Bundessozialgericht, Urteil vom 10.12.2013, Az. B 13 R 9/13 R

13. Senat | REWIS RS 2013, 463

© Bundessozialgericht, Dirk Felmeden

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Gegenstand

Gesetzliche Rentenversicherung - Vormerkung polnischer Versicherungszeiten - Anwendbarkeit des RV/UVAbk POL - Wohnort - gewöhnlicher Aufenthalt - Aufenthaltsstatus - Duldung


Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des [X.] vom 22. März 2013 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch für das Revisionsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand

1

Die Klägerin begehrt die Vormerkung in [X.] zurückgelegter Versicherungszeiten in der [X.] Rentenversicherung.

2

Die 1955 in [X.] geborene Klägerin reiste am 7.6.1990 mit ihrem 1979 geborenen [X.] - wie bereits ein halbes Jahr zuvor ihr Ehemann - in die [X.] ein. Die Familie bewohnte fortan eine gemeinsame Wohnung in D./[X.]. Die Klägerin ist weder als Spätaussiedlerin noch als Vertriebene anerkannt.

3

Eine nach dem erfolglosen Vertriebenenverfahren von der Ausländerbehörde erlassene Ordnungsverfügung vom [X.] mit einer an die Klägerin gerichteten Aufforderung zur Ausreise wurde vom [X.] mit Beschluss vom 6.10.1995 (8 L 1241/95) bestätigt. Die hiergegen beim Oberverwaltungsgericht für das [X.] erhobene Beschwerde nahm die Klägerin wegen der ihr im April 1997 als "Härtefallentscheidung" nach dem Runderlass des Innenministeriums des Landes [X.] vom 10.6.1996 erteilten Aufenthaltsbefugnis zurück.

4

Zuvor hatte die Ausländerbehörde der Klägerin für den Zeitraum ab 12.6.1990 jeweils befristete Duldungen ausgestellt. Vom [X.] bis 15.4.2005 war sie im Besitz einer Aufenthaltsbefugnis. Ab 4.4.2005 erhielt sie nach dem Beitritt [X.]s zur [X.] eine (unbefristete) Freizügigkeitsbescheinigung. Seit 30.4.2009 ist die Klägerin [X.] Staatsangehörige.

5

Auf ihren Antrag auf Klärung des [X.] vom [X.] stellte die Beklagte die im Versicherungsverlauf enthaltenen Daten, die länger als sechs Jahre zurücklagen (Zeiten bis 31.12.2004) verbindlich fest, ohne ([X.]) die in [X.] zurückgelegten Versicherungszeiten vom 4.10.1974 bis 28.2.1976, vom 10.4.1976 bis 27.11.1978 und vom 7.3.1979 bis 31.5.1990 als Beitrags- oder Beschäftigungszeit in der [X.] Rentenversicherung vorzumerken (Bescheid vom [X.], Widerspruchsbescheid vom 16.6.2011). Die Klägerin erfülle die persönlichen Voraussetzungen des § 1 Buchst a FRG (Anerkennung als Vertriebene oder Spätaussiedlerin) nicht. Nichts anderes ergebe sich aus dem [X.]ommen zwischen der [X.] und der Volksrepublik [X.] über Renten- und Unfallversicherung ([X.] [X.] RV/UV) vom 9.10.1975. Denn die Klägerin habe ihren gewöhnlichen Aufenthalt in [X.] nicht vor dem 31.12.1990 begründet. Ihre in [X.] zurückgelegten Versicherungszeiten würden nach den Regelungen der [X.] und [X.] berücksichtigt.

6

Die hiergegen gerichtete Klage hat das [X.] mit Urteil vom [X.] abgewiesen, die Berufung ist ohne Erfolg geblieben (Urteil vom [X.]). Zur Begründung hat das L[X.] im Wesentlichen ausgeführt: Ein Anspruch auf Vormerkung der in [X.] zurückgelegten Versicherungszeiten in der [X.] Rentenversicherung gemäß Art 4 Abs 2 [X.] [X.] RV/UV iVm Art 2 Abs 1 des [X.] zu dem [X.] [X.] RV/UV vom 12.3.1976 bestehe nur dann, wenn die Voraussetzungen des Art 27 Abs 2 bis 4 des [X.]ommens zwischen der [X.] und der Republik [X.] über Soziale Sicherheit vom 8.12.1990 ([X.] [X.] [X.]) vorlägen. Nach Art 27 Abs 3 S 1 [X.] [X.] [X.] müsse die Klägerin hierfür [X.] spätestens vom 30.6.1991 an in [X.] wohnen. Wohnort sei der Ort des gewöhnlichen Aufenthalts (§ 30 Abs 3 S 2 [X.]B I), wobei es sich um einen unbefristeten rechtmäßigen Aufenthalt handeln müsse (Art 1 Nr 10 [X.] [X.] [X.]). Jemand habe seinen gewöhnlichen Aufenthalt dort, wo er sich unter Umständen aufhalte, die erkennen ließen, dass er an diesem Ort oder in diesem Gebiet nicht nur vorübergehend verweile. Bei Ausländern müsse dazu die Aufenthaltsposition so offen sein, dass sie wie bei einem Inländer einen Aufenthalt auf unbestimmte Dauer ermögliche, statt auf Beendigung des Aufenthalts im Inland angelegt zu sein. Dabei komme es auf den Inhalt der von der Ausländerbehörde ausgestellten Bescheinigungen an, wie er sich nach der behördlichen Praxis und der gegebenen Rechtslage darstelle (Hinweis auf B[X.] vom 25.3.1998 - B 5 RJ 22/96 R - Juris RdNr 22). Bei der Klägerin sei der gewöhnliche Aufenthalt erst seit [X.] mit der Erteilung einer Aufenthaltsbefugnis gegeben. Zum 30.6.1991 habe sie sich erst ca ein Jahr in [X.] aufgehalten. Eine verfestigte Rechtsposition bzw "Kettenduldungen" von mehreren Jahren hätten noch nicht vorgelegen. Eine besondere Praxis der Ausländerbehörden in [X.], Aufenthalte für Staatsangehörige aus den ehemaligen Ostblockstaaten auf unbestimmte Zeit zuzulassen, habe es nicht gegeben. Vielmehr sei die sogenannte "Ostblockregelung" bereits aufgehoben gewesen.

