Bundessozialgericht, Urteil vom 16.12.2015, Az. B 6 KA 37/14 R

6. Senat | REWIS RS 2015, 533

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Gegenstand

Vertragsärztliche Versorgung - Streit über Zweigpraxisermächtigung - notwendige Beiladung - zuständige Kassenärztliche Vereinigung sowie betroffene Krankenkassenverbände - Beurteilung bzgl Versorgungsverbesserung - potentielle Nutzer


Leitsatz

1. Zu Verfahren, in denen eine Zweigpraxisermächtigung im Streit steht, sind die betroffenen Kassenärztlichen Vereinigungen sowie die Krankenkassenverbände notwendig beizuladen.

2. Für die Beurteilung, ob durch die Zweigstelle einer vertragsärztlichen Praxis die Versorgung der Versicherten verbessert wird, kommt es grundsätzlich nicht entscheidend auf die Zahl der potentiellen Patienten an.

Tenor

Auf die Revision des [X.] werden die Urteile des [X.] vom 21. August 2014 und des [X.] vom 7. Juni 2013 sowie der Bescheid des Beklagten vom 15. Juni 2011 aufgehoben.

Der Beklagte wird verpflichtet, über den Widerspruch des [X.] gegen den Bescheid des [X.] vom 31. März 2011 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats erneut zu entscheiden.

Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.

Tatbestand

1

[X.] steht eine Ermächtigung zur vertragsärztlichen Tätigkeit außerhalb des Vertragsarztsitzes an einem weiteren Ort (Zweigpraxis).

2

Der Kläger nimmt als Facharzt für Nuklearmedizin in [X.] - im Bezirk der [X.] ([X.]) N. - an der vertragsärztlichen Versorgung teil. Die Gemeinschaftspraxis (Berufsausübungsgemeinschaft - [X.]) für Radiologie und Nuklearmedizin, der der Kläger angehört, bietet in den Räumen der K.-Klinik in [X.] - ca 19 km von [X.] entfernt und im Bezirk der [X.] R.-P. gelegen - für Privatpatienten kernspintomographische (MRT-)Untersuchungen an.

3

Am 3.1.2011 beantragte der Kläger beim [X.] für Ärzte für den Zulassungsbezirk K. die Ermächtigung zum Betrieb einer Zweigpraxis und gab an, er wolle dort nuklearmedizinische Leistungen, Ultraschall-Leistungen sowie [X.] anbieten. Die [X.] N. teilte mit, sie gehe davon aus, dass sich die Versorgung der Versicherten am Vertragsarztsitz des [X.] durch den Betrieb der beantragten Zweigpraxis nicht verschlechtern werde. Der [X.] lehnte den Antrag mit Bescheid vom [X.] (aus der Sitzung vom 22.3.2011) ab. Durch Bescheid vom 15.6.2011 (aus der Sitzung vom 25.5.2011) wies der beklagte Berufungsausschuss den Widerspruch des [X.] zurück. Zur Begründung führte er aus, die Tätigkeit, die der Kläger in der Zweigpraxis in [X.] ausüben wolle, führe nicht zu einer Verbesserung der Versorgung. Der Kläger beabsichtige, seine Tätigkeit in der Zweigpraxis zumindest vorerst auf die Durchführung von MRT-​Untersuchungen zu beschränken. Es stelle sich schon die Frage, ob ein Facharzt für Nuklearmedizin derartige Leistungen im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung abrechnen könne. Jedenfalls sei davon auszugehen, dass in der maßgeblichen Ortsgemeinde [X.] die Nachfrage nach MRT-​Untersuchungen nur gering sei, sodass eine Verbesserung der Versorgung im Sinne des Gesetzes nicht erreicht werde. Die hiergegen erhobene Klage ist erfolglos geblieben (Urteil des [X.] vom 7.6.2013).

