Bundessozialgericht, Urteil vom 31.10.2012, Az. B 13 R 1/12 R

13. Senat | REWIS RS 2012, 1756

© Bundessozialgericht, Dirk Felmeden

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Gegenstand

Fremdrentenrecht - Rentenberechnung - Entgeltpunkte Ost - gewöhnlicher Aufenthalt


Leitsatz

1. Ein gewöhnlicher Aufenthalt wird dort begründet, wo sich der Betreffende "bis auf weiteres" im Sinne eines zukunftsoffenen Verbleibs aufhält.

2. Die Frage, ob der Aufenthalt nur vorübergehend oder bereits gewöhnlich ist, ist im Wege einer vorausschauenden Betrachtung (Prognose) unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls zu beurteilen.

Tenor

Die Revision des [X.] gegen das Urteil des [X.] vom 29. August 2011 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch für das Revisionsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand

1

Der Kläger begehrt im Rahmen eines Überprüfungsverfahrens die Neufeststellung seiner Altersrente unter Berücksichtigung von Entgeltpunkten ([X.]) anstelle von [X.] ([X.]).

2

Der 1939 in [X.] geborene Kläger ist als Spätaussiedler nach § 4 [X.] ([X.]) anerkannt. Er beantragte am [X.] aus [X.] die Aufnahme als Aussiedler in [X.] und gab dabei an, er beabsichtige, seinen Wohnort bei Verwandten in [X.] zu nehmen. Nach der Genehmigung der Übersiedlung mit [X.] vom [X.] kam der Kläger (zusammen mit seiner Ehefrau) am 19.12.1993 nach [X.]. Er erhielt eine Zuweisung nach [X.] und wurde dort ab 22.12.1993 in der Landesaufnahmeeinrichtung in P. untergebracht, wo sich bereits seine im September 1993 übergesiedelte Tochter mit ihrem Ehemann aufhielt. Nach Anmeldung bei der Gemeinde meldete sich der Kläger beim Arbeitsamt [X.] arbeitslos, bezog Eingliederungshilfe und nahm an einem viereinhalbmonatigen Sprachkurs teil. Am 15.5.1994 zog er nach [X.].

3

Mit Bescheid vom 28.12.1999 bewilligte die Beklagte dem Kläger Altersrente ab Januar 2000 unter Berücksichtigung von Beitragszeiten nach dem [X.] auf der Grundlage von 24,3578 [X.] ([X.]) und 0,051 [X.].

4

Am 31.12.2004 beantragte der Kläger die Neufeststellung seiner Rente nach § 44 [X.] ua mit der Begründung, es seien bei der Festsetzung der Rente für die [X.]-[X.]en [X.] und keine [X.] ([X.]) zu berücksichtigen. Er habe sich im Beitrittsgebiet weniger als sechs Monate aufgehalten und lediglich in einem "Übergangswohnheim" gelebt. Die Beklagte lehnte den [X.] mit Hinweis auf Art 6 § 4 Abs 6 des Fremd- und Auslandsrenten-Neuregelungsgesetzes ([X.]) ab. Auch der Aufenthalt in einem "Übergangswohnheim" sei als gewöhnlicher Aufenthalt anzusehen (Bescheid vom 23.1.2008, Widerspruchsbescheid vom 3.7.2008).

5

Mit seiner Klage hat der Kläger die Verurteilung der Beklagten zur Neufeststellung seiner Altersrente unter Zugrundelegung von [X.] anstelle von [X.] ([X.]) begehrt. Er habe in dem "Übergangswohnheim" keinen gewöhnlichen Aufenthalt begründet. Ein Verbleib in [X.] sei nicht beabsichtigt gewesen. Er sei bei seiner Übersiedlung nach [X.] wegen Überbuchung seines Flugs nach [X.], wo ihn Verwandte erwartet hätten, in [X.] angekommen und schließlich zwei Tage später in dem "Übergangswohnheim" in [X.] untergebracht worden. Dort hätten sich bereits seine Tochter und sein Schwiegersohn aufgehalten. Seinen Wunsch, zu den Verwandten nach [X.] zu kommen, hätten die Behörden nicht berücksichtigt. Erst nach der Teilnahme an einem viereinhalbmonatigen Sprachkurs und nachdem ihm seine Verwandten nach Erteilung einer behördlichen Umzugserlaubnis eine Wohnung besorgt hätten, habe er im Mai 1994 dorthin ziehen können.

6

Das [X.] hat die Beklagte durch Urteil vom [X.] ua verpflichtet, die Altersrente des Klägers unter Berücksichtigung von "[X.] (West)" neu festzustellen. Auf die Berufung der Beklagten hat das L[X.] die Entscheidung des [X.] aufgehoben und die Klage abgewiesen (Urteil vom 29.8.2011). Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Auf den Kläger finde Art 6 § 4 Abs 6 [X.] Buchst b [X.] Anwendung. Er habe nach seiner Übersiedlung nach [X.] bis zu seinem Umzug nach [X.] seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Beitrittsgebiet gehabt. § 30 Abs 3 S 2 [X.]B I enthalte die für alle Bereiche des Sozialrechts gültige Bestimmung des Begriffs des gewöhnlichen Aufenthalts. Dieser sei nach den objektiv gegebenen tatsächlichen Umständen zu beurteilen. Entscheidend sei, wo der örtliche Schwerpunkt der Lebensverhältnisse faktisch dauerhaft liege. Dauerhaft sei ein Aufenthalt, wenn und solange er nicht auf Beendigung angelegt, also zukunftsoffen sei. Der Kläger habe sich ab dem 22.12.1993 zukunftsoffen im Beitrittsgebiet aufgehalten. Zu diesem [X.]punkt habe noch nicht festgestanden, wie lange er dort bleiben und wann er nach [X.] umziehen werde. Der Begründung eines gewöhnlichen Aufenthalts im Beitrittsgebiet stehe weder die Unterkunft in einem Übergangswohnheim noch die behördliche Zuweisung nach [X.] entgegen. Ein Domizilwille, der mit den tatsächlichen Umständen nicht übereinstimme, sei ebenso wie die unter sechsmonatige Dauer des Aufenthalts im Beitrittsgebiet rechtlich unerheblich. § 9 Abgabenordnung ([X.]) begründe jedenfalls keine Regelvermutung, dass ein unter sechsmonatiger Aufenthalt nicht gewöhnlich iS des § 30 Abs 3 S 2 [X.]B I sei.

