Bundesgerichtshof, Beschluss vom 30.08.2023, Az. VII ZB 45/21

7. Zivilsenat | REWIS RS 2023, 6586

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Gegenstand

Grenzüberschreitende Zwangsvollstreckung: Vollstreckung aus einem Europäischen Vollstreckungstitel trotz vorheriger Versagung der Vollstreckbarerklärung der Entscheidung wegen eines Anerkennungshindernisses nach der EuGVVO


Leitsatz

Wird die Vollstreckbarerklärung einer Entscheidung wegen eines Anerkennungshindernisses nach Art. 34 Nr. 2, Art. 45 EuGVVO a.F. im Vollstreckungsstaat versagt, steht dies einer anschließenden Vollstreckung aus der als Europäischer Vollstreckungstitel bestätigten Entscheidung im selben Vollstreckungsstaat nicht entgegen.

Tenor

Die Rechtsbeschwerde der Schuldnerin gegen den Beschluss der 5. Zivilkammer des [X.] vom 5. Juli 2021 wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Gründe

I.

1

Die Schuldnerin wendet sich gegen die Zwangsvollstreckung aus einem [X.] Vollstreckungstitel.

2

Der Gläubiger erwirkte vor dem Arbeits- und Sozialgericht Nr. 2 in [X.] mit Datum vom 13. Februar 2013 einen Gerichtsbeschluss, mit dem der dortige Antragsgegner ("D.    [X.]         ") unter anderem zur Zahlung von insgesamt 53.688,06 € verpflichtet wurde.

3

[X.] beantragte der Gläubiger eine Vollstreckbarerklärung dieses Gerichtsbeschlusses in [X.] nach der Verordnung ([X.]) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (ABl. [X.] Nr. L 12/1 vom 16. Januar 2001; fortan: [X.]). Die Vollstreckbarerklärung wurde letztinstanzlich durch Beschluss des [X.] vom 30. April 2020 aufgrund eines Anerkennungshindernisses nach Art. 34 Nr. 2, Art. 45 [X.] abgelehnt ([X.], Beschluss vom 30. April 2020 - [X.], [X.], 754). Zur Begründung hat der [X.] im Wesentlichen ausgeführt, dass der [X.] Gerichtsbeschluss dem Antragsgegner nicht wirksam (öffentlich) zugestellt worden sei und dem Antragsgegner hiergegen kein effektiver Rechtsbehelf nach [X.]m Recht zur Verfügung gestanden habe ([X.], Beschluss vom 30. April 2020 - [X.] Rn. 12 ff., [X.], 754).

4

Im [X.] daran beantragte der Gläubiger beim Arbeits- und Sozialgericht in [X.] die Bestätigung des Gerichtsbeschlusses vom 13. Februar 2013 als [X.] Vollstreckungstitel nach der Verordnung ([X.]) Nr. 805/2004 des [X.] Parlaments und des Rates vom 21. April 2004 zur Einführung eines [X.] Vollstreckungstitels für unbestrittene Forderungen(ABl. [X.] Nr. L 143/15 vom 30. April 2004; fortan: [X.]). Mit Beschluss vom 23. Juni 2020, der als Schuldnerin "D.    [X.]           (jetzt [X.] , vertreten durch M.     H.       )" ausweist, gab das Arbeits- und Sozialgericht in [X.] dem Antrag statt. Auf dieser Grundlage betreibt der Gläubiger im vorliegenden Verfahren die Zwangsvollstreckung in [X.] gegen "M.     H.         [X.]".

5

Gegen die durch den Gerichtsvollzieher angekündigte Zwangsvollstreckung hat die Schuldnerin "Erinnerung gem. § 766 ZPO" eingelegt und neben der Rüge fehlender Parteiidentität geltend gemacht, der Zwangsvollstreckung stehe die Entscheidung des [X.] vom 30. April 2020 - [X.] entgegen, in der ein Verstoß des [X.] Gerichtsbeschlusses gegen den ordre public festgestellt worden sei, worüber die Bestätigung als [X.] Vollstreckungstitel dem Gläubiger nicht hinweghelfen könne. Die Erinnerung ist erfolglos geblieben. Die dagegen gerichtete sofortige Beschwerde hat das Beschwerdegericht zurückgewiesen. Mit der vom Beschwerdegericht zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt die Schuldnerin ihre "Erinnerung gem. § 766 ZPO" weiter.

