Bundesgerichtshof, Beschluss vom 24.04.2014, Az. VII ZB 28/13

7. Zivilsenat | REWIS RS 2014, 6135

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AUSLÄNDISCHES RECHT EUGVVO EUROPÄISCHER VOLLSTRECKUNGSTITEL EUVTVO IZPR ORDRE PUBLIC VOLLSTRECKBARERKLÄRUNG

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Gegenstand

Europäischer Vollstreckungstitel: Zur Frage der ordre public-Überprüfung im Vollstreckungsstaat


Leitsatz

Wird in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union ein Titel als Europäischer Vollstreckungstitel bestätigt, findet eine ordre public-Überprüfung im Vollstreckungsstaat nicht statt.

Tenor

Die Rechtsbeschwerde der Schuldnerin gegen den Beschluss der Zivilkammer 51 des [X.] vom 29. April 2013 wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Gründe

I.

1

Die Schuldnerin begehrt die Verweigerung bzw. Aussetzung der Zwangsvollstreckung aus einem [X.] Vollstreckungstitel.

2

Die Gläubigerin, eine Gesellschaft mit Sitz in [X.], erwirkte gegen die Schuldnerin mit Datum vom 13. Juni 2008 im Mahnverfahren einen Zahlungsbefehl des [X.]/[X.] über 65.902,55 [X.] samt gesetzlicher Zinsen ab dem 4. November 2006 bis zum [X.] sowie den Betrag von 4.441,00 [X.] als Erstattung der Prozesskosten. Mit Beschluss vom 2. April 2009 bestätigte das [X.] diesem Titel die Qualität eines [X.] nach der Verordnung ([X.]) Nr. 805/2004 des [X.] und des Rats vom 21. April 2004 zur Einführung eines [X.] für unbestrittene Forderungen - [X.] - ([X.] L 143/15 vom 30. April 2004, im Folgenden: Verordnung). Daraus betreibt die Gläubigerin nunmehr die Zwangsvollstreckung in [X.], wobei noch keine konkreten Vollstreckungsmaßnahmen erfolgt sind.

3

Gegen die der Schuldnerin am 18. Mai 2011 durch die [X.] angekündigte Zwangsvollstreckung hat die Schuldnerin mit Schriftsatz vom 22. Juni 2011 mit der Begründung, ihr sei weder ein verfahrenseinleitendes Schriftstück noch der Zahlungsbefehl selbst zugestellt worden, Erinnerung nach § 766 Abs. 1 ZPO eingelegt. Die Zwangsvollstreckung aus diesem Titel in der [X.] [X.] verstoße gegen den ordre public.

4

Das Amtsgericht hat die Erinnerung mit Beschluss vom 17. Januar 2012 zurückgewiesen. Im Beschwerdeverfahren gegen diesen Beschluss hat das [X.] das Verfahren zunächst nach § 148 ZPO im Hinblick auf das von der Schuldnerin vor den [X.] Gerichten anhängige Verfahren ausgesetzt.

5

Parallel zu dem Verfahren vor dem Vollstreckungsgericht hat die Schuldnerin bei dem [X.]/[X.] einen Antrag auf Widerruf der Bestätigung als [X.] Vollstreckungstitel nach Art. 10 Abs. 1 lit. b [X.] gestellt. Diesen Antrag hat das [X.] mit Entscheidung vom 10. Januar 2012 nach mündlicher Verhandlung abgelehnt, wobei die Verfahrensbevollmächtigten der Schuldnerin nach ihren eigenen Angaben zu dem Termin nicht geladen worden seien. Die dagegen gerichtete Beschwerde der Schuldnerin hat das [X.] mit Entscheidung vom 7. Februar 2012 als verfristet verworfen. Das Bezirksgericht in [X.] hat diese Entscheidung am 9. Januar 2013 bestätigt und bestimmt, dass der Beschluss des [X.] über die Zurückweisung des [X.] vom 10. Januar 2012 rechtskräftig sei.