4

Das L[X.] hat auch die Berufung des [X.] zurückgewiesen (Urteil des L[X.] vom 21.8.2014). Zur Begründung hat es ausgeführt, bei der Prüfung, ob eine Versorgungsverbesserung im Sinne des § 24 Abs 3 Satz 1 Zulassungsverordnung für Vertragsärzte ([X.]) vorliege, sei auf den "weiteren Ort", an dem die Zweigpraxis betrieben werden solle, abzustellen. Mithin sei maßgebend, ob die begehrte Zweigpraxis die Versorgung der Versicherten in der Ortsgemeinde [X.] verbessern würde. Hinsichtlich des Ausmaßes der Verbesserung der Versorgung sei zu berücksichtigen, dass einerseits minimale, für die Versicherten kaum spürbare Veränderungen nicht ausreichten und andererseits die Anforderungen nicht so hoch gespannt werden dürften, dass der beabsichtigte Zweck einer Förderung der "Filialtätigkeit" verfehlt würde. Innerhalb dieser Grenzen unterfalle die Entscheidung, ob eine Versorgungsverbesserung vorliege, dem Beurteilungsspielraum der Zulassungsgremien. Nach diesen Maßstäben sei die Entscheidung des Beklagten rechtlich nicht zu beanstanden. Zwar befinde sich die nächste Vertragsarztpraxis, die MRT-​Untersuchungen anbiete, im 19 km von [X.] entfernt liegenden [X.], sodass sich diejenigen in [X.] ansässigen Versicherten, die eine MRT-​Untersuchung benötigten, die Fahrzeit nach [X.] ersparen würden. Jedoch habe der Beklagte zu Recht berücksichtigt, dass es sich bei einer Einwohnerzahl von 7414 Einwohnern lediglich um eine relativ geringe Anzahl von Versicherten handele, denen die vom Kläger beantragte Versorgung mit einem MRT zugutekomme. Hierbei handele es sich um eine sachgerechte Erwägung, die sich noch im Rahmen des [X.] des Beklagten halte.

5

Mit seiner Revision rügt der Kläger die Verletzung von Bundesrecht. Dass die von ihm in [X.] geplanten Untersuchungen eine Versorgungsverbesserung darstellten, zeige bereits der Umstand, dass weder in [X.] noch im Umkreis von 15 km um [X.] herum überhaupt Leistungen der diagnostischen Radiologie angeboten würden. Beziehe man die Versorgungsverbesserung nur auf den Ort [X.], ergebe sich eine spürbare Verbesserung für die mehr als 7400 Bewohner. Aus den bereits im Genehmigungsverfahren vorgelegten Zahlen ergebe sich, dass allein in den [X.]/2009 bis II/2010 1342 Patienten den Weg von [X.] nach [X.] zum Sitz des [X.] auf sich genommen hätten. Die Verbesserung der Versorgung werde gerade auch unter Berücksichtigung der einpendelnden Patienten aus den um [X.] liegenden Orten deutlich. Dass die Prüfung bei einer Zweigpraxisgenehmigung auf die Ortsgemeinde beschränkt sein solle, sei nicht nachvollziehbar; eine Versorgungsverbesserung sei immer dann anzunehmen, wenn die Voraussetzungen für die Erteilung einer Sonderbedarfszulassung vorlägen. Es sei ermessensfehlerhaft, dass der Beklagte auf bedarfsplanungsrechtliche Erwägungen Bezug nehme, da es auf [X.] gerade nicht ankomme. Auch für Konkurrenzschutzgesichtspunkte sei keinen Raum.

6

Der Begriff des "weiteren Ortes" bezeichne nicht die politische Gemeinde; vielmehr sei der Begriff so auszulegen, dass er ein jeweils im Einzelfall zu ermittelndes Gebiet umfasse, das sich anhand geographischer sowie bevölkerungs- und infrastruktureller Gegebenheiten bemesse und von Gemeinden oder Gebietskörperschaften unabhängig sei. Verstünde man hierunter die "weitere politische Gemeinde", würde dies in der besonders hochspezialisierten fachärztlichen Versorgung die Errichtung einer Zweigpraxis gerade in dünn, besiedelten ländlichen Gebieten faktisch unmöglich machen. Auch sei der "weitere Ort" in einem dünn besiedelten Gebiet so weit zu fassen, wie die Zweigpraxis schneller und besser erreichbar sei als die nächstgelegene Niederlassung eines anderen Arztes der gleichen Fachrichtung. Durch die geplante Zweigpraxis werde im Übrigen keine neue Kapazität geschaffen, sondern er - der Kläger - komme lediglich den Patienten entgegen, die schon heute seine Praxis aufsuchten. In der Zweigpraxis wolle er - wie beantragt - nicht nur [X.] durchführen, sondern auch nuklearmedizinische Leistungen und Ultraschall-Leistungen anbieten.

