Bundesfinanzhof, Urteil vom 23.07.2019, Az. IX R 28/18

9. Senat | REWIS RS 2019, 5205

STEUERRECHT STEUERN EIGENTUM BUNDESFINANZHOF (BFH) EINKOMMENSTEUER

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Gegenstand

(Grundstücksenteignung kein privates Veräußerungsgeschäft i.S. des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG )


Leitsatz

Eine Anschaffung bzw. Veräußerung i.S. des § 23 EStG liegt nicht vor, wenn der Verlust des Eigentums am Grundstück ohne maßgeblichen Einfluss des Steuerpflichtigen stattfindet. Ein Entzug des Eigentums durch Sonderungsbescheid nach dem Bodensonderungsgesetz ist danach keine Veräußerung i.S. des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG .

Tenor

Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des [X.] vom 28.11.2018 - 1 K 71/16 E wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens hat der Beklagte zu tragen.

Tatbestand

I.

1

Streitig ist, ob der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) aufgrund einer durch [X.] angeordneten Übertragung des Eigentums an einem ihm gehörenden Grundstück auf eine öffentlich-rechtliche Körperschaft ([X.]) den Tatbestand eines privaten [X.]S. des § 22 Nr. 2 i.V.m. § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes in der im Streitjahr geltenden Fassung (EStG) verwirklicht hat. Ferner ist in verfahrensrechtlicher Hinsicht streitig, ob der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --[X.]--) die Einkommensteuerfestsetzung für das [X.] noch nach § 174 der Abgabenordnung [X.]) ändern durfte.

2

Der Kläger wurde in den Streitjahren (2009, 2012) mit seiner Ehefrau, der Klägerin und Revisionsbeklagten, zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Anfang der 1990er Jahre erwarb der Kläger einen hälftigen Miteigentumsanteil an einem unbebauten Grundstück, das mit einem Bürogebäude bebaut und sodann vermietet werden sollte; dieses Vorhaben ließ sich indes nicht realisieren. [X.] erwarb der Kläger durch Zuschlag in der Zwangsversteigerung den anderen hälftigen Miteigentumsanteil am maßgeblichen Grundstück und war fortan Alleineigentümer. Das Grundstück blieb weiterhin unbebaut.

3

[X.] führte die [X.] ein Bodensonderungsverfahren durch und erließ unter dem 11.09.2008 einen das maßgebliche Grundstück betreffenden und an den Kläger gerichteten [X.] nach dem Bodensonderungsgesetz vom [X.] ([X.] 1993, 2215). Als Entschädigung für den Übergang des Eigentums an dem Grundstück setzte die [X.] nach den maßgeblichen Bestimmungen der [X.] vom 17.12.1997 (BAnz 1998, Nr. 25a) eine Entschädigung in Höhe von 470.000 € zu Gunsten des [X.] fest, die dem Kläger --dies ist zwischen den Beteiligten nunmehr unstreitig-- im Streitjahr 2009 zugeflossen ist. Der Kläger legte gegen den [X.] Widerspruch ein, mit dem er sich ausschließlich gegen die Höhe der Entschädigungszahlung, nicht aber gegen den im Bescheid angeordneten [X.] wandte. In dem anschließenden Klageverfahren einigten sich der Kläger und die [X.] auf eine Erhöhung der Entschädigungssumme um 130.000 € auf 600.000 €. Der Erhöhungsbetrag wurde in zwei Raten an den Kläger ausgezahlt: Im Streitjahr 2012 erhielt er einen Teilbetrag in Höhe von 87.000 €; der Restbetrag in Höhe von 43.000 € wurde im hier nicht streitbefangenen Jahr 2014 ausgezahlt.

