Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 24.04.2014, Az. VII ZB 28/13

VII. Zivilsenat | REWIS RS 2014, 6137

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
VII ZB 28/13

vom

24.
April
2014

in dem Zwangsvollstreckungsverfahren

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
ja
[X.]R:
ja
[X.] Art. 5, 21, 23; ZPO § 1084
Wird in einem Mitgliedstaat der [X.] ein Titel als [X.] Vollstreckungstitel bestätigt, findet eine ordre public-Überprüfung im [X.] nicht statt.
[X.], Beschluss vom 24. April 2014 -
VII ZB 28/13 -
LG [X.]

AG Köpenick

-
2
-
Der VII.
Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am
24.
April
2014
durch [X.]
Dr.
[X.], die Richterin Safari
Chabestari,
[X.]
Eick und
Dr.
[X.] und
die Richterin Graßnack
beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde der Schuldnerin gegen den Beschluss der Zivilkammer 51 des [X.] vom 29.
April
2013 wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Gründe:
I.
Die Schuldnerin begehrt die Verweigerung bzw. Aussetzung der Zwangsvollstreckung aus einem [X.] Vollstreckungstitel.
Die Gläubigerin, eine Gesellschaft
mit Sitz in [X.], erwirkte gegen die Schuldnerin mit Datum vom 13.
Juni
2008 im Mahnverfahren einen Zahlungs-befehl des [X.]/[X.] über 65.902,55
Zloty
samt gesetzlicher Zin-sen ab dem 4.
November
2006 bis zum [X.] sowie den Betrag von 4.441,00
Zloty als Erstattung der
Prozesskosten. Mit Beschluss
vom 2.
April
2009 bestätigte das Amtsgericht E.
diesem Titel die Qualität eines [X.] Vollstreckungstitels nach der Verordnung ([X.]) Nr.
805/2004 des [X.] und des Rats vom 21.
April
2004 zur Einführung eines Europäischen Vollstreckungstitels für unbestrittene Forderungen

[X.]

([X.]. L 143/15 vom 30.
April
2004, im Folgenden: Verordnung). Daraus betreibt die Gläubigerin nunmehr die Zwangsvollstreckung in [X.], wobei noch keine konkreten Vollstreckungsmaßnahmen erfolgt sind.
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-
3
-

Gegen die der Schuldnerin am 18. Mai 2011 durch die Obergerichtsvoll-zieherin angekündigte Zwangsvollstreckung hat die Schuldnerin mit Schriftsatz vom 22.
Juni
2011 mit der Begründung, ihr sei weder ein verfahrenseinleitendes Schriftstück noch der Zahlungsbefehl selbst zugestellt worden, Erinnerung nach §
766 Abs.
1 ZPO eingelegt. Die Zwangsvollstreckung aus diesem Titel in der [X.] verstoße gegen den ordre public.

Das Amtsgericht hat die Erinnerung mit Beschluss vom 17.
Januar
2012 zurückgewiesen. Im Beschwerdeverfahren gegen diesen Beschluss hat das [X.] das Verfahren zunächst nach §
148 ZPO im Hinblick auf das von der Schuldnerin
vor den [X.] Gerichten anhängige Verfahren ausgesetzt.
Parallel zu dem Verfahren vor dem Vollstreckungsgericht hat die Schuld-nerin bei dem Amtsgericht E./[X.] einen Antrag auf Widerruf der Bestätigung als [X.] Vollstreckungstitel nach Art.
10 Abs.
1 lit.
b [X.]
gestellt. Diesen Antrag hat das Amtsgericht E.
mit Entscheidung vom 10.
Januar
2012 nach mündlicher Verhandlung abgelehnt, wobei die Verfahrensbevollmächtigten der Schuldnerin nach ihren eigenen Angaben zu dem Termin nicht geladen worden seien. Die dagegen gerichtete Beschwerde der
Schuldnerin hat das Amtsgericht E.
mit Entscheidung vom 7. Februar 2012 als verfristet verworfen. Das Bezirksgericht in D.
hat diese Entscheidung am
9.
Januar
2013 bestätigt und bestimmt, dass der Beschluss des [X.]
über die Zurückweisung des [X.] vom 10.
Januar
2012 rechtskräftig sei.
Nach dieser Entscheidung
hat das Beschwerdegericht
mit Beschluss vom 29.
April
2013 die sofortige Beschwerde der Schuldnerin
auf ihre Kosten zurückgewiesen, mit der sie klargestellt hat, dass sie nicht Erinnerung nach §
766 Abs.
1 ZPO eingelegt, sondern den Antrag auf Verweigerung bzw. Aus-3
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-
setzung der Zwangsvollstreckung nach Art.
21 und 23 [X.] und
§
1084 ZPO gestellt hat.
Mit ihrer vom Beschwerdegericht zugelassenen Rechtsbeschwerde be-gehrt die Schuldnerin die Aufhebung des zurückweisenden Beschlusses
und die Verweigerung, Aussetzung bzw. Einstellung der Zwangsvollstreckung aus dem Europäischen
Vollstreckungstitel des [X.], hilfsweise die [X.] zur erneuten Entscheidung.