7

Der Kläger beantragt,
die Urteile des L[X.] Rheinland-Pfalz vom 21. August 2014 und des [X.] Mainz vom 7. Juni 2013 sowie den Beschluss des Beklagten vom 25. Mai 2011/Bescheid vom 15. Juni 2011 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut über den Widerspruch des [X.] gegen den Bescheid des [X.]es vom 31. März 2011 zu entscheiden.

8

Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

9

Er - der Beklagte - sei im Einklang mit der B[X.]-Rechtsprechung davon ausgegangen, dass kosmetische Veränderungen der Versorgungssituation nicht ausreichten. Angesichts der Einwohnerzahl von [X.] sei ein Bedarf zur Erbringung von [X.] allenfalls als ganz gering anzusehen. "[X.] Patienten" seien nicht zu berücksichtigen. Auch der Vorwurf einer fehlerhaften Ermessensausübung gehe fehl, weil hierfür bei einer lediglich kosmetischen Verbesserung gar kein Raum sei.

Die zu 7. beigeladene [X.] N. weist - ohne einen Antrag zu stellen - darauf hin, dass sie dem Kläger eine Genehmigung zur Abrechnung von [X.] erteilt habe.

Die übrigen Beigeladenen haben weder Anträge gestellt noch sich sonst in der Sache geäußert.

Entscheidungsgründe

Die Revision des [X.] ist im Sinne einer Verpflichtung des Beklagten zur Neubescheidung begründet.

1. Der [X.] hat die notwendige Beiladung der [X.] [X.] und [X.] mit deren Zustimmung nachgeholt (§ 168 Satz 2 SGG). Die Beiladungen waren hier im Sinne des § 75 [X.] 2 1. Alt SGG notwendig, weil die Entscheidung des beklagten [X.] darüber, ob dem Kläger die begehrte Zweigpraxisermächtigung erteilt wird, auch diesen [X.] gegenüber nur einheitlich ergehen kann. Nach der Rechtsprechung des [X.]s sind die [X.] und die [X.] stets beizuladen, wenn ein Beschluss des [X.] angegriffen wird ([X.]-2500 § 116 [X.] f; [X.] vom 14.12.2011 - [X.] KA 33/10 R - Rd[X.]0 - Juris = USK 2011-120 = [X.], 695). Der [X.] hat dies damit begründet, dass Entscheidungen der Zulassungsgremien unmittelbar den Rechtskreis der für die Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung zuständigen [X.] sowie den der gesetzlichen Krankenkassen betreffen, weil zugelassene und ermächtigte Ärzte bzw ärztlich geleitete Einrichtungen im System der vertragsärztlichen Versorgung Leistungen erbringen und zu Lasten der Krankenkassen veranlassen dürfen ([X.] vom 14.12.2011 aaO).

Für Zweigpraxisgenehmigungen und -ermächtigungen gilt nichts anderes. Die dargestellten Erwägungen gelten nicht nur für Entscheidungen, die unmittelbar den Status eines vertragsärztlichen Leistungserbringers verändern, sondern auch für solche, die in untrennbarem Zusammenhang hiermit stehen ([X.] vom 14.12.2011 aaO). Dies trifft auf Entscheidungen, die einem Vertragsarzt den Betrieb einer Zweigpraxis gestatten, zu. Zwar ist damit keine Statusgewährung oder -erweiterung verbunden ([X.] 105, 10 = [X.]-5520 § 24 [X.], Rd[X.]4 ff), doch hat der Betrieb einer Zweigpraxis Auswirkungen auf die vertragsärztliche Versorgung, wie schon dadurch deutlich wird, dass § 24 [X.] 3 Satz 1 Ärzte-ZV die Prüfung verlangt, dass die Versorgung am Ort der Zweigpraxis verbessert und am Praxissitz des Arztes nicht (mehr als geringfügig) beeinträchtigt wird.

