Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 06.09.2017, Az. 5 AZR 441/16

5. Senat | REWIS RS 2017, 5733

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Gegenstand

Erfüllung des gesetzlichen Mindestlohns


Tenor

Die [X.] der Klägerin gegen das Urteil des [X.] vom 24. Mai 2016 - 3 [X.]/15 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Erfüllung des gesetzlichen Mindestlohnanspruchs.

2

Die Klägerin war seit Juli 1994 bei der Beklagten als Verkäuferin mit einer regelmäßigen Wochenarbeitszeit von zuletzt 39 Stunden beschäftigt. Innerhalb ihrer Arbeitszeit erbrachte sie auch Näharbeiten für Kunden. Die Beklagte zahlte der Klägerin neben einem Grundentgelt Provisionen für getätigte Verkäufe, Prämien im Rahmen von „Personalkäufen“ und Prämien für erbrachte Näharbeiten. Diese sog. Nähprämien wurden jeweils zum Quartalsende ausgezahlt.

3

In den zuletzt allein streitgegenständlichen Monaten März und Juni 2015 erhielt die Klägerin jeweils einen in der Entgeltabrechnung als „Gehalt“ bezeichneten Betrag iHv. 1.124,84 Euro brutto sowie eine „Vorauszahlung“ iHv. 311,66 Euro brutto. Bei den Vorauszahlungen handelte es sich um endgültige Leistungen der Beklagten, mit der diese zunächst Ansprüche auf Provisionen, Prämien für Personalkäufe sowie Nähprämien erfüllen wollte. Mit der verbleibenden Differenz sollte die Vergütung auf den gesetzlichen Mindestlohn aufgestockt werden. Die von der Klägerin erarbeiteten Nähprämien betrugen im März 2015 150,00 Euro brutto und im Juni 2015 50,00 Euro brutto.

4

Mit der vorliegenden Klage hat die Klägerin Ansprüche auf den gesetzlichen Mindestlohn geltend gemacht. Die Nähprämien erfüllten diesen Anspruch nicht, weil mit ihnen andere als die arbeitsvertraglich geschuldeten Tätigkeiten als Verkäuferin abgegolten und zusätzlich honoriert würden. Bei diesen handele es sich zudem nicht um monats-, sondern quartalsweise Leistungen.

5

Die Klägerin hat - soweit für die Revisionsinstanz noch von Bedeutung - zuletzt beantragt,

        

1.    

die Beklagte zu verurteilen, an sie für den Monat März 2015 den weiteren Betrag von 150,00 Euro brutto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus seit 2. April 2015 zu zahlen;

        

2.    

die Beklagte zu verurteilen, an sie für den Monat Juni 2015 den weiteren Betrag von 50,00 Euro brutto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus seit 2. Juli 2015 zu zahlen.

6

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt. Die Nähprämien stellten Gegenleistungen für die Arbeitsleistung dar, die im Auszahlungsmonat den Mindestlohnanspruch miterfüllten.

7

Das Arbeitsgericht hat der (weitergehenden) Zahlungsklage in Bezug auf die Nähprämien für die Monate März und Juni 2015 stattgegeben. Die Berufung der Beklagten richtet sich ua. hiergegen. Zudem hat sie zweitinstanzlich Widerklage auf Rückzahlung überzahlter Vergütung erhoben. Das [X.] hat der Berufung der Beklagten in Bezug auf die Nähprämien entsprochen und die Widerklage abgewiesen. Mit ihrer Revision verfolgt die Beklagte ihren Widerklageantrag weiter, während die Klägerin im Wege der [X.] (auch) ihren zuletzt gestellten Klageantrag wiederholt. In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat haben die Parteien einen Teilvergleich über weitere in der Revisionsinstanz noch anhängige Zahlungsansprüche geschlossen. Daraufhin hat die Klägerin mit Zustimmung der Beklagten ihre [X.] auf die Nähprämien beschränkt und die Parteien haben das Verfahren im Übrigen übereinstimmend für erledigt erklärt.

Entscheidungsgründe

8

Die von der Klägerin in zulässiger Weise auf die [X.]n beschränkte [X.] ist unbegründet. Das [X.] hat zutreffend die Erfüllung des gesetzlichen Mindestlohns (auch) durch die Zahlung der [X.]n bejaht.

9

I. Die [X.] ist zulässig.

Erklären die Parteien nach einem Teilvergleich den Streitgegenstand der Hauptrevision übereinstimmend für erledigt, verliert die [X.] dadurch nicht ihre Wirkung. Die Regelung des § 554 Abs. 4 ZPO iVm. § 72 Abs. 5 ArbGG, wonach eine Anschließung ihre Wirkung verliert, wenn die Revision zurückgenommen, verworfen oder durch Beschluss zurückgewiesen wird, ist auch nicht analog anwendbar, wenn - wie vorliegend - noch eine Kostenentscheidung über die Revision zu treffen ist (vgl. zu § 522 ZPO aF: [X.] 22. Mai 1984 - III ZB 9/84 - zu II 2 der Gründe; [X.] 14. Mai 1976 - 2 [X.] - zu 2 f der Gründe, [X.]E 28, 107).