6

Nach dieser Entscheidung hat das Beschwerdegericht mit Beschluss vom 29. April 2013 die sofortige Beschwerde der Schuldnerin auf ihre Kosten zurückgewiesen, mit der sie klargestellt hat, dass sie nicht Erinnerung nach § 766 Abs. 1 ZPO eingelegt, sondern den Antrag auf Verweigerung bzw. Aussetzung der Zwangsvollstreckung nach Art. 21 und 23 [X.] und § 1084 ZPO gestellt hat.

7

Mit ihrer vom Beschwerdegericht zugelassenen Rechtsbeschwerde begehrt die Schuldnerin die Aufhebung des zurückweisenden Beschlusses und die Verweigerung, Aussetzung bzw. Einstellung der Zwangsvollstreckung aus dem [X.] Vollstreckungstitel des [X.], hilfsweise die Zurückverweisung der Sache zur erneuten Entscheidung.

II.

8

Die zulässige Rechtsbeschwerde hat in der Sache keinen Erfolg.

9

1. Das Beschwerdegericht ist der Auffassung, gemäß Art. 21 Abs. 2 [X.] dürfe die Bestätigung als [X.] Vollstreckungstitel in dem [X.] in der Sache selbst nicht nachgeprüft werden. Die dem Gericht untersagte Prüfung schließe es ein, dass auch nicht mehr geprüft werden dürfe, ob die Vollstreckung aus diesem Titel gegen den ordre public der [X.] [X.] verstoße. Dies hätte der [X.] offenbar im Vertrauen auf die Gerichtsbarkeit der [X.] in Kauf genommen. Die Vorschrift des Art. 34 der Verordnung ([X.]) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen ([X.], [X.] L 12/1 vom 16. Januar 2001), auf den die Schuldnerin Bezug nehme, sehe vor, dass eine Entscheidung in der [X.] nicht anerkannt werden könne, wenn sie dem [X.] offensichtlich widerspreche. Eine ähnliche Regelung sei in der Verordnung Nr. 805/2004 vom 21. April 2004 nicht enthalten. Eine Aussetzung bzw. Beschränkung der Vollstreckung ermögliche Art. 23 [X.] nur für die dort genannten Fälle der Einlegung eines Rechtsbehelfs gegen eine als [X.] Vollstreckungstitel bestätigte Entscheidung oder eines Antrags auf Widerruf oder Berichtigung eines solchen Titels, allerdings nur solange, wie nicht über den Rechtsbehelf bzw. den Antrag entschieden sei. Das sei vorliegend jedoch geschehen. Ob dies wiederum unter einer Verletzung verfahrensrechtlicher Vorschriften erfolgt sei, dürfe vom Beschwerdegericht gleichfalls nicht überprüft werden.

2. Das hält der rechtlichen Überprüfung stand.

a) Der Antrag der Schuldnerin auf Verweigerung der Zwangsvollstreckung ist unbegründet.

aa) Art. 21 [X.] eröffnet für die Gerichte des [X.]s die Möglichkeit, unter Geltung der Verordnung die Zwangsvollstreckung dauerhaft zu verweigern, wenn die als [X.] Vollstreckungstitel bestätigte Entscheidung mit einer früheren Entscheidung unvereinbar ist. Ein solcher Fall liegt hier nicht vor. Im Übrigen ist weder die zu vollstreckende Entscheidung noch ihre Bestätigung als [X.] Vollstreckungstitel im [X.] in der Sache selbst nachprüfbar, Art. 21 Abs. 2 [X.].

bb) Die Verordnung lässt eine ordre public-Prüfung durch die Gerichte im [X.] nicht zu. Zum ordre public gehört einerseits der materiellrechtliche ordre public, der Verstöße gegen das materielle Recht und das Kollisionsrecht erfasst, und andererseits der verfahrensrechtliche ordre public ([X.]/von [X.], Europäisches Zivilprozessrecht, 9. Aufl., Art. 34 [X.] Rn. 12). Zum verfahrensrechtlichen ordre public gehören unter anderem der Grundsatz des rechtlichen Gehörs und der Anspruch auf ein faires Verfahren aus Art. 6 Abs. 1 Europäische Menschenrechtskonvention und Art. 47 der Charta der Grundrechte der [X.] [X.] ([X.]/von [X.], aaO, Art. 34 [X.] Rn. 15 und 15a).