4

In ihrer am 30.12.2010 beim [X.] eingegangenen Einkommensteuererklärung für das [X.] gaben die Kläger bei ihren Einkünften aus Vermietung und Verpachtung einen das maßgebliche Grundstück betreffenden Werbungskostenüberschuss in Höhe von 18.887 € an. Das Grundstück war (auch) zu diesem [X.]punkt weder bebaut noch vermietet. Auf schriftliche Nachfrage des [X.] vom 01.02.2011, wann bei dem Grundstück mit der Erzielung von Mieteinnahmen gerechnet werden könne, teilte der Kläger mit, das Grundstück sei von der [X.] enteignet worden, und dagegen werde zur [X.] gerichtlich vorgegangen.

5

Mit Einkommensteuerbescheid vom 04.04.2011 setzte das [X.] die Einkommensteuer für das Streitjahr 2009 aufgrund eines bestehenden Verlustvortrags auf 0 € fest und legte dabei den von den Klägern erklärten Werbungskostenüberschuss zugrunde. Die Steuerfestsetzung erfolgte hinsichtlich der Einkünfte des [X.] aus Vermietung und Verpachtung aus dem Grundstück in der [X.] nach § 165 Abs. 1 Sätze 1 und 2 AO vorläufig.

6

Gegen diesen Bescheid legten die Kläger wegen hier nicht streitbefangener Punkte Einspruch ein, der mehrfach zu Änderungen der Festsetzung führte. Noch während des [X.] gegen die Einkommensteuerfestsetzung für das [X.] ordnete das [X.] mit Prüfungsanordnung vom 25.03.2013 bei den Klägern eine Betriebsprüfung für Einkommen-, Gewerbe- und Umsatzsteuerzwecke für die Jahre 2009 bis 2011 an. In ihrem Betriebsprüfungsbericht vom 28.08.2013 vertrat der Prüfer die Auffassung, dass die Enteignung des Grundstücks durch die [X.] ein steuerpflichtiges Veräußerungsgeschäft i.S. des § 23 Abs. 1 Nr. 1 EStG darstelle, der --zwischen den Beteiligten der Höhe nach unstreitige-- Gewinn i.S. des § 23 Abs. 3 Satz 1 EStG 175.244,97 € betrage und dieser im [X.] zu erfassen sei.

7

Mit geändertem Einkommensteuerbescheid für 2009 vom 23.12.2013 setzte das [X.] verschiedene, nicht die Grundstücksveräußerung betreffende Feststellungen der Betriebsprüfung betreffend das Streitjahr 2009 um. Mit Einspruchsentscheidung vom 07.01.2014 wies das [X.] den noch offenen Einspruch der Kläger als unbegründet zurück.

8

Die Feststellungen der Betriebsprüfung betreffend das [X.] setzte das [X.] mit geändertem Einkommensbescheid für 2010 vom 12.12.2013 um und legte dabei einen Gewinn i.S. des § 23 Abs. 3 Satz 1 EStG in Höhe von 175.244 € der Besteuerung zugrunde. Gegen diesen Bescheid legten die Kläger unter dem 10.01.2014 Einspruch ein und führten zur Begründung u.a. aus, dass eine Enteignung nicht die Voraussetzungen eines steuerpflichtigen [X.] erfülle. Ferner machten die Kläger geltend, dass der angefochtene Bescheid bereits deshalb aufzuheben sei, weil die für das Grundstück von der [X.] festgesetzte Entschädigung in Höhe von 470.000 € dem Kläger nicht erst im [X.], sondern bereits im [X.] zugeflossen sei. Das [X.] schloss sich den Rechtsausführungen der Kläger zum [X.]punkt des Zuflusses der Entschädigung an und erließ unter dem 17.06.2015 einen geänderten Einkommensteuerbescheid für das [X.], in dem der Veräußerungsgewinn nicht mehr angesetzt wurde.

9

Mit Einkommensteuerbescheid vom 17.06.2015 änderte das [X.] die Einkommensteuerfestsetzung für das Streitjahr 2009 mit der Maßgabe, dass der streitgegenständliche Veräußerungsgewinn in Höhe von 175.244 € nunmehr diesem Veranlagungszeitraum zugeordnet wurde; als Änderungsnorm wurde im Bescheid nur "§ 17[X.]" --ohne Angabe des einschlägigen [X.] genannt. Der bis dahin in den Einkommensteuerbescheiden 2009 enthaltene Vorläufigkeitsvermerk wurde aufrechterhalten. Der hiergegen gerichtete Einspruch der Kläger hatte keinen Erfolg.