7

Mit der vom L[X.] zugelassenen Revision rügt die Klägerin die Verletzung materiellen Rechts. Das L[X.] habe § 149 Abs 5 und §§ 54, 55 [X.]B VI iVm Art 2 des Gesetzes zu dem [X.] [X.] RV/UV vom 12.3.1976 in der Fassung des Gesetzes zu dem [X.] [X.] [X.] vom 18.6.1991 sowie Art 27 Abs 3 [X.] [X.] [X.] rechtsfehlerhaft ausgelegt und angewandt. Sie habe seit ihrer Einreise gemeinsam mit ihrem Ehemann und Kind eine Wohnung unter Umständen innegehabt, die darauf schließen ließen, dass sie die Wohnung beibehalten werde. Damit erfülle sie die Voraussetzungen des Art 27 Abs 3 [X.] [X.] [X.]. Auf einen bestimmten ausländerrechtlichen Titel komme es allein nicht an, sondern auch auf die sonstigen Umstände und die materielle Rechtslage. Der Begründung eines gewöhnlichen Aufenthalts stünden grundsätzlich keine Hindernisse entgegen, soweit keine aufenthaltsbeendenden Maßnahmen zu erwarten seien. Zudem sei sie der Auffassung gewesen, die [X.] Volkszugehörigkeit werde ihren Aufenthalt auf Dauer sichern. Die unter Art 6 Abs 1 GG stehende Familienzusammenführung habe ihren aufenthaltsrechtlichen Status am Stichtag 30.6.1991 bereits so verfestigt, dass es der sogenannten "Ostblockregelung" nicht mehr bedurft habe, um ihren rechtlich erlaubten Aufenthalt in der [X.] dauerhaft zu begründen. Dies folge auch aus der ihr 1997 aufgrund der sogenannten "Härtefallregelung" erteilten Aufenthaltsbefugnis.

8

Die Klägerin beantragt,

        

die Urteile des Landessozialgerichts [X.] vom 22. März 2013 und des [X.] vom 7. März 2012 aufzuheben und die [X.] unter Änderung des Bescheids vom 28. März 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 16. Juni 2011 zu verurteilen, die von ihr in [X.] zurückgelegten rentenrechtlichen Zeiten nach Maßgabe des [X.]ommens zwischen der [X.] und der Volksrepublik [X.] über Renten- und Unfallversicherung vom 9. Oktober 1975 vorzumerken.

9

Die Beklagte beantragt,

        

die Revision zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Ergänzend trägt sie vor, ausländerrechtliche Duldungen beseitigten weder die Ausreisepflicht noch deren Vollziehbarkeit, weshalb ein rechtmäßiger Aufenthalt nicht erreicht werde. Wegen des nur vorübergehenden Stopps der Abschiebung und der zeitlichen Beschränkung bei vorübergehenden [X.] lasse sich die Prognose eines Daueraufenthalts in [X.] nicht treffen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Revision der Klägerin ist unbegründet.

Zu Recht haben die Vorinstanzen die kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage (§ 54 Abs 1 [X.] 1, § 56 [X.]) abgewiesen und entschieden, dass die Beklagte die von der Klägerin erstrebten rechtlichen Feststellungen nicht treffen muss. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Vormerkung (§ 149 Abs 5 [X.] 1 [X.] VI) der von ihr [X.] zurückgelegten Versicherungszeiten vom 4.10.1974 bis 28.2.1976, vom 10.4.1976 bis 27.11.1978 und vom 7.3.1979 bis 31.5.1990 in der [X.] Rentenversicherung nach Maßgabe des [X.] [X.] RV/UV vom 9.10.1975 ([X.] 1976, 396).

1. Das noch vom [X.] bzw Integrationsprinzip (vgl hierzu B[X.]G vom 25.3.1998 - B 5 RJ 22/96 R - Juris Rd[X.] 18; B[X.]G vom [X.] Juris Rd[X.] 14) getragene [X.] [X.] RV/UV ist durch ([X.] vom 12.3.1976 ([X.] 393) in das innerstaatliche Recht transformiert und am 1.5.1976 in [X.] getreten ([X.] 463).

Nach Art 2 Abs 1 des Gesetzes zu dem [X.] [X.] RV/UV sind Zeiten, die nach dem [X.] Recht der Rentenversicherung zu berücksichtigen sind, gemäß Art 4 Abs 2 [X.] [X.] RV/UV in demselben zeitlichen Umfang in der [X.] Rentenversicherung in entsprechender Anwendung des [X.] ([X.]) zu berücksichtigen, solange der Berechtigte im Geltungsbereich dieses Gesetzes "wohnt". Gemäß § 15 Abs 1 [X.] 1 [X.] stehen Beitragszeiten, die bei einem nicht[X.] Träger der gesetzlichen Rentenversicherungen zurückgelegt sind, den nach Bundesrecht zurückgelegten Beitragszeiten gleich (vgl § 55 Abs 1 [X.] 2 [X.] VI).

a) Das [X.] [X.] RV/UV wurde durch das spätere [X.] [X.] [X.] vom 8.12.1990 ([X.] 1991, 743), das durch das ([X.] vom 18.6.1991 ([X.] 741, geändert durch Art 2 [X.] des Gesetzes zur Umsetzung von [X.] und zur Änderung verschiedener Zustimmungsgesetze vom [X.], [X.] 1464) in innerstaatliches Recht transformiert worden und am 1.10.1991 in [X.] getreten ist ([X.] 1072), nicht ausnahmslos verdrängt bzw ersetzt. Denn nach den Übergangs- und [X.]chlussbestimmungen des [X.] [X.] [X.] ist das [X.] [X.] RV/UV unter den Voraussetzungen des Art 27 Abs 2 bis 4 [X.] [X.] [X.] weiterhin anwendbar.

b) Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der mit Wirkung vom [X.] in [X.] getretenen [X.] 883/2004 vom [X.] (ABl <[X.]> [X.] L 166 vom 30.4.2004, zuletzt geändert durch [X.] 517/2013 vom [X.], ABl <[X.]> [X.] L 158 vom 10.6.2013).