In Verfahren, in denen es um die Genehmigung einer Zweigpraxis durch die [X.] gemäß § 24 [X.] 3 Satz 5 Ärzte-ZV geht, sind daher die [X.] notwendig beizuladen, im Falle einer - gemäß § 24 [X.] 3 Satz 6 Ärzte-ZV durch den für den Sitz der geplanten Zweigpraxis zuständigen Zulassungsausschuss zu erteilenden - Ermächtigung zudem die "beteiligten" [X.], also zum einen die [X.], in deren Bezirk die Zweigpraxis betrieben werden soll, zum anderen die [X.], deren Mitglied der den Betrieb einer Zweigpraxis beabsichtigende Vertragsarzt ist. Die rechtliche Betroffenheit beider [X.] verdeutlicht § 24 [X.] 3 Satz 6 Halbsatz 2 Ärzte-ZV, welcher die Anhörung "der beteiligten [X.]" durch den Zulassungsausschuss anordnet. Sie wird im Übrigen daraus deutlich, dass die [X.] in den Fällen einer "bezirksgleichen" Zweigpraxis selbst die zuständige Genehmigungsbehörde ist.

2. Der Beklagte hat den ihm eingeräumten Beurteilungsspielraum bei der Subsumtion unter den Begriff "Verbesserung der Versorgung" nicht in der gebotenen Weise ausgefüllt: Seine Einschätzung, dass es am Vorliegen einer Versorgungsverbesserung fehle, weil die Nachfrage nach [X.] am "weiteren Ort" [X.] nur gering sei, ist beurteilungsfehlerhaft.

a. Rechtsgrundlage der angefochtenen Entscheidung ist § 24 [X.] 3 Ärzte-ZV (idF des Gesetzes zur Änderung des [X.] und anderer Gesetze vom 22.12.2006 - [X.] 3439 - mit geringfügiger Änderung durch Anfügung eines zweiten Halbsatzes in § 24 [X.] 3 Satz 1 [X.] aaO durch Art 9 Nr 8 Buchst b aa des [X.] vom 22.11.2011, [X.] 2983, 3017: "geringfügige Beeinträchtigungen für die Versorgung am Ort des [X.] sind unbeachtlich, wenn sie durch die Verbesserung der Versorgung an dem weiteren Ort aufgewogen werden."), der seine gesetzliche Grundlage in § 98 [X.] 2 [X.] hat. Nach § 24 [X.] 3 Satz 1 Ärzte-ZV sind vertragsärztliche Tätigkeiten außerhalb des [X.] an weiteren Orten zulässig, wenn und soweit (1.) dies die Versorgung der Versicherten an den weiteren Orten verbessert und (2.) die ordnungsgemäße Versorgung der Versicherten am Ort des [X.] nicht beeinträchtigt wird. Diese Tätigkeiten bedürfen dann, wenn der weitere Ort - wie vorliegend - außerhalb des Bezirks der [X.] liegt, in der der antragstellende Arzt Mitglied ist, der Ermächtigung durch den Zulassungsausschuss, in dessen Bezirk er die Tätigkeit aufnehmen will; bei Vorliegen der Voraussetzungen hat der Arzt Anspruch auf Erteilung der Ermächtigung (§ 24 [X.] 3 Satz 6 Ärzte-ZV).

Den Zulassungsgremien steht - ebenso wie den [X.] im Rahmen der von ihnen zu erteilenden Genehmigung nach § 24 [X.] 3 Satz 5 Ärzte-ZV - bei der Beurteilung, ob die Genehmigung bzw die Ermächtigung zu einer Verbesserung bzw Beeinträchtigung der Versorgung führen würde, ein gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbarer Beurteilungsspielraum zu (stRspr des [X.]s, vgl [X.] 105, 10 = [X.]-5520 § 24 [X.], RdNr 54-55; BSG [X.]-5525 § 24 [X.] Rd[X.]2; [X.] 107, 230 = [X.]-5525 § 24 [X.], Rd[X.]2; zuletzt [X.] 113, 291 = [X.]-5520 § 24 [X.], Rd[X.]5).