7

Mit der vom L[X.] zugelassenen Revision rügt der Kläger die Verletzung materiellen Rechts. Er ist der Ansicht, das L[X.] habe den Begriff des gewöhnlichen Aufenthalts iS des § 30 Abs 3 S 2 [X.]B I, ohne einen Normzusammenhang mit Art 6 § 4 Abs 6 [X.] herzustellen, fehlerhaft mit dem des einfachen Aufenthalts oder Verweilens gleichgesetzt. Zudem komme es entgegen der Auffassung des L[X.] bei einer Verweildauer von unter sechs Monaten auf den Willen des Betroffenen an, einen gewöhnlichen Aufenthalt zu begründen. Diesen habe er aber nicht gehabt. Denn er habe zu keiner [X.] beabsichtigt oder erwartet, sich im "Übergangswohnheim" in [X.] längerfristig aufzuhalten. Vielmehr habe er seinen gewöhnlichen Aufenthalt im [X.] erstmals am 15.5.1994 in [X.] begründet.

8

Der Kläger beantragt sinngemäß,

        

das Urteil des Landessozialgerichts [X.] vom 29. August 2011 aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 7. Mai 2010 zurückzuweisen.

9

Die Beklagte beantragt,

        

die Revision als unzulässig zu verwerfen,

        

hilfsweise,

        

die Revision zurückzuweisen.

Sie ist der Ansicht, die Revisionsbegründung setze sich nicht hinreichend mit den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils auseinander. In der Sache führe sowohl die einheitliche Auslegung des Begriffs des gewöhnlichen Aufenthalts in § 30 Abs 3 S 2 [X.]B I für alle Bereiche des [X.]B als auch die Auslegung dieses Begriffs im Sinne der sogenannten Einfärbungslehre im Zusammenhang mit Art 6 § 4 Abs 6 [X.] zu dem Ergebnis, dass der Kläger seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Beitrittsgebiet genommen habe. Mit dem Antrag auf Eingliederungshilfe habe der Kläger zum Ausdruck gebracht, sich im Beitrittsgebiet eingliedern zu wollen. Wenn man mit dem Kläger davon ausginge, dass er bei seinem Aufenthalt in [X.] noch keinen gewöhnlichen Aufenthalt begründet habe, könne sein damaliger Wohnsitz und gewöhnlicher Aufenthalt nur weiterhin das Herkunftsgebiet gewesen sein.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des Senats durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (§ 124 Abs 2, § 153 Abs 1, § 165 [X.] [X.]G).

Entscheidungsgründe

Die Revision des [X.] ist zulässig. Insbesondere hat er seine Revision noch hinreichend iS des § 164 Abs 2 S 3 [X.] begründet. Die vom [X.] in ständiger Rechtsprechung präzisierten Anforderungen (vgl zB [X.] vom 16.10.2007 - [X.] 4-1500 § 164 [X.] RdNr 9 f mwN) hat der Kläger mit noch hinreichender Deutlichkeit erfüllt.

Die Revision ist jedoch nicht begründet.

Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 23.1.2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom [X.] ist rechtmäßig. Die Beklagte hat es zu Recht abgelehnt, dem Kläger unter teilweiser Rücknahme des bestandskräftigen Rentenbescheids vom 28.12.1999 eine höhere Altersrente unter Berücksichtigung von [X.] anstelle von [X.] ([X.]) für die [X.] zu zahlen.

1. Der geltend gemachte [X.] richtet sich nach § 44 [X.] X. Nach dessen Abs 1 S 1 ist ein bindend gewordener Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei seinem Erlass das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden sind. Diese Voraussetzungen für die Rücknahme des Rentenbescheids vom 28.12.1999 sind nicht erfüllt.

Der Kläger hat keinen Anspruch auf Neufeststellung seiner Altersrente unter Zugrundelegung von [X.] anstelle von [X.] ([X.]) für seine [X.]. Denn er unterfällt als [X.] (§ 1 Buchst a [X.]) der Regelung des Art 6 § 4 Abs 6 S 1 Buchst b [X.] (dazu unter 2a). Er hat nach dem 31.12.1991 (ab 1.1.2000) einen "Anspruch auf Zahlung einer Rente nach dem [X.]" im alten [X.] erworben (dazu unter 2b), nachdem er seinen nach dem 31.12.1991 (ab 22.12.1993) im Beitrittsgebiet begründeten gewöhnlichen Aufenthalt dorthin (ab 15.5.1994) verlegt hatte (dazu unter 2c). Die Bewertung von [X.] in Abhängigkeit von dem Ort des erstmals begründeten gewöhnlichen Aufenthalts in [X.] verstößt nicht gegen höherrangiges Recht, insbesondere nicht gegen Art 3 Abs 1 GG (dazu unter 3).