Nach Art 8 Abs 1 [X.] 1 [X.] 883/2004 ist diese Verordnung im Rahmen ihres Geltungsbereichs zwar an die [X.]telle aller zwischen den Mitgliedstaaten geltenden [X.]ommen über die [X.] [X.]icherheit getreten. Dies betrifft auch die entsprechenden Vereinbarungen zwischen [X.] und [X.] - also auch das [X.] [X.] [X.] und das [X.] [X.] RV/UV. Einzelne Bestimmungen von [X.]ommen über [X.] [X.]icherheit, die wie das [X.] [X.] RV/UV von den Mitgliedstaaten vor dem Beginn der Anwendung der [X.] 883/2004 geschlossen wurden, gelten nach Art 8 Abs 1 [X.] 2 [X.] 883/2004 jedoch fort, sofern sie für die Berechtigten günstiger sind oder sich aus besonderen historischen Umständen ergeben und ihre Geltung zeitlich begrenzt ist. Um weiterhin Anwendung zu finden, müssen diese Bestimmungen ferner in [X.] aufgeführt sein (Art 8 Abs 1 [X.] 3 [X.] 883/2004).

Die formelle Voraussetzung der Fortgeltung des [X.] [X.] RV/UV sind erfüllt. In [X.] der [X.] 883/2004 ist unter der Überschrift "Bestimmungen von [X.]ommen, die weiter in [X.] bleiben und gegebenenfalls auf die Personen beschränkt sind, für die diese Bestimmungen gelten (Artikel 8 Absatz 1)" im Abschnitt "[X.] - [X.]" unter Buchst a das "[X.]ommen vom 9. Oktober 1975 über Renten- und Unfallversicherung, unter den in Artikel 27 Absätze 2 bis 4 des [X.]ommens über [X.] [X.]icherheit vom 8. Dezember 1990 festgelegten Bedingungen (Beibehaltung des Rechtsstatus auf der Grundlage des [X.]ommens von 1975 der Personen, die vor dem 1. Jan[X.]r 1991 ihren Wohnsitz auf dem Hoheitsgebiet [X.]s oder [X.]s genommen hatten und weiterhin dort ansässig sind)" aufgeführt.

Auch die materiellen Voraussetzungen für die Fortgeltung des [X.] [X.] RV/UV sind gegeben. Es sind lediglich "einzelne Bestimmungen von [X.]ommen über [X.] [X.]icherheit" betroffen, auch wenn [X.] die Fortgeltung des gesamten [X.] [X.] RV/UV anordnet. Denn dieses Vertragswerk stellt kein umfassendes [X.]ommen über [X.] [X.]icherheit i[X.] des Art 8 [X.] 883/2004 dar, sondern beschränkt sich auf Regelungen zur [X.] ([X.]enatsurteil vom 10.7.2012 - [X.], 184 = [X.]-5075 § 1 [X.], Rd[X.] 34).

Ob die weitere Anwendung der Bestimmungen des [X.] [X.] RV/UV für den in [X.] (Abschnitt [X.] - [X.]) der [X.] 883/2004 benannten Personenkreis bzw für die Klägerin insgesamt günstiger wäre als der Bezug zeitanteiliger Leistungen aus der [X.] und [X.] RV nach den Regeln der Art 50 ff [X.] 883/2004, hat das [X.] zwar nicht festgestellt. Dies dürfte aber bei nach langjähriger Berufstätigkeit in [X.] nach [X.] übergesiedelten Personen regelmäßig der Fall sein. Weitere [X.]achaufklärung hierzu ist jedoch entbehrlich, da jedenfalls die zweite Alternative des Art 8 Abs 1 [X.] 2 [X.] 883/2004 erfüllt ist. Denn die Fortgeltung des [X.] [X.] RV/UV für diejenigen vor dem [X.] [X.], die (spätestens) bis zum 30.6.1991 ihren "Wohnort" in [X.] oder [X.] hatten und auch weiterhin dort ansässig sind, beruht auf den besonderen historischen Umständen, die [X.] und [X.] veranlasst haben, zur Bewältigung der als Folge des [X.] entstandenen Lage im Jahr 1975 hinsichtlich der rentenrechtlichen Ansprüche der in [X.] oder [X.] lebenden Bürger das Eingliederungsprinzip zugrunde zu legen und auch nach den Umwälzungen im Jahr 1990 für die genannte Personengruppe beizubehalten ([X.]enatsurteil vom 10.7.2012 - [X.], 184 = [X.]-5075 § 1 [X.], Rd[X.] 35).

Die Fortgeltung des [X.] [X.] RV/UV ist schließlich "zeitlich begrenzt", da dessen Bestimmungen an [X.]telle der europarechtlichen Koordinierungsregelungen nur so lange Anwendung finden, wie die davon betroffenen Personen ihren bisherigen Wohnort in [X.] oder [X.] beibehalten. [X.]obald diese von der Freizügigkeit Gebrauch machen und ihren Wohnort in ein anderes Land verlegen, werden die allgemeinen Regelungen des [X.] auch für sie wirksam ([X.]enatsurteil vom 10.7.2012 - [X.], 184 = [X.]-5075 § 1 [X.], Rd[X.] 36; [X.], [X.] zum Urteil des [X.] vom 18.12.2007 , [X.], 40, 44).

Die im [X.] (Art 8 Abs 1 iVm [X.] [X.] 883/2004) für eine bestimmte Personengruppe verankerte Weitergeltung des [X.] [X.] RV/UV ist auch mit den im [X.] Vertragsrecht allen Unionsbürgern garantierten Grundfreiheiten (vgl Art 20 des Vertrages über die Arbeitsweise der [X.] - A[X.]), insbesondere der Freizügigkeit (Art 20 Abs 2 [X.] 2 Buchst a iVm Art 21 A[X.], s auch Art 45 iVm Art 52 Abs 2 [X.]harta der Grundrechte der [X.] ), vereinbar (hierzu ausführlich [X.]enatsurteil vom 10.7.2012 - [X.], 184 = [X.]-5075 § 1 [X.], Rd[X.] 37 ff; zu diesem [X.] im Allgemeinen [X.] vom 18.12.2007 - [X.] [X.] - - [X.]-6035 Art 42 [X.], Rd[X.] 74 ff; [X.] vom 16.5.2013 - [X.] 589/10 - - [X.] 2013, 456, 460 zu Art 45 A[X.]).

