Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 12.07.2018, Az. 1 C 16/17

1. Senat | REWIS RS 2018, 6110

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Gegenstand

Generalprävention kann ein Ausweisungsinteresse begründen


Leitsatz

1. Generalpräventive Gründe können auch nach dem seit 1. Januar 2016 geltenden Ausweisungsrecht ein Ausweisungsinteresse im Sinne von § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG begründen.

2. Ein generalpräventives Ausweisungsinteresse muss zum entscheidungserheblichen Zeitpunkt noch aktuell sein. Das ist nicht der Fall, wenn es durch Zeitablauf so sehr an Bedeutung verloren hat, dass es bei der Anwendung des § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG nicht mehr herangezogen werden kann. Für Ausweisungsinteressen, die an strafbares Verhalten anknüpfen, bieten die strafrechtlichen Verjährungsfristen der §§ 78 ff. StGB einen geeigneten Rahmen zur Konkretisierung. Bei abgeurteilten Straftaten stellen die Fristen für ein Verwertungsverbot nach § 51 BZRG in jedem Fall die Obergrenze dar.

3. Ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht eigener Art nach Art. 20 AEUV besteht nach der Rechtsprechung des EuGH dann, wenn ein vom Drittstaatsangehörigen abhängiger Unionsbürger ohne den gesicherten Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen faktisch gezwungen wäre, das Unionsgebiet zu verlassen und ihm dadurch der tatsächliche Genuss des Kernbestands seiner Rechte als Unionsbürger verwehrt wird. Das Aufenthaltsrecht ist zu bescheinigen, wie dies in § 4 Abs. 5 AufenthG für das Bestehen eines assoziationsrechtlichen Aufenthaltsrechts vorgesehen ist.

Tatbestand

1

Der Kläger begehrt die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis aus familiären [X.]ründen, hilfsweise die Ausstellung einer Bescheinigung zum Nachweis eines unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts.

2

Der Kläger ist [X.] Staatsangehöriger. Er reiste im Jahr 2009 nach [X.] ein und beantragte hier unter falschem Namen seine Anerkennung als Asylberechtigter. Den Antrag lehnte das [X.] ([X.]) im Juni 2010 als offensichtlich unbegründet ab und stellte fest, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft offensichtlich nicht und Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 bis 7 [X.] nicht vorliegen. Die hiergegen gerichtete Klage wurde rechtskräftig abgewiesen.

3

In der Folgezeit beantragte der Kläger weiterhin unter falschem Namen Duldungen, die auch erteilt wurden. Eine Abschiebung war mangels Pass- oder Ersatzpapieren nicht möglich. Wegen wiederholter Zuwiderhandlungen gegen eine Aufenthaltsbeschränkung wurde der Kläger mit Strafbefehl vom 2. November 2010 rechtskräftig zu einer [X.]eldstrafe von 10 Tagessätzen und mit Strafbefehl vom 20. Januar 2011 rechtskräftig zu einer [X.]eldstrafe von 20 Tagessätzen verurteilt.

4

Im Januar 2013 erkannte der Kläger die Vaterschaft eines von einer [X.] Staatsangehörigen erwarteten Kindes an. Mit Schreiben vom 29. Januar 2013 teilte er der Ausländerbehörde unter Vorlage eines [X.] Reisepasses mit, dass er im Rahmen seiner Asylantragstellung wahrheitswidrig einen falschen Namen angegeben habe. Zugleich beantragte er die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 [X.], da er nach der [X.]eburt des Kindes, das die [X.] Staatsangehörigkeit erhalten werde, einen Anspruch hierauf habe. Der [X.] wurde am 3. März 2013 geboren, ein zweiter [X.] im September 2015. Beide Kinder sind [X.] Staatsangehörige und leben bei der Mutter. Das Sorgerecht wird von den Eltern gemeinsam ausgeübt.

5

Die Ausländerbehörde lehnte im April 2013 den Antrag des [X.] auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis ab. Sie berief sich dabei auf § 10 Abs. 3 [X.]. Der Asylantrag des [X.] sei nach § 30 Abs. 3 Nr. 1 Asyl([X.])[X.] abgelehnt worden. Zwar vermittele § 28 Abs. 1 [X.] grundsätzlich einen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis. Durch seine Straftaten, insbesondere seine langjährigen Falschangaben habe der Kläger jedoch objektive [X.] verwirklicht. Damit liege die Regelerteilungsvoraussetzung nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 [X.] nicht vor. Der hiergegen eingelegte Widerspruch wurde zurückgewiesen.

6

Dem Kläger wurden fortlaufend Duldungen erteilt, auf deren [X.]rundlage er sich in [X.] aufhält. Darin wird ihm auch die Erwerbstätigkeit gestattet.