2. Der "Monatsbetrag der Rente" ergibt sich, wenn die unter Berücksichtigung des Zugangsfaktors ermittelten persönlichen [X.], der Rentenartfaktor und der aktuelle Rentenwert mit ihrem Wert bei Rentenbeginn miteinander vervielfältigt werden (§ 64 [X.]), wobei allerdings - bis zur Herstellung einheitlicher Einkommensverhältnisse in [X.] - zwischen [X.] und [X.] ([X.]) sowie aktuellem Rentenwert und aktuellem Rentenwert ([X.]) unterschieden wird (§ 254b Abs 1, § 254d Abs 1, § 255a [X.]). Soweit - wie im vorliegenden Fall - im nichtdeutschen Herkunftsland zurückgelegte Beitragszeiten in Anwendung des [X.] ebenfalls mit [X.] bei der [X.] berücksichtigt werden, hat der Gesetzgeber in Art 6 § 4 Abs 6 [X.] in der seit [X.] geltenden Fassung des Renten-Überleitungsgesetzes (RÜG) vom 25.7.1991 ([X.] 1606) folgende (Übergangs-)Regelung hinsichtlich ihrer Zuordnung zu den [X.] bzw [X.] ([X.]) getroffen:

        

"Bei Berechtigten nach dem Fremdrentengesetz, die

        

a) ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Beitrittsgebiet haben und dort nach dem 31. Dezember 1991 einen Anspruch auf Zahlung einer Rente nach dem Fremdrentengesetz erwerben,

        

b) nach dem 31. Dezember 1990 ihren gewöhnlichen Aufenthalt aus dem Beitrittsgebiet in das Gebiet der [X.] [X.] ohne das Beitrittsgebiet verlegen und dort nach dem 31. Dezember 1991 einen Anspruch auf Zahlung einer Rente nach dem Fremdrentengesetz erwerben oder

        

c) nach dem 31. Dezember 1991 ihren gewöhnlichen Aufenthalt aus dem Gebiet der [X.] [X.] ohne das Beitrittsgebiet in das Beitrittsgebiet verlegen und bereits vor Verlegung des gewöhnlichen Aufenthalts einen Anspruch auf Zahlung einer Rente nach dem Fremdrentengesetz haben,

        

werden für nach dem Fremdrentengesetz anrechenbare Zeiten Entgeltpunkte ([X.]) ermittelt; im Falle von [X.] gilt dies nur, sofern am 31. Dezember 1991 Anspruch auf Zahlung einer Rente nach dem Fremdrentengesetz nicht bestand. Dies gilt auch für die Zeiten eines weiteren Rentenbezuges aufgrund neuer Rentenfeststellungen, wenn sich die [X.] ununterbrochen aneinander anschließen. Bei Berechtigten nach Satz 1 Buchstabe a und c, die ihren gewöhnlichen Aufenthalt aus dem Beitrittsgebiet in das Gebiet der [X.] [X.] ohne das Beitrittsgebiet verlegen, verbleibt es für Zeiten nach dem Fremdrentengesetz bei den ermittelten Entgeltpunkten ([X.])."

Die Voraussetzungen des Art 6 § 4 Abs 6 S 1 Buchst b [X.] sind vorliegend erfüllt.

a) Der Kläger ist als anerkannter Spätaussiedler iS des § 4 [X.] Berechtigter nach dem [X.] (§ 1 Buchst a [X.]).

b) Er hat nach dem 31.12.1990 seinen gewöhnlichen Aufenthalt aus dem Beitrittsgebiet in das Gebiet der [X.] [X.] ohne das Beitrittsgebiet (also das alte [X.] ) verlegt und dort nach dem 31.12.1991 (nämlich ab 1.1.2000) einen "Anspruch auf Zahlung einer Rente nach dem [X.]" erworben. Mit dieser Formulierung ist ein Zahlungsanspruch auf eine Rente nach dem [X.] gemeint, bei deren Feststellung [X.] zu berücksichtigen sind.Durch die Regelungen des [X.] wird kein außerhalb des gesetzlichen Anspruchs auf Rente nach dem [X.] (vgl § 33 [X.]) beruhender besonderer Anspruch auf eine "Fremdrente" bzw "[X.]-Rente" begründet (vgl [X.] vom 16.11.2000 - [X.] RA 3/00 R - Juris Rd[X.]18; [X.] vom [X.] - [X.] 3-5060 Art 6 § 4 [X.] S 21).

c) Nach den für den Senat bindenden Feststellungen des [X.] (§ 163 [X.]) ist dessen Ergebnis, dass der Kläger vor seinem Umzug nach [X.] am 15.5.1994 zunächst ab 22.12.1993 seinen gewöhnlichen Aufenthalt iS des Art 6 § 4 Abs 6 S 1 Buchst b [X.] iVm § 30 Abs 3 [X.] in [X.] und damit im Beitrittsgebiet begründet hat, revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Das Berufungsgericht hat weder die gesetzlichen Voraussetzungen für die Annahme eines gewöhnlichen Aufenthalts im Sinne der vorgenannten Bestimmungen verkannt noch enthält die angefochtene Entscheidung einen anderen Rechtsfehler.

aa) Der Rechtsbegriff des "gewöhnlichen Aufenthalts" ist in § 30 Abs 3 [X.] legal definiert. Danach hat jemand seinen gewöhnlichen Aufenthalt dort, wo er sich unter Umständen aufhält, die erkennen lassen, dass er an diesem Ort oder in diesem Gebiet nicht nur vorübergehend verweilt.

Der in dieser Norm umschriebene Begriff des gewöhnlichen Aufenthalts gilt grundsätzlich für alle Bücher des [X.]. [X.] bleiben kann, ob zur Ermittlung von dessen konkreter rechtlicher Bedeutung (ergänzend oder allein) auf den Sinn und Zweck des Gesetzes (hier also: Art 6 § 4 Abs 6 S 1 Buchst b [X.]) zurückzugreifen ist, das ihn verwendet (vgl [X.] vom [X.] - [X.] 3-1200 § 30 [X.] f). Denn im vorliegenden Fall führt auch ein in diesem Sinne rentenrechtlich "eingefärbter" Begriffsinhalt des [X.] zum selben Ergebnis (dazu unter cc).