Zwischenzeitlich hatte das [X.] auch die Veranlagung für das Streitjahr 2012 durchgeführt. Im Einkommensteuerbescheid für 2012 vom 06.01.2015 legte es im Hinblick auf die weitere Entschädigungszahlung der [X.] einen --der Höhe nach unstreitigen-- Veräußerungsgewinn nach § 23 Abs. 1 Nr. 1 EStG in Höhe von 43.500 € (1/2 von 87.000 €) der Besteuerung zugrunde. Der hiergegen gerichtete Einspruch der Kläger hatte keinen Erfolg.

Die gegen die geänderten Einkommensteuerbescheide für 2009 und für 2012 gerichtete Klage hatte Erfolg. Das Finanzgericht ([X.]) entschied in seinem in Entscheidungen der Finanzgerichte 2019, 98 veröffentlichten Urteil, dass die dem Kläger in den Streitjahren für die durch [X.] angeordnete hoheitliche Übertragung des Eigentums an dem maßgeblichen Grundstück in der [X.] zugeflossenen Entschädigungszahlungen keinen steuerbaren Gewinn aus einem privaten Veräußerungsgeschäft i.S. des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG darstellten.

Hiergegen richtet sich die Revision des [X.]. Das [X.] vertritt die Auffassung, dass auch Veräußerungen unter Zwang --wie beispielsweise im Fall der [X.] unter § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG zu subsumieren seien. Die Beweggründe für ein Veräußerungsgeschäft seien unbeachtlich; lediglich maßgeblich sei, dass dem Steuerpflichtigen die Werterhöhung während der Haltefrist wirtschaftlich zugeführt werde. Von Bedeutung sei überdies, dass der Kläger im Widerspruchsverfahren gegen den [X.], in dem ausschließlich um die Höhe der Entschädigungssumme gestritten wurde, durchaus Einkünfteerzielungsabsicht entfaltet habe. [X.] dessen sei die Einkünfteerzielungsabsicht bei § 23 EStG durch die kurzen Haltefristen objektiviert und typisiert. Auch in anderen grundstücksbezogenen Rechtsbereichen wie dem Grunderwerbsteuerrecht werde zur Besteuerung von [X.] in [X.] die Bemessungsgrundlage anhand der Entschädigungssumme ermittelt. Auch die historische Entwicklung und der Zweck der Regelung in § 23 EStG sprächen dafür, auch in [X.] von einer Veräußerung i.S. der Vorschrift auszugehen. Die Änderung des Einkommensteuerbescheids für 2009 vom 17.06.2015 sei überdies nach § 174 Abs. [X.] zulässig gewesen.

Das [X.] beantragt,
das angefochtene Urteil des [X.] vom 28.11.2018 - 1 K 71/16 E aufzuheben und die Klage als unbegründet zurückzuweisen.

Die Kläger beantragen,
die Revision zurückzuweisen.