II.
Die zulässige Rechtsbeschwerde hat in der Sache keinen Erfolg.
1. Das Beschwerdegericht ist der Auffassung, gemäß Art.
21 Abs.
2 [X.]
dürfe die Bestätigung als [X.] Vollstreckungstitel in dem [X.] in der Sache selbst nicht nachgeprüft werden. Die dem [X.] untersagte Prüfung schließe es ein, dass auch nicht mehr geprüft werden dürfe, ob die Vollstreckung aus diesem Titel gegen den ordre public der Bun-desrepublik [X.] verstoße. Dies hätte der [X.] offen-bar im Vertrauen auf die Gerichtsbarkeit der [X.] in Kauf ge-nommen. Die Vorschrift des Art.
34
der Verordnung ([X.]) Nr. 44/2001 des [X.] vom 22.
Dezember 2000
über die gerichtliche Zuständigkeit und die Aner-kennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil-
und Handelssachen (EuGVVO, Abl.
L 12/1 vom 16.
Januar
2001), auf den die Schuldnerin Bezug nehme, sehe vor, dass eine Entscheidung in der [X.] nicht aner-kannt werden könne, wenn sie dem [X.] offensichtlich [X.]. Eine ähnliche Regelung sei in der
Verordnung Nr.
805/2004 vom 21.
April 2004 nicht enthalten. Eine Aussetzung bzw. Beschränkung der Voll-7
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streckung ermögliche
Art.
23 [X.]
nur für die dort genannten Fälle der [X.] eines Rechtsbehelfs gegen eine als [X.] Vollstreckungstitel bestätigte Entscheidung oder eines Antrags auf Widerruf oder Berichtigung ei-nes solchen Titels, allerdings nur solange, wie nicht über den Rechtsbehelf bzw. den
Antrag entschieden sei. Das sei vorliegend jedoch geschehen.
Ob dies wiederum unter einer Verletzung verfahrensrechtlicher Vorschriften erfolgt sei, dürfe vom Beschwerdegericht gleichfalls nicht überprüft werden.
2. Das hält der rechtlichen Überprüfung stand.
a) Der Antrag der Schuldnerin auf Verweigerung
der Zwangsvollstre-ckung ist unbegründet.
aa) Art.
21 [X.] eröffnet für die Gerichte des [X.]s
die Möglichkeit, unter Geltung der
Verordnung
die Zwangsvollstreckung [X.] zu verweigern, wenn die als [X.] Vollstreckungstitel bestätigte Entscheidung mit einer früheren Entscheidung unvereinbar ist. Ein solcher Fall liegt hier nicht vor. Im Übrigen ist weder die zu vollstreckende Entscheidung noch ihre Bestätigung als [X.] Vollstreckungstitel im [X.] in der
Sache selbst nachprüfbar, Art.
21 Abs.
2 [X.].

