Bundesgerichtshof, Beschluss vom 15.03.2011, Az. 1 StR 429/09

1. Strafsenat | REWIS RS 2011, 8594

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Gegenstand

Strafzumessung: Strafmildernde Berücksichtigung der Verfahrensdauer nach Erlass des tatrichterlichen Urteils; Verfahrensverzögerung durch Vorlageverfahren


Tenor

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 31. März 2009 im Strafausspruch aufgehoben.

2. Die weitergehende Revision des Angeklagten gegen das vorgenannte Urteil wird verworfen.

3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Wirtschaftsstrafkammer des [X.] zurückverwiesen.

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten wegen Betruges in Tateinheit mit Urkundenfälschung in 31 Fällen und wegen versuchten Betruges in Tateinheit mit Urkundenfälschung in 62 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und drei Monaten verurteilt. Hiergegen wendet sich die auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten. Das Rechtsmittel hat den aus dem Tenor ersichtlichen Teilerfolg. Im Übrigen ist es unbegründet [X.]. § 349 Abs. 2 StPO.

2

1. Der Angeklagte rügt die Verletzung von § 243 Abs. 3 Satz 1 StPO, da der [X.] der Anklageschrift der Staatsanwaltschaft [X.] vom 13. November 2008 nur teilweise verlesen worden sei.

3

Dem liegt folgender Sachverhalt zu Grunde:

4

In der unverändert zugelassenen Anklage wurden dem Angeklagten 93 Fälle des gewerbsmäßig und als Mitglied einer Bande begangenen Betruges bzw. versuchten Betruges jeweils in Tateinheit mit Urkundenfälschung zur Last gelegt. Der Angeklagte soll gemeinschaftlich handelnd mit den Mitangeklagten [X.]  und B.     sowie weiteren, unbekannt gebliebenen Mittätern verschiedene Personen dadurch betrügerisch geschädigt haben bzw. versucht haben betrügerisch zu schädigen, dass er und seine Mittäter sich unbefugt Kontodaten verschafften und mit diesen gefälschte Überweisungsträger und Zahlungsaufträge erstellten. Diese wurden sodann bei den jeweiligen Banken eingereicht, damit die Banken die in den Überweisungen angeführten Beträge auf Konten des Angeklagten und seiner Mittäter überweisen.

5

Die Anklage gliedert sich in zwei [X.]e. Hinsichtlich des ersten [X.]es wird zunächst die allgemeine Vorgehensweise des Angeklagten und seiner Mittäter geschildert. Insoweit wird dem Angeklagten [X.]     zur Last gelegt, dass ihm und nicht bekannten Mittätern innerhalb der Bandenstruktur „insbesondere die Organisation und Koordination der Fälschungen sowie der Abhebung der Überweisungsbeträge“ oblag. Daran schließt sich die Bezifferung der Gesamtzahl der in diesem [X.] angeklagten Taten und der durch sie verursachte Gesamtschaden bzw. der angestrebte Vermögensvorteil bei den Betrugstaten, die im Versuchsstadium stecken geblieben sind, an. Hinsichtlich sämtlicher anderer Einzelheiten der insgesamt 76 Taten dieses [X.]es wird auf eine 16 Seiten umfassende Tabelle verwiesen, die sich im Wesentlichen Ergebnis der Ermittlungen der Anklageschrift befindet. Hinsichtlich des zweiten [X.]es findet sich im konkreten [X.] auf den Seiten 5 bis 10 der Anklageschrift unmittelbar nach der Schilderung der Vorgehensweise des Angeklagten und seiner Mittäter, die im Wesentlichen der bereits im [X.] 1 erfolgten Schilderung entspricht, die Tabelle mit den die [X.] konkretisierenden Tatdaten. Daran schließt sich der abstrakte [X.] an; sodann folgt das Wesentliche Ergebnis der Ermittlungen.

