Bundespatentgericht, Beschluss vom 17.06.2010, Az. 27 W (pat) 510/10

27. Senat | REWIS RS 2010, 5739

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Gegenstand

Markenbeschwerdeverfahren – "TESSARA/TEESAR" – Warenidentität und -ähnlichkeit – schriftbildliche und klangliche Verwechslungsgefahr - Phantasiebegriffe


Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Marke 307 80 178

hat der 27. Senat ([X.]) des [X.] am 17. Juni 2010 durch [X.] [X.] und [X.] und Kruppa

beschlossen:

Der Beschluss der Markenstelle für Klasse 24 des [X.] vom 2. Oktober 2009 wird aufgehoben.

Die Marke Nr. 307 80 178 ist aufgrund des Widerspruchs aus der Marke Nr. 1 138 520 zu löschen.

Gründe

I.

1

[X.] hat gegen die am 29. Februar 2008 veröffentlichte [X.]intragung der am 10. Dezember 2007 angemeldeten, für

2

3

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5

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geschützten Marke Nr. 307 80 178

7

T[X.][X.][X.]ARA

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Widerspruch eingelegt aus ihrer am 22. April 1988 angemeldeten und seit 24. April 1989 für

9

eingetragenen Marke eingetragenen Nr. 1 138 520

[X.].

Die Markenstelle für Klasse 24 des [X.] hat mit Beschluss vom 2. Oktober 2009 den Widerspruch mit der Begründung zurückgewiesen, die gegenüberstehenden Marken seien nicht in dem Maße einander ähnlich, dass die Gefahr von Verwechslungen zu befürchten sei. Die [X.] wiedergegeben wie „[X.]“ und die Widerspruchsmarke zweisilbig wie „[X.]-[X.]AR“. Die [X.] habe die Vokalfolge von „[X.]“ und die Widerspruchsmarke von „[X.]“, wobei der zweite Vokal „[X.]“ nicht gesondert anklinge. Nachdem die erste [X.]ilbe der Widerspruchsmarke „[X.]“ betont und lang gesprochen werde und bei der [X.] lediglich die zweite [X.]ilbe „[X.]A“ betont gesprochen werde, wichen die Vergleichsmarken auch in ihrem [X.]prech- und Betonungsrhythmus wesentlich voneinander ab. Diese Unterschiede seien klanglich nicht zu überhören. Auch scheide eine schriftbildliche Verwechslungsgefahr aus, da die Marken in der [X.] und am Wortende wesentlich voneinander abwichen, was nicht übersehen werden könne. Für den klanglichen Gesamteindruck einer Marke komme es weniger auf einzelne Laute als vielmehr auf die [X.]ilbengliederung und Vokalfolge an. Wenn auch im allgemeinen den [X.] eine größere Bedeutung für das Klangbild zufalle, könnten sie doch im [X.]inzelfall durch andere Umstände, wie z. B. abweichende Verbindungskonsonanten oder unterschiedliche Betonung, derart an Gewicht verlieren, dass eine markenrechtlich relevante Verwechslungsgefahr zu verneinen sei. Nach alledem sei selbst bei Berücksichtigung ungünstiger Übermittlungsbedingungen und unter Zugrundelegung des [X.] mit Verwechslungen der beiderseitigen Kennzeichnungen nicht oder zumindest nicht in einem markenrechtlich beachtlichen Umfang zu rechnen.

Mit ihrer Beschwerde macht die Widersprechende im Wesentlichen geltend, die Marken seien schriftbildlich und klanglich hochgradig ähnlich; im [X.]chriftbild unterschieden sie sich nur geringfügig, auch sei eine erhebliche [X.] vorhanden. Da die einander gegenüberstehenden Waren teils identisch, teils hochgradig ähnlich seien und der Widerspruchsmarke eine durchschnittliche Kennzeichnungskraft zukomme, halte die angegriffene Marke den erforderlichen [X.] nicht ein. [X.]s sei daher nicht gerechtfertigt, den Widerspruch zurückzuweisen.

[X.] beantragt,

den Beschluss der Markenstelle für Klasse 24 des [X.] vom 2. Oktober 2009 aufzuheben und die Marke Nr. 307 80 178 wegen des Widerspruchs aus der eingetragenen Marke Nr. 1 138 520 zu löschen.

Der Markeninhaber beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

[X.]einer Auffassung nach ist eine Markenähnlichkeit aus den zutreffenden Gründen des angefochtenen Beschlusses zu verneinen.

