Bundessozialgericht, Urteil vom 09.02.2011, Az. B 6 KA 49/09 R

6. Senat | REWIS RS 2011, 9613

© Bundessozialgericht, Dirk Felmeden

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Gegenstand

Vertrags(zahn)ärztliche Versorgung - Genehmigung einer Zweigpraxis - Genehmigungsbehörde - förmliche Nachweise - Vorliegen einer besonderen Fachkunde


Leitsatz

Macht ein (Zahn-)Arzt geltend, der Betrieb einer Zweigpraxis durch ihn würde die dortige Versorgung der Versicherten in qualitativer Hinsicht verbessern, weil er über eine besondere Fachkunde verfüge, kann die Genehmigungsbehörde förmliche Nachweise für das Vorliegen dieser Fachkunde verlangen.

Tenor

Die Revision des [X.] gegen das Urteil des [X.] vom 23. September 2009 wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.

Tatbestand

1

[X.] steht die Genehmigung einer vertragszahnärztlichen Tätigkeit außerhalb des [X.] an einem weiteren Ort (Zweigpraxis).

2

Der Kläger nimmt als Zahnarzt an der vertragszahnärztlichen Versorgung in [X.] teil. Seine vertragszahnärztliche Tätigkeit übt er gemeinschaftlich mit zwei weiteren Zahnärzten sowie dem - sowohl zur vertragsärztlichen als auch zur vertragszahnärztlichen Versorgung zugelassenen - Facharzt für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie [X.] aus. [X.] wurde von der [X.] eine - zunächst bis zum 31.3.2009, sodann bis 31.3.2011 befristete - Zweigpraxisgenehmigung für [X.] erteilt.

3

Am 11.12.2006 beantragte der Kläger gemeinsam mit [X.] die Genehmigung einer zahnärztlichen Zweigpraxis in [X.] Die beklagte [X.] ([X.]) lehnte die Anträge mit der Begründung ab, dass die Genehmigung die ordnungsgemäße Versorgung der Versicherten am [X.] beeinträchtigen würde und die allgemeinzahnärztliche Versorgung der Versicherten in [X.] gewährleistet sei. Die hiergegen unter Hinweis auf einen Tätigkeitsschwerpunkt "Kinderzahnheilkunde" erhobenen Widersprüche sind ebenso erfolglos geblieben wie die vom Kläger gegen den Widerspruchsbescheid der [X.]n vom [X.] erhobene Klage (Urteil des [X.] vom 5.11.2008). Das L[X.] hat - nachdem es die [X.] im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet hatte, dem Kläger die Filialtätigkeit bis zur rechtskräftigen Entscheidung des Hauptsacheverfahrens zu gestatten (Beschluss vom 29.11.2007 - L 4 KA 56/07 ER) - auch die Berufung des [X.] zurückgewiesen.

4

Zur Begründung hat es ausgeführt, auch bei fehlenden planungsrechtlichen Einschränkungen gälten nicht alle zusätzlichen quantitativen und qualitativen Angebote als Verbesserung der Versorgung der Versicherten. Bei der Beurteilung einer Versorgungsverbesserung sei auf das Leistungsangebot abzustellen, das vom Vertragszahnarzt selbst erbracht werden könne, nicht auf das Leistungsangebot, das er nur im Zusammenwirken mit seinem Praxispartner erbringen könne. Grundsätzlich könnten auch vertragszahnärztliche Tätigkeiten mit dem Tätigkeitsschwerpunkt "Kinderzahnheilkunde" eine qualitative Verbesserung der Versorgung darstellen. Erforderlich sei jedoch eine über die allgemeine Ausbildung hinausgehende Qualifikation oder ein Angebot spezieller bzw verbesserter Untersuchungs- und Behandlungsmethoden. Allein das zusätzliche Angebot von Leistungen der Kinderzahnheilkunde reiche nicht aus, sofern diese Leistungen auch von anderen niedergelassenen Vertragszahnärzten erbracht werden könnten und erbracht würden. Dies sei vorliegend der Fall, da die Kinderzahnheilkunde zur Ausbildung aller Zahnärzte gehöre. Eine darüber hinausgehende Qualifikation, auf die die Annahme einer Versorgungsverbesserung gestützt werden könne, könne dann vorliegen, wenn die Voraussetzungen zum Führen des Tätigkeitsschwerpunkts "Kinderzahnheilkunde" nach der Ordnung der [X.] zur Anerkennung besonderer Kenntnisse und Fertigkeiten in der Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde vom 13.12.2004 nachgewiesen würden. Der Kläger verfüge jedoch weder über die berufsrechtliche Berechtigung zum Führen des Schwerpunkts "Kinderzahnheilkunde" noch über eine damit vergleichbare Qualifikation. Ebenso wenig habe er ein Angebot besonderer bzw verbesserter Untersuchungs- und Behandlungsmethoden dargelegt (Urteil vom [X.]).