6

In der Hauptverhandlung wurde vor Verlesung des [X.]es hinsichtlich der Seiten 5 bis 10 der Anklageschrift, die die Tabelle der Einzeldaten der Taten des zweiten [X.]es beinhalteten, das Selbstleseverfahren in entsprechender Anwendung von § 249 Abs. 2 StPO angeordnet. Es wurde festgestellt, dass die [X.], die Schöffen, der Staatsanwalt, die drei Angeklagten und die Verteidiger Ausfertigungen der Anklageschrift zur Verfügung haben, um diese selbst lesen zu können; der Angeklagte [X.]     hatte eine [X.] Übersetzung der Anklage erhalten. Daran anschließend verlas der Staatsanwalt den ersten Teil des [X.]es, der die Schilderung der allgemeinen Vorgehensweise des Angeklagten und seiner Mittäter in [X.] 1 und 2 umfasste. Sodann wurde die Selbstleseverfügung des Vorsitzenden ausgeführt, hierfür die Hauptverhandlung aber nicht unterbrochen, um den Angeklagten und den Verteidigern zu diesem [X.]punkt die Möglichkeit zu geben, die Seiten 5 bis 10 der Anklageschrift zu lesen. Es wurde festgestellt, dass die Mitglieder des Gerichts die Seiten 5 bis 10 der Anklageschrift gelesen haben und die übrigen Beteiligten Gelegenheit hatten, vom Wortlaut „der Urkunden“ Kenntnis zu nehmen. Daran anschließend verlas der Staatsanwalt den restlichen [X.]. Nach Feststellung der Anklagezulassung, der Bekanntgabe eines Verteidigerschriftsatzes, der Mitteilung, dass ein Dolmetscher zum Fortsetzungstermin erscheinen würde, und der Belehrung der Angeklagten wurde die Hauptverhandlung für fünfzig Minuten unterbrochen. Nach Wiedereintritt in die Hauptverhandlung erklärte der Verteidiger des Mitangeklagten [X.], dass der Vorwurf in der Anklageschrift in vollem Umfang eingeräumt werde. Auf Frage erklärte der Mitangeklagte [X.], dass dies auch seiner Einlassung entspreche. Der Verteidiger des Angeklagten [X.]     erklärte zur Sache, dass sein Mandant die Vorwürfe in der Anklage einräumen würde. Er lege aber Wert auf die Feststellung, dass er keine „Chefposition“ inne gehabt habe. In diesem Sinne äußerte sich sodann der Angeklagte [X.]     selbst zur Sache.

7

2. Die Frage, ob der [X.] den Anforderungen des § 243 Abs. 3 Satz 1 StPO i.[X.]m. § 200 StPO genügt, wenn einem Angeklagten eine große Zahl von [X.] zur Last gelegt wird, die einem einheitlichen modus operandi folgen, und im [X.], der allein in der Hauptverhandlung verlesen wird, neben der Schilderung der gleichartigen Tatausführung, die die Merkmale des jeweiligen Straftatbestandes erfüllt, die Gesamtzahl der Taten, der Tatzeitraum sowie der Gesamtschaden bezeichnet werden und die Einzelheiten der Taten ergänzend in einem anderen, nicht zu verlesenden Teil der Anklageschrift detailliert beschrieben sind, hat der [X.] gemäß § 132 Abs. 2 und 4 [X.] in einem anderweitigen Verfahren - nach Anfrage bei den übrigen Strafsenaten (§ 132 Abs. 3 [X.]) - dem [X.] [X.] zur Entscheidung vorgelegt ([X.], Beschluss vom 24. Februar 2010 - 1 [X.], NJW 2010, 1386).

8

Dieser hat mit Beschluss vom 12. Januar 2011 - [X.] - wie folgt entschieden:

„In Strafverfahren wegen einer Vielzahl gleichförmiger Taten oder Tateinzelakte, die durch eine gleichartige Begehungsweise gekennzeichnet sind, ist dem Erfordernis der Verlesung des [X.]es i.S.d. § 243 Abs. 3 Satz 1 StPO Genüge getan, wenn dieser insoweit wörtlich vorgelesen wird, als in ihm die gleichartige Tatausführung, welche die Merkmale des jeweiligen Straftatbestands erfüllt, beschrieben und die Gesamtzahl der Taten, der Tatzeitraum sowie bei [X.] der Gesamtschaden bestimmt sind. Einer Verlesung der näheren [X.] tatsächlichen Umstände der [X.] oder der Einzelakte bedarf es in diesem Fall nicht. “

