Bundesgerichtshof, Urteil vom 06.07.2010, Az. VI ZR 198/09

6. Zivilsenat | REWIS RS 2010, 5126

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Gegenstand

Arzthaftung: Aufklärungspflicht über das Risiko einer Querschnittslähmung bei Durchführung einer PRT; richterliche Pflicht zur Klärung von Zweifeln an Bekundungen des medizinischen Sachverständigen


Leitsatz

1. Der Umstand, dass bei der konkreten Behandlung (hier: PRT) über eine Querschnittlähmung noch nicht berichtet worden ist, reicht nicht aus, dieses Risiko als lediglich theoretisches Risiko einzustufen und eine Aufklärungspflicht zu verneinen .

2. Liegen der Beurteilung des gerichtlichen Sachverständigen medizinische Fragen zugrunde, muss der Richter mangels eigener Fachkenntnisse Unklarheiten und Zweifel bei den Bekundungen des Sachverständigen durch eine gezielte Befragung klären .

Tenor

Auf die Revision des [X.] wird das Urteil des 1. Zivilsenats des [X.] vom 5. Juni 2009 aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Der Kläger nimmt den Beklagten nach einer am 22. August 2001 in dessen orthopädischer Praxis durchgeführten CT-gestützten periradikulären Therapie ([X.]) im Bereich der Nervenwurzel C 7 links auf Schadensersatz in Anspruch.

2

Nach erfolglosen konservativen Behandlungen stellte sich der Kläger am 16. August 2001 bei dem Beklagten vor, der eine Kernspintomographie der Halswirbelsäule veranlasste. Die Untersuchung ergab Anzeichen für einen Verschleiß im Bereich der Wirbelsäule in Höhe C 5/6. Zudem wurden eine Protrusion (Vorwölbung) mit [X.] in Höhe C 7 links und ein konstitutionell grenzwertig enger Spinalkanal diagnostiziert.

3

Der Beklagte empfahl die Durchführung einer [X.]. In der vom Kläger am 17. August 2001 unterzeichneten Einverständniserklärung heißt es zu den Risiken des Eingriffs unter anderem: "Als Komplikation ist bei einigen wenigen Patienten eine längerfristige Lähmung eingetreten, die sich jedoch wieder vollständig rückbildete."

4

Am 22. August 2001 wurde die [X.] vom Beklagten durchgeführt. Der Kläger hatte unter diesem Datum auch eine Einverständniserklärung zur Periduralanästhesie oder "Stand By" bei "[X.] ([X.])" unterzeichnet. In dieser Einverständniserklärung heißt es unter anderem: "Lähmungen (auch Querschnittslähmungen) nach Blutungen, Entzündungen oder direkten Nervenverletzungen sind extrem selten."

5

Bei Durchführung der [X.] kam es zu Komplikationen. Beim Kläger traten eine akute Tetraplegie und eine starke Atemnot ein. Durch den in [X.] anwesenden Anästhesisten erfolgte eine notfallmäßige Intubation und Verlegung in das [X.], wo der Kläger intensivmedizinisch versorgt wurde. Obgleich er anschließend bis November 2002 im [X.] und im [X.] behandelt wurde, blieb die Tetraplegie irreversibel, so dass der Kläger schwerstbehindert und zu 100 % erwerbsunfähig ist.

6

Das [X.] hat die Klage abgewiesen. Die Berufung des [X.] wurde zurückgewiesen. Das Berufungsgericht hat die Revision zugelassen, weil klärungsbedürftig sei, inwieweit aus Rechtsgründen von der Einschätzung eines gerichtlichen Sachverständigen abgewichen werden darf, der aus medizinischer Sicht den Hinweis auf ein theoretisch bestehendes Risiko für erforderlich hält. Mit der Revision verfolgt der Kläger seine Ansprüche unter dem Gesichtspunkt einer [X.] wegen der nicht erfolgten Aufklärung über das Risiko einer Querschnittlähmung weiter.

Entscheidungsgründe

I.

