Bundesgerichtshof, Urteil vom 10.12.2013, Az. X ZR 4/11

10. Zivilsenat | REWIS RS 2013, 492

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Gegenstand

Erfinderische Tätigkeit: Zusammensetzung zum Färben von Lebensmitteln - Anthocyanverbindung


Leitsatz

Anthocyanverbindung

1. Der Fachmann, der mit der Bereitstellung eines Stoffs für einen bestimmten Einsatzzweck betraut ist, hat Anlass, anhand der einschlägigen rechtlichen Bestimmungen abzuklären, welche Lösungswege unter rechtlichen Aspekten hinreichende Aussicht auf Erfolg haben.

2. Wird in den einschlägigen rechtlichen Vorschriften eine einzelne Maßnahme, die im Stand der Technik als stabilitätsfördernd bekannt war, ausdrücklich hervorgehoben und für zulässig erklärt, besteht grundsätzlich Veranlassung, diese Maßnahme bei der Suche nach Möglichkeiten zur Stabilitätsförderung auch für solche Ausgangsstoffe in Betracht zu ziehen, für die entsprechende Verbindungen im Stand der Technik noch nicht vorbeschrieben sind.

Tenor

Die Berufung gegen das am 22. Juli 2010 verkündete Urteil des 3. Senats ([X.]) des [X.] wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Die Beklagte ist Inhaberin des mit Wirkung für die [X.] erteilten [X.] Patents 1 414 910 (Streitpatents), das am 11. Juli 2002 unter Inanspruchnahme zweier Prioritäten vom 26. und 30. Juli 2001 angemeldet wurde und mit einem [X.] behandelte Anthocyaninderivate als Lebensmittelfarbstoffe betrifft. Patentanspruch 14, auf den sich die im [X.] noch verteidigten Fassungen des Streitpatents stützen, lautet in der erteilten Fassung in der Verfahrenssprache:

"A food colouring composition, having a blue colour at a pH in the range of from 5 to 9, which comprises a food colouring substance which is an anthocyanin compound of formula:

Abbildung

wherein R3, [X.]

(a) wherein the food colouring substance comprises an extract of red cabbage or purple carrot; and/or

(b) wherein the composition has a blue colour at a pH in the range of 6 to 8."

2

Die Klägerinnen haben geltend gemacht, der Gegenstand des Streitpatents sei nicht patentfähig und die [X.] Übersetzung der Patentschrift betreffe eine andere Erfindung, weil darin alle Formeln unzutreffend wiedergegeben seien. Die Klägerin zu 2, die das Streitpatent lediglich im Umfang der Patentansprüche 2, 14 und 16 angegriffen hat, hat zusätzlich geltend gemacht, die Erfindung sei nicht so deutlich und vollständig offenbart, dass ein Fachmann sie ausführen könne. Die Beklagte hat das Streitpatent mit einem Haupt- und einem Hilfsantrag in geänderter Fassung verteidigt. Patentanspruch 1 lautet in der mit dem Hauptantrag verteidigten Fassung:

"A food coloring composition, having a blue color at a pH in the range of from 5 to 9, which comprises a food coloring substance which comprises an extract of red cabbage or purple carrot including an anthocyanin compound of formula:

[wie oben]

wherein R3, [X.]

3

Das Patentgericht hat das Streitpatent in vollem Umfang für nichtig erklärt. Dagegen wendet sich die Berufung der Beklagten, die das Streitpatent mit den in erster Instanz zuletzt gestellten Anträgen sowie mit zwei weiteren Hilfsanträgen verteidigt. Die Klägerinnen treten dem Rechtsmittel entgegen.

4

Im Auftrag des Senats hat em.o.Univ.Prof. Dr.    P.         ein schriftliches Gutachten erstellt, das er in der mündlichen Verhandlung erläutert und ergänzt hat. Die Beklagte hat ein Privatgutachten von Prof.      A.                    und eine Stellungnahme ihrer Mitarbeiterin Dr.    M.      vorgelegt.

Entscheidungsgründe

5

Die zulässige [X.]erufung ist unbegründet.

6

I. Das Streitpatent betrifft in seiner mit dem Hauptantrag verteidigten Fassung eine Zusammensetzung zum Färben von Lebensmitteln.