bb) Die
Verordnung
lässt eine ordre public-Prüfung durch die Gerichte im [X.] nicht zu.
Zum ordre public gehört einerseits der
materiell-rechtliche ordre public,
der Verstöße gegen das materielle Recht und das Kolli-sionsrecht erfasst, und andererseits der verfahrensrechtliche ordre public
([X.]/von [X.],
Europäisches Zivilprozessrecht, 9.
Aufl., Art. 34 EuGVVO Rn.
12). Zum verfahrensrechtlichen ordre public gehören unter anderem der Grundsatz des rechtlichen
Gehörs
und der
Anspruch auf ein faires Verfahren
aus
Art.
6 Abs.
1 [X.] und Art.
47 der
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6
-
Charta
der Grundrechte der [X.]
([X.]/von [X.], aaO, Art.
34 EuGVO Rn.
15 und 15a).
Ob die
[X.] Gerichte [X.] begangen haben, kann dahingestellt bleiben, denn mit der
Verordnung hat der [X.]
für Titel, die in den Anwendungsbereich der Verordnung fallen, das Erfordernis der Anerkennung und das Vollstreckbarerklärungsverfahren
sowie die Möglich-keit der ordre public-Kontrolle ersatzlos abgeschafft ([X.]/[X.], [X.] Zivilprozess-
und Kollisionsrecht, Bearb.
2010, Art.
5 [X.]-VollstrTitelVO Rn.
10
ff.; [X.]/Schütze, Europäisches Zivilverfahrensrecht, 3.
Aufl., Art.
5 VO
([X.]) Nr.
805/2004 Rn.
1; [X.]/von
[X.], aaO, Art.
5 [X.]
Rn.
5; Schlosser, EU-Zivilprozessrecht, 3.
Aufl., Art.
5 VTVO Rn.
1; MünchKomm/Adolphsen,
ZPO, 4.
Aufl., Art.
5 VO ([X.]) 805/2004 Rn.
1 sowie [X.]. zu den §§
1079 ff.
ZPO Rn. 3; P/G/Halfmeier, ZPO, 5. Aufl., [X.]. nach §
1086 Art.
5 [X.] Rn.
1; [X.], [X.] Vollstreckungstitel nach der [X.] und Rechtsbehelfe des Schuldners, S.
31; Adolphsen, [X.] Zivilverfahrensrecht, S.
201; Hk-ZV/Stürner, 2.
Aufl., Art.
5 [X.] Rn.
2; [X.]/Walker/Jennissen, Vollstreckung und vorläufiger Rechts-schutz, 5.
Aufl., [X.] Art.
5 Rn.
2; [X.], Der [X.] Vollstre-ckungstitel für unbestrittene Forderungen, S.
82;
Röthel/Sparmann, [X.], 2285;
[X.],
[X.], 286, 293; Stürner, [X.] 2010, 43, 50).
(1) Das ergibt sich aus dem Wortlaut des Art.
5 [X.]. Der ordre public-Vorbehalt ist in der Systematik des Europäischen Zivilverfahrensrechts im Rahmen der Anerkennung und des Verfahrens zur Vollstreckbarerklärung verortet. Insofern folgt aus der mit Art. 5 [X.] statuierten Anerkennung und Vollstreckung ohne Vollstreckbarerklärung bei dem gleichzeitigen Ausschluss der Möglichkeit, die Anerkennung anzufechten, dass für eine ordre public-Prüfung unter Anwendung der Verordnung
kein Raum bleibt.
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7
-
Konsequent zur Abschaffung des Erfordernisses der Anerkennung und des [X.] in Art.
5 [X.] fehlt in der [X.] auch eine Vorschrift, die Art.
34 EuGVVO
entsprechen würde.
Art.
21 [X.] bestätigt dies, indem der Verordnungsgeber in Absatz 1 als einzigen Grund nach der Verordnung, die Vollstreckung dauerhaft zu versa-gen, die Unvereinbarkeit mit einer früheren Entscheidung in einem Mitglieds-land oder einem Drittstaat
festlegt und in Absatz 2 jegliche Nachprüfung der Entscheidung selbst sowie der Bestätigung als [X.] Vollstreckungstitel untersagt.
Dementsprechend enthält Art. 23 [X.]
nur die Möglichkeit, die [X.] für den Zeitraum, in dem der Schuldner im [X.] als solche oder die Bestätigung als Vollstre-ckungstitel vorgeht, vorläufig zu beschränken oder auszusetzen
(vgl. [X.], [X.] 2012, 381 Rn. 66).
(2) Die Abschaffung des Erfordernisses der Anerkennung sowie des [X.] innerhalb der [X.]
zur Schaffung eines funktionierenden Binnenmarkts entspricht dem ausdrücklichen Willen des [X.].
Dies ergibt sich schon aus dem "Maßnahmenprogramm zur Umsetzung des
Grundsatzes der gegenseitigen Anerkennung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil-
und Handelssachen"
des Rates vom 30.
November
2000 ([X.]. C
12 vom 15.
Januar
2001, S.
1, 4). Darin heißt es: "Die Abschaffung des [X.] für unbestrittene Forderungen muss zu den Prioritäten der Gemein-
"
Der Rat schlug deshalb die Schaf-fung eines Europäischen Vollstreckungstitels für unbestrittene Forderungen
als 16
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erste Stufe des Maßnahmenprogramms vor ([X.]. C
12 vom 15.
Januar
2001,
S.
7), was mit Erlass der Verordnung
durch das [X.] und den Rat am 21. April 2004 umgesetzt wurde.
Dass der Grundsatz der automatischen gegenseitigen Anerkennung von Entscheidungen und die Abschaffung des [X.] mit der Aufgabe der Möglichkeit jeglicher ordre public-Kontrolle im [X.] deren Kernpunkt ist, hat während des Verfahrens zum Erlass der Verordnung auch die [X.] in der Mitteilung an das [X.] vom 9.
Februar
2004 [KOM(2004) 90 endgültig, 2002/0090 ([X.]), 3.1, S.
4] zum Ausdruck gebracht. Die dort enthal-tene Äußerung, die [X.] könne den gemeinsamen Standpunkt akzeptie-ren, der zwar den ursprünglichen Vorschlag der [X.] in der nach der Stellungnahme des [X.] geänderten Fassung in einigen Aspekten ände-re, aber an dem Anspruch festhalte, das Exequaturverfahren sowie jede Art von Kontrolle,
die auf den ordre public Bezug nimmt, abzuschaffen, lässt keinen Raum für Zweifel über die Absicht des Verordnungsgebers.
[X.] ist dies
in
Erwägungsgrund
18 der Verordnung. Darin heißt es: "Gegenseitiges Vertrauen in die ordnungsgemäße Rechtspflege in den Mit-gliedstaaten rechtfertigt
es, dass
das Gericht nur eines Mitgliedstaats beurteilt, ob alle Voraussetzungen für die Bestätigung der Entscheidung als [X.] Vollstreckungstitel vorliegen, so dass die Vollstreckung der Entscheidung in allen anderen Mitgliedstaaten möglich ist, ohne dass im [X.] zusätzlich von einem Gericht nachgeprüft werden muss, ob die prozessualen Mindestvorschriften eingehalten worden sind."