7

Nach Auffassung des Berufungsgerichts führt der Umstand, dass der Kläger, wie das [X.] unbeanstandet festgestellt habe, über das Risiko einer dauerhaften Querschnittlähmung nicht aufgeklärt worden sei, nicht zu einer Haftung des Beklagten. Nach dem maßgeblichen Kenntnisstand zum Zeitpunkt des Eingriffs sei der Beklagte weder verpflichtet gewesen, über das Risiko einer Querschnittlähmung bei Durchführung einer [X.] aufzuklären, noch habe eine generelle Aufklärungspflicht über das Risiko einer Querschnittlähmung bei wirbelsäulennahen Injektionen bestanden.

8

Zum Zeitpunkt des streitgegenständlichen Eingriffs sei weltweit erst einmal in der [X.] [X.] "[X.]" im April/Mai 2001 über [X.] bei diagnostischer oder therapeutischer Wurzelinfiltration berichtet worden. Der Beklagte habe zudem Fachliteratur zitiert, in der ein solches Risiko bei Durchführung einer [X.] oder entsprechenden Maßnahmen nicht erwähnt sei. Er habe außerdem unwidersprochen geltend gemacht, dass auch Kollegen im Jahre 2001 bei Durchführung einer [X.] nicht über dieses Risiko aufgeklärt hätten. Erst ab dem [X.] sei auf die Gefahr einer Querschnittlähmung bei Durchführung einer [X.] hingewiesen worden. Die [X.] in der Zeitschrift "[X.]" habe ein niedergelassener Orthopäde als nicht fachspezifische Publikation nicht zeitnah zur Kenntnis nehmen müssen.

9

Es habe auch keine generelle Verpflichtung bestanden, über das Risiko einer Querschnittlähmung aufzuklären. Zwar habe der gerichtliche Sachverständige die Ansicht vertreten, dass es sich bei der Querschnittlähmung im [X.] nicht um eine typische, aber um eine denkbare, wenn auch extrem seltene Komplikation handele, auf welche der Kläger wegen der damit verbundenen enormen Tragweite aus medizinischer Sicht hätte hingewiesen werden müssen. Es habe sich dabei aber um eine lediglich theoretisch bestehende Möglichkeit des Auftretens einer Komplikation gehandelt, über die nicht habe aufgeklärt werden müssen.

II.

Die Ausführungen des Berufungsgerichts halten einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand. Die bisherigen Feststellungen reichen nicht aus, um die Verletzung einer Verpflichtung des Beklagten zur Aufklärung über das Risiko einer Querschnittlähmung zu verneinen.

1. Das Berufungsgericht entspricht in seinem rechtlichen Ausgangspunkt allerdings der Rechtsprechung des erkennenden Senats. Danach muss der Patient "im Großen und Ganzen" wissen, worin er einwilligt. Dazu muss er über die Art des Eingriffs und seine nicht ganz außerhalb der Wahrscheinlichkeit liegenden Risiken informiert werden, soweit diese sich für einen medizinischen Laien aus der Art des Eingriffs nicht ohnehin ergeben und für seine Entschließung von Bedeutung sein können. Dem Patienten muss eine allgemeine Vorstellung von der Schwere des Eingriffs und den spezifisch mit ihm verbundenen Risiken vermittelt werden, ohne diese zu beschönigen oder zu verschlimmern (vgl. Senatsurteile BGHZ 90, 103, 106, 108; 144, 1, 5). Die Notwendigkeit zur Aufklärung hängt bei einem spezifisch mit der Therapie verbundenen Risiko nicht davon ab, wie oft das Risiko zu einer Komplikation führt. Entscheidend ist vielmehr die Bedeutung, die das Risiko für die Entschließung des Patienten haben kann. Bei einer möglichen besonders schweren Belastung für seine Lebensführung ist deshalb die Information über ein Risiko für die Einwilligung des Patienten auch dann von Bedeutung, wenn sich das Risiko sehr selten verwirklicht (vgl. Senatsurteile BGHZ 90, 103, 107; 144, 1, 5 f.; vom 2. November 1993 - [X.] - [X.], 104, 105; vom 21. November 1995 - [X.] - [X.], 330, 331).