Ob die [X.] Gerichte [X.] begangen haben, kann dahingestellt bleiben, denn mit der Verordnung hat der [X.] für Titel, die in den Anwendungsbereich der Verordnung fallen, das Erfordernis der Anerkennung und das Vollstreckbarerklärungsverfahren sowie die Möglichkeit der ordre public-Kontrolle ersatzlos abgeschafft ([X.]/[X.], [X.], Bearb. 2010, Art. 5 [X.]-VollstrTitelVO Rn. 10 ff.; [X.]/Schütze, Europäisches Zivilverfahrensrecht, 3. Aufl., Art. 5 VO ([X.]) Nr. 805/2004 Rn. 1; [X.]/von [X.], aaO, Art. 5 [X.] Rn. 5; Schlosser, EU-Zivilprozessrecht, 3. Aufl., Art. 5 [X.] Rn. 1; [X.], ZPO, 4. Aufl., Art. 5 VO ([X.]) 805/2004 Rn. 1 sowie [X.]. zu den §§ 1079 ff. ZPO Rn. 3; P/G/Halfmeier, ZPO, 5. Aufl., [X.]. nach § 1086 Art. 5 [X.] Rn. 1; [X.], [X.] Vollstreckungstitel nach der [X.] und Rechtsbehelfe des Schuldners, S. 31; Adolphsen, Europäisches Zivilverfahrensrecht, S. 201; Hk-ZV/Stürner, 2. Aufl., Art. 5 [X.] Rn. 2; [X.]/Walker/Jennissen, Vollstreckung und vorläufiger Rechtsschutz, 5. Aufl., [X.] Art. 5 Rn. 2; [X.], [X.] für unbestrittene Forderungen, S. 82; [X.]/Sparmann, [X.], 2285; [X.], [X.] 2004, 286, 293; Stürner, [X.] 2010, 43, 50).

(1) Das ergibt sich aus dem Wortlaut des Art. 5 [X.]. Der ordre public-Vorbehalt ist in der Systematik des [X.] Zivilverfahrensrechts im Rahmen der Anerkennung und des Verfahrens zur Vollstreckbarerklärung verortet. Insofern folgt aus der mit Art. 5 [X.] statuierten Anerkennung und Vollstreckung ohne Vollstreckbarerklärung bei dem gleichzeitigen Ausschluss der Möglichkeit, die Anerkennung anzufechten, dass für eine ordre public-Prüfung unter Anwendung der Verordnung kein Raum bleibt.

Konsequent zur Abschaffung des Erfordernisses der Anerkennung und des [X.] in Art. 5 [X.] fehlt in der Verordnung auch eine Vorschrift, die Art. 34 [X.] entsprechen würde.

Art. 21 [X.] bestätigt dies, indem der Verordnungsgeber in Absatz 1 als einzigen Grund nach der Verordnung, die Vollstreckung dauerhaft zu versagen, die Unvereinbarkeit mit einer früheren Entscheidung in einem Mitgliedsland oder einem Drittstaat festlegt und in Absatz 2 jegliche Nachprüfung der Entscheidung selbst sowie der Bestätigung als [X.] Vollstreckungstitel untersagt.

Dementsprechend enthält Art. 23 [X.] nur die Möglichkeit, die Vollstreckung für den Zeitraum, in dem der Schuldner im [X.] als solche oder die Bestätigung als Vollstreckungstitel vorgeht, vorläufig zu beschränken oder auszusetzen (vgl. [X.], [X.] 2012, 381 Rn. 66).

(2) Die Abschaffung des Erfordernisses der Anerkennung sowie des [X.] innerhalb der [X.] zur Schaffung eines funktionierenden Binnenmarkts entspricht dem ausdrücklichen Willen des Verordnungsgebers.