7

Das Verwaltungsgericht wies die auf Erteilung der Aufenthaltserlaubnis gerichtete Klage ab. Der Verwaltungsgerichtshof hat mit Urteil vom 19. April 2017 das erstinstanzliche Urteil geändert und den Beklagten verpflichtet, dem Kläger eine Aufenthaltserlaubnis nach § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 [X.] zu erteilen. Sein Urteil hat er im Wesentlichen wie folgt begründet: Zwar sei wegen des als offensichtlich unbegründet abgelehnten Asylantrages ein strikter Rechtsanspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis erforderlich (§ 10 Abs. 3 [X.]). Ein solcher liege hier aber vor. Denn die Erteilungsvoraussetzungen des § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 [X.] seien ebenso erfüllt wie die des § 5 Abs. 1 Nr. 2 [X.]. Es liege kein Ausweisungsinteresse vor, wie es § 5 Abs. 1 Nr. 2 [X.] fordere. [X.]eneralpräventive [X.]ründe reichten hierfür nicht aus. Der Wortlaut der zum 1. Januar 2016 neu gefassten Ausweisungsvorschriften stehe einer Einbeziehung rein [X.] entgegen. § 53 Abs. 1 [X.] n.F. verlange eine aktuelle [X.]efährdung durch den Aufenthalt des Ausländers und erfasse damit die rein generalpräventiv begründete Ausweisung nicht. Eine Korrektur des [X.]esetzestextes im Wege der Analogie, der teleologischen Extension oder der Rechtsfortbildung widerspreche dem grundgesetzlichen Bestimmtheitsgebot. Zwar habe der [X.]esetzgeber ausweislich der [X.]esetzesbegründung auch nach der Neuregelung des [X.] generalpräventiv begründete Ausweisungen weiter ermöglichen wollen. Der gesetzgeberische Wille habe im [X.]esetzeswortlaut aber keinen Niederschlag gefunden und sei daher unbeachtlich. Die [X.]esetzesbegründung lasse auch nicht erkennen, in welchen Fällen nach neuem Recht generalpräventive Ausweisungen legitim seien und in welchem Verhältnis die [X.] der [X.]eneral- und der [X.] in dem neuartigen Abwägungsmodell des [X.] zueinander stehen sollten.

8

Hiergegen wendet sich der Beklagte mit seiner vom Verwaltungsgerichtshof zugelassenen Revision. Er ist der Auffassung, dass generalpräventive [X.]ründe auch nach dem neuen Ausweisungsrecht zu berücksichtigen seien. Im vorliegenden Fall liege aufgrund der abgeurteilten Straftaten und aufgrund der (strafrechtlich nicht geahndeten) jahrelangen Identitätstäuschung ein Ausweisungsinteresse im Sinne von § 5 Abs. 1 Nr. 2 [X.] vor.

9

Der Kläger schließt sich der Urteilsbegründung des Verwaltungsgerichtshofs an und macht weiterhin geltend, die Anerkennung eines generalpräventiven Ausweisungsinteresses führte in weitem Umfang zur "Vernichtung" gesetzlicher Ansprüche ohne die [X.]renzen, die bei spezialpräventiven Ausweisungen etwa bei fehlender Wiederholungsgefahr oder Tilgungsreife einer verhängten Strafe bestünden. Die Einschränkung solcher generalpräventiv motivierter Ausweisungsinteressen sei unverzichtbar, um zu verhältnismäßigen Ergebnissen zu kommen. Hilfsweise beruft er sich darauf, dass ihm aufgrund der Rechtsprechung des Eu[X.]H ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht zustehe, das aus Art. 20 AEUV abzuleiten sei, wenn ein Kleinkind mit Unionsbürgerschaft ohne den gesicherten Aufenthalt des drittstaatsangehörigen Elternteils faktisch zum Verlassen des [X.] gezwungen wäre. Die Voraussetzungen eines solchen unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts lägen hier vor.

Der Vertreter des [X.] beim [X.] beteiligt sich an dem Verfahren, sieht generalpräventive [X.]ründe als vom neuen Ausweisungsrecht erfasst an und hält dabei abgeurteilte Straftaten im Rahmen der Tilgungsfristen des Bundeszentralregistergesetzes für verwertbar.

Entscheidungsgründe

Die Revision des Beklagten hat Erfolg. Das Berufungsgericht hat den Beklagten zur Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis aus familiären [X.]ründen mit einer Begründung verpflichtet, die Bundesrecht verletzt. Abweichend von der Rechtsauffassung des Berufungsgerichts können generalpräventive [X.]ründe, wie sie hier zum maßgeblichen [X.]punkt der Berufungsentscheidung vorgelegen haben, auch nach dem seit 1. Januar 2016 geltenden Ausweisungsrecht ein [X.] im Sinne von § 5 Abs. 1 Nr. 2 [X.] begründen (1.). [X.]egen Bundesrecht verstößt das Urteil des Berufungsgerichts auch dadurch, dass es einen Anspruch des [X.] auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis bejaht hat, ohne zu prüfen, ob der Kläger das Erfordernis der Einreise mit dem erforderlichen Visum nach § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 [X.] erfüllt (2.). Während der Senat über den Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 28 [X.] abschließend entscheiden und die Berufung gegen das Urteil des [X.] zurückweisen konnte, war eine solche Entscheidung zu dem im Revisionsverfahren geltend gemachten Anspruch auf Ausstellung einer Bescheinigung zum Nachweis eines unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts nach Art. 20 A[X.]V nicht möglich (3.). Zur Prüfung, ob dessen Voraussetzungen vorliegen, war der Rechtsstreit insoweit an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.

[X.]egenstand des Revisionsverfahrens ist das Begehren des [X.] auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis aus familiären [X.]ründen nach § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 [X.], hilfsweise auf Ausstellung einer Bescheinigung zum Nachweis eines unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts nach Art. 20 A[X.]V.