Was unter einer "Verbesserung der Versorgung" im Sinne des § 24 [X.] 3 Satz 1 [X.] Ärzte-ZV zu verstehen ist und welche Gesichtspunkte in den Abwägungsprozess einzubeziehen sind, hat der [X.] bereits wiederholt dargelegt: Außer Frage steht zunächst, dass das bloße Hinzutreten eines weiteren Behandlers - ungeachtet der damit verbundenen Erweiterung der Möglichkeiten der Arztwahl - noch keine Versorgungsverbesserung darstellt ([X.] 105, 10 = [X.]-5520 § 24 [X.], RdNr 47 und 50; BSG [X.]-5525 § 24 [X.] Rd[X.]3; [X.] 107, 230 = [X.]-5525 § 24 [X.], Rd[X.]8; [X.] 113, 291 = [X.]-5520 § 24 [X.], Rd[X.]6). Gesichtspunkte der Bedarfsplanung im Sinne der [X.] spielen keine Rolle (ausführlich hierzu [X.] 105, 10 = [X.]-5520 § 24 [X.], Rd[X.]5 ff, 49; siehe auch [X.] 107, 230 = [X.]-5525 § 24 [X.], Rd[X.]8; zuletzt [X.] 113, 291 = [X.]-5520 § 24 [X.], Rd[X.]6). Ergänzend weist der [X.] darauf hin, dass der Gesichtspunkt der wirtschaftlichen Tragfähigkeit der Praxis, den der [X.] für ([X.] herangezogen hat (vgl hierzu [X.] 107, 147 = [X.]-2500 § 101 [X.], Rd[X.]1 mwN), bei der Genehmigung bzw Ermächtigung von [X.] keine Berücksichtigung findet, weil sich hierfür keine Stütze im Wortlaut des § 24 [X.] 3 Ärzte-ZV findet und die Zweigpraxis im Übrigen - auch wirtschaftlich betrachtet - nur einen "Annex" zur Hauptpraxis darstellt.

Erforderlich, aber auch ausreichend ist es vielmehr, dass das bestehende Leistungsangebot an dem "weiteren Ort", an dem die Zweigpraxis betrieben werden soll, zum Vorteil für die Versicherten in qualitativer - unter bestimmten Umständen aber auch in quantitativer - Hinsicht erweitert wird ([X.] 105, 10 = [X.]-5520 § 24 [X.], RdNr 51; BSG [X.]-5525 § 24 [X.] Rd[X.]4; [X.] 107, 230 = [X.]-5525 § 24 [X.], Rd[X.]9). Eine qualitative Versorgungsverbesserung kann etwa dann gegeben sein, wenn der in der Zweigpraxis tätige Vertragsarzt im Vergleich zu den bereits vor Ort tätigen Ärzten über andere qualifikationsgebundene Genehmigungen nach § 135 [X.] 2 SGB V verfügt, ein differenzierteres Leistungsspektrum anbietet oder wenn er eine besondere Untersuchungs- oder Behandlungsmethode anwenden kann, die etwa besonders schonend ist oder bessere Diagnoseergebnisse liefert ([X.] 105, 10 = [X.]-5520 § 24 [X.], RdNr 52; BSG [X.]-5525 § 24 [X.] Rd[X.]4; [X.] 107, 230 = [X.]-5525 § 24 [X.], Rd[X.]9; vgl auch [X.] 113, 291 = [X.]-5520 § 24 [X.], Rd[X.]6).

b. Nach diesen Maßstäben kann die Wertung des Beklagten, dass die Durchführung von MRT-Untersuchungen in [X.] nicht zu einer Versorgungsverbesserung führe, nicht darauf gestützt werden, dass nur wenige Patienten von diesem Angebot profitieren würden. Da [X.] (sowie ggf weitere vom Kläger beabsichtigte - insbesondere nuklearmedizinische - Leistungen) in [X.] nicht von Vertragsärzten angeboten werden, führt ein derartiges Angebot dem Grunde nach zu einer qualitativen Versorgungsverbesserung. Für die in [X.] ansässigen Patienten ist es von Vorteil, wenn sie benötigte [X.] vor Ort abrufen können, statt die 15 km entfernte Praxis des [X.] aufsuchen zu müssen oder gar - bei ausschließlicher Nutzung des [X.] des [X.]-Bezirks - 40 km bis [X.] fahren zu müssen.

Dieser Vorteil kann nicht dadurch in Frage gestellt werden, dass er lediglich einer relativ geringen Zahl von Patienten zugute kommt. Mit der Verknüpfung des Merkmals der Versorgungsverbesserung mit - letztlich - bedarfsplanerischen Erwägungen überschreitet der Beklagte seinen Beurteilungsspielraum, weil bei der Frage des Vorliegens einer "Versorgungsverbesserung" entgegen der Auffassung des [X.] die Zahl der von der Versorgungsverbesserung profitierenden potentiellen Patienten nicht in den Abwägungsprozess einzubeziehen ist. Ein Beurteilungsspielraum steht den Zulassungsgremien nur innerhalb der vom [X.] gezogenen Grenzen zu (siehe [X.] 105, 10 = [X.]-5520 § 24 [X.], RdNr 53).

