt.

Die Beschwerdebegründung bietet für eine abweichende Beurteilung keinen Anlass.

1.

Das angemeldete Wort ist von der Eintragung nach § 8 Abs. 2 Nr. 5 [X.] ausgeschlossen.

a)

Diese Vorschrift nimmt Kennzeichnungen vom Markenschutz aus, welche gegen die öffentliche Ordnung oder gegen die guten Sitten verstoßen. Derbe und geschmacklose Ausdrücke können zwar noch eintragungsfähig sein, da eine ästhetische Prüfung auf Anforderungen des guten Geschmacks nicht Gegenstand des markenrechtlichen Eintragungsverfahrens ist ([X.] 2012, 87 – [X.]; [X.]. v. 3.8.2011 - 26 W (pat) 116/10, BeckRS 2011, 21631 - Ficken). „[X.]“ ist aber kein vulgärsprachlicher Ausdruck, sondern verstößt wegen seiner Aussage im gewerblichen Kontext gegen die öffentliche Ordnung und die guten Sitten.

Maßgeblich ist insoweit die Auffassung nicht nur der durch die beanspruchten Waren und Dienstleistungen Angesprochenen, sondern aller, die dem Zeichen begegnen können ([X.] [X.] 2012, 41 (49) mit Verweis auf [X.] 2011, 491 – Paki).

Wie die Markenstelle zutreffend ausgeführt hat, ist dabei weder eine übertrieben laxe noch eine besonders feinfühlige Meinung maßgeblich ([X.] 1983, 156 - Schoasdreiber; [X.] 2003, 217 - Dalai Lama).

Dabei darf nicht unberücksichtigt bleiben, dass die maßgebliche Auffassung der Verbraucher von einer fortschreitenden Liberalisierung der Anschauungen über Sitte und Moral geprägt ist ([X.]. v. [X.] - 26 W (pat) 107/97 – Schenkelspreizer; Sack WRP 1985, 1; [X.] GRUR 1981, 19). Dies betrifft aber jedenfalls nicht diffamierende und rassistische oder sonst die Menschenwürde beeinträchtigende Aussagen ([X.], 311 – rcqt), denn deren Verwendung hat nichts mit „Liberalisierung“ zu tun. Auch der in den Medien, in der Kunst etc. zu beobachtende Sprachgebrauch entspringt weniger einer Liberalisierung als dem Ziel, zu provozieren.

Ziel des § 8 Abs. 2 Nr. 5 ist es nicht nur, Begriffe oder Zeichen zurückzuweisen, die nicht benutzt werden dürfen; das wäre über § 8 Abs. 2 Nr. 9 [X.] zu erfassen.

Es ist vielmehr auch dem Eindruck entgegenzuwirken, Marken mit anstößigem Inhalt könnten staatlichen Schutz erfahren ([X.], 311 [X.]; [X.]. v. 20.9.2011 - 27 W (pat) 138/10, BeckRS 2011, 28145 – [X.]; zu dieser Frage ist die Rechtsbeschwerde unter [X.]/11 anhängig; anders noch [X.] BeckRS 2010, 11250 - FickShui).

Dass Schutz, z. B. gemäß § 4 Nr. 2, § 5 i. V. m. § 12, § 42 Abs. 2 Nr. 4 [X.], § 12 BGB, auch durch Benutzung entstehen kann, verlangt nicht, dass der Staat aktiv und formell anstoßerregenden Begriffen registerrechtlichen Markenschutz verleihen muss (vgl. [X.]/[X.], [X.], 3. Aufl., § 8 Rn. 278).

Dies gilt für das Wort „[X.]“. Es wurde im 17. Jahrhundert aus dem [X.] entlehnt ([X.], Etymologische Wörterbuch der [X.], 22. Aufl.), beschreibt das Hinmorden einer großen Anzahl unschuldiger, wehrloser Menschen und wird synonym mit Abschlachten, (emotional) Gemetzel, (abwertend) Metzelei, (emotional abwertend) Schlächterei, (gehoben) Blutvergießen, Blutbad und [X.] verwendet (siehe auch [X.], [X.], 7. Aufl., S. 1119). „[X.]“ gehört morphologisch zu „massakrieren“ und steht typischerweise in Zusammenhang mit Adjektiven wie blutig, schlimm, grausam, abscheulich und schrecklich ([X.], a. a. O.).