7

1. Nach den Ausführungen in der Streitpatentschrift war im Stand der Technik eine große Auswahl von Farbstoffen zum Färben von Lebensmitteln bekannt. Mit Rücksicht auf [X.] sei der Trend entstanden, synthetische Farbstoffe durch natürliche zu ersetzen. Im Stand der Technik habe es aber keinen natürlichen blauen Farbstoff gegeben, der für Lebensmittel in [X.] und den [X.] zulassungsfähig sei. Natürliche blaue Farbstoffe wiesen zudem einen unangenehmen Geschmack oder Geruch auf und neigten wegen ihrer Wasserlöslichkeit zum Ausbluten, d.h. zum Austreten der Farbe aus dem gefärbten Lebensmittel.

8

Das Streitpatent betrifft vor diesem Hintergrund das technische Problem, einen natürlichen blauen Farbstoff zur Verfügung zu stellen, der in Lebensmitteln eingesetzt werden kann, möglichst keinen unangenehmen Geschmack und Geruch aufweist und möglichst wenig zum Ausbluten neigt.

9

2. Zur Lösung dieses Problems schlägt das Streitpatent in der mit dem Hauptantrag verteidigten Fassung von Patentanspruch 1 eine Zusammensetzung vor, deren Merkmale sich wie folgt gliedern lassen:

1. Die Zusammensetzung ist zum Färben von Lebensmitteln geeignet

2. und weist bei einem pH-Wert im [X.]ereich von 5 bis 9 eine blaue Farbe auf.

3. Sie enthält eine zum Färben von Lebensmitteln geeignete Substanz,

3.1 die einen Extrakt von Rotkohl

3.2 oder einen Extrakt von schwarzer Karotte enthält.

3.3 Der Extrakt enthält eine Anthocyanverbindung mit der oben wiedergegebenen Formel.

4. [X.] ist kombiniert mit einer Aluminiumverbindung, um einen Aluminiumlack herzustellen.

II. Das Patentgericht hat den Gegenstand des Streitpatents als nicht patentfähig angesehen und dies im Wesentlichen wie folgt begründet:

Die objektive Aufgabe des Streitpatents bestehe darin, geeignete Gemüse- oder Obstsorten zur Herstellung eines blauen Pflanzenfarbstoffs für Lebensmittel zu finden. Der mit dieser Aufgabe befasste Fachmann, ein Chemiker der Fachrichtung Lebensmittelchemie mit fundierten Kenntnissen auf dem Gebiet der natürlichen und synthetischen Lebensmittelfarbstoffe, habe der Veröffentlichung von [X.] et al. ([X.] in Relation to the Phenolic Composition; Protective Effects by Intra- and Intermolecular Copigmentation, [X.]. [X.]. 49 (2001), 170-176, [X.]) entnommen, dass Anthocyane als natürliche Farbstoffe für Lebensmittel geeignet seien, weil sie natürlichen Ursprungs, wasserlöslich und nichttoxisch seien und eine Farbenbandbreite von orange bis blau aufwiesen. Nachteilig sei die geringe Farbstabilität. Diese könne durch [X.] verbessert werden. Als Quellen dafür würden in [X.] unter anderem schwarze Karotte und Rotkohl genannt.

Nicht ausdrücklich offenbart sei in [X.] die Umsetzung mit Aluminiumverbindungen. Es finde sich jedoch der Hinweis, dass die Farbstabilität neben der Copigmentation auch durch Metallionen verbessert werden könne, was dem Fachmann am [X.] ohnehin bekannt gewesen sei. Angesichts dessen habe der Fachmann nur noch Routineversuche mit einzelnen Metallionen anstellen müssen. Hierzu habe es keines erfinderischen Zutuns bedurft. Die Kombinationen mit Aluminiumverbindungen hätten bereits über die dabei gebildeten [X.] in die gesetzlichen Verordnungen gefunden gehabt. Außerdem seien experimentelle Details zur Herstellung eines Aluminiumlacks, die der beanspruchten Kombination entsprächen, längst bekannt gewesen. Der von der [X.]eklagten geltend gemachte Zusatzeffekt, dass bei der beanspruchten Kombination der unangenehme Geruch oder Geschmack der Anthocyane durch die [X.]ildung des [X.] maskiert werde, führe nicht zu einer abweichenden [X.]eurteilung; es handle sich dabei um einen [X.]onuseffekt.

Für den Gegenstand von Patentanspruch 1 in der mit dem erstinstanzlichen Hilfsantrag verteidigten Fassung gelte nichts anderes. Die Verwendung eines Aluminiumlacks von Anthocyanen zur Herstellung von Lebensmitteln sei dem Fachmann im Prioritätszeitpunkt bereits bekannt gewesen.