II.

6

Die gemäß § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Abs. 3 Satz 2, § 575 ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde ist in der Sache nicht begründet.

7

1. Das Beschwerdegericht hat im Wesentlichen ausgeführt:

8

Parteiidentität (§ 750 Abs. 1 Satz 1 ZPO) liege vor. Im Wege der Auslegung ergebe sich, dass die im [X.] Vollstreckungstitel genannte "D.    Verlag  H.         (jetzt [X.], vertreten durch M.     H.        )" identisch mit "M.     H.         [X.]", der Schuldnerin des [X.], sei.

9

Der von der Schuldnerin erhobene Einwand, die rechtskräftige Entscheidung des [X.] vom 30. April 2020 - [X.] zur Ablehnung der Vollstreckbarerklärung nach der [X.] stehe einer Vollstreckung aus dem [X.] Vollstreckungstitel entgegen, greife nicht durch. Unabhängig davon, ob dieser Einwand, den die Schuldnerin auf Art. 21 [X.] stütze, im Rahmen der sofortigen Beschwerde auf eine die Erinnerung nach § 766 ZPO zurückweisende Entscheidung zu berücksichtigen sei, stelle jene Entscheidung des [X.] jedenfalls keine frühere Entscheidung zwischen denselben Parteien wegen desselben Streitgegenstands im Sinne von Art. 21 [X.] dar, welche der Vollstreckung entgegenstehe. Damals sei es um eine Vollstreckbarerklärung der [X.] Entscheidung in [X.] nach den Regelungen der [X.] gegangen. Im hiesigen Verfahren gehe es jedoch um eine Bestätigung als [X.] Vollstreckungstitel in [X.]. Beide Verfahren erforderten unterschiedliche Voraussetzungen und Zuständigkeiten. Eine entgegenstehende Entscheidung, welche mit der Bestätigung als [X.] Vollstreckungstitel nicht vereinbar sei, liege daher nicht vor.

2. Das hält der rechtlichen Nachprüfung stand.

a) Zutreffend hat das Beschwerdegericht im Rahmen der von der Schuldnerin eingelegten "Erinnerung gem. § 766 ZPO" sowohl über Einwendungen gegen die Art und Weise der Zwangsvollstreckung (§ 766 Abs. 1 ZPO) entschieden als auch darüber befunden, ob die Vollstreckung nach Art. 21 Abs. 1 [X.] zu verweigern ist. Der Rechtsbehelf der Schuldnerin ist dahingehend auszulegen, dass sie Erinnerung nach § 766 Abs. 1 ZPO einlegt und einen Antrag nach Art. 21 Abs. 1 [X.] stellt. In entsprechender Anwendung von § 260 ZPO kann über beide gegen die Zwangsvollstreckung aus dem [X.] Vollstreckungstitel gerichteten Rechtsbehelfe in einem Verfahren entschieden werden.

aa) Welchen Rechtsbehelf die Schuldnerin eingelegt hat, ist im Wege der Auslegung der [X.] zu ermitteln. Dabei sind - wie auch sonst bei der Auslegung von [X.] - alle Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen. Die Auslegung, die der Senat als Rechtsbeschwerdegericht uneingeschränkt selbst vornehmen kann, wird von dem Grundsatz beherrscht, dass im Zweifel dasjenige gewollt ist, was nach den Maßstäben der Rechtsordnung vernünftig ist und der wohlverstandenen Interessenlage entspricht (vgl. [X.], Urteil vom 1. August 2013 - [X.] Rn. 30, NJW 2014, 155; Beschluss vom 24. März 2009 - [X.]/08 Rn. 8, NJW-RR 2010, 278).