Die Frage des Vorliegens eines gewöhnlichen Aufenthalts nach § 30 Abs 3 [X.] ist anhand einer dreistufigen Prüfung zu klären. Ausgangspunkt ist ein "Aufenthalt"; es sind dann die mit dem Aufenthalt verbundenen "Umstände" festzustellen; sie sind schließlich daraufhin zu würdigen, ob sie "erkennen lassen", dass der Betreffende am Aufenthaltsort oder im [X.] "nicht nur vorübergehend verweilt" (vgl [X.] vom 25.6.1987 - [X.]E 62, 67, 68 f = [X.] 7833 § 1 [X.]).

Ob jemand sich gewöhnlich an einem Ort oder in einem Gebiet aufhält oder nur vorübergehend dort verweilt, lässt sich nur im Wege einer vorausschauenden Betrachtungsweise (Prognose) entscheiden ([X.] vom 22.3.1988 - [X.]E 63, 93, 97 = [X.] 2200 § 205 [X.]; [X.] vom [X.] - [X.]E 65, 84, 86 = [X.] 1200 § 30 [X.]). Dabei sind alle bei [X.] für die Beurteilung der künftigen Entwicklung erkennbaren Umstände zu berücksichtigen. Ist nach der Prognose davon auszugehen, dass die betreffende Person "bis auf weiteres" an dem Ort oder in dem Gebiet verweilen wird, so hat sie dort ihren gewöhnlichen Aufenthalt.

Diese Prognose bleibt auch dann maßgebend, wenn der "gewöhnliche Aufenthalt", wie hier, rückblickend zu ermitteln ist. Spätere Entwicklungen, die bei Beginn des entscheidungserheblichen Zeitraums noch nicht erkennbar waren, können eine Prognose weder bestimmen noch widerlegen. Wenn Änderungen eintreten, kann der gewöhnliche Aufenthalt an dem Ort oder in dem Gebiet nur vom Zeitpunkt der Änderung an entfallen (vgl [X.] vom 22.3.1988 - [X.]E 63, 93, 97 = [X.] 2200 § 205 [X.] f; [X.] vom [X.] - [X.]E 65, 84, 86 = [X.] 1200 § 30 [X.]). Diese Zukunftsgerichtetheit der Beurteilung des gewöhnlichen Aufenthalts iS des § 30 Abs 3 [X.] ist deswegen erforderlich, weil im Sozialrecht hiervon in vielfältiger Weise auch sofort zu treffende, zukunftsorientierte Entscheidungen abhängen, zB die über einen Krankenversicherungsschutz durch Familienversicherung (§ 10 Abs 1 S 1 [X.] [X.] V) oder einen Anspruch auf [X.] (§ 7 Abs 1 S 1 Nr 4 [X.] II).

Die Prognose (als solche) und die Feststellung der dafür erheblichen Anhaltspunkte sind dem Revisionsgericht verschlossen. Es ist Aufgabe der Tatsachengerichte, die notwendigen Ermittlungen durchzuführen und daraus die Prognose zu stellen. Die Prognose gehört nicht zur Rechtsanwendung; sie ist vielmehr Feststellung einer hypothetischen Tatsache. Deshalb können Prognosen im Revisionsverfahren nur mit Verfahrensrügen angegriffen werden ([X.] vom 7.4.1987 - [X.] 4100 § 44 [X.]; [X.] vom 22.3.1988 - [X.]E 63, 93, 97 f = [X.] 2200 § 205 [X.]; [X.] vom [X.] - [X.]E 65, 84, 86 = [X.] 1200 § 30 [X.]; [X.] vom 30.9.1996 - [X.]E 79, 147, 151 = [X.] 3-5870 § 2 [X.]3 S 131).

Das Gericht entscheidet, wenn es eine Prognose trifft, nach freier Überzeugung. Es hat aber alle Umstände des Einzelfalls zu würdigen. Die Prognose ist rechtsfehlerhaft, wenn das Gericht die der Prognose zugrunde zu legenden Tatsachen nicht richtig festgestellt oder nicht alle wesentlichen in Betracht kommenden Umstände hinreichend gewürdigt hat bzw wenn die Prognose auf rechtlich falschen oder unsachlichen Erwägungen beruht (vgl [X.] vom 22.3.1988 - [X.]E 63, 93, 98 = [X.] 2200 § 205 [X.]; [X.] vom [X.] - [X.]E 65, 84, 87 = [X.] 1200 § 30 [X.]; [X.] in [X.]/[X.]/[X.], [X.], 10. Aufl 2012, § 128 RdNr 9f).

Entgegen der Auffassung der Beklagten führt allein der Umstand, dass der Kläger mit seiner Einreise nach [X.] seinen "gewöhnlichen Aufenthalt" im Herkunftsgebiet aufgegeben hat, nicht dazu, dass er seinen "gewöhnlichen Aufenthalt" an dem Ort bzw in dem Gebiet genommen hat, in dem er sich im [X.] an die Einreise aufgehalten hat. Die Annahme einer zwingenden Verknüpfung der Aufgabe eines gewöhnlichen Aufenthalts mit der Begründung eines neuen gewöhnlichen Aufenthalts lässt außer [X.], dass die Existenz eines Menschen zwar stets einen "Aufenthalt", nicht aber zwangsläufig einen "gewöhnlichen Aufenthalt" voraussetzt.