III. Diese [X.]eurteilung hält der Überprüfung im [X.]erufungsverfahren im Ergebnis stand.

1. Aus der Veröffentlichung von [X.] et al. ([X.]) ergaben sich für den Fachmann, dessen Definition durch das Patentgericht zutreffend ist und von den Parteien nicht angegriffen wird, allerdings keine ausreichenden Hinweise auf eine Zusammensetzung, die auch das Merkmal 4 aufweist.

a) [X.] befasst sich mit der Farbstabilität von pflanzlichen Extrakten, die Anthocyanverbindungen enthalten. In der Einleitung wird die grundsätzliche Eignung solcher Verbindungen zur Färbung von Lebensmitteln in Farben von orange bis blau beschrieben und auf bereits seit dem 19. Jahrhundert bekannte industrielle Anwendungen verwiesen. Als hauptsächlicher Nachteil wird die geringe Farbstabilität angeführt. Aufgrund von neueren Veröffentlichungen wird die Vermutung geäußert, die Stabilität könne durch Copigmentierung, d.h. durch [X.]ildung von Komplexen mit anderen Phenolen, verbessert werden. Ausgehend davon werden Versuche mit Extrakten aus unterschiedlichen Pflanzen in zuckerhaltigen und nicht zuckerhaltigen Lösungen beschrieben. Dabei wurden jeweils zu [X.]eginn des Versuchs und 72 Stunden später Messungen zur Farbstabilität durchgeführt, und zwar bei pH-Werten von 3, 4 und 5. Die Farbtöne lagen bei [X.] im [X.]ereich von [X.] bis Purpur.

Als Ergebnis wird berichtet, Farbstoffe mit acylierten Anthocyanen (schwarze Karotte, roter Rettich, Rotkohl) wiesen eine bessere Stabilität auf als Farbstoffe mit nicht acylierten Anthocyanen (Weintrester, Holunderbeere, schwarze Johannisbeere und schwarze Apfelbeere). Daraus wird die Hypothese abgeleitet, die bei acylierten Anthocyanen beobachtete intramolekulare Copigmentierung wirke einem Abbau der Farbstoffe entgegen. Die geringere Farbstabilität der schwarzen Karotte im Vergleich zu Rotkohl und rotem Rettich wird darauf zurückgeführt, dass die beiden zuletzt genannten Pflanzen diacylierte Anthocyane enthielten, die schwarze Karotte hingegen nur ein monoacyliertes Anthocyan.

b) Daraus ergeben sich zwar, wie das Patentgericht zutreffend dargelegt hat, deutliche Hinweise darauf, dass die in schwarzer Karotte, rotem Rettich und Rotkohl enthaltenen Farbstoffe als Ausgangsprodukte für die Entwicklung eines stabilen Farbstoffs für Lebensmittel in [X.]etracht zu ziehen sind. Schon der Umstand, dass die in [X.] dokumentierten Versuche bei pH-Werten zwischen 3 und 5 und damit in einem [X.]ereich durchgeführt wurden, in dem die genannten Stoffe eher eine rötliche Färbung aufweisen, ließ es aber als offen erscheinen, ob vergleichbare Ergebnisse auch bei höheren pH-Werten und blauer Färbung zu erwarten waren.

c) Darüber hinaus wird in [X.], wie das Patentgericht nicht verkannt hat und auch die Klägerin nicht in Zweifel zieht, als erfolgversprechendes Mittel zur Stabilisierung die [X.]ildung von Komplexen mit anderen Phenolen angesehen. Eine Stabilisierung durch Komplexbildung mit Metallionen wird in [X.] nur eher beiläufig erwähnt, und zwar in den einleitenden [X.]emerkungen ([X.] S. 170 liSp unten) und bei der Erörterung, welchen Einfluss der pH-Wert auf die Stabilität hat ([X.] S. 174/175).