2. Nach Art 27 Abs 2 [X.] 1 [X.] [X.] [X.] werden die vor dem [X.] aufgrund des [X.] [X.] RV/UV von Personen in einem Vertragsstaat erworbenen Ansprüche durch das [X.] [X.] [X.] nicht berührt, solange diese Personen auch nach dem 31.12.1990 ihren Wohnort im Hoheitsgebiet dieses Vertragsstaats beibehalten. Gemäß Art 27 Abs 3 [X.] [X.] [X.] erwerben Ansprüche und Anwartschaften nach dem [X.] [X.] RV/UV auch Personen, die vor dem [X.] in den anderen Vertragsstaat eingereist sind, bis zu diesem Zeitpunkt die Verlegung des Wohnortes in den anderen Vertragsstaat beantragt haben und sich dort seitdem ununterbrochen aufhalten (in diesem [X.]inne ist auch der Klammerzusatz "Beibehaltung des Rechtsstatus auf der Grundlage des [X.]ommens von 1975 der Personen, die vor dem 1. Jan[X.]r 1991 ihren Wohnsitz auf dem Hoheitsgebiet [X.]s oder [X.]s genommen hatten und weiterhin dort ansässig sind" im [X.] der [X.] 883/2004, Abschnitt "[X.] - [X.]" unter Buchst a zu verstehen). Weitere Voraussetzung ist jedoch, dass sie im Zeitpunkt des Versicherungsfalls, spätestens vom 30.6.1991 an, in diesem Vertragsstaat auch "wohnen" (zur Abgrenzung von Abs 2 und Abs 3 des Art 27 [X.] [X.] [X.] s [X.]enatsurteil vom 4.11.1998 - B 13 [X.] R - Juris Rd[X.] 31).

Damit kommt es für die weitere Anwendbarkeit des [X.] [X.] RV/UV entscheidend darauf an, ob die Klägerin spätestens seit 30.6.1991 ununterbrochen in der Bundesrepublik [X.] "wohnt". Dies ist nach den nicht mit Verfahrensrügen angegriffenen und damit für den [X.]enat bindenden Feststellungen des Berufungsgerichts (§ 163 [X.]) nicht der Fall.

a) Für die Begriffe "Wohnort" und "wohnen" in Art 27 Abs 2 und 3 [X.] [X.] [X.] ist die Definition des [X.] [X.] RV/UV maßgeblich (B[X.]G vom 9.5.1995 - 8 [X.] 2/94 - Juris Rd[X.] 13; [X.]enatsurteile vom 9.8.1995 - [X.] 3-1200 § 30 [X.] f und vom 4.11.1998 - B 13 [X.] R - Juris Rd[X.] 32 f; stRspr). Nach Art 1 [X.] [X.]piegelstrich 1 [X.] [X.] RV/UV versteht man hierunter - für die Bundesrepublik [X.] - "den Ort des gewöhnlichen Aufenthalts oder sich gewöhnlich aufhalten". Art 1a des [X.] zu dem [X.] [X.] RV/UV vom 12.3.1976, der durch das Rentenreformgesetz 1992 ([X.] 1992) vom [X.] ([X.] 2261) zum 1.7.1990 eingefügt worden ist (Art 20 [X.] 1, 85 Abs 6 [X.] 1992), konkretisiert dies mit der Bestimmung, dass einen gewöhnlichen Aufenthalt in diesem [X.]inne nur hat, wer sich dort unbefristet rechtmäßig aufhält (vgl auch Art 1 [X.] [X.] [X.] [X.]).

Da das [X.] [X.] RV/UV selbst die Begriffe "Wohnort" und "wohnen" - über die soeben beschriebenen allgemeinen Definitionen hinaus - nicht näher bestimmt, ist wegen des ausdrücklichen Bezugs auf die Bundesrepublik [X.] davon auszugehen, dass auf den betreffenden innerstaatlichen ([X.]) Rechtsbegriff des gewöhnlichen Aufenthalts verwiesen werden sollte, wie er für die gesetzliche Rentenversicherung als Teil des [X.] in § 30 Abs 3 [X.] 2 [X.] I bestimmt ist ([X.]enatsurteile vom 9.8.1995 - [X.] 3-1200 § 30 [X.] 15 [X.] 26 und vom 4.11.1998 - B 13 [X.] R - Juris Rd[X.] 35; stRspr). Danach hat jemand seinen gewöhnlichen Aufenthalt dort, wo er sich unter Umständen aufhält, die erkennen lassen, dass er an diesem Ort oder in diesem Gebiet nicht nur vorübergehend verweilt.

Die Frage des Vorliegens eines gewöhnlichen Aufenthalts nach § 30 Abs 3 [X.] 2 [X.] I ist anhand einer dreistufigen Prüfung zu klären. Ausgangspunkt ist ein "Aufenthalt"; es sind dann die mit dem Aufenthalt verbundenen "Umstände" festzustellen; sie sind schließlich daraufhin zu würdigen, ob sie "erkennen lassen", dass der Betreffende am Aufenthaltsort oder im [X.] "nicht nur vorübergehend verweilt" (vgl B[X.]G vom 25.6.1987 - [X.], 67, 68 f = [X.] 7833 § 1 [X.] 1 [X.] 2; [X.]enatsurteil vom 31.10.2012 - [X.], 116 = [X.]-1200 § 30 [X.] 6, Rd[X.]4).