II. [X.] ist - soweit noch zu entscheiden - unbegründet. Der Anspruch der Klägerin auf den gesetzlichen Mindestlohn ist durch Zahlung (auch) der [X.]n durch Erfüllung erloschen (§ 362 Abs. 1 BGB).

1. [X.] aus § 1 Abs. 1 [X.] ist ein gesetzlicher Anspruch, der eigenständig neben den arbeits- oder tarifvertraglichen Entgeltanspruch tritt. § 3 [X.] führt bei Unterschreiten des gesetzlichen Mindestlohns zu einem Differenzanspruch ([X.] 21. Dezember 2016 - 5 [X.] - Rn. 16, [X.]E 157, 356).

2. Der Arbeitgeber hat den Anspruch auf den gesetzlichen Mindestlohn erfüllt, wenn die für einen Kalendermonat gezahlte Bruttovergütung den Betrag erreicht, der sich aus der Multiplikation der Anzahl der in diesem Monat tatsächlich geleisteten Arbeitsstunden mit 8,50 Euro (bis zum 31. Dezember 2016) ergibt ([X.] 21. Dezember 2016 - 5 [X.] - Rn. 17, [X.]E 157, 356).

Es gilt ein umfassender Entgeltbegriff, weshalb alle im [X.] stehenden Geldleistungen des Arbeitgebers geeignet sind, den Mindestlohnanspruch des Arbeitnehmers zu erfüllen. Von den im arbeitsvertraglichen Austauschverhältnis erbrachten Entgeltzahlungen des Arbeitgebers fehlt folglich nur solchen Zahlungen die Erfüllungswirkung, die der Arbeitgeber ohne Rücksicht auf eine tatsächliche Arbeitsleistung des Arbeitnehmers erbringt oder die auf einer besonderen gesetzlichen Zweckbestimmung beruhen ([X.] 25. Mai 2016 - 5 [X.] - Rn. 32, [X.]E 155, 202).

3. Danach kommt der streitgegenständlichen [X.] Erfüllungswirkung zu.

a) Mit der Zahlung der [X.] honoriert die Beklagte die für Nähleistungen erbrachte Arbeitsleistung. Anders als die Klägerin meint, handelt es sich nicht um eine zusätzliche Leistung außerhalb ihrer vertraglich geschuldeten Arbeitsleistung. Der Begriff der „Normalleistung“ hat keinen Eingang in den Wortlaut des Mindestlohngesetzes gefunden (so bereits [X.] 21. Dezember 2016 - 5 [X.] - Rn. 21, [X.]E 157, 356). Die [X.]n werden vielmehr als Gegenleistung für die Arbeitsleistung der Klägerin gezahlt und unterfallen daher dem umfassenden Entgeltbegriff des Mindestlohngesetzes.

b) Einer besonderen gesetzlichen Zweckbestimmung unterliegt die [X.] nicht.

c) [X.] steht nicht entgegen, dass die [X.] jeweils lediglich zum Quartalsende gezahlt wird. Sie ist jedenfalls im Auszahlungsmonat mindestlohnwirksam.

aa) Für die Berechnung, ob der Anspruch auf gesetzlichen Mindestlohn erfüllt ist, kann angesichts der Regelung in § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 [X.] nicht auf längere Zeiträume als einen Kalendermonat abgestellt werden ([X.] 25. Mai 2016 - 5 [X.] - Rn. 25, [X.]E 155, 202). Bei der (höchstens) monatsweise vorzunehmenden Betrachtung entscheidet sich jeweils, ob neben den arbeits- oder tarifvertraglichen Entgeltanspruch ein Anspruch aus § 1 Abs. 1 [X.] auf die gesetzlich geregelte Differenzvergütung tritt.

bb) Damit ist die [X.] in dem jeweiligen Monat, in dem sie gezahlt wird, mindestlohnwirksam. Auf eine über diese Monate hinausgehende Mindestlohnwirksamkeit beruft sich die Beklagte nicht.

III. [X.] folgt aus § 97 Abs. 1, § 91a Abs. 1 Satz 1 ZPO.

        

    Koch    

        

    Weber    

        

    Volk    

        

        

        

    Feldmeier    

        

    [X.]    

                 

Meta

5 AZR 441/16

06.09.2017

Bundesarbeitsgericht 5. Senat

Urteil

Sachgebiet: AZR

vorgehend ArbG Zwickau, 10. November 2015, Az: 7 Ca 716/15, Urteil

§ 1 Abs 1 MiLoG, § 362 Abs 1 BGB, § 3 MiLoG

Zitier­vorschlag: Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 06.09.2017, Az. 5 AZR 441/16 (REWIS RS 2017, 5733)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 5733

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