5

Mit seiner Revision rügt der Kläger die Verletzung von Bundesrecht. Mit den Änderungen des vertrags(zahn)ärztlichen Zulassungsrechts durch das Vertragsarztrechtsänderungsgesetz ([X.]) habe der Gesetzgeber eine weitreichende Liberalisierung der Vorschriften - insbesondere eine Erweiterung der Möglichkeit zur Gründung von [X.] - erreichen wollen; dies dürfe nicht im Nachhinein durch eine enge Auslegung von untergesetzlichen Normen konterkariert werden. Ein Tätigkeitsschwerpunkt setze vertiefte theoretische Kenntnisse und einen größeren Umfang an Behandlungsfällen voraus, nicht jedoch die Anerkennung durch die (Zahn-)Ärztekammer. Hätte der Gesetzgeber berufsrechtliche Vorgaben gewünscht, hätte er sie erwähnt; aus dem Nichterwähnen müsse man schließen, dass alle qualitativen und quantitativen Verbesserungen ausreichten. Hinzuweisen sei auch auf die Rechtsprechung des [X.], wonach ein Hinweis auf eine tatsächlich erfolgte Spezialisierung erlaubt sei, wenn diese nur möglicherweise auf einer Fortbildung beruhe.

6

Die Kinderzahnheilkunde unterscheide sich durch die Behandlungsausrichtung von der [X.]. Er - der Kläger - habe in den Jahren 2007 und 2008 1309 Kinder in der Gemeinschaftspraxis behandelt. Dazu behandele er auch behinderte minderjährige Patienten im [X.] D. und im Pflegeheim R. in [X.] ; schon hieraus ergebe sich, dass er die Voraussetzung einer Verbesserung der Versorgung erfülle. Auf ein Kammerzertifikat für die Zahnärztin Dr. K. in [X.] könne sich die [X.] schon deswegen nicht berufen, weil dessen Vorliegen nicht nachgewiesen sei. Schließlich könne sein Tätigkeitsschwerpunkt im Zusammenwirken mit [X.] die Versorgung weiter verbessern; gerade die fachübergreifende Tätigkeit und Spezialisierung werde vom Gesetzgeber des [X.] gefördert. Die [X.] habe ihren Beurteilungsspielraum in ermessensfehlerhafter Weise überschritten. Bei seiner - des [X.] - Tätigkeit handele es sich um eine besondere Untersuchungs- und Behandlungsmethode, die selbst unter Berücksichtigung der Tätigkeit der Frau Dr. K. die Versorgung weiter verbessere. Der Umstand, dass die "Kinderzahnheilkunde" auch Bestandteil der Ausbildung eines Zahnarztes sei, bedeute nicht, dass sie von jedem Zahnarzt und als Tätigkeitsschwerpunkt ausgeübt werde.

7

Der Kläger beantragt,
die Urteile des [X.] vom [X.] und des [X.] vom 5.11.2008 sowie den Bescheid der [X.]n vom [X.] in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom [X.] aufzuheben und die [X.] zu verurteilen, dem Kläger die vertragszahnärztliche Tätigkeit an einem weiteren Ort in [X.] zu gestatten; hilfsweise seinen Widerspruch unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden.