Ob jemand sich gewöhnlich an einem Ort oder in einem Gebiet aufhält oder nur vorübergehend dort verweilt, lässt sich nur im Wege einer vorausschauenden Betrachtungsweise (Prognose) entscheiden (B[X.]G vom 22.3.1988 - [X.], 93, 97 = [X.] 2200 § 205 [X.] 65 [X.] 183; B[X.]G vom [X.] - [X.], 84, 86 = [X.] 1200 § 30 [X.] 17 [X.] 17; [X.]enatsurteil vom 31.10.2012 - [X.], 116 = [X.]-1200 § 30 [X.] 6, Rd[X.]5). Dabei sind alle bei [X.] für die Beurteilung der künftigen Entwicklung erkennbaren Umstände zu berücksichtigen. Ist nach der Prognose davon auszugehen, dass die betreffende Person zukunftsoffen "bis auf weiteres" an dem Ort oder in dem Gebiet verweilen wird, so hat sie dort ihren gewöhnlichen Aufenthalt, wobei kein dauerhafter (unbegrenzter) Aufenthalt erforderlich ist (vgl BVerwG vom [X.] - FEV[X.] 49, 434, 436; B[X.]G vom 9.5.1995 - 8 [X.] 2/94 - Juris Rd[X.] 17; [X.]enatsurteil vom 31.10.2012 - [X.], 116 = [X.]-1200 § 30 [X.] 6, Rd[X.] 30). Dem vorübergehenden Aufenthalt wohnt dagegen als zeitliches Element eine Beendigung von vornherein inne (vgl B[X.]G vom [X.] - [X.], 47, 49 = [X.] 5870 § 1 [X.] 14 [X.] 32; [X.]enatsurteil vom 31.10.2012 - [X.], 116 = [X.]-1200 § 30 [X.] 6, Rd[X.] 30).

Die zu treffende Prognose bleibt auch dann maßgebend, wenn der "gewöhnliche Aufenthalt" rückblickend (zB - wie hier - zu einem bestimmten [X.]tichtag) zu ermitteln ist. [X.]pätere Entwicklungen, die bis zu dem Zeitpunkt nicht erkennbar waren, zu dem die Frage des Aufenthalts vorausschauend beurteilt werden musste, können eine Prognose weder bestimmen noch widerlegen. Denn es gehört zum Wesen der Prognose, dass aufgrund feststehender Tatsachen [X.]chlussfolgerungen für eine künftige, ungewisse Entwicklung gezogen werden. Dem würde es widersprechen, wollte man bei der späteren Überprüfung der Prognoseentscheidung auch zwischenzeitlich bekannt gewordene Fakten zugrunde legen (B[X.]G vom [X.] - [X.], 84, 89 = [X.] 1200 § 30 [X.] 17 [X.] 20; B[X.]G vom 11.5.2000 - [X.] 3-4100 § 36 [X.] 5 [X.] 14). Es ist daher nicht rechtserheblich, dass bei späterer rückschauender Betrachtung eine andere prognostische Beurteilung gerechtfertigt sein könnte. Wenn Änderungen eintreten, kann der gewöhnliche Aufenthalt an dem Ort oder in dem Gebiet nur vom Zeitpunkt der Änderung an begründet werden oder entfallen (vgl B[X.]G vom [X.] - [X.], 47, 49 = [X.] 5870 § 1 [X.] 14 [X.] 33; B[X.]G vom 22.3.1988 - [X.], 93, 97 f = [X.] 2200 § 205 [X.] 65 [X.] 183 f; B[X.]G vom [X.] - [X.], 84, 86, 89 = [X.] 1200 § 30 [X.] 17 [X.] 17, 20; [X.]enatsurteil vom 31.10.2012 - [X.], 116 = [X.]-1200 § 30 [X.] 6, Rd[X.]6).

Die Prognose hat alle mit dem Aufenthalt verbundenen Umstände zu berücksichtigen (B[X.]G vom 25.6.1987 - [X.], 67, 69 = [X.] 7833 § 1 [X.] 1 [X.] 2; [X.]enatsurteil vom 31.10.2012 - [X.], 116 = [X.]-1200 § 30 [X.] 6, Rd[X.] 32); dies können subjektive wie objektive, tatsächliche wie rechtliche sein. Es kann demnach nicht allein auf den Willen des Betroffenen ankommen, einen gewöhnlichen Aufenthalt zu begründen (sog [X.]; B[X.]G vom 9.5.1995 - 8 [X.] 2/94 - Juris Rd[X.] 17); dies gilt insbesondere dann, wenn er nicht mit den tatsächlichen objektiven Umständen übereinstimmt (vgl B[X.]G vom 22.3.1988 - [X.], 93, 97 = [X.] 2200 § 205 [X.] 65 [X.] 183).

Bei Ausländern ist im Rahmen der Gesamtwürdigung als ein rechtlicher Gesichtspunkt deren Aufenthaltsposition heranzuziehen (exemplarisch [X.]enatsurteil vom 9.8.1995 - [X.] 3-1200 § 30 [X.] 15 [X.] 30; stRspr), ohne dass diese aber allein Grundlage einer Prognose über die Dauer des Aufenthalts sein kann (vgl [X.] vom 6.7.2004 - [X.]E 111, 176, 185; [X.] vom 10.7.2012 - [X.]E 132, 72, Rd[X.]8). Zu den Tatsachen, die bei der Prognose im Rahmen des § 30 Abs 3 [X.] 2 [X.] I zu berücksichtigen sind, gehören auch [X.], die einer Abschiebung eines Ausländers entgegenstehen (vgl B[X.]G vom [X.] - [X.], 84, 87 = [X.] 1200 § 30 [X.] 17 [X.] 18).

Dabei wird die Aufenthaltsposition wesentlich durch den Inhalt der von der Ausländerbehörde erteilten Bescheinigungen bestimmt, wie er sich nach der behördlichen Praxis und der gegebenen Rechtslage darstellt (B[X.]G vom 18.2.1998 - [X.], 23, 26 = [X.] 3-2600 § 56 [X.] 11 [X.] 52; [X.]enatsurteil vom 4.11.1998 - B 13 [X.] R - Juris Rd[X.] 39). Der Begründung eines gewöhnlichen Aufenthalts eines Ausländers stehen grundsätzlich keine Hindernisse entgegen, soweit keine aufenthaltsbeendenden Maßnahmen getroffen oder zu erwarten sind. Davon ist [X.] auszugehen, wenn der Betreffende aufgrund besonderer [X.] bzw aufenthaltsrechtlicher Bestimmungen oder behördlicher Praxis auch bei endgültiger Ablehnung eines Antrags auf ein dauerhaftes Bleiberecht (zB Asyl) nicht mit einer Abschiebung zu rechnen braucht (vgl B[X.]G vom [X.] - [X.], 47, 50 = [X.] 5870 § 1 [X.] 14 [X.] 34; [X.]enatsurteil vom 4.11.1998 aaO). Hierbei kann auch die familiäre [X.]it[X.]tion, etwa der Aufenthaltsstatus eines Ehegatten, eine Rolle spielen (vgl B[X.]G vom [X.] - [X.], 84, 88 = [X.] 1200 § 30 [X.] 17 [X.] 19).