bb) Gemessen daran macht die Schuldnerin mit ihrem Einwand fehlender Parteiidentität geltend, dass der Gerichtsvollzieher die Vollstreckungsvoraussetzung des § 750 Abs. 1 Satz 1 ZPO nicht beachtet hat. Dieser Einwand, der sich auf das vom Gerichtsvollzieher zu beachtende Verfahren der Zwangsvollstreckung bezieht, kann nur im Erinnerungsverfahren nach Art. 20 Abs. 1 [X.], § 766 Abs. 1 ZPO verfolgt werden. Dieser Interessenlage entspricht der Wortlaut der von der Schuldnerin eingelegten "Erinnerung gem. § 766 ZPO".

cc) Dagegen wendet sich die Schuldnerin mit ihrem Einwand, der Vollstreckung aus dem [X.] Vollstreckungstitel stehe die Entscheidung des [X.] vom 30. April 2020 - [X.] entgegen, nicht gegen die Art und Weise der Zwangsvollstreckung oder des bei ihr zu beachtenden Verfahrens. Dieser Einwand kann deshalb mit einer Erinnerung nach Art. 20 Abs. 1 [X.], § 766 Abs. 1 ZPO nicht geltend gemacht werden. Er ist vielmehr - worauf die Rechtsbeschwerde zutreffend abstellt - der Sache nach als ein Antrag nach Art. 21 Abs. 1 [X.] auszulegen.

Art. 21 Abs. 1 [X.] eröffnet für die Gerichte des [X.]s die Möglichkeit, die Vollstreckung aus einem [X.] Vollstreckungstitel auf Antrag des Schuldners zu verweigern, wenn die als [X.] Vollstreckungstitel bestätigte Entscheidung mit einer früheren in einem Mitgliedstaat oder einem Drittland ergangenen Entscheidung unvereinbar ist, sofern - neben weiteren Voraussetzungen - die frühere Entscheidung zwischen denselben Parteien wegen desselben Streitgegenstands ergangen ist (Art. 21 Abs. 1 Buchst. a [X.]). Mit dem Verweis der Schuldnerin auf die Wirkungen der "entgegenstehenden rechtskräftigen Entscheidung des [X.]" in ihrer an das Vollstreckungsgericht gerichteten [X.] hat die Schuldnerin in der Sache einen solchen Antrag gestellt. Es entspricht deshalb ihrem wohlverstandenen Interesse, die "Erinnerung gem. § 766 ZPO" dahingehend auszulegen, dass hiervon auch ein Antrag nach Art. 21 Abs. 1 [X.] umfasst ist. Die Interessen des Gläubigers, der sich der Sache nach im gesamten Verfahren gegen eine Anwendung von Art. 21 Abs. 1 [X.] gewandt hat, werden durch diese Auslegung nicht beeinträchtigt.

dd) Die Erinnerung nach Art. 20 Abs. 1 [X.], § 766 Abs. 1 ZPO und der Antrag nach Art. 21 Abs. 1 [X.] können in entsprechender Anwendung von § 260 ZPO in einem Verfahren verbunden werden, da für beide Rechtsbehelfe das gleiche Gericht in der gleichen Verfahrensart zuständig ist.

Über die Erinnerung nach Art. 20 Abs. 1 [X.], § 766 Abs. 1 ZPO entscheidet das Vollstreckungsgericht und damit das Amtsgericht, in dessen Bezirk das Vollstreckungsverfahren stattfinden soll oder stattgefunden hat (§ 764 Abs. 1, 2 ZPO). Diese Zuständigkeit ist ausschließlich (§ 802 ZPO). Über den Antrag nach Art. 21 Abs. 1 [X.] entscheidet nach § 1084 Abs. 1 Satz 1, 2, § 764 Abs. 2 ZPO ebenfalls das Amtsgericht als Vollstreckungsgericht, in dessen Bezirk das Vollstreckungsverfahren stattfinden soll oder stattgefunden hat, in ausschließlicher Zuständigkeit (§ 1084 Abs. 1 Satz 3 ZPO).