8

Die [X.] beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

9

Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend. Das Leistungsspektrum, welches der Kläger in der Zweigpraxis anzubieten gedenke, gehe nicht über das jeder anderen allgemeinzahnärztlichen Praxis in [X.] hinaus. Der Kläger habe keine besonderen theoretischen Kenntnisse auf dem Gebiet der Kinderzahnheilkunde vorgetragen oder nachgewiesen. Die Behandlung besonders vieler Kinder und Jugendlicher durch den Kläger bedeute nicht, dass sich durch Erteilung der Zweigpraxisgenehmigung die Versorgung von Kindern und Jugendlichen in [X.] verbessere. Der Kläger möge mehr Erfahrung bei der Behandlung - und im Umgang mit - dieser Gruppe haben; eine hieraus resultierende qualitative Versorgungsverbesserung sei jedoch durch keinen Erfahrungssatz belegt. [X.] erbringe der Kläger weitgehend die gleichen Leistungen, wie sie in der Erwachsenenbehandlung durchzuführen wären. Da er seine Leistungen zusammen mit den Leistungen der Gemeinschaftspraxispartner unter einer Abrechnungsnummer abrechne, habe sie - die [X.] - im Übrigen keine Möglichkeit festzustellen, in welchem Umfang er tatsächlich Kinder und Jugendliche behandele. Ein Qualitätsvorteil ergebe sich allein bei nachgewiesener und zertifizierter Qualifikation.

Auch sei in [X.] bereits eine Zahnärztin niedergelassen, die zur Führung des zertifizierten Tätigkeitsschwerpunkts "Kinderzahnheilkunde" berechtigt sei. Die Qualifikation des Praxispartners könne zu keiner anderen Beurteilung führen. Jeder Vertragszahnarzt in [X.] könne eine Narkose von drei bis vier Stunden bei Kleinkindern durch einen Anästhesisten veranlassen. Im Übrigen bestünden keine Berührungspunkte zwischen einer Ausübung der Kinder- und Jugendzahnheilkunde durch den Kläger zur Tätigkeit des Praxispartners [X.] Dieser sei ärztlicher Leiter einer Privatklinik und rechne bei ihr schwerpunktmäßig aufwändige und zum Teil schwere, teilweise an der Grenze zum stationären Leistungsbedarf liegende, Eingriffe wie [X.] und [X.] ab.

Entscheidungsgründe

Die Revision des [X.] ist nicht begründet. Das [X.] hat zu Recht die Berufung zurück- und die [X.]lage abgewiesen, denn die angefochtenen Bescheide der [X.] sind rechtmäßig. Die Beklagte hat den Antrag des [X.] auf Genehmigung eines zweiten [X.] ohne Rechtsfehler abgelehnt.

1. Nach § 24 Abs 3 Satz 1 der Zulassungsverordnung für [X.] ([X.] - idF des Gesetzes zur Änderung des [X.] und anderer Gesetze vom 22.12.2006 - [X.] 3439) sind vertragszahnärztliche Tätigkeiten außerhalb des [X.] an weiteren Orten zulässig, wenn und soweit (1.) dies die Versorgung der Versicherten an den weiteren Orten verbessert und (2.) die ordnungsgemäße Versorgung der Versicherten am Ort des [X.] nicht beeinträchtigt wird. Diese Tätigkeiten bedürfen der Genehmigung durch die [X.], in der der antragstellende Zahnarzt Mitglied ist, sofern die weiteren Orte - wie hier - in deren Bezirk liegen. Der [X.] steht bei der Beurteilung, ob die Genehmigung zu einer Verbesserung bzw Beeinträchtigung der Versorgung führen würde, ein Beurteilungsspielraum zu ([X.], 10 = [X.]-5520 § 24 [X.], RdNr 53 f; s hierzu auch die weiteren Urteile vom heutigen [X.] [X.]A 3/10 R, zur Veröffentlichung in [X.] und [X.] vorgesehen, und [X.] [X.]A 7/10 R, zur Veröffentlichung in [X.] vorgesehen).