Das [X.]tellen einer Prognose ist die Feststellung einer hypothetischen Tatsache ([X.] - [X.]100 § 44 [X.] 47 [X.] 115; B[X.]G vom 22.3.1988 - [X.], 93, 98 = [X.] 2200 § 205 [X.] 65 [X.] 184; B[X.]G vom [X.] - [X.], 84, 86 = [X.] 1200 § 30 [X.] 17 [X.] 18; [X.]enatsurteil vom 31.10.2012 - [X.], 116 = [X.]-1200 § 30 [X.] 6, Rd[X.]7; [X.] in [X.]/[X.]/[X.], [X.], 10. Aufl 2012, § 128 Rd[X.]f). Es ist allein Aufgabe der Tatsachengerichte, die notwendigen Ermittlungen durchzuführen und daraus die Prognose abzuleiten. Wie bei einer sonstigen Tatsachenfeststellung entscheidet das Gericht bei einer Prognose nach freier Überzeugung.

Die Prognose und die für ihre Feststellung notwendigen Tatsachen gehören nicht zur Rechtsanwendung; deshalb können sie vor dem Revisionsgericht nur mit Verfahrensrügen angegriffen werden (vgl B[X.]G vom 22.3.1988 - [X.], 93, 98 = [X.] 2200 § 205 [X.] 65 [X.] 184; B[X.]G vom [X.] - [X.], 84, 86 = [X.] 1200 § 30 [X.] 17 [X.] 18; B[X.]G vom 27.7.2011 - [X.]-2600 § 5 [X.] 6 Rd[X.]3; [X.]enatsurteil vom 31.10.2012 - [X.], 116 = [X.]-1200 § 30 [X.] 6, Rd[X.]7). Verfahrensrügen, die die Feststellung der für die vorausschauende Betrachtung - nach damaligem Erkenntnisstand bis zu dem hier maßgeblichen [X.]tichtag - erforderlichen Tatsachen, insbesondere der die Prognosegrundlage bildenden Tatsachen, betreffen, hat die Klägerin vorliegend jedoch nicht erhoben, sodass die Feststellungen des [X.] insoweit für den [X.]enat bindend sind (§ 163 [X.]).

Das Revisionsgericht hat jedoch auch ohne Verfahrensrüge zu prüfen, ob das [X.] für seine Prognose sachgerechte Kriterien gewählt hat oder ob die Prognose auf rechtlich falschen oder unsachlichen Erwägungen beruht (in diesem [X.]inne [X.]enatsurteil vom 31.10.2012 - [X.], 116 = [X.]-1200 § 30 [X.] 6, Rd[X.]8 mwN).

b) Nach diesen Maßstäben ist die [X.]achentscheidung des [X.], dass die Klägerin bis zum hier maßgeblichen [X.]tichtag 30.6.1991 keinen gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik [X.] begründet hatte, revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Das [X.] hat aus den nicht mit Verfahrensrügen angegriffenen und daher für den [X.]enat bindenden Tatsachenfeststellungen rechtsfehlerfrei gefolgert, dass die Klägerin sich am 30.6.1991 noch nicht bis auf weiteres im [X.]inne eines zukunftsoffenen Verbleibens im [X.] aufgehalten hat. Unerheblich ist, dass das Berufungsgericht seine Erwägungen nicht ausdrücklich als Prognose bezeichnet, solange es - wie hier - in der [X.]ache eine solche ohne Rechtsfehler trifft.

Nach den Feststellungen des [X.] verfügte die Klägerin bis zum 30.6.1991 über keine Aufenthaltsgenehmigung - welcher Art auch immer - (vgl § 5 [X.] <[X.]> in der hier maßgeblichen Fassung des [X.] vom [X.], [X.] 1354 <[X.] 1990>), sondern lediglich über eine befristete Duldung.

Die Duldung ist eine vorübergehende Aussetzung der Abschiebung eines Ausländers (§ 55 Abs 1 [X.] 1990; seit 1.1.2005 § 60a Abs 1 [X.] - [X.]). [X.]ie beseitigt weder die Ausreisepflicht (§ 56 Abs 1 [X.] 1990; seit 1.1.2005 § 60a Abs 3 [X.]) noch deren Vollziehbarkeit. Der Aufenthalt eines Ausländers wird mit der Duldung zwar nicht rechtmäßig, jedoch entfällt mit ihr eine [X.]trafbarkeit wegen illegalen Aufenthalts (vgl § 92 Abs 1 [X.] 1 [X.] 1990; seit 1.1.2005 vgl § 95 Abs 1 [X.] [X.]). Mithin erschöpft sich die Duldung in dem zeitlich befristeten Verzicht der Behörde auf die an sich gebotene Durchsetzung der Ausreisepflicht mittels Abschiebung. Nach Ablauf der Duldung ist die unverzügliche Abschiebung daher zwingend vorgeschrieben (vgl § 56 Abs 6 [X.] 1990; seit 1.1.2005 § 60a Abs 5 [X.]). Im Hinblick auf den Zweck der Duldung, einen nur vorübergehenden Abschiebungsstopp zu regeln, ist die Geltungsdauer der Duldung zeitlich zu beschränken (vgl § 56 Abs 2 [X.] 1990; vgl seit 1.1.2005 § 60a Abs 1 [X.]). Der [X.]ache nach kommt eine Duldung grundsätzlich nur als Reaktion auf das Auftreten vorübergehender (tatsächlicher oder rechtlicher) Abschiebungshindernisse in Betracht (vgl § 55 Abs 2 bis 4 [X.]; seit 1.1.2005 vgl § 60a Abs 1 und 2 [X.]); sie wird gewährt, solange die Abschiebung unmöglich ist (vgl zum Ganzen: B[X.]G vom 1.9.1999 - [X.], 253, 256 = [X.] 3-3870 § 1 [X.] 1 [X.] 4 zur Duldung nach § 55 [X.] 1990; B[X.]G vom 3.12.2009 - [X.], 70 = [X.]-7833 § 1 [X.], Rd[X.] 46 bis 48; B[X.]G vom [X.] - [X.], 101 = [X.]-3250 § 2 [X.], Rd[X.] 39 zur Duldung nach § 60a [X.], jeweils mwN).