Wie viele Patienten den aus dem Betrieb resultierenden Vorteil tatsächlich nutzen, ist für die Beurteilung der Verbesserung der Versorgung grundsätzlich ohne Bedeutung, weil es auf das Bestehen eines "Bedarfs" nicht ankommt. Die Annahme einer Versorgungsverbesserung setzt nicht voraus, dass die Zweigpraxis erforderlich ist; Bedarfsplanungsgesichtspunkte spielen gerade keine Rolle. Ebenso verbietet sich damit eine Heranziehung der - namentlich zu [X.] ergangenen - Rechtsprechung, wonach es Patienten bei speziellen Leistungen zuzumuten ist, längere Wege in Kauf zu nehmen (vgl BSG [X.]-2500 § 119 [X.] Rd[X.]7). Bei § 24 [X.] 3 Ärzte-ZV stellt sich die Frage eines entsprechenden "Bedarfs" gerade nicht, sondern allein die Frage, ob die Versorgung "verbessert" wird.

Für Leistungen, die mit medizinisch-technischen Großgeräten erbracht werden, gilt nichts anderes. Erwägungen, die Erbringung dieser Leistungen in einer Zweigpraxis über das Merkmal der Versorgungsverbesserung an etwaige Verhältniszahlen zu knüpfen, interpretieren Gesichtspunkte der Großgeräteplanung (vgl § 122 SGB V idF des Gesundheits-Reformgesetzes bzw des [X.] sowie die Großgeräte-Richtlinie-Ärzte aF; siehe hierzu [X.] 70, 285 = [X.] 3-2500 § 122 [X.]) bzw der Bedarfsplanung in die Ermächtigungsvoraussetzungen des § 24 [X.] 3 Ärzte-ZV hinein, die dort gerade keine Berücksichtigung gefunden haben. Darauf, wie viele Patienten an dem "weiteren Ort" das zusätzliche Angebot nutzen werden, kommt es grundsätzlich nicht an.

Dem steht auch die Rechtsprechung des [X.]s nicht entgegen. Zwar hatte der [X.] in seinem Urteil vom 28.10.2009 ([X.] 105, 10 = [X.]-5520 § 24 [X.], RdNr 53) ausgeführt: "Welches Ausmaß die Verbesserungen haben müssen, ob ihnen also ein gewisses Gewicht zukommen muss, etwa Wartezeiten deutlich reduziert werden müssen, lässt sich nicht abstrakt abschließend beurteilen. Sicherlich reichen weder minimale, für die Versicherten kaum spürbare ('kosmetische') Veränderungen, noch dürfen umgekehrt die Anforderungen so hoch gespannt werden, dass der beabsichtigte Zweck einer Förderung der Filialtätigkeit verfehlt würde; dies wäre der Fall, wenn die an eine Zweigpraxisgenehmigung gestellten Anforderungen denen der 'Erforderlichkeit' nach altem Rechtszustand entsprächen." Bei diesen Ausführungen hatte der [X.] jedoch vor allem (fragliche) Verbesserungen durch das bloße Hinzutreten eines weiteren Arztes im Blick, wie die beispielhafte Erwähnung der Wartezeiten verdeutlicht. Als unbeachtliche Verbesserung der Versorgung kommt etwa die lediglich geringfügige Verkürzung von Wartezeiten durch Hinzutreten eines weiteren Behandlers in Betracht. Vorliegend steht hingegen außer Frage, dass das Angebot von [X.] in [X.] für die dort lebenden Patienten, die derartige Leistungen benötigen, eine nicht nur geringfügige, sondern substantielle Verbesserung der Versorgung darstellt. Zwar mögen Konstellationen denkbar sein, in denen die geringe Zahl der potentiellen Patienten der Annahme einer Versorgungsverbesserung von vornherein entgegensteht. Dies ist hier jedoch nicht der Fall, da die Gemeinde [X.] rund 7500 Einwohner hat.