2. a) Was unter einer "Verbesserung der Versorgung" iS des § 24 Abs 3 Satz 1 Nr 1 [X.] zu verstehen ist, hat der Senat bereits in seinem Urteil vom 28.10.2009 ([X.], 10 = [X.]-5520 § 24 [X.], RdNr 47 ff - zur gleichlautenden Vorschrift des § 24 Abs 3 der Zulassungsverordnung für Vertragsärzte) näher dargelegt. Danach steht zunächst außer Frage, dass auf der einen Seite die Genehmigung einer Zweigpraxis im Falle von Unterversorgung stets als Versorgungsverbesserung anzusehen ist ([X.] aaO RdNr 47), während andererseits (in ausreichend versorgten Gebieten) das bloße Hinzutreten eines weiteren Behandlers - ungeachtet der damit verbundenen Erweiterung der Möglichkeiten der Arztwahl - noch keine Verbesserung der Versorgung in qualitativer oder zeitlicher Hinsicht darstellt, wie sich bereits unmittelbar aus dem Wortlaut des § 24 Abs 3 [X.] erschließt ([X.] aaO RdNr 50 mwN).

Erforderlich, aber auch ausreichend ist es, dass das bestehende Leistungsangebot an dem "weiteren Ort", an dem die Zweigpraxis betrieben werden soll, zum Vorteil für die Versicherten in qualitativer - unter bestimmten Umständen aber auch in quantitativer - Hinsicht erweitert wird ([X.], 10 = [X.]-5520 § 24 [X.], [X.]). Eine qualitative Versorgungsverbesserung kann etwa dann gegeben sein, wenn der in der Zweigpraxis tätige Vertragsarzt im Vergleich zu den bereits vor Ort tätigen Ärzten über andere qualifikationsgebundene Genehmigungen nach § 135 Abs 2 [X.] verfügt, ein differenzierteres Leistungsspektrum anbietet oder wenn er eine besondere Untersuchungs- oder Behandlungsmethode anwenden kann, die [X.] besonders schonend ist oder bessere Diagnoseergebnisse liefert ([X.] aaO RdNr 52 mwN). Eine lediglich quantitative Erweiterung des bestehenden Versorgungsangebots kommt etwa dann als Verbesserung im Sinne des § 24 Abs 3 Satz 1 Ärzte-ZV/[X.] in Betracht, wenn durch das erhöhte Leistungsangebot Wartezeiten verringert werden, die - [X.] wegen einer ungleichmäßigen Verteilung der Leistungserbringer im Planungsbereich - bei den bereits vor Ort niedergelassenen Ärzten bestehen ([X.] aaO). Als Versorgungsverbesserung können auch besondere organisatorische Maßnahmen angesehen werden, wie das Angebot von Abend- und [X.] ([X.] aaO). Im Einzelfall - allerdings wohl nur bei größeren "weiteren Orten" iS des § 24 Abs 3 Ärzte-ZV/[X.] - kann dies auch im Falle besserer Erreichbarkeit der Zweigpraxis gelten ([X.] aaO).

b) Soweit § 6 Abs 6 Bundesmantelvertrag-Zahnärzte ([X.], [X.]) in seinen Sätzen 4 bis 6 (entsprechend § 8a Abs 1 Satz 4 bis 6 Ersatzkassenvertrag-Zahnärzte <[X.]>) "Regelvermutungen" für das Vorliegen einer Versorgungsverbesserung anführt, sind diese nur beachtlich, soweit sie mit der dargestellten Auslegung des § 24 Abs 3 Satz 1 [X.] in Einklang stehen. Denn der [X.]/[X.] hat als untergesetzlicher Normsetzungsvertrag die höherrangigen Normen der [X.] zu beachten. Da sich der der [X.] - bzw im Falle einer Ermächtigung dem Zulassungsausschuss - zustehende Beurteilungsspielraum aus § 24 Abs 3 [X.] ableitet, kann dieser ebenfalls nicht durch bundesmantelvertragliche Regelungen eingeschränkt werden.