Die Entscheidung nach Art. 20 Abs. 1 [X.], § 766 Abs. 1 ZPO ergeht durch Beschluss (§ 764 Abs. 3 ZPO) und erfordert keine mündliche Verhandlung (§ 128 Abs. 4 ZPO). Gegen die Entscheidung findet die sofortige Beschwerde statt (§ 793 ZPO). Die Entscheidung über den Antrag nach Art. 21 Abs. 1 [X.] ergeht gleichermaßen durch Beschluss (§ 1084 Abs. 2 Satz 1 ZPO) und erfordert keine mündliche Verhandlung (§ 128 Abs. 4 ZPO). Gegen diese Entscheidung ist zudem die sofortige Beschwerde nach § 793 ZPO statthaft, da es sich ebenfalls um eine Entscheidung im Zwangsvollstreckungsverfahren handelt.

b) Rechtsfehlerfrei hat das Beschwerdegericht die Vollstreckungsvoraussetzung der Parteiidentität bejaht (Art. 20 Abs. 1 [X.], § 750 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Nach diesen Vorschriften darf die Vollstreckung unter anderem nur beginnen, wenn die Person gegen die sie stattfinden soll, in dem [X.] Vollstreckungstitel namentlich bezeichnet ist. Im Rahmen der Prüfung dieser Voraussetzung ist die namentliche Bezeichnung des Schuldners im [X.] Vollstreckungstitel nach allgemeinen Grundsätzen auszulegen (vgl. [X.], Beschluss vom 26. November 2011 - [X.]/08 Rn. 11, 14, NJW 2010, 2137).

Auf dieser Grundlage hat das Beschwerdegericht zu Recht angenommen, wogegen auch die Rechtsbeschwerde keine Einwendungen erhebt, dass die im [X.] Vollstreckungstitel genannte Schuldnerin "D.     [X.]          (jetzt [X.], vertreten durch [X.]        )" identisch ist mit der Schuldnerin "M.     H.        H.         Medien" des [X.].

c) Zutreffend ist das Beschwerdegericht des Weiteren davon ausgegangen, dass die Voraussetzungen für eine Verweigerung der Vollstreckung nach Art. 21 Abs. 1 [X.] nicht vorliegen.

aa) Nach dem Wortlaut von Art. 21 Abs. 1 [X.] setzt die Verweigerung der Vollstreckung eines [X.] Vollstreckungstitels grundlegend voraus, dass die als [X.] Vollstreckungstitel bestätigte Entscheidung mit einer früheren Entscheidung unvereinbar ist, die in einem Mitgliedstaat oder einem Drittland ergangen ist. Danach muss sich die frühere Entscheidung auf die als [X.] Vollstreckungstitel bestätigte Entscheidung beziehen (Kropholler/von [X.], Europäisches Zivilprozessrecht, 9. Aufl., Art. 21 [X.] Rn. 6; [X.], ZPO, 23. Aufl., Art. 21 [X.] Rn. 5; [X.] in [X.]/Schütze, Internationaler Rechtsverkehr in Zivil- und Handelssachen, Stand: Januar 2023, Art. 21 VO ([X.]) 805/2004 Rn. 7; [X.] in [X.]/Schütze, Internationaler Rechtsverkehr in Zivil- und Handelssachen, Stand: Januar 2023, Art. 27 VO ([X.]) 805/2004 Rn. 9; im Ergebnis anders [X.], [X.], 477, 496; MünchKommZPO/[X.], 6. Aufl., Art. 27 [X.]-VollstrTitelVO Rn. 10).

Auf dieser Grundlage stellt die Entscheidung des [X.] vom 30. April 2020 - [X.] - keine frühere Entscheidung dar. Zwar mag die Entscheidung des [X.] Gerichts vom 23. Juni 2020, mit welcher der [X.] Gerichtsbeschluss vom 13. Februar 2013 als [X.] Vollstreckungstitel bestätigt worden ist, mit der früheren Entscheidung des [X.] vom 30. April 2020 - [X.], wonach der Vollstreckbarerklärung des [X.] Gerichtsbeschlusses in [X.] ein Anerkennungshindernis nach Art. 34 Nr. 2, Art. 45 [X.] entgegensteht, in einem gewissen Spannungsfeld stehen, da beide Entscheidungen im Ergebnis die Vollstreckung des [X.] Gerichtsbeschlusses in [X.] betreffen (dazu sogleich unter bb)). [X.] mit der früheren Entscheidung des [X.] könnte aber allenfalls die bestätigende Entscheidung vom 23. Juni 2020 sein, nicht hingegen die bestätigte vom 13. Februar 2013.