II.

A. Da nur die Widersprechende, nicht aber der Inhaber der angegriffenen Marke hilfsweise um die Anberaumung einer mündlichen Verhandlung gebeten hat und der [X.]enat eine mündliche Verhandlung für nicht erforderlich erachtet, kann im schriftlichen Verfahren entschieden werden, nachdem der Inhaber der angegriffenen Marke ausreichend Gelegenheit hatte, zu der Beschwerde der Widersprechenden schriftlich [X.]tellung zu nehmen.

B. Die zulässige Beschwerde hat in der [X.]ache [X.]rfolg. [X.]ntgegen der Auffassung der Markenstelle kann eine Gefahr von Verwechslungen der Vergleichsmarken nach § 43 Abs. 2 [X.]atz 2, § 42 Abs. 2 Nr. 1, § 9 Abs. 1 Nr. 2 [X.] nicht verneint werden.

1. Die [X.]intragung einer Marke ist auf den Widerspruch aus einer prioritätsälteren Marke nach den vorgenannten Vorschriften zu löschen, wenn zwischen beiden Zeichen wegen Zeichenidentität oder -ähnlichkeit und Warenidentität oder -ähnlichkeit unter Berücksichtigung der Kennzeichnungskraft des älteren Zeichens die Gefahr von Verwechslungen einschließlich der Gefahr, dass die Marken miteinander gedanklich in Verbindung gebracht werden, besteht. Nach der Rechtsprechung des [X.] stehen die vorgenannten Komponenten miteinander in einer Wechselbeziehung, wobei ein geringerer Grad einer Komponente durch den größeren Grad einer anderen Komponente ausgeglichen werden kann (st. Rspr.; vgl. [X.] GRUR 1998, 922, 923 [Rz. 16 f.] - [X.]; [X.] 1999, 236, 239 [Rz. 19] - [X.]/[X.]; [X.], 241, 243 - Lions). Der [X.]chutz der älteren Marke ist dabei aber auf die Fälle zu beschränken, in denen die Benutzung eines identischen oder ähnlichen Zeichens durch einen Dritten die Funktionen der älteren Marke, insbesondere ihre Hauptfunktion zur Gewährleistung der Herkunft der Waren oder Dienstleistungen gegenüber den Verbrauchern, beeinträchtigt oder beeinträchtigen könnte (vgl. [X.] GRUR 2003, 55, 57 f. [Rz. 51] - [X.] plc; [X.], 153, 155 [Rz. 59] - Anheuser-Busch/[X.]; [X.], 318, 319 [Rz. 21] - [X.]/[X.]).

2. Nach diesen Grundsätzen ist entgegen der Ansicht der Markenstelle der Grad der Markenähnlichkeit nicht so gering, dass eine Verwechslungsgefahr auszuschließen wäre.

Da die einander gegenüberstehenden Waren, bei denen, da [X.] nicht aufgeworfen sind, von der [X.] auszugehen ist, teils identisch teils hochgradig ähnlich sind und die Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke mangels Anhaltspunkten für eine [X.]chwächung als durchschnittlich anzusetzen ist, käme eine Verneinung der Verwechslungsgefahr nur in Betracht, wenn der Grad der Ähnlichkeit der beiden Marken nur äußerst gering wäre oder sie gar als einander unähnlich anzusehen wären. Hiervon kann aber entgegen der Auffassung der Markenstelle und des Inhabers der angegriffenen Marke nicht ausgegangen werden.

a) Marken sind als ähnlich anzusehen, wenn ihre Übereinstimmungen in der [X.]rinnerung von nicht nur unmaßgeblichen Teilen der durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Abnehmer (vgl. [X.] GRUR 2003, 604, 605 - [X.]; [X.], 943, 944 – [X.]AT.2), an welche sich die jeweils beanspruchten Waren oder Dienstleistungen richten, die daneben vorhandenen Unterschiede nach dem Gewicht, das ihnen in der jeweiligen Marke zukommt, so stark überwiegen, dass die betreffenden Verkehrskreise die Zeichen nicht mehr hinreichend auseinander halten können (vgl. [X.]/Hacker, [X.], 8. Aufl. 2006, § 9 Rn. 118 m. w. N. [Fn. 311]).