Die Kläger vertreten die Ansicht, dass sich weder aus der Gesetzeshistorie noch aus den Gesetzesmaterialien zu § 23 EStG herleiten lasse, dass jeder entgeltliche Rechtsträgerwechsel eine Veräußerung i.S. von § 23 EStG darstellen müsse. Schon der Wortlaut der Norm, der die Begriffe "privat", "Geschäft" und "Veräußerung" enthalte, weise darauf hin, dass die Norm nur die Rechtsfolgen einer wirtschaftlichen Betätigung des Steuerpflichtigen zum Regelungsgegenstand habe. Dies sei im Streitfall indes nicht geschehen. Überdies sei § 23 EStG eine Ausnahmevorschrift, die realisierte Wertveränderungen im Zusammenhang mit Wirtschaftsgütern des Privatvermögens besteuere; dies schließe eine extensive Auslegung des Veräußerungsbegriffs innerhalb der Norm aus. Entgegen der Auffassung des [X.] folge das angefochtene Urteil des [X.] auch den Grundlinien der bisherigen Rechtsprechung des [X.] ([X.]) in diesem Bereich, auch wenn die hier streitgegenständliche Rechtsfrage noch nicht explizit Gegenstand einer höchstrichterlichen Entscheidung gewesen sei. Zu Unrecht wolle das [X.] zudem in dem rechtlichen Vorgehen des [X.] gegen den [X.] eine rechtsgeschäftliche Betätigung erkennen. Auch der vom [X.] gezogene Vergleich mit Vorschriften des Grunderwerbsteuergesetzes gehe fehl, da dieses Gesetz als Rechtsverkehrssteuer eine vollständig andere Zielsetzung als § 23 EStG zum Gegenstand habe. Schließlich habe der Einkommensteuerbescheid für 2009 nicht mehr geändert werden können, da der Tatbestand der vom [X.] ursprünglich auf Nachfrage benannten Änderungsnorm (§ 174 Abs. [X.]) nicht erfüllt gewesen sei.

Entscheidungsgründe

[X.]

Die Revision ist unbegründet und nach § 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung ([X.]O) zurückzuweisen. Das [X.] ist zu Recht davon ausgegangen, dass der Kläger aufgrund der durch Sonderungsbescheid angeordneten Übertragung des Eigentums an dem maßgeblichen Grundstück auf die [X.] den Tatbestand eines privaten [X.]S. der §§ 22 Nr. 2, 23 Abs. 1 Satz 1 EStG nicht erfüllt hat.

1. Nach § 22 Nr. 2 EStG zählen zu den sonstigen Einkünften (§ 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 EStG) auch solche aus privaten Veräußerungsgeschäften i.S. des § 23 EStG. Diese umfassen gemäß § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG u.a. Veräußerungsgeschäfte bei Grundstücken, soweit der Zeitraum zwischen Anschaffung und Veräußerung nicht mehr als zehn Jahre beträgt.

Die in § 23 EStG verwendeten Begriffe "Anschaffung" und "Veräußerung" erschließen sich aus den Bestimmungen des § 6 EStG, des § 255 Abs. 1 des Handelsgesetzbuches und der §§ 135, 136 des Bürgerlichen Gesetzbuchs. Unter Anschaffung bzw. Veräußerung i.S. des § 23 EStG ist danach der entgeltliche Erwerb und die entgeltliche Übertragung eines Wirtschaftsguts auf eine andere Person zu verstehen (ständige Rechtsprechung, s. etwa BFH-Urteil vom 08.11.2017 - IX R 25/15, [X.], 202, [X.] 2018, 518, mit zahlreichen weiteren Nachweisen).

Nach dem Wortlaut sowie dem Sinn und Zweck des § 23 EStG sollen innerhalb der Veräußerungsfrist realisierte Wertänderungen eines bestimmten Wirtschaftsguts im Privatvermögen des Steuerpflichtigen der Einkommensteuer unterworfen werden, soweit sie auf der entgeltlichen "Anschaffung" und der entgeltlichen "Veräußerung" des nämlichen Wirtschaftsguts innerhalb der maßgeblichen Haltefrist beruhen (s. BFH-Urteile vom 12.06.2013 - IX R 31/12, [X.], 557, [X.], 1011, und in [X.], 202, [X.] 2018, 518, zur "Nämlichkeit").