Aus Erwägungsgrund 10 der Verordnung, wonach auf die Nachprüfung einer gerichtlichen Entscheidung in einem Verfahren, auf das sich der Schuld-21
22
23
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ner nicht eingelassen habe, nur verzichtet werden
könne, wenn die Verteidiger-rechte beachtet worden seien, und Erwägungsgrund 11, wonach die [X.] insbesondere darauf zielt, die uneingeschränkte Wahrung des Rechts auf ein faires Verfahren zu gewährleisten, folgt nichts anderes. Dem Recht auf ein faires Verfahren trägt die Verordnung dadurch Rechnung, dass in Art.
13
ff. [X.] verfahrensrechtliche Mindeststandards aufgestellt werden, die gerade das rechtliche Gehör sicherstellen sollen. Die Rechtsbeschwerde verkennt, dass der Verordnungsgeber die Kontrolle darüber, ob die Gerichte des Ur-sprungsstaates diese Vorgaben tatsächlich eingehalten haben, allein den [X.]en im [X.] im Rahmen des Bestätigungsverfahrens
nach Art.
6 bis 11 [X.] vorbehalten hat. Eine Kontrolle im [X.] ist auf-grund der Abschaffung des ordre [X.] nicht möglich.
(3) Dass unter Geltung der Verordnung
die ordre public-Kontrolle im [X.] abgeschafft ist,
wird auch im Schrifttum erkannt, wenn
auch teilweise
rechtspolitisch kritisiert ([X.]/[X.], aaO, Art.
5
[X.]-VollstrTitelVO
Rn.
17; [X.], [X.] ausländischer mit inländi-schen Vollstreckungstiteln durch die Verordnung zur Einführung eines [X.] für unbestrittene Forderungen, S. 124 f. und [X.]; [X.], [X.] 2002, 75, 91 ff.; [X.]/[X.], [X.] 2004, 481, 486; [X.], [X.] 2004, 2, 7 ff.; [X.], [X.] 2006, 651, 727 f.;
Roth, [X.] 2006, 466; [X.], Die [X.] für unbestrittene Forderungen, S. 118;
[X.], aaO, S. 31).
Fehlentscheidungen in Einzelfällen, die sich daraus ergeben, dass die Gerichte eines Mitgliedstaates eine Entscheidung als [X.]n Vollstre-ckungstitel bestätigen, obwohl diese unter Missachtung der Verfahrensvor-schriften der Art.
13 bis 17
[X.] zustande gekommen ist, sind entspre-chend dem Willen des Verordnungsgebers ebenso wie Fehlentscheidungen 24
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-
10
-
innerstaatlicher Gerichte hinzunehmen. Ob dem Schuldner andere [X.] gegen den als fehlerhaft behaupteten Titel und die Bestä-tigung, z.B. vor nationalen Verfassungsgerichten, dem Gerichtshof der Europäi-schen
[X.]
oder dem [X.], zu-stehen, ist dabei ohne Belang.
Die Abschaffung des ordre [X.] verstößt auch nicht gegen höherrangiges Recht. Dem [X.]n Verordnungsgeber steht ein Ermes-sensspielraum in Bezug darauf
zu, wie die Einhaltung der [X.] aus Art.
6 Abs.
1 der Europäischen Menschenrechtskonvention und Art.
47 der Charta der Grundrechte der [X.] umgesetzt wird. Der vom Verordnungsgeber gewählte Weg, in der Verordnung die Kontrolle der Einhal-tung der Vorschriften der Art.
13
ff. [X.] den
Gerichten
im [X.] zu übertragen, begegnet keinen Bedenken.
Einen Verstoß gegen
Verfahrensgrundrechte begehen die [X.] Gerichte durch die Zwangsvollstreckung eines ausländischen Titels, der als Eu-ropäischer Vollstreckungstitel nach der Verordnung bestätigt ist, auch dann nicht, wenn die Sachentscheidung oder die Bestätigung im
[X.] un-ter Verstoß gegen Verfahrensgrundrechte zustande gekommen sein sollte.