Die Haftung aus verletzter Aufklärungspflicht setzt voraus, dass das Risiko nach damaliger medizinischer Erfahrung bekannt war bzw. den behandelnden Ärzten hätte bekannt sein müssen. Ist ein Risiko im Zeitpunkt der Behandlung noch nicht bekannt, besteht keine Aufklärungspflicht. Ist es dem behandelnden Arzt nicht bekannt und muss es ihm auch nicht bekannt sein, etwa weil es nur in anderen Spezialgebieten der medizinischen Wissenschaft diskutiert wird, entfällt eine Haftung des Arztes mangels Verschuldens (vgl. Senatsurteile vom 12. Dezember 1989 - [X.] - [X.], 522, 523; vom 21. November 1995 - [X.] - [X.], 233; Kurzbegründung im Nichtannahmebeschluss des Senats vom 26. September 1995 - [X.] - zum Urteil des [X.] [X.], 377, 378; Geiß/[X.], [X.], 6. Aufl., [X.] Rn. 46; Laufs/[X.]/Lipp-[X.], Arztrecht, 6. Aufl., [X.] Rn. 24). Zudem sind in aller Regel rein theoretisch bleibende Erörterungen über Risiken, die bei anderer Behandlungsstrategie bekannt sind, für die Entscheidungsfindung des Patienten ebenso wenig von Bedeutung wie allgemeine Überlegungen dazu, dass der Eintritt bislang unbekannter Komplikationen in der Medizin wohl nicht ganz auszuschließen ist (vgl. Senatsurteile [X.], 103 Rn. 14; vom 12. Dezember 1989 - [X.] - aaO).

2. Die Feststellungen des Berufungsgerichts reichen nicht aus, um im Streitfall eine schuldhafte [X.] deshalb zu verneinen, weil das Risiko einer Querschnittlähmung als lediglich theoretisch bestehende Möglichkeit einzustufen sei. Das Berufungsgericht begründet seine Auffassung damit, dass der gerichtliche Sachverständige seine abweichende Meinung nur auf ein lediglich theoretisch bestehendes Risiko der Querschnittlähmung bei Durchführung einer [X.] gestützt habe und dies rechtlich nicht für die Annahme einer diesbezüglichen Aufklärungspflicht ausreiche. Dies entnimmt es dem Umstand, dass vor der [X.] im Frühjahr 2001 in der Fachliteratur ein Querschnittlähmungsrisiko bei Durchführung einer [X.] oder entsprechenden Maßnahmen nicht berichtet und auch eine Aufklärung darüber in der Praxis nicht durchgeführt worden sei. Maßgeblich stellt es darauf ab, dass der Sachverständige bei seiner mündlichen Anhörung ausgeführt habe, auch bei einer [X.] könne ein Hämatom entstehen. Dies gelte jedenfalls in der Theorie, da dieses Phänomen noch nicht beschrieben worden sei. Auf dieser Grundlage lässt sich entgegen der Einschätzung des gerichtlichen Sachverständigen, der aus medizinischer Sicht den Hinweis auf ein solches Risiko für erforderlich hält, eine [X.] nicht verneinen.

a) Grundsätzlich ist die Beweiswürdigung dem Tatrichter vorbehalten, an dessen Feststellungen das Revisionsgericht gemäß § 559 ZPO gebunden ist. Das Revisionsgericht kann lediglich nachprüfen, ob sich der Tatrichter entsprechend dem Gebot des § 286 ZPO mit dem Prozessstoff und den [X.] umfassend und widerspruchsfrei auseinandergesetzt hat, die Beweiswürdigung also vollständig und rechtlich möglich ist und nicht gegen Denkgesetze und Erfahrungssätze verstößt (vgl. Senatsbeschluss vom 9. Juni 2009 - [X.]/08 - [X.], 1406 Rn. 5 m.w.N.). Die rechtliche Wertung, ob eine [X.] vorliegt, ist zwar Aufgabe des [X.]s. Im [X.] ist jedoch zu beachten, dass sich das Gericht nicht mit einer eigenen Interpretation über Widersprüche oder Unklarheiten in den Ausführungen des Sachverständigen hinwegsetzen darf. Jedenfalls soweit seiner Beurteilung medizinische Fragen zugrunde liegen, muss der [X.] mangels eigener Fachkenntnisse Unklarheiten und Zweifel bei den Bekundungen des Sachverständigen durch eine gezielte Befragung klären. Andernfalls bietet der erhobene [X.] keine ausreichende Grundlage für die tatrichterliche Überzeugungsbildung (vgl. Senatsurteil vom 27. März 2001 - [X.], 859, 860 m.w.N.).