2. Der entgeltliche Erwerb --die [X.] und die entgeltliche Übertragung des nämlichen Wirtschaftsguts auf eine andere Person --die [X.] müssen wesentlich vom Willen des Steuerpflichtigen abhängen (BFH-Urteile vom 13.04.2010 - IX R 36/09, [X.], 193, [X.] 2010, 792; vom 29.03.1995 - X R 3/92, [X.], 418; vom 19.04.1977 - VIII R 23/75, [X.], 453, [X.] 1977, 712, jeweils zur Frage ob ein "Anschaffungsgeschäft" vorliegt) und mithin Ausdruck einer "wirtschaftlichen Betätigung" sein (so ausdrücklich BFH-Urteil vom 07.12.1976 - VIII R 134/71, [X.], 531, [X.] 1977, 209; s.a. BFH-Urteile vom 16.01.1973 - VIII R 96/70, [X.], 502, [X.] 1973, 445, zum Fall der "Veräußerung"; vom 05.05.1961 - VI 107/60 U, [X.], 326, [X.]I 1961, 385, und vom 15.01.1974 - VIII R 63/68, [X.], 31, [X.] 1974, 606, jeweils zum Fall der "Anschaffung").

a) Eine dahin gehende willentliche wirtschaftliche Betätigung als Merkmal eines [X.] und [X.]S. des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG misst die höchstrichterliche Rechtsprechung beispielsweise auch der Abgabe des [X.] in der Zwangsversteigerung eines Grundstücks bei. Denn die Abgabe des [X.] entspricht in ihrer Wirkung dem Abschluss eines schuldrechtlichen Kaufvertrages über ein Grundstück, erwirbt doch der Meistbietende damit nach §§ 81 Abs. 1, 90 Abs. 1 des Gesetzes über die Zwangsversteigerung und die Zwangsverwaltung den Anspruch, dass ihm das Eigentum an dem versteigerten Grundstück durch Zuschlagsbeschluss des Versteigerungsgerichts übertragen wird (BFH-Urteile vom [X.] - VIII R 30/74, [X.], 27, [X.] 1977, 827; vom 29.03.1989 - X R 4/84, [X.], 465, [X.] 1989, 652; vom 27.08.1997 - X R 26/95, [X.], 385, [X.] 1998, 135).

Demgegenüber fehlt es nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung am willentlichen Erwerb bzw. an einer willentlichen Übertragung auf eine andere Person, wenn --wie im Falle einer Enteignung oder Umlegung-- die Begründung oder der Verlust des Eigentums am Grundstück "ohne maßgeblichen Einfluss des Steuerpflichtigen stattfindet" (BFH-Urteile in [X.], 326, [X.]I 1961, 385, und in [X.], 418). In gleicher Weise kann es am willentlichen Erwerb bei Rechtsgeschäften zur Vermeidung einer Enteignung oder Umlegung fehlen (vgl. BFH-Urteil in [X.], 193, [X.] 2010, 792).

b) Dieses Ergebnis folgt bereits aus dem Wortlaut der maßgeblichen Norm in § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG. Denn das Gesetz spricht von einem Veräußerungs"geschäft", d.h. von einem schuldrechtlichen, dem rechtsgeschäftlichen Willen des Steuerpflichtigen unterworfenen Vertrag. Ein solcher liegt im Falle einer Enteignung --d.h. der Entziehung von Eigentum an einem Wirtschaftsgut durch staatlichen [X.] nicht vor; vielmehr führt die Enteignung zu einem Eigentumsübergang, der sich gegen oder ohne den Willen des [X.] (Eigentümers) vollzieht. Ein derartiger, nicht vom Willen des [X.] getragener Eigentumsübergang führt [X.] wie eine (rechtsgeschäftliche) Anschaffung oder Veräußerung unter Zwang wegen drohender und unmittelbar bevorstehender [X.] nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung nicht zur Verwirklichung des Tatbestands eines privaten [X.]; denn eine zwangsweise vorgenommene "Anschaffung" und "Veräußerung" reicht nicht aus, um eine für die Tatbestandsverwirklichung des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG zu fordernde wirtschaftliche Betätigung anzunehmen (s. BFH-Urteile in [X.], 531, [X.] 1977, 209; in [X.], 502, [X.] 1973, 445; in [X.], 326, [X.]I 1961, 385; in [X.], 31, [X.] 1974, 606; ebenso [X.] in [X.]/[X.]/[X.] --[X.]--, § 23 EStG Rz 73; [X.], in: [X.][X.], EStG, § 23 Rz B 111 f., B 202 "Enteignung gegen Entschädigung"; [X.] in [X.], § 23 EStG Rz 28; [X.] in [X.]/ [X.]/ [X.], [X.], Kommentar, § 23 Rz 150; Spiegelberger/ Schallmoser, Immobilien im [X.] Steuerrecht, 3. Aufl. 2018, Rz 12.16; a.[X.]/ [X.], § 23 EStG Rz 146; [X.]/[X.], EStG, 38. Aufl., § 23 Rz 55; [X.] in Kirchhof, EStG, 18. Aufl., § 23 Rz 14; [X.]/[X.] § 23 EStG, 4. Aufl., Rz 253 f.).