9

Demnach muss der konkrete [X.] in den einschlägigen Verfahren einerseits die Schilderung der gleichartigen Tatausführung, welche die Merkmale des jeweiligen Straftatbestands erfüllt, die Bezifferung der Gesamtzahl der Taten, die Bestimmung des Tatzeitraums sowie bei [X.] die Bezifferung des Gesamtschadens umfassen. Andererseits ist - nach wie vor - auch die Auflistung der näheren [X.] tatsächlichen Umstände der [X.] oder - namentlich in Fällen der Bewertungseinheit oder der uneigentlichen Organisationsdelikte - die Auflistung der Einzelakte der Taten Teil des konkreten [X.]es. Eine Ausgliederung der letztgenannten Auflistungen der Tatdetails in das Wesentliche Ergebnis der Ermittlungen oder an eine andere Stelle der Anklage ist demnach mit § 200 Abs. 1 Satz 1, § 243 Abs. 3 Satz 1 StPO nicht vereinbar. Auf die Grundlage der Entscheidung des [X.] diese detaillierten Auflistungen, die regelmäßig in tabellarischer Form die konkreten Tatzeitpunkte, die Tatorte, die Tatopfer und - bei [X.] - die jeweiligen Einzelschäden umfassen und dadurch die [X.] näher individualisieren, jedoch nicht in der Hauptverhandlung verlesen zu werden. Zu verlesen ist lediglich die - regelmäßig in Fließtext abgefasste - allgemeine Schilderung der gleichartigen Tatausführung, in der - quasi als „Quintessenz“ vor [X.] gezogen - die Merkmale des jeweiligen Straftatbestands dargelegt werden, die für alle [X.] einheitlich gegeben sind.

3. Vor diesem Hintergrund erweist sich die Rüge eines Verstoßes gegen § 243 Abs. 3 Satz 1 StPO als unbegründet.

a) Dem Angeklagten lag eine Vielzahl von Taten zur Last, die durch eine gleichartige Begehungsweise gekennzeichnet waren. Insoweit waren die Voraussetzungen gegeben, die nach der Entscheidung des [X.] eine Beschränkung des in der Hauptverhandlung zu verlesenden [X.]es auf die Schilderung der gleichartigen Tatausführung, welche die Merkmale des jeweiligen Straftatbestands erfüllt, und die Gesamtzahl der Taten, den Tatzeitraum sowie bei [X.] den Gesamtschaden, ermöglichten. Der in der Hauptverhandlung verlesene [X.] genügte diesen Anforderungen. Die Mitglieder des Tatgerichts - namentlich die Schöffen - wurden darüber hinaus durch die Aushändigung der Anklageschrift, in der die [X.] aufgelistet waren, informiert.

b) Der Umstand, dass hinsichtlich des [X.]es 1 die näheren [X.] tatsächlichen Umstände der [X.] in Tabellen enthalten waren, die nicht Teil des [X.]es [X.]. § 243 Abs. 3 Satz 1 StPO i.[X.]m. § 200 Abs. 1 StPO, sondern Teil des Wesentlichen Ergebnisses der Ermittlungen waren, stellt keinen Rechtsfehler dar, auf dem das Urteil beruht.

aa) Die unvollständige Fassung des [X.]es stellt keinen Rechtsfehler dar, der dazu führen würde, dass die Umgrenzungsfunktion der Anklage nicht gewährleistet wäre. Auch wenn der [X.] lückenhaft ist, erfüllt die Anklage die Umgrenzungsfunktion doch hinreichend, wenn der Angeklagte die einzelnen Tatvorwürfe dem Wesentlichen Ergebnis der Ermittlungen entnehmen kann ([X.], Urteil vom 28. April 2006 - 2 [X.], [X.], 649). Dies ist hier der Fall. Anderes behauptet auch die Revision nicht.

bb) Aufgrund der oben genannten Gründe waren diese näheren [X.] tatsächlichen Umstände der [X.] oder der Einzelakte nicht in der Hauptverhandlung zu verlesen. Die Informationsfunktion, die der Verlesung des [X.]es in der Hauptverhandlung zukommt, wird daher durch die rechtsfehlerhafte Fassung des [X.]es bereits nicht berührt.

cc) Darüber hinaus entfaltet die Anklage ihre Informationsfunktion gegenüber dem Angeklagten und seinem Verteidiger im Wesentlichen dadurch, dass sie vollumfänglich dem Angeschuldigten und seinem Verteidiger alsbald nach Eingang durch den Vorsitzenden des Gerichts mitzuteilen ist (§ 201 Abs. 1 Satz 1 StPO; vgl. [X.] [GS], Beschluss vom 12. Januar 2011 - [X.] Rn. 25). Auch insoweit wirkt sich die vorliegende Fassung des [X.]es nicht zum Nachteil des Angeklagten aus. Wenngleich die [X.] nicht Gegenstand des [X.]es waren, sondern in Tabellen aufgeführt wurden, die sich an anderer Stelle in der Anklage befanden, wurde der Angeklagte durch die Anklageschrift, die ihm in [X.]r Übersetzung mitgeteilt wurde und ihm in dieser Form in der Hauptverhandlung vorlag, in ihrer Gesamtheit über die Einzelheiten des Anklagevorwurfs so ausreichend unterrichtet, dass hinreichende Gelegenheit bestand, das Prozessverhalten hierauf einzustellen (vgl. auch [X.] [X.], 214).