Dies ergibt sich schon aus dem "Maßnahmenprogramm zur Umsetzung des Grundsatzes der gegenseitigen Anerkennung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen" des Rates vom 30. November 2000 ([X.] [X.] vom 15. Januar 2001, [X.], 4). Darin heißt es: "Die Abschaffung des Exequaturverfahrens für unbestrittene Forderungen muss zu den Prioritäten der [X.] gehören. (…) [X.] ausstehender Forderungen ist eine absolute Notwendigkeit für den Handel (…)." Der Rat schlug deshalb die Schaffung eines [X.] für unbestrittene Forderungen als erste Stufe des Maßnahmenprogramms vor ([X.] [X.] vom 15. Januar 2001, [X.]), was mit Erlass der Verordnung durch das [X.] und den Rat am 21. April 2004 umgesetzt wurde.

Dass der Grundsatz der automatischen gegenseitigen Anerkennung von Entscheidungen und die Abschaffung des [X.] mit der Aufgabe der Möglichkeit jeglicher ordre public-Kontrolle im [X.] deren Kernpunkt ist, hat während des Verfahrens zum Erlass der Verordnung auch die [X.] der [X.] [X.]en in der Mitteilung an das [X.] vom 9. Februar 2004 [[X.]) 90 endgültig, 2002/0090 ([X.]), 3.1, S. 4] zum Ausdruck gebracht. Die dort enthaltene Äußerung, die [X.] könne den gemeinsamen Standpunkt akzeptieren, der zwar den ursprünglichen Vorschlag der [X.] in der nach der Stellungnahme des [X.] geänderten Fassung in einigen Aspekten ändere, aber an dem Anspruch festhalte, das Exequaturverfahren sowie jede Art von Kontrolle, die auf den ordre public Bezug nimmt, abzuschaffen, lässt keinen Raum für Zweifel über die Absicht des Verordnungsgebers.

Niedergelegt ist dies in Erwägungsgrund 18 der Verordnung. Darin heißt es: "Gegenseitiges Vertrauen in die ordnungsgemäße Rechtspflege in den Mitgliedstaaten rechtfertigt es, dass das Gericht nur eines Mitgliedstaats beurteilt, ob alle Voraussetzungen für die Bestätigung der Entscheidung als [X.] Vollstreckungstitel vorliegen, so dass die Vollstreckung der Entscheidung in allen anderen Mitgliedstaaten möglich ist, ohne dass im [X.] zusätzlich von einem Gericht nachgeprüft werden muss, ob die prozessualen Mindestvorschriften eingehalten worden sind."

Aus Erwägungsgrund 10 der Verordnung, wonach auf die Nachprüfung einer gerichtlichen Entscheidung in einem Verfahren, auf das sich der Schuldner nicht eingelassen habe, nur verzichtet werden könne, wenn die Verteidigerrechte beachtet worden seien, und Erwägungsgrund 11, wonach die Verordnung insbesondere darauf zielt, die uneingeschränkte Wahrung des Rechts auf ein faires Verfahren zu gewährleisten, folgt nichts anderes. Dem Recht auf ein faires Verfahren trägt die Verordnung dadurch Rechnung, dass in Art. 13 ff. [X.] verfahrensrechtliche Mindeststandards aufgestellt werden, die gerade das rechtliche Gehör sicherstellen sollen. Die Rechtsbeschwerde verkennt, dass der Verordnungsgeber die Kontrolle darüber, ob die Gerichte des [X.] diese Vorgaben tatsächlich eingehalten haben, allein den Gerichten im [X.] im Rahmen des Bestätigungsverfahrens nach Art. 6 bis 11 [X.] vorbehalten hat. Eine Kontrolle im [X.] ist aufgrund der Abschaffung des ordre [X.] nicht möglich.

(3) Dass unter Geltung der Verordnung die ordre public-Kontrolle im [X.] abgeschafft ist, wird auch im Schrifttum erkannt, wenn auch teilweise rechtspolitisch kritisiert ([X.]/[X.], aaO, Art. 5 [X.]-VollstrTitelVO Rn. 17; [X.], [X.] ausländischer mit inländischen [X.] durch die Verordnung zur Einführung eines [X.] für unbestrittene Forderungen, [X.]24 f. und [X.]; [X.], [X.] 2002, 75, 91 ff.; [X.]/[X.], [X.] 2004, 481, 486; [X.], [X.] 2004, 2, 7 ff.; [X.], [X.] 2006, 651, 727 f.; [X.], [X.] 2006, 466; [X.], Die EU-Verordnung zum [X.] Vollstreckungstitel für unbestrittene Forderungen, [X.]18; [X.], aaO, S. 31).