Maßgebend für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist bei [X.] auf Erteilung eines Aufenthaltstitels wie auch auf Ausstellung einer Bescheinigung zum Nachweis eines unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts grundsätzlich der [X.]punkt der letzten mündlichen Verhandlung oder Entscheidung in der Tatsacheninstanz (stRspr, vgl. [X.], Urteile vom 7. April 2009 - 1 [X.] 17.08 - [X.]E 133, 329 Rn. 10 und vom 25. März 2015 - 1 [X.] 16.14 - [X.] 402.242 § 25 [X.] Nr. 22 Rn. 14). Dabei sind nach ständiger Rechtsprechung des [X.] Rechtsänderungen, die nach der Berufungsentscheidung eintreten, vom Revisionsgericht zu berücksichtigen, wenn sie das Berufungsgericht, wenn es jetzt entschiede, zu beachten hätte ([X.], Urteil vom 17. Dezember 2015 - 1 [X.] 31.14 - [X.]E 153, 353 Rn. 9). Der Entscheidung über die Verpflichtung zur Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach nationalem Recht sind daher die Vorschriften der § 5 Abs. 1 und 2, § 10 Abs. 3, § 53 Abs. 1 und § 54 [X.] in der Fassung zugrunde zu legen, die sie durch das [X.] vom 17. Juli 2017 ([X.]) erhalten haben. Seitdem hat sich die Rechtslage nicht geändert.

1. Dem Kläger steht kein Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis aus familiären [X.]ründen zu, weil es an der allgemeinen Regelerteilungsvoraussetzung des § 5 Abs. 1 Nr. 2 [X.] fehlt, dass kein [X.] besteht.

A. Für das Vorliegen eines [X.]s nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 [X.] kommt es nicht darauf an, ob der Ausländer tatsächlich ausgewiesen werden könnte. Vielmehr reicht es aus, dass ein [X.] gleichsam abstrakt - d.h. nach seinen tatbestandlichen Voraussetzungen - vorliegt, wie es insbesondere im Katalog des § 54 [X.] normiert ist. Der Begriff des [X.]s verweist auf das Ausweisungsrecht und greift die in § 53 Abs. 1, § 54 [X.] gewählte und anhand von Beispielen erläuterte Begriffsbildung auf. Diese Vorschriften regeln die Aufenthaltsbeendigung bei Vorliegen eines öffentlichen [X.]s. Umgekehrt setzt die Begründung eines rechtmäßigen Aufenthalts durch Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 2 [X.] in der Regel voraus, dass kein [X.] besteht. § 5 Abs. 1 Nr. 2 [X.] knüpfte in seiner bis zur Neuregelung geltenden Fassung an die damalige Terminologie des [X.] an und setzte in der Regel voraus, dass kein "[X.]" im Sinne der §§ 53 ff. [X.] a.F. vorlag. Die geänderte Fassung des § 5 Abs. 1 Nr. 2 [X.] stellt nach den [X.]esetzesmaterialien lediglich eine Folgeänderung zur Neuordnung des [X.] in den §§ 53 ff. [X.] dar (vgl. [X.]esetzentwurf der Bundesregierung vom 25. Februar 2015, [X.]. 18/4097 S. 35). Daher ist die zu § 5 Abs. 1 Nr. 2 [X.] a.F. und inhaltlich entsprechenden Vorläufervorschriften ergangene Rechtsprechung auf § 5 Abs. 1 Nr. 2 [X.] n.F. übertragbar. Danach kam es für das Vorliegen eines [X.]es nicht darauf an, ob der Ausländer tatsächlich ausgewiesen werden könnte (vgl. [X.], Urteil vom 28. September 2004 - [X.] 1 [X.] 10.03 - [X.]E 122, 94 <98>). Eine Abwägung mit den privaten [X.] erfolgt - sofern sie nicht durch § 10 Abs. 3 [X.] ausgeschlossen ist - erst im Rahmen der Frage, ob eine Abweichung vom Regelfall im Sinne des § 5 Abs. 1 [X.] vorliegt (oder im Rahmen einer - wie hier in § 27 Abs. 3 Satz 2 [X.] - spezialgesetzlich vorgesehenen Ermessensentscheidung).

B. Auch allein generalpräventive [X.]ründe können ein [X.] begründen. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts lässt der Wortlaut des § 53 Abs. 1 [X.] generalpräventive [X.]ründe zu. Diese grundlegende Norm des neuen [X.] verlangt nämlich nicht, dass von dem ordnungsrechtlich auffälligen Ausländer selbst eine [X.]efahr ausgehen muss. Vielmehr muss dessen weiterer "Aufenthalt" eine [X.]efährdung bewirken (so auch [X.], Urteile vom 23. Mai 2017 - 7 A 11445/16 - juris und vom 5. April 2018 - 7 A 11529/17 - juris; [X.], Urteil vom 28. Juni 2016 - 10 B 15.1854 - juris; [X.], Urteil vom 27. Februar 2018 - 6 A 2148/16 - AuAS 2018, 112; [X.]/[X.], in[X.]/[X.], [X.], 12. Aufl. 2018, § 53 [X.] Rn. 34 ff.; [X.], in: [X.], [X.], § 53 [X.] Rn. 27 ff.). Vom Aufenthalt eines Ausländers, der Straftaten begangen hat, kann aber auch dann eine [X.]efahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgehen, wenn von ihm selbst keine (Wiederholungs-)[X.]efahr mehr ausgeht, im Fall des Unterbleibens einer ausländerrechtlichen Reaktion auf sein Fehlverhalten andere Ausländer aber nicht wirksam davon abgehalten werden, vergleichbare Delikte zu begehen (vgl. zum früheren Ausweisungsrecht: [X.], Urteil vom 14. Februar 2012 - 1 [X.] 7.11 - [X.]E 142, 29 Rn. 17 ff.).