Ein gewöhnlicher Aufenthalt ist nach § 30 Abs 3 [X.] vom "vorübergehenden Verweilen" bzw "vorübergehenden Aufenthalt" abzugrenzen (vgl [X.] vom 19.11.1965 - 1 RA 154/62 - Juris Rd[X.]4; [X.] vom 16.3.1978 - [X.]E 46, 84, 85 = [X.] 2200 § 1320 [X.]; [X.] vom [X.] - [X.] 3-1200 § 30 [X.]). Dem vorübergehenden Aufenthalt wohnt als zeitliches Element eine Beendigung von vornherein inne (vgl [X.] vom [X.] - [X.]E 63, 47, 49 = [X.] 5870 § 1 [X.]). Allerdings ist auch zur Begründung eines gewöhnlichen Aufenthalts ein längerer oder dauerhafter (unbegrenzter) Aufenthalt nicht erforderlich. Es braucht hier nicht entschieden zu werden, ab welchem von vornherein bestimmten Zeitraum ein Aufenthalt als "gewöhnlich" zu werten ist. Jedenfalls genügt es, dass der Betreffende sich an dem Ort oder in dem Gebiet "bis auf weiteres" im Sinne eines [X.]en Verbleibs aufhält (vgl [X.] vom [X.] - FEVS 49, 434, 436; [X.] vom [X.] - [X.] 3-2600 § 56 [X.]; [X.] vom 9.5.1995 - 8 [X.] 2/94 - Juris Rd[X.]7; [X.] in jurisPK-[X.] I, Online-Ausgabe, § 30 Rd[X.]6, Stand Einzelkommentierung Oktober 2011; [X.] in [X.] Komm, § 30 [X.] I Rd[X.]2, Stand Einzelkommentierung September 2007). Dann schaden auch (voraussehbare) zeitweilige Unterbrechungen nicht. Denn ein gewöhnlicher Aufenthalt erfordert nicht, dass man "nie abwesend" ist ([X.] vom [X.] - [X.]E 27, 88, 89 = [X.] Nr 5 zu § 1319 RVO). Voraussetzung ist keine Lückenlosigkeit des Aufenthalts, sondern nur eine gewisse Stetigkeit und Regelmäßigkeit (vgl [X.] vom [X.] aaO; [X.] vom [X.] [X.]/11 R - Juris Rd[X.]1 - zur Veröffentlichung in [X.] 4-1300 § 44 [X.] vorgesehen; vgl auch [X.] vom 22.3.1988 - [X.]E 63, 93, 98 = [X.] 2200 § 205 [X.]). Ein (gewichtiges) Indiz für einen Wechsel des gewöhnlichen Aufenthalts ist die Verlagerung des örtlichen Schwerpunkts der Lebensverhältnisse ([X.] vom [X.] - [X.] 3-2600 § 56 [X.]; [X.] vom [X.] - [X.] 3-1200 § 30 [X.]; vgl aber auch Senatsurteile vom 9.8.1995 - [X.] 3-1200 § 30 [X.] und vom 4.11.1998 - B 13 [X.] R - Juris Rd[X.]6).

Für die Unterscheidung zwischen gewöhnlichem und vorübergehendem Aufenthalt kann es nach alledem keine feste allgemeingültige Grenze im Sinne von Höchst- oder Mindestzeiten geben ([X.] vom 25.6.1987 - [X.]E 62, 67, 69 = [X.] 7833 § 1 [X.]). § 30 Abs 3 [X.] I enthält keine dem früheren § 14 Abs 1 S 2 Steueranpassungsgesetz und dem jetzigen § 9 S 2 AO entsprechende Regelung, wonach als gewöhnlicher Aufenthalt stets und von Beginn an ein zeitlich zusammenhängender Aufenthalt von mehr als sechs Monaten Dauer anzusehen ist (zumal dies eine retrospektive Betrachtungsweise nahelegt). Deshalb kann entgegen der Meinung des [X.] die Vorschrift des § 9 S 2 AO nicht für den Begriff des gewöhnlichen Aufenthalts iS von § 30 Abs 3 [X.] näher herangezogen werden (vgl bereits [X.] vom 22.3.1988 - [X.]E 63, 93, 98 f = [X.] 2200 § 205 [X.]; [X.] vom 31.1.1980 - [X.] 5870 § 1 [X.]; [X.], [X.]b 1999, 547, 550). Keiner Entscheidung bedarf im vorliegenden Fall, ob für die Begründung eines gewöhnlichen, nicht nur vorübergehenden Aufenthalts in Anlehnung an die kürzeste Frist des Melderechts (vgl § 15 Abs 2 [X.] des Melderechtsrahmengesetzes, zB §§ 23, 24 Abs 1, 26 Abs 1 des Gesetzes über das Meldewesen im Land [X.] in der Fassung der Bekanntmachung vom 17.1.2006 , zuletzt geändert durch Artikel 1 des [X.] ) zumindest die Prognose eines voraussichtlich länger als zwei Monate dauernden Aufenthalts erforderlich ist.

Mithin hat der Prognosesteller alle mit dem Aufenthalt verbundenen Umstände zu berücksichtigen ([X.] vom 25.6.1987 - [X.]E 62, 67, 69 = [X.] 7833 § 1 [X.]); dies können subjektive wie objektive, tatsächliche wie rechtliche sein. Es kann demnach entgegen der Ansicht des [X.] nicht allein auf den Willen des Betroffenen ankommen, sich an einen anderen Ort zu begeben und dort einen gewöhnlichen Aufenthalt zu begründen (sogenannter Domizilwille); dies gilt insbesondere dann, wenn er nicht mit den tatsächlichen (objektiven) Umständen übereinstimmt (vgl [X.] vom 22.3.1988 - [X.]E 63, 93, 97 = [X.] 2200 § 205 [X.]). Nicht zwingend für die Begründung eines gewöhnlichen Aufenthalts ist daher, ob der Betroffene sich an einem Ort oder in einem bestimmten Gebiet freiwillig aufhält ([X.] vom 29.5.1991 - [X.] 3-1200 § 30 [X.]. Allerdings kann ein fehlender Domizilwille im konkreten Einzelfall im Rahmen der Gesamtwürdigung als subjektives Element dann Bedeutung erlangen, wenn für einen außenstehenden Prognosesteller erkennbar wird, dass zusammen mit den objektiven Gegebenheiten ("Umstände, die erkennen lassen …") nicht (oder nicht mehr) von einem Aufenthalt "bis auf weiteres" ausgegangen werden kann (vgl Taenzel, Kompass 2/1995 [X.]; [X.], [X.]b 1999, 547, 550; vgl auch [X.] vom [X.] [X.]/11 R - Juris Rd[X.]0, zur Veröffentlichung in [X.]E und [X.] 4-4200 § 36a [X.] vorgesehen).