bb) Darüber hinaus liegt auch keine [X.]keit der Bestätigung als [X.] Vollstreckungstitel mit der Entscheidung des [X.] vom 30. April 2020 - [X.] - wegen desselben Streitgegenstands im Sinne des Art. 21 Abs. 1 Buchst. a [X.] vor. Anders als die Rechtsbeschwerde meint, ist Streitgegenstand nicht etwa in beiden Fällen die - weit gefasste - Frage nach der "Vollstreckbarkeit des zugrundeliegenden Titels im [X.] Ausland". Die Entscheidung des Gerichts im [X.] zur Bestätigung einer Entscheidung als [X.] Vollstreckungstitel und die Entscheidung des Gerichts im [X.] zur Versagung der Vollstreckbarerklärung der Ausgangsentscheidung nach der [X.] betreffen unterschiedliche Streitgegenstände.

(1) Nach allgemeiner Auffassung ist der Begriff des Streitgegenstands in Art. 21 Abs. 1 Buchst. a [X.] verordnungsautonom auszulegen und ist wie der "Anspruch" in Art. 34 Nr. 4 [X.] zu bestimmen (vgl. [X.] in [X.]/Schütze, Internationaler Rechtsverkehr in Zivil- und Handelssachen, Stand: Januar 2023, Art. 21 VO ([X.]) 805/2004 Rn. 16; Hk-ZV/Stürner, 4. Aufl., Art. 21 [X.] Rn. 4). Die Bestimmung des Streitgegenstandes im Rahmen der [X.] richtet sich deshalb danach, was [X.]punkt des Verfahrens ist (vgl. [X.], Urteil vom 6. Dezember 1994 - [X.], [X.], 943, [X.]. 37 ff.; Urteil vom 8. Dezember 1987 - [X.]/86, NJW 1989, 665, [X.]. 16). Entscheidend ist daher, ob Grundlage und Gegenstand der Verfahren identisch sind (vgl. [X.], ZPO, 23. Aufl., Art. 29 [X.] Rn. 24 ff. zur [X.]punkttheorie).

(2) Gemessen daran liegt keine Identität der Streitgegenstände vor, da die auf ihre [X.]keit hin zu beurteilenden Entscheidungen unterschiedliche Verfahren der grenzüberschreitenden Vollstreckung mit unterschiedlichen Voraussetzungen betreffen. Im Verfahren nach der [X.] geht es im [X.] um die Herstellung der Vollstreckbarkeit eines ausländischen Titels im [X.] (vgl. [X.], Beschluss vom 17. Juli 2008 - [X.] Rn. 10, [X.], 1794 zum Streitgegenstand der Klage nach § 722 ZPO), während der [X.]punkt des [X.]-Verfahrens in der Schaffung eines neuen europaweit geltenden Vollstreckungstitels im [X.] liegt. Eine Vollstreckbarerklärung im [X.] ist bei Letzterem gerade nicht vorgesehen (Art. 5 [X.]). Beide Verfahren haben einen unterschiedlichen Anwendungsbereich und auch ansonsten stimmen die Voraussetzungen für eine Bestätigung nach Art. 6 [X.] nicht mit denen der Art. 45, 34, 35 [X.] zur Verweigerung der Vollstreckbarerklärung überein ([X.], Internationales Zivilprozessrecht, 8. Aufl., Rn. 3195i; für unterschiedliche Streitgegenstände auch [X.] in [X.]/Schütze, Internationaler Rechtsverkehr in Zivil- und Handelssachen, Stand: Januar 2023, Art. 27 VO ([X.]) 805/2004 Rn. 9; [X.], [X.] 2007, 250, 255).