Es bedarf daher auch keiner abschließenden Festlegungen dazu, wie der Begriff des "weiteren Ortes" im Sinne des § 24 [X.] 3 Satz 1 [X.] Ärzte-ZV - als räumlicher Bezugspunkt für eine Verbesserung der Versorgung - zu verstehen ist, weil vorliegend eine Versorgungsverbesserung in Bezug auf jeden als "weiterer Ort" in Betracht kommenden Bereich zu bejahen ist. Die nächstgelegenen [X.], in denen [X.] angeboten werden, liegen außerhalb des hierfür in Frage kommenden Bereichs. Die Vertragsarztpraxis in [X.] kann im Übrigen schon [X.] nicht mehr zum "weiteren Ort" gehören, weil diese Praxis vom Kläger (bzw der [X.], an der er beteiligt ist) betrieben wird, der Begriff "weiterer Ort" jedoch zwingend [X.] außerhalb des [X.] des die Zweigpraxis betreibenden Arztes meint ([X.] in jurisPK-SGB V, § 95 Rd[X.]77). Daher weist der [X.] lediglich auf Folgendes hin:

Bei der Prüfung einer Versorgungsverbesserung ist auf den "weiteren Ort" abzustellen, an dem die Zweigpraxis betrieben werden soll. Dieser ist damit einerseits enger als der Planungsbereich im Sinne der Bedarfsplanung ([X.] 105, 10 = [X.]-5520 § 24 [X.], RdNr 52), andererseits jedoch räumlich weiter als der Sitz der Zweigpraxis. Der "weitere Ort" kann räumlich nicht mit dem in § 24 [X.] 1 Ärzte-ZV erwähnten "Ort der Niederlassung als Arzt" bzw "[X.]" gleichgesetzt werden ([X.] Urteil vom [X.] KA 98/10 - Juris Rd[X.]5). Der Begriff "Ort der Niederlassung" meint nach der Rechtsprechung des [X.]s den konkreten Ort der Praxis des Vertragsarztes, der durch die [X.] gekennzeichnet ist (stRspr des [X.]s, vgl [X.] 77, 188, 189 = [X.] 3-2500 § 75 [X.]; [X.] 85, 1, 5 = [X.] 3-2500 § 103 [X.]; [X.] 86, 121, 122 = [X.] 3-5520 § 24 [X.]; BSG [X.]-5520 § 24 [X.] Rd[X.]3; zuletzt [X.] vom 11.2.2015 - [X.] KA 11/14 R - Rd[X.]5, zur Veröffentlichung in [X.]-2500 § 95 [X.]9 vorgesehen). Ungeachtet des Umstandes, dass sich beide Begrifflichkeiten des "Ortes" in ein- und derselben Vorschrift finden, kann nicht angenommen werden, dass es dem Willen des [X.] und dem Zweck der Vorschrift entsprechen soll, als "weiteren Ort" im Sinne des § 24 [X.] 3 Satz 1 [X.] Ärzte-ZV die Anschrift der Zweigpraxis zu verstehen. Dem steht schon entgegen, dass es der Feststellung bedarf, dass die Versorgung "an dem Ort" verbessert wird.

Dass auch der [X.] den "weiteren Ort" in seiner bisherigen Rechtsprechung nicht als "Sitz" der Zweigpraxis im Sinne der konkreten Betriebsstätte verstanden hat, ergibt sich bereits daraus, dass er im Zusammenhang mit einer denkbaren quantitativen Versorgungsverbesserung durch eine bessere Erreichbarkeit der Zweigpraxis ausgeführt hat, dass dies "allerdings wohl nur bei größeren 'weiteren Orten' im Sinne des § 24 [X.] 3 Ärzte-ZV" in Betracht kommt (stRspr, [X.] 105, 10 = [X.]-5520 § 24 [X.], RdNr 52; BSG [X.]-5525 § 24 [X.] Rd[X.]4; [X.] 107, 230 = [X.]-5525 § 24 [X.], Rd[X.]9). Im Übrigen spielen die Gesichtspunkte, die den [X.] bewogen haben, im Rahmen des § 24 [X.] 1 Ärzte-ZV auf den konkreten Praxissitz abzustellen, im Zusammenhang mit der Feststellung einer Versorgungsverbesserung überhaupt keine Rolle. Der [X.] ist der im älteren Schrifttum (siehe hierzu die Nachweise in [X.] 86, 121, 122 = [X.] 3-5520 § 24 [X.]) vertretenen Auffassung, der "Ort der Niederlassung" meine eine Ortschaft im Sinne einer Verwaltungseinheit bzw den Teil einer Ortschaft, vornehmlich mit der Begründung entgegengetreten, dass die notwendige Konkretisierung des [X.] - zB zum Abhalten der Sprechstunden - nur über die [X.] erfolgen kann (aaO). Dies ist für die im Rahmen des § 24 [X.] 3 Ärzte-ZV zu treffende Entscheidung über das Vorliegen einer Versorgungsverbesserung jedoch ohne Bedeutung.

