Bundesgerichtshof, Beschluss vom 23.05.2017, Az. 2 StR 34/17

2. Strafsenat | REWIS RS 2017, 10475

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Gegenstand

Revision in Strafsachen: Verwerfung der Revision bei Zweifeln an der wirksamen Urteilszustellung


Tenor

Der Beschluss des [X.] vom 5. Dezember 2016, mit dem die Revision der Nebenklägerin gegen das Urteil des [X.] vom 29. Juli 2016 als unzulässig verworfen wurde, wird aufgehoben.

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten am 29. Juli 2016 wegen Totschlags zu einer Freiheitsstrafe von sieben Jahren und neun Monaten verurteilt. Dagegen hat die Nebenklägerin mit einem am 4. August 2016 beim [X.] eingegangenen Schriftsatz Revision eingelegt. Das schriftliche Urteil ist am 14. September 2016 zur Geschäftsstelle gelangt. Der Nebenklagevertreterin wurden am 7. Oktober 2016 jedenfalls das Protokoll der Hauptverhandlung und Kopien der Revisionsschriften der Staatsanwaltschaft und des Angeklagten zugestellt; fraglich ist, ob sich in dieser Sendung auch eine Ausfertigung des schriftlichen Urteils befand.

2

In einem Telefonat mit dem Vorsitzenden am 20. Oktober 2016 wegen einer Frage zum Kostenfestsetzungsverfahren erklärte die anwaltliche Vertreterin der Nebenklägerin, dass die Nebenklägerin die Durchführung des Revisionsverfahrens unbedingt beabsichtige. Deshalb erfolgte unter dem 14. November 2016 eine schriftliche Nachfrage des Gerichts nach der Revisionsbegründung, die bis zu diesem Zeitpunkt nicht eingereicht worden war. Die Nebenklagevertreterin antwortete per Telefax am gleichen Tag, dass ihr noch keine [X.] zugestellt worden sei. Sie ergänzte dies mit Schriftsatz vom gleichen Tag dahin, dass bei der Zustellung am 7. Oktober 2016 lediglich Kopien der Revisionsschriften anderer Verfahrensbeteiligter und das Protokoll der Hauptverhandlung übersandt worden seien.

3

Mit Beschluss vom 5. Dezember 2016 hat das [X.] die Revision der Nebenklägerin als unzulässig verworfen. Es hat ausgeführt, die Behauptung der Nebenklagevertreterin, ihr sei keine [X.] zugestellt worden, treffe nicht zu. Dagegen spreche, dass auf der [X.] als Gegenstand der Zustellung auch die [X.] genannt worden sei. Außerdem habe die Geschäftsstellenbeamtin am 29. November 2016 dienstlich erklärt, sie habe die Zustellung von Schriftstücken an die Verfahrensbeteiligten einzeln abgearbeitet; sie habe wegen des Umfangs der [X.] und des [X.] gehabt, ob der vorgesehene Umschlag ausreichend sei. Der Inhalt der Sendung sei zudem in einem für den Empfänger bestimmten Vorblatt aufgeführt gewesen. Das [X.] hat daraus den Schluss gezogen, dass für die Nebenklagevertreterin zu erkennen gewesen sei, welche Schriftstücke ihr zugestellt werden sollten; wäre die [X.] nicht darin enthalten gewesen, hätte es nahe gelegen, sich zeitnah danach zu erkundigen.

4

Gegen diesen Beschluss hat die Nebenklägerin durch ihre anwaltliche Vertreterin am 9. Dezember 2016 die Entscheidung des [X.] beantragt. Sie führt aus, die [X.] sei noch nicht zugestellt worden. Am 7. Oktober 2016 seien nur das Protokoll der Hauptverhandlung mit dem [X.] und Kopien der Revisionsschriften der anderen Verfahrensbeteiligten zugestellt worden. Sie habe dem [X.] am 14. November 2016 zweimal mitgeteilt, dass ihr keine [X.] vorliege. Die Rechtsanwältin hat die Richtigkeit dieser Angaben an Eides Statt versichert.