cc) Es entspricht des Weiteren dem Sinn und Zweck des übrigen Regelungskonzepts der [X.], dass die Entscheidung des [X.] vom 30. April 2020 - [X.] - keinen Grund zur Verweigerung der Vollstreckung aus dem [X.] Vollstreckungstitel darstellt. Entgegen der Rechtsbeschwerde scheidet daher eine analoge Anwendung von Art. 21 [X.] gleichermaßen aus. Wird die Vollstreckbarerklärung der Ausgangsentscheidung wegen eines Anerkennungshindernisses nach Art. 34 Nr. 2, Art. 45 [X.] im [X.] versagt, steht dies einer anschließenden Vollstreckung aus der als [X.] Vollstreckungstitel bestätigten Ausgangsentscheidung im selben [X.] nicht entgegen.

(1) Dies folgt aus der in Art. 27 [X.] festgelegten Wahlfreiheit des [X.] zwischen einem Vorgehen nach der [X.] und einem solchen nach der [X.]

Nach Art. 27 [X.] berührt die [X.] nicht die Möglichkeit, die Anerkennung und Vollstreckung einer unbestrittenen Forderung gemäß der Verordnung ([X.]) Nr. 44/2001 (= [X.]) zu betreiben. Diese Regelung geht auf Erwägungsgrund Nr. 20 der Verordnung zurück, wonach es dem Gläubiger freisteht, eine Bestätigung als [X.] Vollstreckungstitel zu betreiben oder sich für das Verfahren nach der [X.] zu entscheiden (vgl. auch [X.], Beschluss vom 4. Februar 2010 - [X.]/09 Rn. 10, [X.], 521). Innerhalb der Schnittmenge der jeweiligen Anwendungsbereiche konkurrieren die Verordnungen daher frei. Den Motiven des Verordnungsgebers ist zu entnehmen, dass der Gläubiger nach Versagung der Bescheinigung über den [X.] Vollstreckungstitel nach wie vor aufgrund anderer Rechtsvorschriften die Anerkennung und Vollstreckung beantragen können soll (vgl. den von der [X.] vorgelegten Vorschlag für eine Verordnung des Rates zur Einführung eines [X.] Vollstreckungstitels für unbestrittene Forderungen vom 18. April 2002, [X.] (2002) 159 endg - 2002/0090 ([X.]), S. 16 f.). Für den umgekehrten Fall gilt nichts anderes. Die von der [X.] intendierte Wahlfreiheit des Gläubigers wäre beeinträchtigt, wenn bei Ablehnung einer Vollstreckbarerklärung nach der [X.] ein Vorgehen nach der [X.] blockiert wäre ([X.], [X.] 2011, 55, 57).

(2) Die weiter bestehende Möglichkeit der Vollstreckung aus dem [X.] Vollstreckungstitel ergibt sich zudem aus Art. 5 [X.]. Danach wird eine Entscheidung, die im Ursprungsmitgliedstaat als [X.] Vollstreckungstitel bestätigt worden ist, in den anderen Mitgliedstaaten anerkannt und vollstreckt, ohne dass es einer Vollstreckbarerklärung bedarf und ohne dass die Anerkennung angefochten werden kann.

Daraus folgt, dass für die Prüfung, ob ein Anerkennungshindernis nach Art. 34 Nr. 2 [X.] vorliegt, unter Anwendung der [X.] kein Raum verbleibt (vgl. [X.], Beschluss vom 24. April 2014 - [X.] Rn. 15, [X.]Z 201, 22 zum ordre public). Würde im Falle der Exequaturverweigerung im [X.] dort auch die anschließende Vollstreckung aus der als [X.] Vollstreckungstitel bestätigten Ausgangsentscheidung verweigert, wäre das Anerkennungshindernis dagegen mittelbar auch auf unbestrittene Forderungen anwendbar, was in Art. 5 [X.] gerade nicht vorgesehen ist (vgl. [X.] in: [X.]/Schütze, Internationaler Rechtsverkehr in Zivil- und Handelssachen, Stand: Januar 2023, Art. 27 VO ([X.]) 805/2004 Rn. 9; [X.] in: [X.], [X.], 5. Aufl., Art. 27 [X.]-VollstrTitelVO Rn. 10; [X.], [X.] 2007, 250, 255).