Diese Hinweise gehen, wie auch Patentgericht ausgeführt hat, nicht über dasjenige hinaus, was dem Fachmann am [X.] ohnehin bekannt war, zum [X.]eispiel aus den Entgegenhaltungen von [X.] ([X.] in Lebensmitteln, [X.] 33 (1986), 275-278, [X.] S. 276 liSp unten; Hinweise auf eine antioxidative Wirkung von Anthocyanen, [X.], 84-86, [X.] S. 86) und [X.] et al. (Komplexbildung und [X.]lütenfarben, Angewandte Chemie 78 (1966), 834-841, D25 S. 836 f.). Die Ausführungen in [X.] gaben ihm keine zusätzliche Veranlassung, die Komplexierung mit Metallionen zusätzlich oder alternativ zu der in [X.] in den Mittelpunkt gestellten Komplexierung mit Phenolen als Stabilisierungsmittel in [X.]etracht zu ziehen.

d) Aus [X.] ergab sich zudem keine Anregung, die Kombination aus Anthocyanen und Metallionen durch [X.]ildung eines Lacks wasserunlöslich zu machen.

[X.]ei den in [X.] geschilderten Versuchen wurden die Farbstoffe in verschiedene Lösungen gegeben. Die Ausbildung eines nicht wasserlöslichen Lacks wäre dafür zumindest hinderlich gewesen.

2. Zu Recht ist das Patentgericht aber zu dem Ergebnis gelangt, dass der Fachmann Anlass hatte, bei der Suche nach stabileren Farbstoffen auch andere geläufige Stabilisierungsmethoden in [X.]etracht zu ziehen und hierbei insbesondere diejenigen Ausgangsstoffe einzubeziehen, die auch in [X.] als vielversprechend hervorgehoben wurden. Hierbei bot sich, wie das Patentgericht zutreffend ausgeführt hat, die [X.]ildung von [X.]n aus gängigen Anthocyanen - zu denen angesichts der in [X.] hervorgehobenen Vorteile insbesondere die in Rotkohl und schwarzer Karotte enthaltenen Anthocyane gehörten - schon deshalb an, weil diese am [X.] nach [X.] Recht zum Färben von Lebensmitteln zugelassen waren.

a) Im Anhang zu der einschlägigen Richtlinie der Europäischen Gemeinschaften (Richtlinie 95/45/[X.] vom 26. Juli 1995 zur Festlegung spezifischer Reinheitskriterien für Lebensmittelfarbstoffe (A[X.]l. EG Nr. L 226 S. 1, [X.] = [X.]) werden in Abschnitt A allgemeine Spezifikationen für die Herstellung von [X.]n definiert. Abschnitt [X.] enthält spezifische Reinheitskriterien für zahlreiche Farbstoffe, zu denen auch Anthocyane ([X.]) gehören.

Die zur Umsetzung dieser Richtlinie in [X.] erlassene Verordnung (Verordnung über die Zulassung von Zusatzstoffen zu Lebensmitteln zu technologischen Zwecken (Zusatzstoff-Zulassungsverordnung - [X.]) vom 29. Januar 1998, [X.]G[X.]l. I S. 230, E3) sieht in § 3 Abs. 1 vor, dass zum Färben von Lebensmitteln die in Anlage 1 der Verordnung aufgeführten Zusatzstoffe und deren [X.] für die jeweils dort genannten Lebensmittel zugelassen sind. In Anlage 1 sind Anthocyane ([X.]) für Lebensmittel allgemein als zulässig ausgewiesen.

Die für [X.] einschlägige Regelung (Verordnung der [X.]undesministerin für Gesundheit und Konsumentenschutz über den Zusatz von Farbstoffen zu Lebensmitteln und Verzehrprodukten (Farbstoffverordnung) vom 8. Oktober 1996, [X.]G[X.]l. 1996 Nr. 541, [X.]) sieht in § 2 Abs. 1 vor, dass alle in [X.] der Verordnung genannten Farbstoffe zum Färben von Lebensmitteln und Verzehrprodukten zugelassen sind. In [X.] sind unter anderem Anthocyane ([X.]) aufgeführt. Nach der Vorbemerkung zu [X.] sind [X.] aus den darin aufgeführten Farbstoffen erlaubt.

b) Daraus ergab sich für den Fachmann zwar nicht die Anregung, schlechthin alle in der Richtlinie und den Verordnungen aufgeführten Farbstoffe als Grundlage für einen Aluminiumlack in [X.]etracht zu ziehen. Der Fachmann, der mit der Aufgabe betraut war, einen Farbstoff für Lebensmittel mit verbesserten Eigenschaften zu entwickeln, hatte aber jedenfalls Anlass, die [X.]ildung eines Aluminiumlacks als Erfolg versprechende Möglichkeit für die konkrete Ausgestaltung eines stabilen Farbstoffs in [X.]etracht zu ziehen.