Fehlentscheidungen in Einzelfällen, die sich daraus ergeben, dass die Gerichte eines Mitgliedstaates eine Entscheidung als [X.] Vollstreckungstitel bestätigen, obwohl diese unter Missachtung der Verfahrensvorschriften der Art. 13 bis 17 [X.] zustande gekommen ist, sind entsprechend dem Willen des Verordnungsgebers ebenso wie Fehlentscheidungen innerstaatlicher Gerichte hinzunehmen. Ob dem Schuldner andere Rechtsschutzmöglichkeiten gegen den als fehlerhaft behaupteten Titel und die Bestätigung, z.[X.] vor nationalen Verfassungsgerichten, dem Gerichtshof der [X.] [X.] oder dem [X.] Gerichtshof für Menschenrechte, zustehen, ist dabei ohne Belang.

Die Abschaffung des ordre [X.] verstößt auch nicht gegen höherrangiges Recht. Dem [X.] Verordnungsgeber steht ein Ermessensspielraum in Bezug darauf zu, wie die Einhaltung der Verfahrensgrundsätze aus Art. 6 Abs. 1 der [X.] Menschenrechtskonvention und Art. 47 der Charta der Grundrechte der [X.] [X.] umgesetzt wird. Der vom Verordnungsgeber gewählte Weg, in der Verordnung die Kontrolle der Einhaltung der Vorschriften der Art. 13 ff. [X.] den Gerichten im [X.] zu übertragen, begegnet keinen Bedenken.

Einen Verstoß gegen Verfahrensgrundrechte begehen die [X.] Gerichte durch die Zwangsvollstreckung eines ausländischen Titels, der als [X.] Vollstreckungstitel nach der Verordnung bestätigt ist, auch dann nicht, wenn die Sachentscheidung oder die Bestätigung im [X.] unter Verstoß gegen Verfahrensgrundrechte zustande gekommen sein sollte.

cc) Die Rechtsbeschwerde kann auch nicht mit dem Argument durchdringen, der zu vollstreckende Zahlungsbefehl des [X.] hätte nach [X.] Recht wegen der erforderlichen Auslandszustellung an die in [X.] ansässige Schuldnerin nicht ergehen dürfen und sei nach [X.] Recht von Amts wegen aufzuheben.

Denn nach Art. 21 Abs. 2 [X.] darf der Einwand, die Entscheidung sei im Herkunftsstaat zu Unrecht ergangen, im Vollstreckungsverfahren gerade nicht geprüft werden. Solange der Titel und die Bestätigung als [X.] Vollstreckungstitel nicht im [X.] aufgehoben sind, ist die Vollstreckung fortzusetzen und kann lediglich bei Vorliegen der Voraussetzungen des Art. 23 [X.] vorläufig beschränkt oder eingestellt werden.

Es kann dahinstehen, ob die Gerichte im [X.] die Eröffnung des Anwendungsbereichs der Verordnung überprüfen dürfen (vgl. dazu Hk-ZV/Stürner, 2. Aufl., Art. 5 [X.] Rn. 3; Stürner, [X.] 2010, 43, 49 f.; [X.]/[X.], [X.] 2004, 481, 486 Fn. 73; [X.]/Schütze, Europäisches Zivilverfahrensrecht, 3. Aufl., Art. 20 VO ([X.]) Nr. 805/2004 Rn. 5; [X.]/[X.], ZPO, 30. Aufl., Art. 2 [X.] Rn. 1; [X.]/von [X.], Europäisches Zivilprozessrecht, 9. Aufl., Art. 5 [X.] Rn. 9; [X.]/[X.], [X.], Bearb. 2010, Art. 5 [X.]-VollstrTitelVO Rn. 25; [X.]/Schütze, ZPO, 4. Aufl., § 1082 Rn. 9; [X.], [X.] 2005, 189, 199). Die Rechtsbeschwerde rügt lediglich einen einfachen Rechtsanwendungsfehler. Sie trägt nichts vor, was Zweifel an der Eröffnung des Anwendungsbereichs gemäß Art. 2 ff. [X.] begründen würde. Insbesondere stellt sie nicht in Abrede, dass eine Entscheidung eines [X.] Gerichts in Zivil- oder Handelssachen betreffend eine unbestritten gebliebene Forderung vorliegt.

b) Der Antrag auf Aussetzung oder Beschränkung der Zwangsvollstreckung nach Art. 23 [X.] mit § 1084 ZPO ist ohne Erfolg.