Der Wortlaut des § 53 Abs. 1 [X.] unterscheidet sich insoweit ausdrücklich von dem des § 53 Abs. 3 [X.], der für bestimmte ausländerrechtlich privilegierte Personengruppen verlangt, dass das "persönliche Verhalten des Betroffenen" eine schwerwiegende [X.]efahr darstellt. Insofern findet der in der [X.]esetzesbegründung ausdrücklich formulierte gesetzgeberische Wille, eine Ausweisungsentscheidung grundsätzlich auch auf generalpräventive Erwägungen stützen zu können ([X.]. 18/4097 S. 49), entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts im [X.]esetzeswortlaut seinen Niederschlag.

Entsprechendes gilt für die allgemeine Regelerteilungsvoraussetzung des § 5 Abs. 1 Nr. 2 [X.]. Diese verlangt das Fehlen eines [X.]s, ohne dieses auf Tatbestände einzugrenzen, bei denen die [X.]efahr vom Ausländer selbst ausgehen muss. Der Wortlaut des § 5 Abs. 1 Nr. 2 [X.] unterscheidet sich insoweit von anderen Tatbeständen, die das Fehlen einer vom Ausländer ausgehenden [X.]efahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung zur Erteilungsvoraussetzung erheben. So verlangen § 9 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 [X.] für die Erteilung einer Niederlassungserlaubnis und § 9a Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 [X.] für die Erlaubnis zum [X.] gleichlautend, dass [X.]ründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung unter Berücksichtigung u.a. der "vom Ausländer ausgehenden [X.]efahr" nicht entgegenstehen.

Ist der Wortlaut des § 53 Abs. 1 und des § 5 Abs. 1 Nr. 2 [X.] offen und stehen [X.]esichtspunkte der systematischen Auslegung - wie hier - jedenfalls nicht entgegen, kommt dem gesetzgeberischen Willen erhebliche Bedeutung für die [X.]esetzesauslegung zu. Dieser wird aus der [X.]esetzesbegründung der Bundesregierung im [X.]esetzentwurfs vom 25. Februar 2015 ([X.]. 18/4097 S. 49) hinreichend deutlich, wenn ausgeführt wird:

"Die Ausweisungsentscheidung kann grundsätzlich auch auf generalpräventive Erwägungen gestützt werden, wenn nach Abwägung aller Umstände des Einzelfalls das Interesse an der Ausreise das Interesse des Ausländers an einem weiteren Verbleib im [X.] überwiegt. Dies gilt allerdings nicht für die in § 53 Absatz 3 genannten Personengruppen. Hier ist die Ausweisung nur zulässig, wenn das persönliche Verhalten des Betroffenen gegenwärtig eine schwerwiegende [X.]efahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung darstellt, die ein [X.]rundinteresse der [X.]esellschaft berührt und die Ausweisung für die Wahrung dieses Interesses unerlässlich ist."

Des Weiteren ergibt sich auch aus dem [X.]esetz selbst, dass es generalpräventive [X.]n berücksichtigt sehen will. Denn gerade das im vorliegenden Fall einschlägige, nach der Einstufung des [X.]esetzgebers schwer wiegende [X.] wegen Falschangaben zur Verhinderung einer Abschiebung, das § 54 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a [X.] normiert, dient typischerweise generalpräventiven Interessen. Falschangaben - wie hier in [X.]estalt der Identitätstäuschung - bergen nach Entdeckung in aller Regel nicht mehr die [X.]efahr der Wiederholung durch den betreffenden Ausländer. Dessen Identität ist nach Aufdeckung der Täuschung in aller Regel geklärt. Dieses [X.] dient daher nicht - jedenfalls nicht vorrangig - spezialpräventiven Zwecken, sondern zielt maßgeblich darauf ab, verhaltenslenkend auf andere Ausländer einzuwirken, indem ihnen aufenthaltsrechtliche Nachteile im Falle eines pflichtwidrigen Verhaltens aufgezeigt werden.

Ergibt sich aus den anerkannten Methoden der [X.]esetzesauslegung, dass § 5 Abs. 1 Nr. 2 [X.] auch generalpräventive [X.]n erfasst, kommt es auf die umfangreichen Ausführungen des Berufungsgerichts zu den [X.]renzen einer Rechtsfortbildung ([X.]) nicht an.

[X.]. Ein generalpräventives [X.] steht der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 [X.] allerdings nur dann entgegen, wenn es noch aktuell ist, das heißt zum [X.]punkt der tatrichterlichen Entscheidung noch vorhanden ist. Das ist hier der Fall.

