Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 18.11.2008, Az. VI ZR 198/07

VI. Zivilsenat | REWIS RS 2008, 792

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[X.]IM NAMEN DES VOLKES URTEIL [X.]/07 Verkündet am: 18. November 2008 [X.], Justizamtsinspektorin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja [X.]: nein [X.]R: ja [X.] § 823 Aa; ZPO § 531 Abs. 2 Wird der Einwand der hypothetischen Einwilligung erst im zweiten Rechtszug erhoben, handelt es sich grundsätzlich um ein neues Verteidigungsmittel im Sinne des § 531 Abs. 2 ZPO. [X.], Urteil vom 18. November 2008 - [X.]/07 - [X.]

LG Aurich - 2 - Der [X.]. Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom 18. November 2008 durch die Vizepräsidentin Dr. [X.], den [X.], die Richterin [X.] und [X.] und Zoll für Recht erkannt: Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des 5. Zivilsenats des [X.] vom 4. Juli 2007 wird auf ihre Kos-ten zurückgewiesen. Von Rechts wegen
Tatbestand Die Klägerin macht gegen die Beklagte als Trägerin eines Krankenhau-ses materiellen und immateriellen Schadensersatz nach einer digitalen Subtrak-tionsangiographie des Kopfes (künftig: [X.]) geltend. 1 Die Klägerin musste sich 1975 einer Gehirnoperation unterziehen und [X.] 1987 einen Schlaganfall. Seitdem war sie rechtsseitig gelähmt. [X.] traten beidseitige Ponsblutungen (Gehirnblutungen) auf. Im September 2003 verstarb eine Nichte der Klägerin infolge einer Aneurysmenruptur. Am 20. No-vember 2003 wurde die Klägerin "wegen vor dreieinhalb Wochen für einen Tag bestehender Kopfschmerzen links im [X.] und in einem ambulanten [X.] beschriebenen Blutung rechts [X.] im [X.] - 3 - reich" stationär in die neurologische Abteilung des Krankenhauses der [X.] aufgenommen. Am 26. November 2003 führte der Radiologe [X.] mit der Klägerin ein Aufklärungsgespräch für eine [X.], die er am Folgetag vornahm. Hierbei erlitt die Klägerin Infarkte im Bereich des [X.] beidseits sowie im Hirnstamm. Seitdem leidet sie an weiteren erheblichen Gesundheitsbeeinträch-tigungen. Das [X.] hat einen Behandlungsfehler verneint, aber eine fehler-hafte Risikoaufklärung angenommen. Es hat daher ein Schmerzensgeld in [X.] von • 25.000 zuerkannt sowie dem Feststellungsantrag stattgegeben. Das Berufungsgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren [X.] weiter. 3 Entscheidungsgründe [X.] Nach Auffassung des Berufungsgerichts, dessen Urteil in [X.], 124 f. veröffentlicht ist, steht der Klägerin der zugesprochene Schadensersatz gemäß den §§ 280, 249, 253 [X.], §§ 823, 249, 253 [X.] zu, weil die Einwilli-gung der Klägerin in den Eingriff mangels hinreichender Aufklärung unwirksam gewesen sei. 4 Zwar stehe fest, dass der Zeuge [X.] eine Risikoaufklärung vorge-nommen und dabei das Schlaganfallrisiko als Komplikationsmöglichkeit ge-nannt habe. Zudem sei davon auszugehen, dass er das Schlaganfallrisiko nicht verharmlost habe. 5 - 4 - Die Aufklärung sei aber nicht ordnungsgemäß gewesen, da der aufklä-rende Arzt die Klägerin nicht darüber informiert habe, dass das [X.] erhöht gewesen sei, weil sie bereits vor der Untersuchung un-streitig einen Schlaganfall erlitten hatte. Nach den Ausführungen des Sachver-ständigen Dr. S. sei das Risiko, dass bei einer zerebralen angiographischen Untersuchung eine Komplikation auftrete, doppelt so hoch, wenn der Patient bereits zuvor einen Schlaganfall erlitten habe, so dass das Risiko vorüberge-hender zerebral ischämischer Komplikationen auf 2 - 4 %, das Risiko perma-nenter