Hingegen kann hier offenbleiben, ob "weiterer Ort" im Sinne des § 24 [X.] 3 Ärzte-ZV als Anknüpfungspunkt für die Versorgungsverbesserung die "Ortschaft" im räumlichen Sinne - eine räumlich klar begrenzte Siedlung - meint, ob dies die politische Gemeinde ist, in der die Zweigpraxis liegen soll und die ggf aus mehreren Ortsteilen bzw Ortschaften bestehen kann, oder ob auch die nächstgrößere politische Einheit wie die "Verbandsgemeinde" bzw die "Samtgemeinde", in der verschiedene Gemeinden zusammengefasst sind, in Betracht kommt.

c. Dass die Zweigpraxis zu einer Verschlechterung der Versorgung in [X.] führt, ist nicht erkennbar. Die zuständige [X.] hat dies verneint; gegen diese Einschätzung ergeben sich keine Bedenken.

d. Der Beklagte wird daher unter Beachtung der Rechtsauffassung des [X.]s erneut über den Antrag des [X.] zu entscheiden haben. Hierbei wird er in Bezug auf die von ihm geäußerten Bedenken, ob der Kläger als Nuklearmediziner berechtigt ist, [X.] abzurechnen, zu beachten haben, dass die zu 7. beigeladene [X.] [X.] dem Kläger die nach der [X.] der Vorbemerkung zum [X.]chnitt 34.4 des Einheitlichen Bewertungsmaßstabs für ärztliche Leistungen erforderliche Abrechnungsgenehmigung erteilt hat; diese Genehmigung ist gemäß § 11 [X.] 6 Satz 1 Bundesmantelvertrag-Ärzte auch von der [X.] R.-P. zu beachten. Dass die Erbringung von [X.] für Nuklearmediziner keineswegs fachfremd ist, belegt schon der Umstand, dass die für die Erteilung der Abrechnungsgenehmigung maßgebliche, auf der Grundlage von § 135 [X.] 2 SGB V erlassene Kernspintomographie-Vereinbarung vom 10.2.1993 (Stand 1.1.2015) unter § 4 ("Fachliche Befähigung Allgemeine Kernspintomographie") als Genehmigungsvoraussetzung ua die Berechtigung zum Führen der Gebiets- oder Schwerpunktbezeichnung "Nuklearmedizin" nennt ([X.] 1 [X.] aaO) und zudem in [X.] 4 aaO eigenständige Genehmigungsvoraussetzungen für Nuklearmediziner aufstellt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a [X.] 1 Satz 1 Teilsatz 3 SGG iVm einer entsprechenden Anwendung der §§ 154 ff VwGO. Danach hat der Beklagte die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, da er unterlegen ist (§ 154 [X.] 1 VwGO). Eine Erstattung der Kosten der Beigeladenen ist nicht veranlasst, da sie keine Anträge gestellt haben.

Meta

B 6 KA 37/14 R

16.12.2015

Bundessozialgericht 6. Senat

Urteil

Sachgebiet: KA

vorgehend SG Mainz, 7. Juni 2013, Az: S 2 KA 160/11, Urteil

§ 75 Abs 2 Alt 1 SGG, § 98 Abs 2 Nr 13 SGB 5, § 24 Abs 3 S 1 Nr 1 Ärzte-ZV vom 22.12.2006, § 24 Abs 3 S 1 Nr 2 Ärzte-ZV vom 22.12.2006, § 24 Abs 3 S 5 Ärzte-ZV vom 22.12.2006, § 24 Abs 3 S 6 Halbs F:2006-12-22 Ärzte-ZV, § 24 Abs 3 S 1 Nr 2 Ärzte-ZV vom 22.12.2011

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Urteil vom 16.12.2015, Az. B 6 KA 37/14 R (REWIS RS 2015, 533)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 533

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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