dd) Schließlich hinderte, anders als von der Rechtsbeschwerde angenommen, ein Verstoß der [X.] Ausgangsentscheidung gegen das Recht der Schuldnerin auf rechtliches Gehör und ein faires Verfahren gemäß Art. 6 Abs. 1 der [X.] Menschenrechtskonvention und Art. 47 der Charta der Grundrechte der [X.] Union für sich betrachtet nicht die Vollstreckung aus dem [X.] Vollstreckungstitel in [X.]. Der Verordnungsgeber hat das ihm zustehende Ermessen, wie er die Einhaltung dieser Verfahrensgrundsätze gewährleisten möchte, in der [X.] (Art. 13 ff.) dahingehend umgesetzt, dass die Kontrolle der Einhaltung der Verfahrensrechte den Gerichten im [X.] übertragen wird. Der Verordnungsgeber geht davon aus, dass die [X.] die Grundsätze berücksichtigt, die mit der Charta der Grundrechte der [X.] Union anerkannt wurden, und verweist auf das gegenseitige Vertrauen in die ordnungsgemäße Rechtspflege der Mitgliedstaaten (siehe Erwägungsgründe Nr. 11 und 18 zur [X.]). Fehlentscheidungen in Einzelfällen, die sich daraus ergeben, dass die Gerichte eines Mitgliedstaates eine Entscheidung als [X.] Vollstreckungstitel bestätigen, obwohl diese unter Missachtung der Verfahrensvorschriften der Art. 13 ff. [X.] zustande gekommen ist, oder den Antrag auf Widerruf der Bestätigung als [X.] Vollstreckungstitel nach Art. 10 Abs. 1 Buchst. b [X.] zu Unrecht ablehnen, sind ebenso wie Fehlentscheidungen innerstaatlicher Gerichte hinzunehmen. Dieses Gesamtsystem verstößt nicht gegen höherrangiges Recht (vgl. [X.], Beschluss vom 24. April 2014 - [X.] Rn. 23 ff., [X.]Z 201, 22; vgl. ferner [X.], Beschluss vom 7. Juli 2022 - [X.]/21 Rn. 9, [X.] 2023, 181).

3. Entgegen der Rechtsbeschwerde ist eine Vorlage an den Gerichtshof der [X.] Union gemäß Art. 267 A[X.]V zur Auslegung von Art. 21 Abs. 1 [X.] nicht geboten, weil die Auslegung keinem vernünftigen Zweifel unterliegt (vgl. [X.], Urteil vom 6. Oktober 2021 - [X.]/19, [X.], 44, juris Rn. 33 m.w.N.; Urteil vom 6. Oktober 1982 - [X.]/81, Slg. 1982, 3415). Nach den vorstehenden Ausführungen ist eindeutig, dass die Exequaturverweigerung wegen eines Anerkennungshindernisses nach Art. 34 Nr. 2, Art. 45 [X.] im [X.] einer anschließenden Vollstreckung aus der als [X.] Vollstreckungstitel bestätigten Ausgangsentscheidung im selben [X.] nicht entgegensteht.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

[X.]     

      

Halfmeier     

      

Jurgeleit

      

Sacher     

      

Brenneisen     

      

Meta

VII ZB 45/21

30.08.2023

Bundesgerichtshof 7. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZB

vorgehend LG Paderborn, 5. Juli 2021, Az: 5 T 265/20

§ 1084 ZPO, Art 21 Abs 1 EGV 805/2004, Art 34 Nr 2 EGV 44/2001 vom 22.12.2000, Art 45 EGV 44/2001 vom 22.12.2000

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 30.08.2023, Az. VII ZB 45/21 (REWIS RS 2023, 6586)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2023, 6586

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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IX ZB 38/21

VII ZB 28/13

IX ZB 57/09

VII ZR 268/11

IX ZB 12/19

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