b) Im Streitfall hat das Berufungsgericht die Ausführungen des Sachverständigen nicht in ihrem vollständigen Aussagegehalt gewürdigt, sondern seiner rechtlichen Bewertung maßgeblich dessen Ausführungen zur Möglichkeit der Entstehung eines Hämatoms zugrunde gelegt. Die sich daraus ergebende Verkürzung auf eine lediglich theoretisch bestehende Möglichkeit wird den Ausführungen des Sachverständigen nicht gerecht. Dieser hat darauf abgestellt, dass bleibende Lähmungen bis hin zu [X.] nach wirbelsäulennahen Injektionen allgemein nicht auszuschließen seien, auch wenn der Entstehungsmechanismus unterschiedliche Ursachen haben kann. Er hat bei seiner mündlichen Anhörung ausdrücklich erklärt, er halte eine Aufklärung über das Risiko einer Querschnittlähmung auch dann für erforderlich, wenn noch keine Vorfälle einer Querschnittlähmung bei der Durchführung von [X.] bekannt geworden seien. Entscheidend sei dabei, dass die Wirbelsäule das zentrale Nervensystem enthalte und unbeabsichtigt Blutungen entstehen könnten. Wenn dies geschehe, habe man die Querschnittlähmung. Dies wisse man von anderen wirbelsäulennahen Eingriffen, wie z.B. der [X.]. Die durch die [X.]T-Kontrolle mögliche, äußerst genaue Positionierung der Nadel schließe die bekannten Komplikationen anderer wirbelsäulennaher Injektionstechniken nicht aus. Bei der [X.] von [X.] und [X.] aus dem Jahre 1976, aus der sich die Möglichkeit der Schädigung einer Nervenwurzel und das Risiko einer irreversiblen Querschnittlähmung bei paravertebralen Injektionen ergebe, handele es sich um die gleiche - wenn auch nicht unter [X.]T durchgeführte - Methode, die auch heute noch angewandt werde, so dass auch bei [X.]T-gesteuerten [X.] eine Aufklärung über das Risiko einer Querschnittlähmung erfolgen müsse. Er hat in diesem Zusammenhang ausgeführt, dass das Risiko insbesondere die möglichen Blutungen seien.