bb) Das [X.] hat aus den mit Verfahrensrügen nicht angegriffenen Tatsachenfeststellungen zu Recht gefolgert, dass der Kläger vor seinem Umzug nach [X.] am 15.5.1994 zunächst ab 22.12.1993 seinen gewöhnlichen Aufenthalt in [X.] und damit im Beitrittsgebiet begründet hat.

Wie das Berufungsgericht unter Hinweis auf die Rechtsprechung des [X.] zutreffend ausgeführt hat, kann auch ein Aufenthalt in einem "Übergangswohnheim" ein gewöhnlicher Aufenthalt iS des § 30 Abs 3 [X.] sein (vgl [X.] vom [X.] - FEVS 49, 434, 436; [X.] vom 23.10.2001 - [X.]/[X.] 2002, 221, 222; vgl auch [X.] Rheinland-Pfalz vom 25.9.2003 - L 6 RJ 132/03 - Juris Rd[X.]3; Bayerisches [X.] vom 16.6.2004 - L 19 RJ 584/02 - Juris Rd[X.]3; [X.] Niedersachsen-Bremen vom 8.10.2008 - L 2 R 511/07 - Juris RdNr 43; [X.] vom 4.3.2004 - 26 K 7967/00 - Juris Rd[X.]2, 29). Das gilt selbst dann, wenn die (nachvollziehbare) Absicht besteht, dieses so bald als möglich zu verlassen und sich an einem anderen Ort niederzulassen. Entscheidend sind aber auch hier stets alle erkennbaren Umstände des konkreten Einzelfalls zu Beginn des entscheidungserheblichen Zeitraums. Dies aber ist - ausgehend von dem oben dargestellten Begriffsinhalt des gewöhnlichen Aufenthalts als eines Aufenthalts "bis auf weiteres" im Sinne eines [X.]en Verbleibs - eine im Wege vorausschauender Betrachtung zu beantwortende Tatfrage und daher nicht (im Einzelfall) vom [X.] zu entscheiden.

Nach den Feststellungen des [X.] meldete sich der Kläger nach seiner Ankunft am 22.12.1993 in [X.] bei der für die [X.]aufnahmeeinrichtung melderechtlich zuständigen [X.] in [X.] an. Des Weiteren meldete er sich beim zuständigen Arbeitsamt [X.] arbeitslos, bezog Eingliederungshilfe und nahm an einem viereinhalbmonatigen Sprachkurs teil. Bei seiner Einreise nach [X.] hatten ihm seine Verwandten in [X.] noch keine bezugsbereite Wohnung verschafft. Vielmehr musste erst noch eine Wohnung angemietet werden. Zudem ging der Kläger nach eigenen Angaben selbst davon aus, dass er vor einem Umzug noch einen Sprachkurs absolvieren müsse und dass für den Umzug nach [X.] eine behördliche, bei seiner Ankunft in [X.] noch nicht vorliegende Zustimmung ("Erlaubnis") erforderlich sei.

Aus diesen Gesamtumständen hat das [X.] rechtsfehlerfrei geschlossen, dass der Kläger sich in [X.] ab 22.12.1993 "bis auf weiteres" im Sinne eines [X.]en Verbleibs aufgehalten und dort auch bis zu seinem Umzug nach [X.] den örtlichen Schwerpunkt seiner Lebensbeziehungen hatte.

cc) Nichts anderes ergibt sich, wenn man den Begriff des "gewöhnlichen Aufenthalts" im vorliegenden Fall durch den Norminhalt des Art 6 § 4 Abs 6 S 1 [X.] iVm dem Gesetz über die Festlegung eines vorläufigen Wohnortes für Spätaussiedler ([X.]) in der hier maßgeblichen Fassung vom 21.12.1992 ([X.] 2094, 2105) "eingefärbt" verstehen will. Denn auch ein an diesen Normen orientierter Begriffsinhalt würde nicht dazu führen, dass der Aufenthalt des [X.] als Spätaussiedler im Beitrittsgebiet nicht "[X.]" war.