Soweit nach den [X.] eine Versorgungsverbesserung bei Bestehen einer bedarfsplanungsrechtlichen Unterversorgung (§ 6 Abs 6 Satz 4 [X.], § 8a Abs 1 Satz 4 [X.]) oder bei einem Angebot spezieller Untersuchungs- und Behandlungsmethoden (jeweils Satz 6 aaO) vorliegen soll, steht dies mit der unter 2. a) skizzierten Auslegung des § 24 Abs 3 [X.] in Einklang. Ob dies auch für die Regelung in § 6 Abs 6 Satz 5 [X.], § 8a Abs 1 Satz 5 [X.] gilt, der zufolge eine Verbesserung der Versorgung dann vorliegt, wenn regional oder lokal nicht oder nicht im erforderlichen Umfang angebotene Leistungen erbracht werden und die Versorgung auch nicht durch andere [X.] sichergestellt werden kann, die räumlich und zeitlich von den Versicherten mit zumutbaren Aufwendungen in Anspruch genommen werden können, kann dahingestellt bleiben. Selbst wenn diese Vorgaben im Vergleich zu der in der Rechtsprechung des Senats entwickelten Auslegung des Begriffes der Versorgungsverbesserung zu eng sein sollten, wäre dies schon deswegen unschädlich, weil die Regelungen in § 6 Abs 6 [X.], § 8a Abs 1 [X.] nicht abschließend zu verstehen sind ("insbesondere").

3. Die Beklagte hat die Frage, ob das vom [X.]läger in [X.] beabsichtigte Behandlungsangebot die Versorgung der Versicherten vor Ort verbessert, rechtsfehlerfrei verneint. Sie hält sich insbesondere im Rahmen des ihr zustehenden [X.], Nachweise für das Vorliegen einer qualitativen Versorgungsverbesserung zu fordern und die Angabe eines bloßen Tätigkeitsschwerpunkts nicht genügen zu lassen. Die Beklagte durfte vorliegend auch ohne Rechtsverstoß davon ausgehen, dass der [X.]läger diese Anforderungen nicht erfüllt.

a) Grundsätzlich könnte ein spezifisch auf [X.]inder ausgerichtetes Leistungsangebot eine qualitative Verbesserung der Versorgung iS des § 24 Abs 3 Satz 1 Nr 1 [X.] darstellen. Es liegt auf der Hand und bedarf daher keiner weiteren Ausführungen, dass sich die zahnärztliche Behandlung von [X.]indern und Erwachsenen in vielerlei Hinsicht unterscheidet und eine entsprechende fachliche Spezialisierung diesen Unterschieden auch unter dem Gesichtspunkt einer qualitativen Verbesserung der Versorgung Rechnung tragen kann.

b) Der Beurteilungsspielraum, welcher der [X.] bei der Prüfung des Vorliegens einer Versorgungsverbesserung zusteht, umfasst zunächst auch die Entscheidung darüber, welche formellen Anforderungen sie an den Nachweis einer besonderen Fachkunde stellt, die ein Zahnarzt als Beleg für eine durch seine angestrebte Filialtätigkeit begründete qualitative Verbesserung der Versorgung anführt. Die Festlegung solcher Anforderungen dient dem Interesse an einer einheitlichen und gleichmäßigen Verwaltungspraxis und ist zudem sachlich gerechtfertigt.

aa) Eine sachliche Rechtfertigung dafür, formale Anforderungen an den Nachweis einer besonderen Qualifikation zu stellen, auf die eine qualitative Verbesserung der Versorgung der Versicherten am Ort der Zweigpraxis gestützt wird, ergibt sich unter zwei Gesichtspunkten: Zum einen kann auf diese Weise objektiv festgestellt werden, ob ein Antragsteller über entsprechende Qualifikationen, [X.]enntnisse und Erfahrungen verfügt, die die am Ort der Zweigniederlassung bereits tätigen Zahnärzte nicht aufweisen; zum anderen kann hierdurch die Prognose gesichert werden, dass eine entsprechend begründete Zweigpraxisgenehmigung auch tatsächlich zu einer Verbesserung der Versorgung der Versicherten führt.

Dass die Genehmigung bestimmter vertragsärztlicher Tätigkeiten an Qualitätsvoraussetzungen geknüpft werden kann, unterliegt jedenfalls dann keinem Zweifel, wenn die [X.] selbst - und sei es auch nur inzident - das Vorliegen eines bestimmten Qualitätsniveaus voraussetzen. Dies ist in Bezug auf das Merkmal "Verbesserung der Versorgung" in § 24 Abs 3 Satz 1 [X.] jedenfalls dann der Fall, wenn qualitative Verbesserungen in Rede stehen, die mit einer besonderen Sachkunde des Filial(zahn)arztes begründet werden (zur sachlichen Rechtfertigung von Qualitätsanforderungen siehe auch [X.] 100, 154 = [X.]-2500 § 87 [X.], RdNr 28).