II.

5

Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung ist zulässig und begründet.

6

Zwar liegen Hinweise darauf vor, dass die [X.] der Nebenklagevertreterin am 7. Oktober 2016 zugestellt worden ist. Die mit eidesstattlicher Versicherung bekräftigte Erklärung, in der Postsendung seien andere Schriftstücke, aber nicht die [X.] enthalten gewesen, bleibt jedoch unwiderlegt.

7

Die [X.] und das Vorblatt weisen auf den Inhalt der Postsendung hin. Gleiches gilt für die Angaben der Geschäftsstellenbeamtin zum Ablauf bei der Ausführung der Zustellung. Auch erscheint es auffällig, dass die Nebenklagevertreterin bis zum 14. November 2016 nicht beanstandet hat, dass entgegen der Angabe auf der [X.] und dem Vorblatt zum Inhalt der Postsendung darin keine [X.] mit Urteilsgründen enthalten gewesen sei. Durch diese Umstände werden aber die Möglichkeit eines Versehens der Geschäftsstelle des [X.]s und eines Irrtums der Nebenklagevertreterin darüber, dass die Hinweise auf der [X.] und dem Vorblatt sich nicht auf die [X.] bezogen haben, sondern den im Protokoll der Hauptverhandlung enthaltenen [X.] betrafen, nicht ausgeschlossen. Dies würde erklären, warum sie bis zum 14. November 2016 keine Rückfrage beim [X.] nach dem Verbleib der [X.] gestellt hat. Am Rande unterstützt wird dies auch dadurch, dass die Nebenklagevertreterin im Telefonat mit dem Vorsitzenden der [X.] darauf hingewiesen hatte, die Nebenklägerin wünsche unbedingt die Durchführung des Revisionsverfahrens. Die eidesstattliche Versicherung der Rechtsanwältin bekräftigt ihre Angaben.

8

Bleiben danach zumindest Zweifel daran, dass tatsächlich eine wirksame Zustellung der [X.] erfolgt ist, kann die Revision der Nebenklägerin nicht als unzulässig verworfen werden. Die Verwerfung eines Rechtsmittels als unzulässig setzt vielmehr voraus, dass die tatsächlichen Grundlagen für die Annahme der Unzulässigkeit sicher feststehen (vgl. für die Einhaltung der Rechtsmittelfrist [X.], Beschluss vom 2. Mai 1995 - 1 [X.], [X.]R [X.] § 341 Frist 1; [X.]/Frisch, [X.], 5. Aufl., Vor § 296 Rn. 186 mwN).

9

Die Frist zur Anbringung der Revisionsanträge und deren Begründung (§ 345 Abs. 1 [X.]) ist deshalb bisher nicht wirksam in Lauf gesetzt worden. Das Urteil wird der Nebenklägerin deshalb zuzustellen sein.

Appl     

       

Krehl     

       

Eschelbach

       

Grube     

       

Schmidt     

       

Meta

2 StR 34/17

23.05.2017

Bundesgerichtshof 2. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Köln, 29. Juli 2016, Az: 105 Ks 4/16

§ 345 Abs 1 StPO, § 346 Abs 1 StPO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 23.05.2017, Az. 2 StR 34/17 (REWIS RS 2017, 10475)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 10475


Verfahrensgang

Der Verfahrensgang wurde anhand in unserer Datenbank vorhandener Rechtsprechung automatisch erkannt. Möglicherweise ist er unvollständig.

Az. 2 StR 34/17

Bundesgerichtshof, 2 StR 34/17, 12.12.2017.

Bundesgerichtshof, 2 StR 34/17, 23.05.2017.


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Referenzen
Wird zitiert von

3 StR 29/22

3 StR 386/21

2 StR 34/17

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