c) Hinsichtlich des 2. [X.]es genügt der konkrete [X.] den Anforderungen an die Fassung des [X.]es. Er enthält einerseits die Schilderung der gleichartigen Tatausführung, welche die Merkmale des jeweiligen Straftatbestands erfüllt, die Bezifferung der Gesamtzahl der Taten, die Bestimmung des Tatzeitraums und die Bezifferung des Gesamtschadens sowie andererseits die näheren [X.] tatsächlichen Umstände der [X.], die in einer Tabelle zusammengefasst wurden. Ein Rechtsfehler besteht insoweit nicht.

Da auch in diesem [X.] dem Angeklagten eine Vielzahl von Taten zur Last lagen, die durch eine gleichartige Begehungsweise gekennzeichnet sind, waren auch insoweit - entgegen der Auffassung der Staatsanwaltschaft bei Abfassung des [X.]es - die Voraussetzungen für eine Beschränkung des in der Hauptverhandlung zu verlesenden [X.]es objektiv gegeben; die Tabellen auf den Seiten 5 bis 10 der Anklageschrift mussten daher nicht verlesen werden.

Vor diesem Hintergrund ist der Umstand, dass die Tabellen auf den Seiten 5 bis 10 der Anklageschrift in entsprechender Anwendung des § 249 Abs. 2 StPO im Selbstleseverfahren eingeführt wurden oder aber eingeführt werden sollten, unschädlich. Zwar sind die Regelungen über das Selbstleseverfahren auf die Verlesung des [X.]es nicht übertragbar ([X.] [GS], Beschluss vom 12. Januar 2011 - [X.], Rn. 17). Wird aber anstelle der nach den vorgenannten Grundsätzen ohnehin nicht erforderlichen Verlesung dieses Teiles des [X.]es insoweit - wie hier - ein Selbstleseverfahren durchgeführt, erweist sich dies regelmäßig nicht als Rechtsfehler, auf dem das Urteil beruht. Umstände, die vorliegend ein anderes Ergebnis begründen könnten, sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Namentlich ist eine Beschränkung von Verteidigungsmöglichkeiten des verteidigten Angeklagten durch die bei den beiden [X.]en unterschiedlich praktizierte Vorgehensweise nicht erkennbar.

4. Die rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen tragen den Schuldspruch. Auch die Bemessung der Einzelstrafen und der Gesamtfreiheitsstrafe durch das [X.] weist keinen Rechtsfehler auf. Gleichwohl können die verhängten Einzelstrafen keinen Bestand haben, da der seit Erlass des landgerichtlichen Urteils verstrichene [X.]raum eine neue Strafzumessung bedingt.

a) Seit Verkündung des landgerichtlichen Urteils sind zwischenzeitlich knapp zwei Jahre vergangen. Gut vier Monate und zwei Wochen entfielen dabei auf die Absetzung und Zustellung des Urteils sowie auf die Abfassung der Revisionsbegründungen, die Gegenerklärung der Staatsanwaltschaft und die Antragsschriften des [X.]. Nach Eingang der Antragsschrift des [X.] am 13. August 2009 und der diesbezüglichen Gegenerklärung des Angeklagten vom 17. August 2009 wurde die Entscheidung über die Revision des Angeklagten mit Blick auf das oben genannte Anfrage- und [X.] zurückgestellt, das mit dem [X.] des [X.]s nach § 132 Abs. 3 [X.] vom 2. September 2009 (1 [X.]; [X.], 703) eingeleitet worden war. Die dortige Rechtsfrage war auch für die Entscheidung im vorliegenden Verfahren von Bedeutung, weshalb die Zurückstellung der Entscheidung geboten war. Die Durchführung des Anfrage- und [X.]s nach § 132 [X.] nahm gut ein Jahr und vier Monate in Anspruch. Seit der Entscheidung des [X.] mit Beschluss vom 12. Januar 2011 sind weitere zwei Monate vergangen, innerhalb derer der Beschluss des [X.] dem Angeklagten zur Kenntnis gebracht und ihm die Möglichkeit zur Stellungnahme gegeben wurde.