Hinzu kommt, dass das Merkmal "Verbesserung" beliebig würde, wenn jeder faktische Tätigkeitsschwerpunkt bereits als ein die Versorgung qualitativ verbessernder Umstand anzusehen wäre. Dies gilt gerade im vertragszahnärztlichen Bereich, weil es hier (nahezu) keine Fachgebietsgrenzen gibt. Jeder Vertragszahnarzt hätte die Möglichkeit, unter Berufung darauf, dass gerade er schwerpunktmäßig bestimmte Behandlungen erbringe und damit seine geplante Filialtätigkeit zu einer Verbesserung der Versorgung führe, eine Zweigpraxisgenehmigung zu erhalten.

Diesem Gesichtspunkt kommt nicht zuletzt in Anbetracht der äußerst begrenzten Möglichkeiten der bereits vor Ort tätigen (Zahn-)Ärzte, die Rechtmäßigkeit einer Zweigpraxisgenehmigung im Wege einer defensiven [X.]onkurrentenklage überprüfen zu lassen (s hierzu [X.], 10 = [X.]-5520 § 24 [X.]), Bedeutung zu. Obwohl § 24 Abs 3 [X.] keine drittschützende Wirkung zukommt, und die Zweigpraxisgenehmigung primär den Interessen der Versicherten zu dienen bestimmt ist ([X.] aaO RdNr 40), ist die [X.](Z)ÄV nicht nur berechtigt, sondern auch verpflichtetet, den Interessen der bereits am Ort der geplanten Zweigpraxis tätigen (Zahn-)Ärzte jedenfalls in der Weise Rechnung zu tragen, dass das Vorliegen der Voraussetzungen für eine Zweigpraxisgenehmigung in einer auch für sie transparenten Art und Weise geprüft wird. Dem wird durch klar definierte Anforderungen an eine Qualitätsverbesserung Rechnung getragen. Derartige Qualitätsanforderungen sind auch verfassungsrechtlich unbedenklich. Da eine Zweigpraxisgenehmigung nicht zu einer Statusgewährung führt ([X.], 10 = [X.]-5520 § 24 [X.], RdNr 29), ist [X.] der Berufsausübung betroffen. Im Übrigen bleibt der Zahnarzt weiterhin berechtigt, kinderzahnärztliche Leistungen an seinem Stammsitz zu erbringen.

bb) Die Beklagte musste sich nicht damit begnügen, dass die erforderliche Qualifikation - an Stelle eines formellen Nachweises, etwa durch Zertifikate - lediglich durch einen entsprechenden (faktischen) Tätigkeitsschwerpunkt belegt wird. Allein aus dem Umstand, dass ein Zahnarzt in größerem Umfang als der Durchschnitt der Zahnärzte [X.]inder behandelt (bzw dies zumindest vorträgt), lässt sich nicht mit der erforderlichen Sicherheit herleiten, dass dieser auch über eine besondere, über die der übrigen Zahnärzte hinausgehende, Sachkunde in dem fraglichen Bereich verfügt.

Berufsrechtlich sind alle Zahnärzte berechtigt, [X.]inder zu behandeln, und die meisten tun dies auch. Die Behandlung von [X.]indern ist Bestandteil der allgemeinzahnärztlichen Ausbildung. So sind nach § 36 Abs 1 Buchst a) der Approbationsordnung für Zahnärzte ([X.], [X.] 1955, 37, zuletzt geändert durch Art 11 des Gesetzes vom [X.]) der Meldung zur zahnärztlichen Prüfung Nachweise darüber beizufügen, dass der [X.]andidat je zwei Vorlesungen ua über Parodontologie und [X.]inderzahnheilkunde gehört hat; nach § 49 Satz 3 [X.] [X.] hat der [X.]andidat im Rahmen der Prüfung im Fach Zahnerhaltungskunde (IX) in [X.]inderzahnheilkunde seine [X.]enntnisse auf dem Gebiet der [X.]inderzahnheilkunde sowie der oralen Primärprophylaxe nachzuweisen. Somit liegt es nicht auf der Hand, dass allein die Behandlung von [X.]indern die Annahme zu begründen vermag, dass ein Zahnarzt über ein qualitativ besonderes Leistungsangebot hinsichtlich der [X.]inderzahnheilkunde verfügt, welches ihn von den übrigen Zahnärzten unterscheidet.