[X.] hat mithin seine Auffassung aus den allgemeinen anatomischen Gegebenheiten bei wirbelsäulennahen Injektionen abgeleitet und ist trotz Hinterfragung seiner Auffassung bei seiner Einschätzung geblieben. Unter diesen Umständen hätte das Berufungsgericht durch eine gezielte Befragung klären müssen, ob es sich bei den nach Auffassung des Sachverständigen aus den anatomischen Gegebenheiten abzuleitenden Gefahren um eine rein theoretische Gefahr handelt. Dessen Ausführungen deuten darauf hin, dass er den Begriff "theoretisch" nur deswegen gebraucht hat, weil das inzwischen bekannte Phänomen vor 2001 noch nicht beschrieben worden ist, und dass er die Entstehung eines Hämatoms nur als ein Beispiel für eine Verursachung der Schädigung angeführt hat. Alleine wegen der in diesem Zusammenhang erfolgten Verwendung des Begriffs "theoretisch" kann eine [X.] nicht verneint werden. Eine solche Verpflichtung besteht nämlich dann, wenn gemäß den Ausführungen des Sachverständigen bereits aufgrund der anatomischen Verhältnisse der Wirbelsäule davon auszugehen ist, dass bei einer [X.] in gleicher Weise die Gefahr einer Querschnittlähmung besteht wie bei anderen Behandlungen, bei denen eine solche Gefahr schon vor dem [X.] bekannt war. Bei der im Streitfall gegebenen besonders schweren Belastung für die Lebensführung des Patienten bei Verwirklichung des Risikos kommt es für das Informationsbedürfnis des Patienten weder darauf an, aus welchen Gründen eine Querschnittlähmung eintreten kann und ob dies im Einzelnen geklärt ist, noch darauf, ob im Einzelfall das Risiko einer tiefen oder (sogar noch schwerer wiegenden) hier vorliegenden hohen Querschnittlähmung besteht. Entscheidend ist für ihn, dass er vor der Entscheidung für eine Behandlung darüber informiert ist, dass ein solches Risiko aufgrund der bestehenden anatomischen Verhältnisse besteht, und er dies in seine Abwägung einbeziehen kann. Sollte sich eine solche Gefahr bei einer [X.] schon aus den anatomischen Verhältnissen ergeben, hätte schon zum Zeitpunkt der Behandlung ein spezifisches - nicht nur theoretisches - Risiko der konkreten Behandlung vorgelegen, über das grundsätzlich auch ohne vorher bekannt gewordene Schadensfälle aufzuklären war. Eine Haftung des Beklagten könnte dann allenfalls entfallen, wenn das Gericht - nach sachverständiger Beratung - zu dem Ergebnis käme, dass eine entsprechende Kenntnis von einem niedergelassenen Orthopäden zum damaligen Zeitpunkt nicht verlangt werden konnte.

3. Der Senat weist vorsorglich noch auf Folgendes hin: Soweit das Berufungsgericht ausführt, aus der persönlichen Anhörung des [X.] beim [X.] ergebe sich, dass ein rein abstrakter Hinweis auf die Gefahr einer Querschnittlähmung für ihn seinerzeit keine Bedeutung gehabt hätte, ergibt sich schon deswegen nichts anderes, weil bei Bestehen der vom gerichtlichen Sachverständigen angenommenen Aufklärungspflicht ein lediglich abstrakter Hinweis jedenfalls auch nicht vorgelegen hatte. Sollte das Berufungsgericht mit seinen Ausführungen das Vorliegen einer hypothetischen Einwilligung andeuten wollen, könnte eine hypothetische Einwilligung nicht auf die erstinstanzliche Anhörung des [X.] gestützt werden, weil der Tatrichter Feststellungen darüber, wie sich ein Patient bei ausreichender Aufklärung entschieden hätte, und ob er in einen [X.] geraten wäre, grundsätzlich nicht ohne persönliche Anhörung des Patienten treffen darf (vgl. Senatsurteile vom 26. Juni 1990 - [X.] - [X.], 1238, 1239 f.; vom 1. Februar 2005 - [X.]/03 - [X.], 694; vom 17. April 2007 - [X.]/06 - [X.], 999, 1000). Bei einer etwaigen Prüfung dieser Frage muss das Gericht berücksichtigen, dass es ausreicht, wenn der [X.] plausibel, also nachvollziehbar dargelegt wird.

4. Die Sache ist mithin an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, damit dieses mittels sachverständiger Beratung klären kann, ob aufgrund der anatomischen Gegebenheiten der Wirbelsäule bei einer [X.] ebenso wie bei anderen wirbelsäulennahen Injektionen generell das spezifische Risiko einer Querschnittlähmung besteht, und ob dies dem Beklagten zum Zeitpunkt der Behandlung bekannt sein musste.

Galke     

        

Zoll     

        

Wellner

        

Diederichsen     

        

Stöhr     

        

Meta

VI ZR 198/09

06.07.2010

Bundesgerichtshof 6. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend Hanseatisches Oberlandesgericht Hamburg, 5. Juni 2009, Az: 1 U 66/08, Urteil

§ 823 Abs 1 BGB, § 286 ZPO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 06.07.2010, Az. VI ZR 198/09 (REWIS RS 2010, 5126)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 5126

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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