Ausgehend von dieser gesetzlichen Ausgestaltung der Duldung lässt sich für einen in [X.] lediglich geduldeten Ausländer eine Prognose jedenfalls dahingehend, dass er sich voraussichtlich auf Dauer in [X.] aufhalten werde, nicht treffen. Der geduldete Ausländer befindet sich vielmehr in einer [X.]it[X.]tion, in welcher er nach Ablauf der Duldung jederzeit mit einer Abschiebung rechnen muss (B[X.]G vom 3.12.2009 - [X.], 70 = [X.]-7833 § 1 [X.], Rd[X.] 49).

Die formale Art des Aufenthaltstitels allein reicht jedoch nicht als Grundlage einer Prognose über die Dauer des Aufenthalts in [X.] aus (vgl [X.] vom 6.7.2004 - [X.]E 111, 176, 185; [X.] vom 10.7.2012 - [X.]E 132, 72, Rd[X.]8). Dies hat das [X.] auch nicht verkannt. Es hat dementsprechend in seine Entscheidungsfindung auch - für die Klägerin jedoch ohne Vorteil - die bis zum hier relevanten [X.]tichtag bestehende tatsächliche Praxis der Ausländerbehörden in [X.] mit einbezogen (vgl B[X.]G vom 18.2.1998 - [X.], 23, 26 = [X.] 3-2600 § 56 [X.] 11 [X.] 52; [X.]enatsurteil vom 4.11.1998 - B 13 [X.] R - Juris Rd[X.] 39).

Das Berufungsgericht hat berücksichtigt, dass die sogenannte "Ostblockregelung" im hier maßgeblichen Zeitraum bereits aufgehoben war. Mit der "Ostblockregelung" hatte die [X.] und -senatoren der Länder (Innenministerkonferenz) mit Beschluss vom [X.] (veröffentlicht [X.] im Ministerialblatt des Landes [X.] 1985, 773 f) angeordnet, dass [X.]taatsangehörige der [X.] grundsätzlich nicht wegen illegaler Einreise, illegalen Aufenthalts oder Bezugs von [X.]ozialhilfe auszuweisen und ggf abzuschieben waren. Diese Regelung hatten sie aber durch Beschluss vom [X.], bekanntgegeben ([X.]) durch Erlass des Innenministers des Landes [X.] vom [X.] (Ministerialblatt des Landes [X.] 1987, 1536 ff), aufgehoben. Danach galt die "Ostblockregelung" für [X.] und [X.] [X.]taatsangehörige nur noch bei einem Zuzug vor dem [X.] (vgl Vorbemerkung zu Abschnitt I und Abschnitt [X.] und 6 des Erlasses des Innenministers des Landes [X.] vom [X.] aaO). Hieraus hat das [X.] geschlossen, dass jedenfalls zum 30.6.1991 keine besondere Praxis der Ausländerbehörden in [X.] für (geduldete) [X.]taatsangehörige aus den ehemaligen [X.] mehr bestand, Aufenthalte auf unbestimmte Zeit zuzulassen.

Die aus diesen Gesamtumständen gezogene [X.]chlussfolgerung des Berufungsgerichts, dass die Aufenthaltsposition der Klägerin in [X.] jedenfalls bis zum 30.6.1991 noch nicht so offen war, dass diese ihr wie einem Inländer einen Aufenthalt auf unbestimmte Dauer ermöglichte (vgl B[X.]G vom 18.2.1998 - [X.], 23, 25 f = [X.] 3-2600 § 56 [X.] 11 [X.] 52; B[X.]G vom 25.3.1998 - B 5 RJ 22/96 R - Juris Rd[X.]2), sondern vielmehr weiterhin auf Beendigung ihres Aufenthalts im [X.] angelegt war und sie damit noch keinen gewöhnlichen Aufenthalt i[X.] des § 30 Abs 3 [X.] 2 [X.] I in D. begründet hatte, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Das [X.] konnte mit Blick auf die befristete Duldung und die von ihm festgestellte ausländerbehördliche Praxis davon ausgehen, dass die Klägerin noch keine "verfestigte" Rechtsposition dahingehend innehatte, dass sie auf unbestimmte Zeit und nicht nur vorübergehend im [X.] bleiben würde.