[X.]) Die Rechtsbeschwerde kann auch nicht mit dem Argument durch-dringen, der zu vollstreckende Zahlungsbefehl des [X.]
hätte nach [X.] Recht wegen der erforderlichen Auslandszustellung an die in B.
ansässige Schuldnerin nicht ergehen dürfen und sei nach [X.] Recht von Amts wegen aufzuheben.
Denn nach Art.
21 Abs.
2 [X.] darf der Einwand, die Entscheidung sei im Herkunftsstaat zu Unrecht ergangen, im Vollstreckungsverfahren gerade nicht geprüft werden. Solange der Titel und die Bestätigung als [X.] 26
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11
-
Vollstreckungstitel nicht im [X.] aufgehoben sind, ist die Vollstre-ckung fortzusetzen und kann lediglich bei Vorliegen der Voraussetzungen des Art. 23 [X.] vorläufig beschränkt oder eingestellt werden.
Es kann dahinstehen, ob die Gerichte im [X.] die Eröff-nung des Anwendungsbereichs der
Verordnung
überprüfen dürfen
(vgl.
dazu Hk-ZV/Stürner, 2.
Aufl., Art.
5 [X.] Rn.
3; Stürner, [X.] 2010, 43, 49
f.; [X.]/[X.], [X.] 2004, 481, 486 Fn.
73; [X.]/Schütze, Europäisches Zivilverfahrensrecht, 3.
Aufl., Art.
20 VO ([X.]) Nr. 805/2004 Rn.
5; [X.]/[X.],
ZPO, 30. Aufl., Art. 2 [X.] Rn. 1;
[X.]/von [X.], [X.] Zivilprozessrecht, 9. Aufl., Art. 5 [X.] Rn. 9; [X.]/[X.],
Europäisches Zivilprozess-
und Kollisionsrecht, Bearb.
2010, Art.
5
[X.]-VollstrTitelVO Rn.
25; [X.]/Schütze, ZPO, 4.
Aufl., §
1082 Rn.
9; [X.], [X.] 2005, 189, 199). Die Rechtsbeschwerde rügt lediglich einen einfachen Rechtsanwendungsfehler. Sie trägt nichts vor, was
Zweifel an der Eröffnung des Anwendungsbereichs gemäß Art.
2
ff. [X.] begründen wür-de. Insbesondere stellt sie nicht in Abrede, dass
eine Entscheidung eines polni-schen Gerichts in Zivil-
oder
Handelssachen betreffend eine unbestritten ge-bliebene Forderung
vorliegt.
b) Der Antrag auf Aussetzung oder Beschränkung der Zwangsvollstre-ckung nach Art.
23 [X.] mit
§ 1084 ZPO ist ohne Erfolg.
Der [X.] kann offen lassen, ob die den Antrag ablehnende Entschei-dung des [X.] angesichts § 1084 Abs. 2 Satz 3 ZPO überhaupt mit einem Rechtsmittel angreifbar ist.
Art. 23 [X.] gestattet den Gerichten im [X.] lediglich vorläufige Maßnahmen bis zur rechtskräftigen Entscheidung über den [X.] bzw. den Antrag auf Berichtigung oder Widerruf der Bestätigung als Eu-30
31
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12
-
ropäischer Vollstreckungstitel. Nachdem das Bezirksgericht D.
auf das [X.] der Schuldnerin die Rechtskraft des Beschlusses des [X.]
vom 10.
Januar
2012 festgestellt hat, liegen die Voraussetzungen für Maßnah-men nach Art.
23 [X.] i.V.m. §
1084 ZPO nicht mehr vor.
3.
Eine Pflicht zur Vorlage der Sache an den Gerichtshof der [X.] gemäß Art.
267 Abs. 3 A[X.] zur Prüfung der Frage, ob die
Ver-ordnung
bei Verstößen gegen [X.] im [X.] eine ordre public-Prüfung eröffnet, besteht nicht.
Unter
Art.
267 Abs. 1 lit.
b A[X.] fallen alle Handlungen der Organe der [X.], also auch das gesamte sekundäre [X.]srecht einschließlich der Ver-ordnungen (vgl. [X.]/Ehricke, [X.]/A[X.], 2.
Aufl., Art.
267 A[X.] Rn.
19). Die
Vorlagepflicht
entfällt, wenn die richtige Anwendung des [X.]srechts der-art offenkundig ist, dass keinerlei Raum für einen vernünftigen Zweifel an der Entscheidung der gestellten Frage bleibt (acte claire
-
Doktrin; grundlegend [X.]