Schockierendes oder Probleme [X.] darf allerdings nicht von vornherein als ärgerniserregend gelten; dies gilt auch für Angst Machendes (vgl. [X.], 15). Werbung hat immer einen aufmerksamkeitserregenden und belästigenden Charakter. Sittenwidrigkeit kann also nicht schon die Gefährdung des subjektiven [X.] sein. Auch kann eine langjährige unbeanstandete Benutzung ([X.]. 1988, 75 - [X.]) Indiz für eine tolerante Auffassung des Publikums sein.

Mit der oben gezeigten Bedeutung beinhaltet das angemeldete Wort aber Grausamkeiten und dient als Beschreibung für menschenverachtendes Verhalten. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass es darüber hinaus als Aufforderung zu einem solchen Verhalten verstanden wird.

Sofern die Anmelderin den Begriff im Kontext mit den beanspruchten Waren und Dienstleistungen für ironisch hält oder annimmt, das Publikum werde ihn allenfalls als geschmacklos empfinden, kann dem nicht gefolgt werden.

Markenschutz darf anstößige Zeichen weder banalisieren, noch ihnen eine Bühne geben oder das Publikum daran gewöhnen ([X.] BK v. 1.9.2011 – [X.]/2011-1 – fucking freezing; zitiert bei [X.] [X.] 2012, 41 [X.]. 69). Selbst mehrdeutige oder witzig anmutende Bezüge, wie bei „[X.] Reichstagsbrand“ im Zusammenhang mit „Spirituosen“, erscheinen lediglich sarkastisch, was nach hier vertretener Ansicht dort erst recht Markenschutz verhindern muss, wo Menschen zu Opfern wurden (aA [X.]. v. 14.9.2011 – 26 W (pat) 502/11, BeckRS 2011, 24050). Auch witzige Aussagen erregen dann Anstoß ([X.] GRUR 1996, 408 (409) - Cosa nostra; [X.]. v. 20.12.1995 - 26 W (pat) 42/94 - [X.] Kollektive Getränke Basis).

Dass ein Ausdruck in anderem Kontext übertragen mit einer unverfänglichen Bedeutung verwendet wird, führt nicht automatisch zur Schutzfähigkeit als Marke, wenn dies die eigentliche Bedeutung nicht verdrängt.

Zwar sind zahlreiche Verwendungen des Wortes „[X.]“ in literarischen oder filmischen Zusammenhängen festzustellen. Dies zeigt aber keine „Abnutzung“, die dazu führen könnte, dass es kaum noch als anstößig oder gar grausam empfunden wird. Vielmehr soll der Einsatz dort oft bewusst provozieren und drastifizieren und häufig zum Widerspruch auffordern, was [X.] einkalkuliert und teilweise sogar voraussetzt.

Ein unerträglicher Verstoß gegen das sittliche Empfinden bei der Verwendung im geschäftlichen Wettbewerb ist hier allerdings jedenfalls deshalb anzunehmen, weil das Zeichen eine Aussage enthält, die menschenverachtend ist und damit die Menschenwürde beeinträchtigt bzw. dementsprechende Inhalte transportiert, die Opfer von [X.]n in einen ihrem Andenken unwürdigen Kontext stellt und ihre Angehörigen verletzen muss. Marken, die Personen als Opfer zeigen, können keinen staatlichen Schutz erfahren (vgl. [X.] 1985, 215; [X.], 592 (594); [X.] BeckRS 2010, 24870 - gefesselte Frau).

Dies gilt für die beanspruchten Waren und Dienstleistungen der Klassen 28 und 41 sogar in besonderem Maße. In Verbindung mit Kultur und insbesondere Sport, bei dem gerade Kinder und Jugendliche einen fairen Wettbewerb lernen und ausüben können sollen, sind Wörter, die zu grobem, geradezu brachialem Verhalten animieren können oder auch nur den Eindruck vermitteln, dies sei erwünscht oder auch nur möglich, völlig fehl am Platz. Insoweit kann schon der Anschein zum Aufruf oder zur Duldung gewaltverherrlichenden Verhaltens nicht hingenommen werden.