Durch die Einfügung der Bestimmung des Art 6 § 4 Abs 6 S 1 [X.] durch das [X.] vom 25.7.1991 (aaO) sollte nach der Einigung [X.]s auf der Grundlage des Integrationsprinzips in Abhängigkeit vom gewöhnlichen Aufenthalt in den alten oder neuen Bundesländern ein "angemessener Lebensstandard" für Aussiedler gesichert werden. Wer als Aussiedler im Beitrittsgebiet Aufnahme gefunden hatte, sollte grundsätzlich ([X.] (nach einem Sicherungsniveau) erhalten, die denen der dort lebenden Bürger entsprachen. Zum anderen sollte kein Anreiz für die Verlegung des gewöhnlichen Aufenthalts wegen der unterschiedlichen Leistungshöhe geschaffen werden (vgl Begründung des Gesetzentwurfs der Fraktionen [X.] und F.D.P vom 23.4.1991 eines [X.], BT-Drucks 12/405, 114 ). Maßgeblich blieb demnach der Integrationsgedanke. Dieser war aber nach dem Beitritt der neuen Bundesländer zur [X.] und dem Inkrafttreten eines einheitlichen Rentenrechts zum [X.] nicht mehr von dem Bedürfnis geprägt, Aussiedler im Wege besonderer staatlicher Fürsorge weiter dadurch individuell in das Sozialgefüge der [X.] zu integrieren, dass sie fiktiv (stets) so behandelt wurden, als hätten sie ihr bisheriges Erwerbsleben in den alten Bundesländern verbracht (vgl zu Übersiedlern [X.] vom 14.12.2011 - [X.] 4-2600 § 248 [X.] Rd[X.]0). Denn ein die einheitliche Behandlung vorgebendes einheitliches Sozialgefüge gab es nach dem Beitritt in [X.] nicht mehr.

Der Aufenthalt des [X.] in der [X.]aufnahmeeinrichtung in [X.] war daher auch nicht deshalb nur "vorübergehend", weil die dortige Aufenthaltnahme als Spätaussiedler aufgrund behördlicher (hoheitlicher) Zuweisung nach Maßgabe des [X.] erfolgte.

Gemäß § 2 Abs 1 S 1 [X.] konnten (Spät-)Aussiedler nach der Aufnahme in [X.] einem Wohnort zugewiesen werden, wenn sie nicht über ausreichenden Wohnraum verfügten und daher bei der Unterbringung auf öffentliche Hilfe angewiesen waren. Bei der Entscheidung über die Zuweisung sollten ihre Wünsche, enge verwandtschaftliche Beziehungen sowie die Möglichkeit ihrer beruflichen Eingliederung berücksichtigt werden (§ 2 Abs 2 [X.]). Nach § 4 S 1 [X.] [X.] konnten die [X.]regierungen einen Schlüssel für die Zuweisung der Aussiedler innerhalb des [X.] in [X.]n und Kreise festlegen. Entschied sich der Aussiedler für einen Wohnort abweichend von der Zuweisung, war die [X.] nicht verpflichtet, den Aufgenommenen als Aussiedler zu betreuen. Leistungsansprüche der Betroffenen blieben hiervon unberührt (vgl Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung vom 5.6.1989, BT-Drucks 11/4689, 6 ; vgl aber den durch das [X.] zur Änderung des [X.] vom 26.2.1996 <[X.] 223> mit Wirkung vom 1.3.1996 eingefügten und bis zum [X.] geltenden § 3a [X.], nach dessen Abs 1 ein Spätaussiedler oder Familienangehöriger, der abweichend von der Verteilung nach § 8 [X.] oder entgegen einer landesinternen Zuweisung nach § 2 Abs 1 [X.] 1996 in einem anderen Land oder an einem anderen als dem zugewiesenen Ort ständigen Aufenthalt nahm, an diesem Ort keine Leistungen nach dem Arbeitsförderungsgesetz und in der Regel nur die nach den Umständen nachweisbar gebotene Hilfe nach dem [X.] erhielt; zur Verfassungsmäßigkeit dieser Regelung s [X.] vom 17.3.2004 - [X.]E 110, 177). Grundsätzlich blieb es Aussiedlern daher unbenommen, sich (unmittelbar) nach ihrer Einreise selbst oder mit Hilfe von Angehörigen oder Freunden an einen Ort ihrer Wahl zu begeben und dort gewöhnlichen Aufenthalt und Wohnsitz zu nehmen (vgl aaO, BT-Drucks 11/4689, 5 ; vgl auch Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung vom [X.], BT-Drucks 509/92, 67 ).

Die Zuweisung nach dem [X.] wurde gegenstandslos, wenn der Aufgenommene nachwies, dass ihm an einem anderen Ort entweder nicht nur vorübergehend ausreichender Wohnraum oder ein Arbeits-, Ausbildungs- oder Studienplatz zur Verfügung stand, in jedem Falle spätestens nach zwei Jahren (§ 2 Abs 4 [X.]).

Auch wenn damit die Zuweisung auf höchstens zwei Jahre begrenzt war, war der Aufenthalt eines Spätaussiedlers in der zugewiesenen [X.] grundsätzlich [X.] angelegt. Ob die Zuweisung wegen des Ablaufs der [X.] oder aus anderen Gründen bereits früher gegenstandslos wurde, beeinflusst die Prognoseentscheidung über die Zukunftsoffenheit des Aufenthalts nicht.

3. Die Regelung des Art 6 § 4 Abs 6 S 1 Buchst b [X.] verstößt auch nicht gegen Verfassungsrecht. Insbesondere liegt kein Verstoß gegen Art 3 Abs 1 GG vor.

Art 3 Abs 1 GG gebietet, alle Menschen vor dem Gesetz gleich zu behandeln. Verboten ist auch ein gleichheitswidriger Begünstigungsausschluss, bei dem die Begünstigung einem Personenkreis gewährt, einem anderen Personenkreis aber vorenthalten wird ([X.] vom 14.4.2010 - [X.]E 126, 29, 43 mwN). Damit ist dem Gesetzgeber allerdings nicht jede Differenzierung verwehrt. Er verletzt das Grundrecht vielmehr nur, wenn er eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten (vgl [X.] vom 7.7.1992 - [X.]E 87, 1, 36 = [X.] 3-5761 Allg [X.] S 7; [X.] vom 9.11.2004 - [X.]E 112, 50, 67 = [X.] 4-3800 § 1 [X.] RdNr 55; [X.] vom 27.2.2007 - [X.]E 117, 272, 300 f = [X.] 4-2600 § 58 [X.] Rd[X.]0; [X.] vom 11.11.2008 - [X.]E 122, 151, 188 = [X.] 4-2600 § 237 [X.]6 RdNr 62; [X.] vom 14.4.2010 - [X.]E 126, 29, 47; stRspr).