Dabei kann dahingestellt bleiben, ob sich eine Orientierung an geltenden Rechtsvorschriften bereits aus der Aufgabenstellung des Streitpatents ergibt und das [X.]eschreiten eines in solchen Vorschriften konkret aufgezeigten Lösungsansatzes schon deshalb nicht zur Annahme erfinderischer Tätigkeit führen kann. Selbst wenn dies zu verneinen ist, hat der Fachmann, der mit der [X.]ereitstellung eines Stoffs für einen bestimmten Einsatzzweck betraut ist, Anlass, anhand der einschlägigen rechtlichen [X.]estimmungen abzuklären, welche Lösungswege unter rechtlichen Aspekten hinreichende Aussicht auf einen erfolgreichen Einsatz am Markt haben. Daraus wird sich zwar in aller Regel noch kein konkreter Lösungsansatz ergeben, sondern allenfalls der Ausschluss einzelner theoretisch denkbarer Ansätze. In der hier zu beurteilenden Konstellation besteht jedoch die [X.]esonderheit, dass die einschlägigen Vorschriften eine einzelne Maßnahme, die im Stand der Technik als stabilitätsfördernd bekannt war, ausdrücklich hervorhoben und für zulässig erklärten. Angesichts dessen sprach alles dafür, diesen Weg zu beschreiten, wenn ein bekannter Farbstoff als nicht hinreichend stabil eingeschätzt wurde, zumal die Herstellung eines Aluminiumlacks und die Durchführung von Stabilitätsversuchen ohne größere Schwierigkeiten möglich waren.

c) In diesem Zusammenhang bedarf es keiner näheren Klärung, ob und welche natürlichen Farbstoffe im Prioritätszeitpunkt bereits in der Form eines Aluminiumlacks vorlagen. Selbst wenn die überwiegende Anzahl solcher Lacke auf künstlichen Farbstoffen beruht haben sollte, bestand angesichts des auch in der Streitpatentschrift geschilderten, von Verbraucherseite forcierten [X.]emühens um einen Wechsel zu natürlichen Farbstoffen und den gerade bei blauen Farbstoffen auf natürlicher [X.]asis bekannten Stabilitätsproblemen Anlass, von anderen Farbstoffen bekannte Methoden zur Stabilitätsverbesserung auch für solche Stoffe in Erwägung zu ziehen. Auch unter diesem Aspekt boten sich Versuche mit [X.]n aus gängigen Anthocyanen besonders an, weil sie die Aussicht boten, einen Farbstoff zu erhalten, dessen rechtliche Zulässigkeit im Grundsatz bereits geklärt war.

d) Die Erfolgsaussichten wurden nicht dadurch geschmälert, dass ein für den industriellen Einsatz geeigneter Lebensmittelfarbstoff über einen möglichst breiten pH-[X.]ereich hinweg stabil sein muss.

Einzelnen Entgegenhaltungen waren zwar Hinweise darauf zu entnehmen, dass die dort untersuchten Farbstoffe bei hohen pH-Werten instabil sind. Daraus ergab sich aber nicht die Schlussfolgerung, dass solche Stabilitätsprobleme schlechthin unvermeidbar waren. Angesichts dessen boten die aus den oben genannten Gründen nahegelegten und mit relativ geringem Aufwand durchführbaren Versuche mit [X.]n aus gängigen Anthocyanen auch unter diesem Aspekt hinreichende Aussicht auf Erfolg.

Der Umstand, dass die im Streitpatent beanspruchte Stabilität über einen relativ breiten [X.]ereich hinweg nicht ohne weiteres zu erwarten war, führt nicht zu einer abweichenden [X.]eurteilung. Ein derart hohes Maß an Stabilität ist für den industriellen Einsatz zwar vorteilhaft, aber nicht unabdingbar. Angesichts dessen hatte der Fachmann Anlass, auch solche Lösungen in [X.]etracht zu ziehen, die ein geringeres, aber dennoch praktisch brauchbares Maß an Stabilität versprachen.