Dabei ist zu berücksichtigten, dass jedes generalpräventive [X.] mit zunehmendem [X.]abstand an Bedeutung verliert und ab einem bestimmten [X.]punkt - auch bei der Anwendung des § 5 Abs. 1 Nr. 2 [X.] - nicht mehr herangezogen werden kann (vgl. [X.], Urteil vom 22. Januar 2002 - 1 [X.] 6.01 - [X.]E 115, 352 <360>). Das [X.] enthält allerdings keine feste Regeln, wie lange ein bestimmtes [X.], wie es etwa in den Tatbeständen des § 54 [X.] normiert ist, verhaltenslenkende Wirkung entfaltet und einem Ausländer generalpräventiv entgegengehalten werden kann. Eine Heranziehung der in § 11 Abs. 3 [X.] festgelegten Kriterien für die Befristung eines Einreise- und Aufenthaltsverbots ist nicht möglich, da sie an die Ausreise des Ausländers anknüpfen. Auch geht es hier nicht um den Erlass einer Ausweisung und die damit zusammenhängende Frage, wie lange sich der Ausländer aus dem [X.] fernzuhalten hat, sondern lediglich um die Vorfrage, ob weiterhin ein [X.] besteht. Für die zeitliche Begrenzung eines generalpräventiven [X.]s, das an strafrechtlich relevantes Handeln anknüpft, hält der Senat für die vorzunehmende gefahrenabwehrrechtliche Beurteilung allerdings eine Orientierung an den Fristen der §§ 78 ff. St[X.]B zur Strafverfolgungsverjährung für angezeigt. Diese verfolgen zwar einen anderen Zweck, geben dem mit zunehmendem [X.]abstand eintretenden Bedeutungsverlust staatlicher Reaktionen (die an Straftaten anknüpfen) aber einen zeitlichen Rahmen, der nicht nur bei repressiven Strafverfolgungsmaßnahmen, sondern auch bei der Bewertung des generalpräventiven [X.]s herangezogen werden kann. Dabei bildet die einfache Verjährungsfrist des § 78 Abs. 3 St[X.]B, deren Dauer sich nach der verwirklichten Tat richtet und die mit Beendigung der Tat zu laufen beginnt, eine untere [X.]renze. Die obere [X.]renze orientiert sich hingegen regelmäßig an der absoluten Verjährungsfrist des § 78c Abs. 3 Satz 2 St[X.]B, die regelmäßig das Doppelte der einfachen Verjährungsfrist beträgt. Innerhalb dieses [X.]rahmens ist der Fortbestand des [X.]s anhand generalpräventiver Erwägungen zu ermitteln. Bei abgeurteilten Straftaten (hier: die beiden durch Strafbefehl geahndeten Verstöße gegen [X.]) bilden die Tilgungsfristen des § 46 BZR[X.] zudem eine absolute Obergrenze, weil nach deren Ablauf die Tat und die Verurteilung dem Betroffenen im Rechtsverkehr nicht mehr vorgehalten werden dürfen (§ 51 BZR[X.]).

Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe war das generalpräventiv auf die Identitätstäuschung des [X.] gestützte [X.] noch aktuell, das auf den abgeurteilten Rechtsverstößen des Zuwiderhandelns gegen [X.] beruhende hingegen nicht. Für die vom Kläger begangene Identitätstäuschung im Sinne von § 95 Abs. 2 Nr. 2 [X.], §§ 271, 276 und 276a St[X.]B beträgt die einfache Verjährungsfrist fünf Jahre, weil die Tat mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren bedroht ist. Die absolute Verjährungsfrist beträgt damit zehn Jahre. Die Verjährungsfrist begann mit Beendigung der Tat durch Offenbarung der wahren Identität des [X.] im Januar 2013 zu laufen. Zum maßgeblichen [X.]punkt der mündlichen Verhandlung des Berufungsgerichts im April 2017 war damit noch nicht einmal die einfache Verjährungsfrist abgelaufen. Die Aktualität des [X.]s dauert bei der vom Kläger begangenen Identitätstäuschung aber bis in den oberen Bereich des vom Senat zugrunde gelegten Fristenregimes fort. Denn es besteht ein hohes öffentliches Interesse an der Verhinderung von Identitätstäuschungen im aufenthaltsrechtlichen Verfahren, dem durch wirksame verhaltenslenkende Maßnahmen Rechnung zu tragen ist. Hinzu kommt im vorliegenden Fall, dass der Kläger nicht eine einmalige Täuschungshandlung begangen hat, sich seine Falschangaben vielmehr in zahlreichen Einzelakten über einen [X.]raum von mehr als zwei Jahren erstreckten. Eine aus dem BZR[X.] abzuleitende absolute Obergrenze besteht nicht, da die Identitätstäuschung strafrechtlich nicht geahndet wurde.

Demgegenüber ist das [X.], das sich aus den beiden durch Strafbefehl geahndeten Verstößen gegen [X.] ergab, nicht mehr aktuell. Denn die Verurteilungen nach § 85 Nr. 2 Asyl([X.])[X.] vom November 2010 und im Januar 2011 erfolgten zu [X.]eldstrafen von 10 und von 20 Tagessätzen und waren daher fünf Jahre nach den Verurteilungen zu tilgen (§ 46 Abs. 1 Nr. 1 BZR[X.]). Sie durften dem Kläger zum maßgeblichen [X.]punkt der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht im April 2017 nicht mehr vorgehalten werden.