Aus dem allgemeinen Gleichheitssatz ergeben sich je nach Regelungsgegenstand und [X.] unterschiedliche Grenzen für den Gesetzgeber, die vom bloßen Willkürverbot bis zu einer strengeren Bindung an [X.] reichen (vgl [X.] vom 20.4.2004 - [X.]E 110, 274, 291; [X.] vom 7.11.2006 - [X.]E 117, 1, 30; [X.] vom 17.11.2009 - [X.]E 125, 1, 17).

Für die Anforderungen an Rechtfertigungsgründe für gesetzliche Differenzierungen kommt es wesentlich darauf an, in welchem Maß sich die Ungleichbehandlung von Personen oder Sachverhalten auf die Ausübung grundrechtlich geschützter Freiheiten auswirken kann. Genauere Maßstäbe und Kriterien dafür, unter welchen Voraussetzungen der Gesetzgeber den Gleichheitssatz verletzt, lassen sich nicht abstrakt und allgemein, sondern nur in Bezug auf die jeweils betroffenen unterschiedlichen Sach- und Regelungsbereiche bestimmen. Eine strengere Bindung des Gesetzgebers ist anzunehmen, wenn die Differenzierung an Persönlichkeitsmerkmale anknüpft (vgl [X.] vom 15.7.1998 - [X.]E 98, 365, 389). Bei lediglich verhaltensbezogenen Unterscheidungen hängt das Maß der Bindung davon ab, inwieweit die Betroffenen in der Lage sind, durch ihr Verhalten die Verwirklichung der Merkmale zu beeinflussen, nach denen unterschieden wird ([X.] vom 15.7.1998 - [X.]E 98, 365, 389). Die Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers geht dann besonders weit, wenn er Lebenssachverhalte verschieden behandelt und die Betroffenen sich durch eigenes Verhalten auf die unterschiedliche Regelung einstellen können. Die Grenze bildet dann allein das Willkürverbot (vgl [X.] vom 18.2.1998 - [X.]E 97, 271, 291).

Ausgehend von diesem Maßstäben verstößt Art 6 § 4 Abs 6 S 1 Buchst b [X.] nicht gegen Art 3 Abs 1 GG.

Der Gesetzgeber wollte - wie unter 2 [X.]) bereits erwähnt - mit der (Übergangs-)Regelung des Art 6 § 4 Abs 6 [X.] den durch die Öffnung der [X.] eingetretenen Änderungen auch im Fremdrentenrecht Rechnung tragen. Dieses sollte so weiter entwickelt werden, dass es am jeweiligen Aufenthaltsort - sei es in den alten Bundesländern oder im Beitrittsgebiet - einen angemessenen Lebensstandard sichert. Wer als Aussiedler im Beitrittsgebiet Aufnahme gefunden hatte, sollte Leistungen erhalten, die dem Rentenniveau der dort lebenden Bürger entsprechen. Die unterschiedliche Leistungshöhe in den neuen und alten Bundesländern machte es jedoch nach Ansicht des Gesetzgebers erforderlich, den Anreiz für einen Wohnortwechsel in die alten Bundesländer zu nehmen und für Aussiedler keine günstigeren Regelungen zu treffen, als sie für Bundesbürger im Beitrittsgebiet gelten (vgl Begründung des Gesetzentwurfs der Fraktionen [X.] und F.D.P vom 23.4.1991 eines [X.], BT-Drucks 12/405, 114 ).

In Umsetzung dieser Zielvorgabe hat der Gesetzgeber in Art 6 § 4 Abs 6 [X.] sachgerecht und damit keinesfalls willkürlich für die Höhe der "Renten nach dem [X.]" als Anknüpfungspunkte auf den gewöhnlichen Aufenthalt des [X.]-Berechtigten und die unterschiedlichen Lebens- und Einkommensverhältnisse in den neuen und alten Bundesländern abgestellt. Dass er damit für den hier maßgeblichen Zeitraum nicht allein auf die vom Willen des Betroffenen (grundsätzlich) unabhängige behördliche Zuweisung abgestellt hat, ergibt sich aus den Ausführungen zu 2 [X.]). Wenn auch bei einer Verlegung des gewöhnlichen Aufenthalts eines [X.]-Berechtigten aus den neuen in die alten Bundesländer den [X.] [X.] ([X.]) zugeordnet bleiben und nicht die Ermittlung von [X.] vorgesehen ist, entspricht dies der Rechtslage für solche [X.] mit rentenrechtlichen Zeiten im Beitrittsgebiet, die in einem der alten Bundesländer ansässig sind.

4. [X.] folgt aus § 193 [X.].

Meta

B 13 R 1/12 R

31.10.2012

Bundessozialgericht 13. Senat

Urteil

Sachgebiet: R

vorgehend SG Köln, 7. Mai 2010, Az: S 6 R 106/08, Urteil

§ 30 Abs 3 S 2 SGB 1, § 64 SGB 6, § 254b Abs 1 SGB 6, § 44 Abs 1 SGB 10, § 1 Buchst a FRG, Art 6 § 4 Abs 6 S 1 Buchst b FANG, § 4 BVFG, § 1 AusÜbsiedWOG vom 21.12.1992, § 2 AusÜbsiedWOG vom 21.12.1992, § 4 AusÜbsiedWOG vom 21.12.1992, § 9 S 2 AO 1977, Art 3 Abs 1 GG

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Urteil vom 31.10.2012, Az. B 13 R 1/12 R (REWIS RS 2012, 1756)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 1756

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