Dass die damit nahegelegten Lösungen überraschenderweise sogar eine besonders gute Stabilität zeigten, führt ebenfalls nicht zu einer abweichenden [X.]eurteilung. Wenn der Fachmann schon aus anderen Gründen Anlass hat, eine bestimmte Lösung in [X.]etracht zu ziehen, so vermag ein zusätzlicher positiver Effekt, der bei [X.]eschreiten dieses Weges auftritt, nicht zur Annahme erfinderischer Tätigkeit zu führen ([X.]GH, Urteil vom 1. März 2011 - [X.], [X.], 607 Rn. 19 - Kosmetisches Sonnenschutzmittel III mwN).

e) Angesichts dessen kommt, wie das Patentgericht zutreffend ausgeführt hat, auch dem Umstand, dass die [X.]ildung von [X.]n zugleich den üblicherweise auftretenden unangenehmen Geruch oder Geschmack überdeckt, keine ausschlaggebende [X.]edeutung zu. Auch insoweit handelt es sich um einen zusätzlichen positiven Effekt, den eine aus anderen Gründen nahegelegte Lösung mit sich brachte.

3. Für die mit den [X.] verteidigten Fassungen von Patentanspruch 1 ergibt sich keine abweichende [X.]eurteilung.

a) Nach dem ersten Hilfsantrag soll mit Patentanspruch 1 die Verwendung einer Zusammensetzung mit den oben genannten Merkmalen zur Herstellung eines Lebensmittels ("for the manufacturing of a food product") geschützt werden. Diese Einschränkung führt nicht zur [X.]ejahung der Patentfähigkeit.

Auch die Zusammensetzung, für die die [X.]eklagte mit ihrem Hauptantrag Schutz begehrt, muss zur Verwendung in Lebensmitteln geeignet sein. Wenn die Auswahl einer Zusammensetzung mit dieser Eignung durch den Stand der Technik nahegelegt ist, beruht ihre Verwendung für diesen Zweck ebenfalls nicht auf erfinderischer Tätigkeit.

b) Nach dem zweiten und dem dritten Hilfsantrag soll der Schutz auf eine Zusammensetzung bzw. Verwendung beschränkt werden, die einen Extrakt aus Rotkohl umfasst. Dies vermag ebenfalls nicht zur [X.]ejahung der Patentfähigkeit zu führen.

Wie bereits oben dargelegt hatte der Fachmann Anlass, Anthocyanverbindungen auf der [X.]asis von Rotkohl, schwarzer Karotte und einer überschaubaren Anzahl anderer Pflanzen als geeignete Ausgangsstoffe für die Herstellung einer [X.] für Lebensmittel in [X.]etracht zu ziehen. Die Auswahl einer dieser Pflanzen stand im [X.]elieben des Fachmanns. Dass der Einsatz von Rotkohl besondere technische Effekte hervorruft, ist weder geltend gemacht noch sonst ersichtlich und wird auch in der Streitpatentschrift nicht aufgezeigt.

Umgekehrt gab es auch keine Gründe, die Rotkohl aus Sicht des Fachmanns als besonders ungeeignet erscheinen ließen. Die bereits erwähnte Möglichkeit, dass die [X.] unerwünschte Geruchs- oder Geschmacksstoffe enthalten könnte, bestand auch hinsichtlich anderer in Frage kommender Ausgangsprodukte. Ihr wurde zudem auch in [X.] keine ausschlaggebende [X.]edeutung beigemessen. Dies gab dem Fachmann hinreichenden Anlass, auch Anthocyanverbindungen auf der [X.]asis von Rotkohl als Ausgangsstoff in [X.]etracht zu ziehen.

IV. [X.] beruht auf § 121 Abs. 2 [X.] und § 97 Abs. 1 ZPO.

Meier-[X.]eck                         Grabinski                        [X.]acher

                    [X.]

Meta

X ZR 4/11

10.12.2013

Bundesgerichtshof 10. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend BPatG München, 22. Juli 2010, Az: 3 Ni 57/08 (EU), Urteil

Art 56 EuPatÜbk, § 4 PatG

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 10.12.2013, Az. X ZR 4/11 (REWIS RS 2013, 492)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 492


Verfahrensgang

Der Verfahrensgang wurde anhand in unserer Datenbank vorhandener Rechtsprechung automatisch erkannt. Möglicherweise ist er unvollständig.

Az. X ZR 4/11

Bundesgerichtshof, X ZR 4/11, 10.12.2013.


Az. 3 Ni 57/08 (EU)

Bundespatentgericht, 3 Ni 57/08 (EU), 22.07.2010.


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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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Referenzen
Wird zitiert von

4 Ni 13/13

X ZR 4/11

Zitiert

X ZR 72/08

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x

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