c) Diese am Wortlaut orientierte Gesetzesauslegung entspricht auch dem historischen Willen des Gesetzgebers.

Die Regelungen in §§ 22 Nr. 2, 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG gehen auf §§ 41, 42 EStG i.d.F. vom 10.08.1925 ([X.] 1925, 189) zurück. § 41 Abs. 1 EStG 1925 unterwarf "sonstige Leistungsgewinne" der Besteuerung; hierzu zählten nach Nr. 1 der Vorschrift auch "Einkünfte aus Veräußerungsgeschäften in den Grenzen des § 42". Nach § 42 Abs. 1 EStG 1925 unterlagen Einkünfte aus Veräußerungsgeschäften (nur) dann der Besteuerung, wenn sie als "Spekulationsgeschäfte" anzusehen waren. § 42 Abs. 1 Satz 2 EStG 1925 bestimmte, dass Spekulationsgeschäfte solche Veräußerungsgeschäfte seien, die innerhalb der in Nr. 1 und Nr. 2 der Vorschrift genannten [X.] getätigt werden. Der Gesetzgeber hatte die Regelungen der §§ 41, 42 EStG 1925 geschaffen, nachdem sich die Vorgängerregelung (§§ 5, 11 Nr. 5 EStG i.d.[X.], [X.] 1920, 359) als in der Praxis nicht handhabbar erwiesen hatte (vgl. die Begründung zum Entwurf eines Einkommensteuergesetzes vom 23.04.1925, in: [X.] 1924/25 Drucksache Nr. 794/802, S. 59 f.; s. ferner [X.], Kommentar zum Einkommensteuergesetz, [X.] 1929, § 42 EStG [X.]. 1). Im Gesetzgebungsverfahren hat die Regelung des § 42 EStG 1925 erhebliche Änderungen in Richtung einer Einschränkung der Steuerpflicht erfahren ([X.], a.a.[X.], [X.]. 2; zur Entwurfsfassung s. [X.] 1924/25 Drucksache Nr. 794/802, S. 10; zur geänderten Fassung nach erster Lesung im [X.] s. [X.] 1924/25 Drucksache Nr. 795, unter [X.] Zusammenstellung des Entwurfs eines Einkommensteuergesetzes --Nr. 795 der [X.] mit den Beschlüssen des [X.] in erster Lesung, dort S. 19 f.). Anlässlich der Beratungen im [X.] wurde dabei von einem [X.]sabgeordneten auch die Frage aufgeworfen, ob "§ 42 auch bei Zwangsenteignungen in Frage kommen solle". Der Bericht des [X.]sausschusses für Steuerfragen erläutert hierzu, dass der Staatssekretär im [X.] Prof. Dr. P. als Mitglied der Reichsregierung auf die Frage des Abgeordneten wie folgt erwiderte: (…) "bei Zwangsenteignungen solle eine Steuerpflicht weder nach § 42 Nr. 1 noch nach § 42 Nr. 2 in Frage kommen" (Bericht des [X.] --Steuerfragen-- über den Entwurf eines Einkommensteuergesetzes --Nr. 795 der [X.], [X.] 1924/25 Drucksache Nr. 1229, S. 17; s. hierzu ferner [X.], a.a.[X.], [X.]. 2).