Daher kann auch ein Tätigkeitsschwerpunkt allenfalls ein Indiz für eine besondere Leistungsqualität aufgrund großer Erfahrungen in diesem [X.] sein, muss dies aber nicht. So kann eine über dem Durchschnitt liegende Zahl an behandelten [X.]indern etwa auch darauf zurückzuführen sein, dass im Einzugsbereich der Praxis mehr Familien mit [X.]indern leben als an anderen Orten im Bezirk der [X.]. Zudem lässt die bloße Menge durchgeführter Behandlungen nicht zwingend den Rückschluss auf eine entsprechende Qualität zu. Zwar wird etwa eine Mindestmenge bei planbaren stationären Leistungen nach §§ 17, 17b des [X.]rankenhausfinanzierungsgesetzes als Qualitätsindikator angesehen (vgl § 137 Abs 3 Satz 1 [X.]). Auf der anderen Seite hat der Senat im Zusammenhang mit der Degressionsregelung nach § 85 Abs 4b ff [X.] wiederholt ausgeführt, dass diese (auch) beobachteten Fehlentwicklungen bei der Qualität der zahnärztlichen Versorgung entgegensteuern soll, indem umsatzstarken Praxen der Anreiz gegeben wird, Patienten an andere Praxen abzugeben und so mit übermäßiger Leistungserbringung gelegentlich verbundene Qualitätsdefizite zu verringern (vgl [X.] 80, 223, 226 ff = [X.] 3-2500 § 85 [X.] ff; [X.] [X.] 3-2500 § 85 [X.]; [X.] [X.]-2500 § 85 [X.] RdNr 11; [X.] [X.]-2500 § 85 [X.] RdNr 12; zuletzt [X.] vom 5.5.2010 - [X.] [X.]A 21/09 R - [X.]-2500 § 85 [X.] RdNr 17).

Auch in der Rechtsprechung des Senats ist anerkannt, dass ein Normgeber dem Arzt nicht die Möglichkeit einräumen muss, statt eines formellen [X.] individuell - etwa durch Nachweise über entsprechende Behandlungserfahrungen - eine entsprechende Fähigkeit zu belegen (vgl [X.] 100, 154 = [X.]-2500 § 87 [X.], RdNr 28). Für die Ausübung des [X.] im Verfahren über die Genehmigung einer Zweigpraxis gilt im Ergebnis nichts anderes.

Nur ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass es vorliegend schon an entsprechenden Feststellungen fehlt, in welchem konkreten Umfang der [X.]läger [X.]inder behandelt und in welchem Umfang dies innerhalb der Vergleichsgruppe der übrigen Allgemeinzahnärzte der Fall ist. Derartige Feststellungen dürften angesichts des Umstandes, dass der [X.]läger in einer Gemeinschaftspraxis (Berufsausübungsgemeinschaft) mit gemeinschaftlicher Abrechnung tätig ist, auch nur mit begrenztem Erkenntniswert zu treffen sein. Im Übrigen ist selbst dann, wenn man den Angaben des [X.] folgt, dass er - umgerechnet auf das Quartal - ca 160 entsprechende Fälle behandelt, von denen sich im Übrigen eine gewisse Zahl wiederholen dürfte, nicht ohne Weiteres erkennbar, dass dies die durchschnittliche Zahl vergleichbarer Fälle in anderen Praxen signifikant überschreitet.