Der Senat kann offen lassen, ob die den Antrag ablehnende Entscheidung des [X.] angesichts § 1084 Abs. 2 Satz 3 ZPO überhaupt mit einem Rechtsmittel angreifbar ist.

Art. 23 [X.] gestattet den Gerichten im [X.] lediglich vorläufige Maßnahmen bis zur rechtskräftigen Entscheidung über den Rechtsbehelf bzw. den Antrag auf Berichtigung oder Widerruf der Bestätigung als [X.] Vollstreckungstitel. Nachdem das Bezirksgericht [X.] auf das Rechtsmittel der Schuldnerin die Rechtskraft des Beschlusses des [X.] vom 10. Januar 2012 festgestellt hat, liegen die Voraussetzungen für Maßnahmen nach Art. 23 [X.] i.V.m. § 1084 ZPO nicht mehr vor.

3. Eine Pflicht zur Vorlage der Sache an den Gerichtshof der [X.] [X.] gemäß Art. 267 Abs. 3 A[X.] zur Prüfung der Frage, ob die Verordnung bei Verstößen gegen [X.] im [X.] eine ordre public-Prüfung eröffnet, besteht nicht.

Unter Art. 267 Abs. 1 lit. [X.] fallen alle Handlungen der Organe der [X.], also auch das gesamte sekundäre [X.]srecht einschließlich der Verordnungen (vgl. [X.]/Ehricke, [X.]/A[X.], 2. Aufl., Art. 267 A[X.] Rn. 19). Die Vorlagepflicht entfällt, wenn die richtige Anwendung des [X.]srechts derart offenkundig ist, dass keinerlei Raum für einen vernünftigen Zweifel an der Entscheidung der gestellten Frage bleibt (acte claire - Doktrin; grundlegend [X.] - [X.], Slg. 1982, 3415, 3430; [X.], Urteil vom 4. März 2013 - [X.] ([X.]) 9/12, [X.]Z 196, 271, 283). Davon darf das innerstaatliche Gericht ausgehen, wenn es überzeugt ist, dass auch für die Gerichte der übrigen Mitgliedstaaten und den Gerichtshof die gleiche Gewissheit bestünde ([X.], aaO, 3430; [X.], Urteil vom 4. März 2013 - [X.] ([X.]) 9/12, aaO, S. 283).

So liegt der Fall hier. Angesichts des eindeutigen Wortlauts der Art. 5, 21 Abs. 2 und Art. 23 [X.] sowie des vom Verordnungsgeber in Erwägungsgrund 18 dokumentierten Willens besteht kein Zweifel daran, dass ein [X.] Vollstreckungstitel nicht im [X.] auf einen ordre public-Verstoß überprüft werden kann. Dass dies auch für die Gerichte der übrigen Mitgliedstaaten ebenso eindeutig ist, belegt beispielhaft die inhaltlich gleichlautende Entscheidung des [X.] Obersten Gerichtshofes vom 22. Februar 2007 ([X.] 2008, 440, 443 m. Anm. Bittmann, [X.] 2008, 445).

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Kniffka                   Safari Chabestari                      Eick

              Kartzke                               [X.]

Meta

VII ZB 28/13

24.04.2014

Bundesgerichtshof 7. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZB

vorgehend LG Berlin, 29. April 2013, Az: 51 T 111/12

Art 5 EGV 805/2004, Art 21 EGV 805/2004, Art 23 EGV 805/2004, § 1084 ZPO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 24.04.2014, Az. VII ZB 28/13 (REWIS RS 2014, 6135)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 6135

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VII ZB 45/21

VII ZB 28/13

VII ZR 174/19

IX ZB 38/21

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