Vor diesem Hintergrund gibt die höchstrichterliche Rechtsprechung, die für die Verwirklichung des Tatbestandes des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG eine wirtschaftliche, vom Willen des Steuerpflichtigen getragene Betätigung verlangt, den Willen des Gesetzgebers bei der Schaffung der ([X.] zutreffend wieder. Die zwischenzeitlichen Änderungen der maßgeblichen Norm einschließlich ihrer Neunummerierung durch das Einkommensteuergesetz 1934 vom 16.10.1934 ([X.] 1934, 1005) und Umbenennung durch das [X.] vom 24.03.1999 ([X.], 402) können an diesem historischen Befund nichts ändern, da diese Änderungen die Tatbestandsmerkmale der "Anschaffung" und "Veräußerung" nicht betrafen.

d) Diese, den Wortlaut der Norm und den historischen Kontext berücksichtigende Auslegung ist auch vor dem Hintergrund eines systematischen Auslegungsansatzes folgerichtig.

aa) Im Bereich der steuerlichen Erfassung betrieblicher Einkünfte kann die Übertragung oder Belastung des Eigentums von Wirtschaftsgütern des Betriebsvermögens aufgrund behördlichen oder gesetzlichen Zwangs --etwa durch [X.] zur Annahme einer Veräußerung und mithin zur steuerlichen Berücksichtigung einer Enteignungsentschädigung als Betriebseinnahme führen (so schon Urteil des [X.] vom 09.02.1938 VI 29/38, Steuer und Wirtschaft 1938, Nr. 139 --S. 287--, zu Entschädigungsleistungen für die Enteignung eines Betriebs als gewerbliche Einkünfte nach § 16 EStG 1934; s. auch BFH-Urteil vom 21.11.2018 - VI R 54/16, [X.], 191, [X.] 2019, 311, zu Entschädigungszahlungen für die Eintragung einer beschränkt persönlichen Dienstbarkeit zur Vermeidung einer sonst zulässigen förmlichen Enteignung als Betriebseinnahme; s. ferner [X.]/[X.], § 14 EStG Rz 16, zu Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft). Für die Besteuerung derartiger Entschädigungsleistungen ist allein maßgeblich, dass es durch die behördliche oder gesetzliche Zwangsmaßnahme zur Gewinnverwirklichung kommt; ein in diesem Zusammenhang entstehender Verlust des Steuerpflichtigen ist gewinnwirksam und im Rahmen der Ermittlung der Summe der Einkünfte in voller Höhe ausgleichsfähig.

bb) Im Bereich der Besteuerung privater Veräußerungsgeschäfte i.S. des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG kommt es demgegenüber nicht zur Gewinnverwirklichung; die Besteuerung knüpft allein daran an, dass das maßgebliche Wirtschaftsgut mit Willen des Steuerpflichtigen entgeltlich auf einen [X.] übertragen wird. Vor diesem Hintergrund würde die Subsumtion einer Enteignung gegen oder ohne den Willen des Steuerpflichtigen unter die Tatbestandsmerkmale der "Anschaffung" und "Veräußerung" in § 23 EStG nach Auffassung des Senats nur dann dem Gebot der folgerichtigen Ausgestaltung des steuerrechtlichen [X.] entsprechen, wenn ein in diesem Zusammenhang entstehender Verlust des Steuerpflichtigen in den nach § 23 Abs. 3 Satz 1 EStG zu ermittelnden "Gewinn" einfließen würde und im Übrigen bei der Summe der Einkünfte ausgeglichen werden könnte (ebenso [X.]/[X.], § 23 EStG Rz 73). Gerade dies ist nach § 23 Abs. 3 Satz 7 und 8 EStG indes nicht der Fall. Der Senat berücksichtigt hierbei, dass die Beschränkung des Verlustausgleichs bei privaten Veräußerungsgeschäften durch § 23 Abs. 3 Satz 7 und 8 EStG dem Grunde nach nicht zu beanstanden ist (s. etwa Senatsurteile vom 18.10.2006 - IX R 28/05, [X.], 202, [X.] 2007, 259; vom 12.07.2016 - IX R 11/14, [X.], 1691); als maßgeblich hierfür hat es der Senat indes angesehen, dass die maßgeblichen Regelungen nur die innerhalb der [X.] durch Veräußerung realisierten Wertveränderungen der Einkommensteuer unterwerfen und der Steuerpflichtige die Möglichkeit hat, durch die Wahl des Veräußerungszeitpunkts über den Eintritt des Steuertatbestandes zu entscheiden und damit sein Recht auf wirtschaftliche Betätigungsfreiheit in Anspruch zu nehmen. Diese Entscheidungsfreiheit ist dem Steuerpflichtigen jedoch genommen, sobald man --über den Wortlaut der Vorschrift hinaus-- die hoheitlich angeordnete Übertragung eines Grundstücks mit einer der freien Willensentschließung unterliegenden rechtsgeschäftlichen Veräußerung gleichsetzen wollte.