cc) Ein derartiger Nachweis besonderer Fähigkeiten in der [X.]inderzahnheilkunde könnte sich aus einer Bescheinigung eines Tätigkeitsschwerpunkts nach der "Ordnung zur Anerkennung besonderer [X.]enntnisse und Fähigkeiten in der Zahn-, Mund- und [X.]ieferheilkunde" der [X.] (LZÄ[X.]) [X.] vom 19.5.2001 ergeben. Nach den Feststellungen des [X.] erteilt die LZÄ[X.] aufgrund einer strukturierten Fortbildungsreihe die Genehmigung zum öffentlichen Führen eines [X.]ammerzertifikats "Fortbildung". Hierauf aufbauend wird die Genehmigung zum Führen eines Tätigkeitsschwerpunkts erteilt, wenn zusätzlich entsprechend praktische Erfahrungen und Fertigkeiten im jeweiligen Bereich/Gebiet dieser Ordnung sachgerecht nachgewiesen werden.

Es kann offen bleiben, ob das besondere Leistungsangebot der [X.]inderzahnheilkunde allein dann als eine qualitative Verbesserung der Versorgung anerkannt werden kann, wenn der Zahnarzt einen Tätigkeitsschwerpunkt nach der vorerwähnten Ordnung der LZÄ[X.] [X.] nachweist, oder ob ein entsprechender Nachweis auch durch andere formelle Qualifikationsnachweise geführt werden kann. Denn der [X.]läger verfügt weder über dieses Zertifikat noch hat er andere aussagekräftige Unterlagen vorgelegt, die seine besondere Fachkunde im Bereich der [X.]inderzahnheilkunde belegen. Der Nachweis einiger Fortbildungsstunden in diesem Bereich reicht nicht aus.

c) Weitere Ansatzpunkte für eine mögliche Versorgungsverbesserung sind nicht erkennbar. Weder liegt in [X.] eine Unterversorgung vor noch ergibt sich eine Verbesserung der Versorgung durch organisatorische Maßnahmen wie etwa das Angebot von [X.]. Auch das Vorbringen, eine Versorgungsverbesserung würde jedenfalls durch die Zusammenarbeit mit dem Facharzt für Mund-, [X.]iefer- und Gesichtschirurgie Dr. Dr. S. in [X.] eintreten, ist nicht geeignet, eine Versorgungsverbesserung zu begründen. Denn nach § 24 Abs 3 Satz 1 [X.] ist Voraussetzung für die Zulässigkeit einer Filialtätigkeit, dass diese ("dies") die Versorgung der Versicherten verbessert. Für die Beurteilung einer Versorgungsverbesserung ist mithin allein auf das Angebot der Zweigpraxis abzustellen.

4. Da es somit bereits dem Grunde nach an einer nachweislichen Verbesserung der Versorgung der Versicherten in [X.] fehlt, kann offen bleiben, ob eine Verbesserung der Versorgung auch deswegen zu verneinen wäre, weil - wie von der [X.] vorgetragen - ein spezialisiertes Leistungsangebot der [X.]inderzahnheilkunde bereits durch in [X.] niedergelassene [X.] vorgehalten wird.

Ebenso bedarf es keiner Entscheidung darüber, ob der Betrieb einer Zweigpraxis in [X.] durch den [X.]läger zu einer Beeinträchtigung der Versorgung der Versicherten in [X.] führen würde (zu den diesbezüglichen Anforderungen vgl das weitere Urteil vom heutigen [X.] [X.]A 7/10 R, zur Veröffentlichung in [X.] vorgesehen).

Die [X.]ostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 Halbsatz 3 SGG iVm einer entsprechenden Anwendung der §§ 154 ff VwGO. Danach hat der [X.]läger die [X.]osten des erfolglos eingelegten Rechtsmittels zu tragen (§ 154 Abs 2 VwGO).

Meta

B 6 KA 49/09 R

09.02.2011

Bundessozialgericht 6. Senat

Urteil

Sachgebiet: KA

vorgehend SG Marburg, 5. November 2008, Az: S 12 KA 375/07, Urteil

§ 24 Abs 3 S 1 Nr 1 Ärzte-ZV vom 22.12.2006, § 24 Abs 3 S 1 Nr 1 Zahnärzte-ZV vom 22.12.2006, § 98 Abs 2 Nr 13 SGB 5

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Urteil vom 09.02.2011, Az. B 6 KA 49/09 R (REWIS RS 2011, 9613)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 9613

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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