Der Senat weist darauf hin, dass das [X.] im Sinne von § 5 Abs. 1 Nr. 2 [X.] objektiv bestimmt wird. Da es sich bei der Frage, ob die Erteilungsvoraussetzung des fehlenden [X.]s vorliegt, zudem um eine rechtlich gebundene Entscheidung handelt, sind die oben genannten [X.]renzen für die Aktualität eines generalpräventiven [X.]s auch dann zu beachten, wenn die Behörde ihre aufenthaltsrechtliche Entscheidung allein auf spezialpräventive [X.]ründe gestützt hat, objektiv aber zusätzlich ein generalpräventives [X.] vorliegt.

D. [X.] des [X.], wie sie insbesondere aus dem Interesse an weiterer Wahrnehmung der elterlichen Sorge für seine beiden minderjährigen Söhne resultieren, können bei der Frage der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 [X.] im vorliegenden Fall nicht berücksichtigt werden, da dem die Titelerteilungssperren des § 10 Abs. 3 Satz 1 und 2 [X.] entgegenstehen. Der Kläger hat einen Asylantrag gestellt, der im Jahr 2010 rechtskräftig abgelehnt worden ist, und zwar als offensichtlich unbegründet (§ 30 Abs. 3 Asyl[X.]). Damit darf ihm vor Ausreise kein Aufenthaltstitel erteilt werden. Durch die Titelerteilungssperren des § 10 Abs. 3 Satz 1 und 2 [X.] soll im Interesse einer effektiven Steuerung und Begrenzung der Einwanderung die missbräuchliche Stellung von Asylanträgen sanktioniert und der Anreiz für die Schaffung von [X.] nach negativem Abschluss eines Asylverfahrens reduziert werden. Die [X.] des § 10 Abs. 3 Satz 1 und 2 [X.] finden nur im Falle eines Anspruchs auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis keine Anwendung (§ 10 Abs. 3 Satz 3 [X.]). Dabei muss es sich nach der Rechtsprechung des Senats um einen strikten Rechtsanspruch handeln, der sich unmittelbar aus dem [X.]esetz ergibt. Das bedeutet, dass alle zwingenden und regelhaften Tatbestandsvoraussetzungen erfüllt sein müssen und die Behörde kein Ermessen mehr auszuüben hat. Hierfür genügt weder eine Soll- noch eine Ermessensvorschrift, selbst wenn im Einzelfall ein atypischer Fall vorliegt oder das Ermessen "auf Null" reduziert ist (stRspr, vgl. [X.], Urteile vom 10. Dezember 2014 - 1 [X.] 15.14 - [X.] 402.242 § 5 [X.] Nr. 16 Rn. 19 zu § 5 Abs. 2 Satz 1 [X.] und vom 17. Dezember 2015 - 1 [X.] 31.14 - [X.]E 153, 353 Rn. 20 ff. zu § 10 Abs. 1 [X.]).

Ein solcher strikter Rechtsanspruch liegt hier nicht vor, da der Kläger nicht die Tatbestandsvoraussetzungen der Regelerteilungsvoraussetzung des § 5 Abs. 1 Nr. 2 [X.] erfüllt. Ein mögliches unionsrechtliches Aufenthaltsrecht aus Art. 20 A[X.]V zur Sicherung des Aufenthaltsrechts der vom Drittstaatsangehörigen abhängigen Kinder in der [X.] (dazu nachstehend Rn. 32 ff.) ist kein nationaler Rechtsanspruch im Sinne von § 10 Abs. 3 Satz 3 [X.] und wird auch sonst von dieser Regelung nicht berührt. Aus einem solchen Rechtsanspruch ergibt sich ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht eigener Art, aber nicht ein nationaler Aufenthaltstitel nach § 28 [X.] mit den sich aus nationalem Recht ergebenden Beschränkungen und Verfestigungsmöglichkeiten.

[X.] des [X.], die sich insbesondere aus der Aufrechterhaltung des Kontakts zu seinen zwei minderjährigen Kindern ergeben, wird durch die ihm erteilte Duldung Rechnung getragen.

2. Das Urteil des Berufungsgerichts verstößt gegen Bundesrecht weiterhin dadurch, dass es einen Anspruch des [X.] auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 [X.] bejaht hat, ohne zu prüfen, ob der Kläger das Erfordernis der Einreise mit dem erforderlichen Visum nach § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 [X.] erfüllt. Die Entscheidung des Berufungsgerichts stellt sich insoweit auch nicht als im Ergebnis richtig dar. Denn der Kläger reiste im Jahr 2009 nach [X.] ein, ohne im Besitz eines für ihn als [X.] Staatsangehörigen erforderlichen Visums zu sein. Der Kläger kann die Aufenthaltserlaubnis auch nicht abweichend von § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 [X.] nach § 39 Nr. 5 [X.] ohne vorherige Ausreise erlangen. [X.]emäß § 39 Nr. 5 [X.] kann ein Ausländer einen Aufenthaltstitel im [X.] einholen, wenn seine Abschiebung nach § 60a [X.] ausgesetzt ist und er aufgrund der [X.]eburt eines Kindes während seines Aufenthalts im [X.] einen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis erworben hat. Die letztgenannte Voraussetzung erfüllt der Kläger nicht, weil er während seines Aufenthalts in [X.] keinen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis erworben hat. Denn auch unter einem "Anspruch" im Sinne von § 39 Nr. 5 [X.] ist grundsätzlich nur ein strikter Rechtsanspruch zu verstehen. Ein solcher Rechtsanspruch liegt nur dann vor, wenn alle zwingenden und regelhaften Tatbestandsvoraussetzungen erfüllt sind und die Behörde kein Ermessen mehr auszuüben hat (vgl. [X.], Urteil vom 10. Dezember 2014 - 1 [X.] 15.14 - [X.] 402.242 § 5 [X.] Nr. 16 Rn. 15 m.w.[X.]). Einen solchen Anspruch hat der Kläger jedoch nicht erworben, da er die Regelerteilungsvoraussetzung des § 5 Abs. 1 Nr. 2 [X.] nicht erfüllt hat, wie oben näher dargelegt.