cc) Hiernach erscheint die von der langjährigen Rechtsprechung getragene Auslegung der maßgeblichen Norm des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG auch unter systematischen Gesichtspunkten folgerichtig. Eine in systematischer Hinsicht hiervon abweichende rechtliche Handhabung müsste sich überdies mit der Frage befassen, ob eine mit der tatbestandlichen Erfassung einer Enteignungsentschädigung im Bereich des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG verbundene Steuerlast im Einzelfall als "Schaden" des von der Enteignungsmaßnahme betroffenen Eigentümers anzusehen und daher ggf. zusätzlich bei der Bemessung der Entschädigungsleistung zu berücksichtigen wäre.

3. Die Sache ist spruchreif. Die durch Sonderungsbescheid angeordnete Übertragung des Eigentums auf die [X.] stellt keine "Veräußerung" des vom [X.] (anteilig) durch Zuschlag in der Zwangsversteigerung angeschafften Grundstücks i.S. des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG dar; vor diesem Hintergrund ist das [X.] zutreffend davon ausgegangen, dass der Tatbestand der genannten Norm im Streitfall nicht vollständig erfüllt ist. Auf die Frage, zu welchem Zeitpunkt der Zufluss einer zusätzlichen finanziellen Gegenleistung --vorliegend der im Streitjahr 2012 sowie im Kalenderjahr 2014 gezahlten weiteren Entschädigungsbeträge-- im Rahmen des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG zu [X.] führt, kommt es danach nicht mehr an. Nicht mehr entscheidungserheblich ist ferner, ob der angefochtene, vom [X.] schon aus materiellen Gründen zu Recht aufgehobene Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr 2009 verfahrensrechtlich noch geändert werden durfte.

4. [X.] beruht auf § 135 Abs. 2 [X.]O.

Meta

IX R 28/18

23.07.2019

Bundesfinanzhof 9. Senat

Urteil

vorgehend FG Münster, 28. November 2018, Az: 1 K 71/16 E, Urteil

§ 23 Abs 1 S 1 Nr 1 EStG 2009, § 23 Abs 3 S 1 EStG 2009, § 23 Abs 3 S 7 EStG 2009, § 23 Abs 3 S 8 EStG 2009, Art 3 Abs 1 GG, § 4 EStG 2009, EStG VZ 2012, EStG VZ 2009

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 23.07.2019, Az. IX R 28/18 (REWIS RS 2019, 5205)

Papier­fundstellen: NJW 2019, 3264 REWIS RS 2019, 5205

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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Veräußerung eines unentgeltlich bestellten Erbbaurechts kein privates Veräußerungsgeschäft


IX R 6/18 (Bundesfinanzhof)

(Nutzung zu eigenen Wohnzwecken i.S. des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz …


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