Ob sich an dieser Beurteilung etwas ändern könnte, wenn über mehrere Jahre hinweg die Duldung immer wieder verlängert worden ist, sich der Ausländer also faktisch seit Jahren in [X.] aufgehalten hat und zum [X.]tichtag eine positive Bleibeprognose dergestalt gestellt werden kann, dass der Ausländer zukunftsoffen "bis aus weiteres" an dem Ort oder in dem Gebiet verweilen wird (vgl B[X.]G vom [X.] - [X.], 47, 50 = [X.] 5870 § 1 [X.] 14 [X.] 34 zu § 1 Abs 1 [X.] 1 [X.] ; B[X.]G vom 1.9.1999 - [X.], 253, 254 = [X.] 3-3870 § 1 [X.] 1 [X.] 2 zu § 1 [X.]; B[X.]G vom [X.] - [X.], 101 = [X.]-3250 § 2 [X.], Rd[X.] 36 ff zu § 2 Abs 2 [X.] IX), kann im vorliegenden Fall dahingestellt bleiben. Daher kann der [X.]enat auch offenlassen, ob einer solchen Beurteilung der Begriffe "Wohnort" bzw "gewöhnlicher Aufenthalt" i[X.] des [X.] [X.] RV/UV bzw [X.] [X.] [X.] bezogen auf einen lediglich "geduldeten" (sich aber dennoch rechtswidrig im [X.] aufhaltenden) Ausländer die Bestimmung in Art 1a des Gesetzes zu dem [X.] [X.] RV/UV (vgl auch Art 1 [X.] [X.] [X.] [X.]) entgegenstehen könnte, wonach einen gewöhnlichen Aufenthalt im [X.]inne des [X.] [X.] RV/UV nur hat, "wer sich dort unbefristet rechtmäßig aufhält" (s hierzu im Einzelnen [X.]enatsbeschluss vom 9.8.1995 - [X.] 3-1200 § 30 [X.] ff). Denn sogenannte "Kettenduldungen" über einen Zeitraum von mehreren Jahren lagen jedenfalls bis zum 30.6.1991 bei der Klägerin nicht vor. Vielmehr hielt sich die am 7.6.1990 eingereiste Klägerin zum [X.]tichtag "geduldet" erst ca ein Jahr in [X.] auf. Ein Abschiebungshindernis nach § 53 [X.] 1990 hat nach den vom [X.] getroffenen Feststellungen nicht bestanden.

Weitere wesentliche Umstände, die das Berufungsgericht bei seiner Prognose, ob sich die Klägerin bereits gewöhnlich oder nur vorübergehend im [X.] aufhielt, nicht beachtet hat, die aber bezogen auf den [X.]tichtag zu berücksichtigen wären, sind nicht ersichtlich.

Dies gilt zunächst für den Hinweis der Klägerin auf eine Aufenthaltsbewilligung nach § 29 Abs 1 [X.] 1990. Danach kann dem Ehegatten eines Ausländers, der eine Aufenthaltsbewilligung besitzt, zum Zwecke des nach Art 6 GG gebotenen [X.]chutzes von Ehe und Familie eine Aufenthaltsbewilligung für die Herstellung und Wahrung der ehelichen Lebensgemeinschaft mit dem Ausländer im [X.] erteilt werden, wenn der Lebensunterhalt des Ausländers und des Ehegatten ohne Inanspruchnahme von [X.]ozialhilfe gesichert ist und ausreichender Wohnraum zur Verfügung steht. Ähnliche Vorschriften galten für die Aufenthaltserlaubnis (§ 17, § 18, § 23 [X.] 1990), die Aufenthaltsberechtigung (§ 27 Abs 4 [X.] 1990) und die [X.] (§ 31 [X.] 1990). Hier übersieht die Klägerin jedoch bereits, dass ihr Ehemann, der ca sechs Monate vor ihr von [X.] nach [X.] eingereist war, zum hier maßgeblichen Zeitpunkt 30.6.1991 über keinen derartigen Aufenthaltstitel verfügte. Denn aus dem vom [X.] ausdrücklich in Bezug genommenen Beschluss des [X.] (8 L 1241/95) vom 6.10.1995 ergibt sich, dass weder sie noch ihr Ehemann im Besitz einer Aufenthaltsgenehmigung (gleich welcher Art, vgl § 5 [X.] 1990) waren (aaO, [X.] 3).

Nicht anderes folgt schließlich aus der der Klägerin im April 1997 als "Härtefall" erteilten [X.]. Diese hatte ihre Grundlage in dem Runderlass des Innenministeriums des Landes [X.] vom 10.6.1996 "Erteilung von [X.]sen nach den §§ 30 und 31 Abs. 1 [X.] - Anordnung nach § 32 [X.] - Härtefallentscheidungen (Altfälle)" (Ministerialblatt für das Land [X.] 1996, 1411 f), der wiederum auf einen Beschluss der [X.] (veröffentlicht [X.] aaO, 1412 f) zurückgeht. Diese bundeseinheitliche Regelung stellte auf einen langjährigen Aufenthalt ab; im Beschlussjahr 1996 erfasste sie [X.] nur solche Familien von abgelehnten Vertriebenenbewerbern, die bereits vor dem 1.7.1990 eingereist waren (vgl [X.] des Beschlusses der [X.] aaO, 1412). Für die rechtliche Beurteilung eines gewöhnlichen Aufenthalts der Klägerin bis zum 30.6.1991 ist sie von vornherein unergiebig. Denn jedenfalls bis zu diesem, hier allein maßgeblichen Zeitpunkt lag bei ihr gerade noch kein "Altfall" im [X.]inne eines mehrjährigen Verweilens im [X.] vor. Nachträgliche Entwicklungen können eine zu einem bestimmten [X.]tichtag getroffene Prognose, ob der Aufenthalt nur vorübergehend oder bereits gewöhnlich ist, nicht widerlegen.

3. [X.] beruht auf § 193 [X.].

Meta

B 13 R 9/13 R

10.12.2013

Bundessozialgericht 13. Senat

Urteil

Sachgebiet: R

vorgehend SG Aachen, 7. März 2012, Az: S 4 R 479/11, Urteil

Art 1 Nr 2 RV/UVAbk POL, Art 4 Abs 2 RV/UVAbk POL, Art 1a RV/UVAbkPOLG, Art 2 Abs 1 RV/UVAbkPOLG, Art 1 Nr 10 SozSichAbk POL, Art 27 Abs 2 SozSichAbk POL, Art 27 Abs 3 SozSichAbk POL, Art 27 Abs 4 SozSichAbk POL, § 30 Abs 3 S 2 SGB 1, § 54 SGB 6, § 55 SGB 6, § 149 Abs 5 S 1 SGB 6, Art 8 Abs 1 EGV 883/2004, Anh 2 EGV 883/2004, Art 20 Abs 2 S 2 Buchst a AEUV, Art 21 AEUV, § 5 AuslG 1990 vom 09.07.1990, § 29 AuslG 1990, §§ 29ff AuslG 1990, § 53 Abs 1 AuslG 1990, § 55 Abs 1 AuslG 1990, § 56 AuslG 1990, § 60a AufenthG 2004

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Urteil vom 10.12.2013, Az. B 13 R 9/13 R (REWIS RS 2013, 463)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 463

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