b) Bei dieser Sachlage ist keine rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung gegeben, die in Anwendung der Grundsätze der [X.] durch Bestimmung eines als vollstreckt geltenden Teils der Gesamtfreiheitsstrafe zu kompensieren wäre (vgl. [X.] [GS], Beschluss vom 17.  Januar 2008 - [X.], [X.]St 52, 124).

aa) Die außerhalb des Anfrage- und [X.]s verstrichenen [X.]räume resultieren im Wesentlichen aus gesetzlich vorgesehenen Fristen und den Verfahrensabläufen eines Revisionsverfahrens. Sie erweisen sich insoweit nicht als beanstandungswürdig (vgl. [X.], Beschluss vom 17. Dezember 2003 - 1 [X.], [X.], 504, 505).

bb) Daneben kann die Durchführung eines [X.]s zum [X.] [X.] nach § 132 [X.] als solche regelmäßig eine rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung nicht begründen. Wegen der großen Bedeutung der dem [X.] [X.] vorgelegten Rechtsfragen und ihrer Schwierigkeit erfordert das vorausgehende Anfrageverfahren nach § 132 Abs. 3 [X.] ebenso wie das [X.] selbst eine eingehende und zeitintensive Befassung zunächst sämtlicher Strafsenate des [X.] und sodann des [X.] des [X.] (vgl. [X.], Beschluss vom 15. Dezember 2005 - 3 [X.], NStZ-RR 2007 [bei [X.]], 293).

c) Gleichwohl können die - an sich rechtsfehlerfrei bemessenen - Einzelstrafen keinen Bestand haben. Der Umstand, dass nach Erlass des tatrichterlichen Urteils ein nicht unerheblicher [X.]raum verstrichen ist, muss vorliegend zu Gunsten des Angeklagten strafmildernd Berücksichtigung finden, da er dies nicht zu vertreten hat (vgl. [X.], Urteil vom 26. Januar 2006 - 3 StR 415/02, [X.], 187, 188). Das Ausmaß der seit den Taten vergangenen [X.] und die aus der Verfahrensdauer resultierende Belastung für den Angeklagten stellen grundsätzlich bestimmende Strafzumessungsgründe dar. Diese Umstände konnte das [X.] bei der Bemessung der Strafen nicht berücksichtigen, da sie erst nach Erlass des tatrichterlichen Urteils entstanden sind. Sie sind nunmehr festzustellen und in wertender Betrachtung bei der Straffestsetzung in den Grenzen des gesetzlich eröffneten Strafrahmens bereits bei der Bemessung der Einzelstrafen mildernd zu berücksichtigen (vgl. [X.] [GS], Beschluss vom 17. Januar 2008 - [X.], [X.]St 52, 124 Rn. 55).

d) Die Feststellung dieser Umstände und deren Bewertung obliegt dem neuen Tatgericht. Eine in entsprechender Anwendung des § 354 Abs. 1a StPO erfolgende Herabsetzung der Einzelstrafen durch den [X.] scheidet vorliegend aus. Der [X.] kann nicht ausschließen, dass in der [X.] nach Erlass des tatgerichtlichen Urteils neue Umstände, die im vorgenannten Sinne für die Bemessung der Strafe bedeutsam sein könnten, eingetreten sind. Insoweit bedarf es eines zutreffend ermittelten, vollständigen und aktuellen [X.] (vgl. [X.] NJW 2007, 2977, 2980 f.). Mit Blick auf das insoweit zu beachtende Verfahren (vgl. [X.] aaO) würde eine Herabsetzung der Einzelstrafen durch den [X.] im Vergleich zur Aufhebung und Zurückverweisung der Sache keine wesentliche Beschleunigung darstellen.

5. Die Aufhebung der Einzelstrafen führt zum Wegfall der Gesamtfreiheitsstrafe. Einer Aufhebung der insoweit rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen bedarf es nicht. Diese sind unter Berücksichtigung der nunmehr neu zu treffenden Feststellungen durch das neue Tatgericht, das in Anbetracht der bereits bisher verstrichenen [X.] eine möglichst zeitnahe Entscheidung herbeiführen sollte, nochmals zu werten.

[X.]                         Wahl                         Graf

              Jäger                             Sander

Meta

1 StR 429/09

15.03.2011

Bundesgerichtshof 1. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Traunstein, 31. März 2009, Az: 2 KLs 120 Js 4699/08, Urteil

§ 46 StGB, § 132 Abs 2 GVG, § 132 Abs 3 GVG

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 15.03.2011, Az. 1 StR 429/09 (REWIS RS 2011, 8594)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 8594

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