Ein möglicher unionsrechtlicher Anspruch aus Art. 20 A[X.]V auf Sicherung des Aufenthaltsrechts der vom Drittstaatsangehörigen abhängigen Kinder in der [X.] ist kein nationaler Rechtsanspruch im Sinne von § 39 Nr. 5 [X.].

3. Nicht abschließend entscheiden konnte der Senat die Frage, ob der Kläger - wie von ihm hilfsweise geltend gemacht - einen Anspruch auf Ausstellung einer Bescheinigung zum Nachweis eines unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts nach Art. 20 A[X.]V hat. Der Rechtsstreit war daher insoweit für die erforderlichen Feststellungen an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.

Bei dem geltend gemachten Anspruch auf Ausstellung einer Bescheinigung zum Nachweis eines unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts nach Art. 20 A[X.]V handelt es sich um einen eigenen Streitgegenstand, den der Kläger noch in das Revisionsverfahren einbeziehen durfte. Denn das grundsätzliche Verbot der Klageänderung im Revisionsverfahren (§ 142 Vw[X.]O) erstreckt sich nicht auf eine nach § 173 Vw[X.]O i.V.m. § 264 Nr. 2 ZPO privilegierte Klageerweiterung. Danach ist eine Erweiterung des Klageantrags in der Hauptsache ohne Änderung des [X.] nicht als Änderung der Klage anzusehen. Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Denn mit der Berufung auf ein von seinen Kindern abgeleitetes unionsrechtliches Aufenthaltsrecht stützt sich der Kläger der Sache nach auf keinen anderen Lebenssachverhalt als mit seinem bisherigen Begehren auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach nationalem Recht zum Zusammenleben mit seinen Kindern. In beiden Fällen geht es darum, ob der Kläger wegen seiner hier lebenden Kinder einen Anspruch auf Aufenthaltslegalisierung hat.

Nach der Rechtsprechung des [X.]erichtshofs der [X.] kann einem Drittstaatsangehörigen wie dem Kläger ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht sui generis zustehen, das aus Art. 20 A[X.]V abgeleitet wird. Dieses setzt voraus, dass ein vom Drittstaatsangehörigen abhängiger Unionsbürger ohne den gesicherten Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen faktisch gezwungen wäre, das Unionsgebiet zu verlassen und ihm dadurch der tatsächliche [X.]enuss des [X.] seiner Rechte als Unionsbürger verwehrt wird (grundlegend: Eu[X.]H, Urteile vom 19. Oktober 2004 - [X.]-200/02 [E[X.]LI:[X.]:[X.]:2004:639], [X.] und [X.] - Rn. 25 ff.; vom 8. März 2011 - [X.]-34/09 [E[X.]LI:[X.]:[X.]:2011:124], [X.] - Rn. 41 ff.; in jüngerer [X.]: Urteile vom 13. September 2016 - [X.]-165/14 [E[X.]LI:[X.]:[X.]:2016:675], [X.] - NVwZ 2017, 218 Rn. 51 ff.; vom 10. Mai 2017 - [X.]-133/15 [E[X.]LI:[X.]:[X.]:2017:354], [X.]havez-Vilchez - NVwZ 2017, 1445 Rn. 70 ff.; vom 8. Mai 2018 - [X.]-82/16 [E[X.]LI:[X.]:[X.]:2018:308], [X.] - Rn. 64 ff; vgl. auch [X.], Urteil vom 30. Juli 2013 - 1 [X.] 9.12 - [X.]E 147, 261 Rn. 33 ff.).