C.I.L.F.I.T.,
Slg.
1982, 3415, 3430;
[X.], Urteil vom 4.
März
2013

[X.] ([X.]) 9/12, [X.]Z 196, 271, 283). Davon darf das innerstaatliche Gericht ausgehen, wenn es überzeugt ist, dass auch für die Gerichte der übrigen Mit-gliedstaaten und den Gerichtshof die gleiche Gewissheit bestünde ([X.], aaO, 3430; [X.], Urteil vom 4. März 2013
-
[X.] ([X.]) 9/12, aaO, S. 283).
So liegt der Fall hier. Angesichts des eindeutigen Wortlauts der Art.
5, 21 Abs. 2 und Art. 23 [X.]
sowie des vom Verordnungsgeber in [X.] dokumentierten Willens
besteht kein Zweifel daran, dass ein Europäi-scher Vollstreckungstitel nicht im [X.] auf einen ordre public-Verstoß überprüft werden kann. Dass dies auch für die Gerichte der übrigen Mitgliedstaaten ebenso eindeutig ist, belegt beispielhaft die inhaltlich gleichlau-34
35
36
-
13
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tende Entscheidung des [X.] Obersten Gerichtshofes vom 22. [X.] 2007 ([X.] 2008, 440, 443 m. Anm. Bittmann, [X.] 2008, 445).

III.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

[X.]
Safari Chabestari
Eick

[X.]

Graßnack
Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 17.01.2012 -
32 M 8052/11 -

LG [X.], Entscheidung vom 29.04.2013 -
51 [X.]/12 -

37

Meta

VII ZB 28/13

24.04.2014

Bundesgerichtshof VII. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 24.04.2014, Az. VII ZB 28/13 (REWIS RS 2014, 6137)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 6137

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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I ZB 116/08 (Bundesgerichtshof)


Referenzen
Wird zitiert von

VII B 73/20 (AdV)

Zitiert

VII ZB 28/13

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