b) Nach diesen Grundsätzen kann eine die Gefahr von Verwechslungen begründende Zeichenähnlichkeit kaum verneint werden. Die Unterschiede zwischen beiden Marken reduzieren sich auf die Verdopplung des [X.] in der Widerspruchsmarke (gegenüber einfachem [X.] in der angegriffenen Marke) und des [X.] in der angegriffenen Marke (gegenüber einfachem [X.] in der Widerspruchsmarke) sowie dem zusätzlichen Vokal A am Wortende der angegriffenen Marke. Diese Unterschiede wird das Publikum, welches in aller Regel nicht beiden Marken gleichzeitig gegenübertritt, sondern sich bei Wahrnehmung einer der beiden Marken nur an die jeweils andere Marke erinnert, wobei das [X.]rinnerungsbild häufig undeutlich ist, visuell nur nach genauem Hinsehen und direktem Vergleich wahrnehmen, so dass es sich bei der Betrachtung einer der beiden Marken leicht an die andere erinnert fühlen wird. Klanglich sind die Unterschiede sogar noch weniger wahrnehmbar; denn die Verdopplung des ersten Vokals [X.] in der Widerspruchsmarke wirkt sich ebenso wie die Verdopplung des Konsonanten [X.] in der angegriffenen Marke im Klangbild beider Marken nicht deutlich aus, und die aus einem einzigen Vokal bestehende [X.]ndsilbe in der angegriffenen Marke, welche in der Widerspruchsmarke fehlt, kann leicht überhört werden, weil sie [X.] ist und zudem nur den in der vorangegangen [X.]ilbe bereits vorhandenen Vokal wiederholt. Damit fallen die leicht unterschiedliche Vokalfolge und die geringfügig veränderte [X.]ilbenzahl bei der klanglichen Wahrnehmung aber kaum noch ins Gewicht, so dass auf diese Unterschiede nicht entscheidend abgestellt werden kann. [X.]oweit die Markenstelle auf eine unterschiedliche Betonung abgestellt hat, ist diese nicht zwingend. Da es sich bei beiden [X.] um [X.] handelt, kann nicht von vornherein ausgeschlossen werden, dass die angegriffenen Marke nicht nur wie T[X.][X.]-[X.]Á-RA, sondern auch als TÉ[X.]-[X.]A-RA betont wird. Zu einer solchen Betonung wird derjenige, welcher die angegriffene Marke klanglich wiedergibt, schon dann neigen, wenn er sich bei der - der akustischen Wiedergabe stets vorausgehenden - visuellen Wahrnehmung bereits an die ihm bekannte Widerspruchsmarke erinnert glaubt. [X.]ine solche Betonung der angegriffenen Marke unterscheidet sich nicht mehr von der Betonung der Widerspruchsmarke, so dass der Teil des Publikums, welcher die angegriffene Marke nur akustisch wahrnimmt, die vorgenannten tatsächlichen Unterschiede kaum noch registrieren wird. Da beide Marken [X.] enthalten, wird das Publikum sie auch nicht anhand eines deutlich wahrnehmbaren unterschiedlichen Begriffsinhalts ohne Mühe auseinander halten (vgl. hierzu [X.] GRUR 2006, 413, 415 [Rn. 35] - [X.]IR/[X.]). Im [X.]rgebnis spricht damit alles dafür, eine zumindest mittlere, wenn nicht gar engere Zeichenähnlichkeit anzunehmen. Angesichts der zumindest hochgradigen [X.] und der normalen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke reicht dieser Grad an Markenähnlichkeit aber nicht mehr aus, um eine Verwechslungsgefahr zwischen beiden Marken mit hinreichender Wahrscheinlichkeit auszuschließen.

3. Da die Markenstelle somit zu Unrecht eine Verwechslungsgefahr verneint hat, war die [X.]ntscheidung der Markenstelle auf die Beschwerde der Widersprechenden aufzuheben und die Löschung der angegriffenen Marke anzuordnen.

C. Da Gründe für eine Kostenauferlegung aus Billigkeitsgründen nach § 71 Abs. 1 [X.]atz 1 [X.] weder vorgetragen noch anderweitig ersichtlich sind, hat es dabei zu verbleiben, dass beide Beteiligte ihre jeweiligen außergerichtlichen Kosten selbst zu tragen haben (§ 71 Abs. 1 [X.]atz 2 [X.]).

Meta

27 W (pat) 510/10

17.06.2010

Bundespatentgericht 27. Senat

Beschluss

Sachgebiet: W (pat)

Zitier­vorschlag: Bundespatentgericht, Beschluss vom 17.06.2010, Az. 27 W (pat) 510/10 (REWIS RS 2010, 5739)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 5739

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