Die [X.]ewährung eines solchen Aufenthaltsrechts kann nach der Rechtsprechung des Eu[X.]H jedoch nur "ausnahmsweise" oder bei "Vorliegen ganz besondere(r) Sachverhalte" erfolgen (Eu[X.]H, Urteile vom 15. November 2011 - [X.]-256/11 [E[X.]LI:[X.]:[X.]:2011:734], [X.] - NVwZ 2012, 97 Rn. 67; vom 8. November 2012 - [X.]-40/11 [E[X.]LI:[X.]:[X.]:2012:691], [X.] - NVwZ 2013, 357 Rn. 71 und vom 8. Mai 2018 - [X.]-82/16 - Rn. 51). Verhindert werden soll nämlich nur eine Situation, in der der Unionsbürger für sich keine andere Wahl sieht als einem Drittstaatsangehörigen, von dem er rechtlich, wirtschaftlich oder affektiv abhängig ist, bei der Ausreise zu folgen oder sich zu ihm ins Ausland zu begeben und deshalb das Unionsgebiet zu verlassen (vgl. [X.], Urteil vom 30. Juli 2013 - 1 [X.] 9.12 - [X.]E 147, 261 Rn. 34). [X.]egen eine rechtliche und wirtschaftliche Abhängigkeit spricht etwa die Tatsache, dass ein minderjähriger Unionsbürger - wie hier - mit einem sorgeberechtigten Elternteil zusammenlebt, der über ein Daueraufenthaltsrecht verfügt und berechtigt ist, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen. Allerdings ist es möglich, dass dessen ungeachtet eine so große affektive Abhängigkeit des Kindes von dem nicht aufenthaltsberechtigten Elternteil besteht, dass sich das Kind zum Verlassen des [X.] gezwungen sähe, wenn dem Drittstaatsangehörigen ein Aufenthaltsrecht verweigert würde. Einer solchen - hier vom Berufungsgericht zu treffenden - Feststellung muss die Berücksichtigung sämtlicher Umstände des Einzelfalls unter Berücksichtigung des Kindeswohls zugrunde liegen, insbesondere des Alters des Kindes, seiner körperlichen und emotionalen Entwicklung, des [X.]rades seiner affektiven Bindung sowohl zu dem Elternteil, der Unionsbürger ist, als auch zu dem Elternteil mit [X.] und des Risikos, das mit der Trennung von Letzterem für das innere [X.]leichgewicht des Kindes verbunden wäre (vgl. Eu[X.]H, Urteil vom 10. Mai 2017 - [X.]-133/15 - Rn. 71; [X.], Urteil vom 30. Juli 2013 - 1 [X.] 15.12 - [X.]E 147, 278 Rn. 32 ff.). Dabei ist auch die Dauer einer zu erwartenden Trennung des Kindes vom drittstaatsangehörigen Elternteil zu berücksichtigen. Insoweit spielt eine Rolle, ob der Drittstaatsangehörige das Unionsgebiet - etwa zur Nachholung des Visumverfahrens - für unbestimmte [X.] oder aber nur für einen kurzen, verlässlich zu begrenzenden [X.]raum zu verlassen hat (vgl. dazu Eu[X.]H, Urteil vom 8. Mai 2018 - [X.]-82/16 - Rn. 56 und 58).

Das Berufungsgericht hat - auf der [X.]rundlage seiner Rechtsauffassung und des im Berufungsverfahrens anhängigen Streitgegenstands - keine hinreichenden tatrichterlichen Feststellungen getroffen, die eine abschließende Beurteilung erlauben, ob zwischen dem Kläger und seinen Kindern ein derartiges tatsächliches Abhängigkeitsverhältnis besteht. Die entsprechenden Feststellungen wird das Berufungsgericht nunmehr zu treffen haben. Sollte es die Voraussetzungen für ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht aus Art. 20 A[X.]V als erfüllt ansehen, wäre dem durch Ausstellung einer Bescheinigung zum Nachweis dieses Rechts Rechnung zu tragen. Hierbei handelt es sich um keine Aufenthaltserlaubnis nach nationalem Recht mit den sich aus dem [X.] ergebenden Beschränkungen und Verfestigungsmöglichkeiten. Es ist auch keine Aufenthaltskarte nach dem Freizüg[X.]/[X.] auszustellen, da eine solche in Umsetzung der Vorgaben aus der Unionsbürgerrichtlinie andere Voraussetzungen hat, die hier nicht erfüllt sind. Vielmehr handelt es sich um die Bescheinigung eines unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts eigener Art, wie sie in § 4 Abs. 5 [X.] für das Bestehen eines assoziationsrechtlichen Aufenthaltsrechts vorgesehen ist.

4. [X.] beruht auf § 154 Abs. 1 Vw[X.]O, soweit über die Klage abschließend entschieden worden ist. Soweit der Rechtsstreit noch weiterer Verhandlung und Entscheidung bedarf, war die Kostenentscheidung hingegen der Schlussentscheidung vorzubehalten.

Meta

1 C 16/17

12.07.2018

Bundesverwaltungsgericht 1. Senat

Urteil

Sachgebiet: C

vorgehend Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg, 19. April 2017, Az: 11 S 1967/16, Urteil

Art 20 AEUV, § 30 Abs 3 AsylVfG 1992, § 85 Nr 2 AsylVfG 1992, § 10 Abs 3 AufenthG, § 28 Abs 1 S 1 Nr 3 AufenthG, § 4 Abs 5 AufenthG, § 5 Abs 1 Nr 2 AufenthG, § 5 Abs 2 S 1 Nr 1 AufenthG, § 53 Abs 3 AufenthG, § 53 Abs 1 AufenthG, § 54 Abs 2 Nr 9 AufenthG, § 54 Abs 2 Nr 8a AufenthG, § 9 Abs 2 S 1 Nr 4 AufenthG, § 95 Abs 2 Nr 2 AufenthG, § 9a Abs 2 S 1 Nr 5 AufenthG, § 39 Nr 5 AufenthV, § 46 BZRG, § 51 BZRG, § 271 StGB, § 78 Abs 3 StGB, § 78c Abs 3 S 2 StGB, § 142 VwGO

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 12.07.2018, Az. 1 C 16/17 (REWIS RS 2018, 6110)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2018, 6110

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