Infolgedessen ist auch eine Registrierung als Marke für Bekleidungsstücke und Schuhwaren nicht möglich. Selbst wenn die Aussage ironisch oder zugespitzt gemeint sein könnte, so übersteigt doch der schlagwortartige Inhalt gerade im Hinblick auf zahlreiche weltweit verübte [X.] die Grenzen des guten Geschmacks.

2.

Soweit die Anmelderin auf die Registrierung vergleichbarer Wörter, wie „[X.]“ (Wortmarke [X.]) und „[X.]“ (Wort-/Bildmarke 398024472) verweist, ergibt sich hieraus kein Anspruch auf Eintragung. Die Wort-/Bildmarke Nr. 39737453 „[X.]" wurde inzwischen gelöscht.

Zwar kann eine uneinheitliche Entscheidungspraxis des [X.], die dazu führt, dass in einer nicht unerheblichen Zahl von Fällen wesentlich gleiche Sachverhalte ohne nachvollziehbaren Grund ungleich behandelt worden sind, den Gleichheitsgrundsatz nach Art. 3 [X.] verletzen. Dies setzt aber voraus, dass sich die bisherige [X.] als willkürlich herausstellt und nicht erkennen lässt, welche der vorangegangenen Entscheidungen rechtmäßig und welche rechtswidrig waren ([X.], [X.]. v. 10. Januar 2007 - 29 W (pat) 43/04, BeckRS 2007, 12252 - [X.]). Allein aus vorangegangenen Entscheidungen lässt sich noch nicht der Vorwurf einer willkürlichen Ungleichbehandlung ableiten, zumal es sich um rechtswidrig vorgenommene Eintragungen oder Eintragungen vor Eintritt einer Richtlinien- oder Rechtsprechungsänderung handeln kann. Außerdem kann sich niemand auf eine fehlerhafte Rechtsanwendung zugunsten eines anderen berufen, um eine identische Entscheidung zu erlangen ([X.] GRUR 2009, 667, 668 Rn. 18 - Volks.Handy, Volks.Camcorder, Volks.Kredit und Schwabenpost).

Die Anmeldung des Begriffs „[X.]“ ist beim [X.] zurückgenommen worden und die Registrierung einer Gemeinschaftsmarke kann zur Beurteilung der Eintragungspraxis oder der Auffassung der maßgeblichen Verkehrskreise in [X.] nicht herangezogen werden. Die genannten Marken enthalten zudem andere Wörter und damit auch andere Bedeutungen, was die im Übrigen allgemein bekannte durchgehend strenge [X.] nicht willkürlich erscheinen lässt.

Ohnehin verbietet sich eine pauschale Betrachtungsweise, da jeder Fall unter Einbeziehung seiner Besonderheiten, insbesondere der Marke selbst, der Waren und Dienstleistungen, für die sie eingetragen werden soll, und des beteiligten Publikums, zu beurteilen ist. Die Entscheidung über die Schutzfähigkeit einer Marke ist keine Ermessens-, sondern eine Rechtsfrage und selbst Voreintragungen identischer oder vergleichbarer Marken führen nach ständiger Rechtsprechung somit nicht zu einem Anspruch auf Eintragung.

3.

Zu einer Erstattung der Beschwerdegebühr (§ 71 Abs. 3 [X.]) besteht kein Anlass.

4.

Die Zulassung der Rechtsbeschwerde ist veranlasst, weil die Frage von grundsätzlicher Bedeutung ist, ob und inwieweit bei der Beurteilung der Voraussetzungen des absoluten Schutzhindernisses nach § 8 Abs. 2 Nr. 5 [X.] für die Frage eines Verstoßes gegen die guten Sitten ein strenger oder großzügiger Maßstab anzulegen ist ([X.], [X.]. v. 20. September 2011 -  27 W (pat) 138/11, BeckRS 2011, 28145 - [X.]; [X.]. v. 3. August 2011 - 26 W (pat) 116/10, BeckRS 2011, 21631 - Ficken).

Meta

27 W (pat) 511/12

31.07.2012

Bundespatentgericht 27. Senat

Beschluss

Sachgebiet: W (pat)

Zitier­vorschlag: Bundespatentgericht, Beschluss vom 31.07.2012, Az. 27 W (pat) 511/12 (REWIS RS 2012, 4158)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 4158

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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