Komplikationen, insbesondere von Schlaganfällen, auf 1 % ansteige. Zwar müsse der Arzt nicht generell über die statistische Wahrscheinlichkeit ei-ner Komplikation aufklären. Das entbinde ihn aber nicht von der Verpflichtung, auf eine signifikante Erhöhung eines Risikos hinzuweisen. Eine solche sei hier anzunehmen. Zwar habe sich das Risiko einer permanenten Schädigung ledig-lich um 0,5 % auf 1 % erhöht. Doch habe es sich für die Klägerin verdoppelt und könne nicht mehr als sehr selten, sondern müsse vielmehr mit "selten" oder gar "gelegentlich" bewertet werden. 6 Der erstmals in zweiter Instanz von den Beklagten geäußerte Einwand einer hypothetischen Einwilligung sei gemäß § 531 Abs. 2 ZPO zurückzuwei-sen. Zwar deute der unstreitige Sachverhalt darauf hin, dass sich die Klägerin auch bei ordnungsgemäßer Aufklärung für den Eingriff entschieden hätte. Dies könne jedoch offen bleiben. Denn das neue Vorbringen sei jedenfalls verspätet. Allerdings sei diese Frage höchstrichterlich nicht geklärt und darum die [X.] zuzulassen. 7 I[X.] Das angefochtene Urteil hält den Angriffen der Revision im Ergebnis stand. 8 - 5 - 1. Die uneingeschränkt eingelegte Revision ist zulässig (§ 543 Abs. 1 Nr. 1 ZPO). Das Berufungsgericht hat zwar ausgeführt, die Revision werde [X.], weil bislang eine Entscheidung des [X.] zu der Frage nicht vorliege, ob bei unstreitigem Sachverhalt der Einwand einer hypotheti-schen Einwilligung in den ärztlichen Eingriff erstmals in zweiter Instanz erhoben werden könne. Darin liegt aber keine Beschränkung der Revision auf eine be-stimmte Rechtsfrage, was unzulässig wäre (vgl. [X.], [X.] 101, 276, 278; 111, 158, 166; Urteil vom 7. Juli 1983 - [X.] - [X.], 38; [X.] vom 17. Dezember 1980 - [X.] - FamRZ 1981, 340; vom 4. Dezember 2007 - [X.] - NJW 2008, 1312, 1313). Das [X.] hat vielmehr nur erläutert, warum es die Revision zugelassen hat. 9 2. Es ist nicht zu beanstanden, dass das Berufungsgericht zu der Über-zeugung gelangt ist, dass die Klägerin nicht ausreichend über ihr Schlaganfall-risiko aufgeklärt wurde. 10 a) Zwar muss nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats die Aufklärung nicht über jede, noch so entfernt liegende Gefahrenmöglichkeit er-folgen. Der Patient muss nur "im Großen und Ganzen" wissen, worin er einwil-ligt. Dazu muss er über die Art des Eingriffs und seine nicht ganz außerhalb der Wahrscheinlichkeit liegenden Risiken informiert werden, soweit diese sich für einen medizinischen Laien aus der Art des Eingriffs nicht ohnehin ergeben und für seine Entschließung von Bedeutung sein können. Dies bedeutet nicht, dass die Risiken in allen erdenkbaren Erscheinungsformen aufgezählt werden müs-sen. Es muss aber eine allgemeine Vorstellung von der Schwere des Eingriffs und den spezifisch mit ihm verbundenen Risiken vermittelt werden, ohne diese zu beschönigen oder zu verschlimmern (vgl. Senatsurteile [X.] 90, 103, 106, 108; 144, 1, 5). 11 - 6 - Bei einem spezifisch mit der Therapie verbundenen Risiko hängt die Er-forderlichkeit der Aufklärung aber nicht davon ab, wie oft das Risiko zu einer Komplikation führt ("Komplikations- oder Risikodichte"). Entscheidend ist viel-mehr die Bedeutung, die das Risiko für die Entschließung des Patienten haben kann. Kommt eine besonders schwere Belastung für seine Lebensführung in Betracht, so ist die Information über ein solches Risiko für die Einwilligung des Patienten auch dann von Bedeutung, wenn sich das Risiko sehr selten verwirk-licht (vgl. Senatsurteile [X.] 90, 103, 107; 144, 1, 5 f.; vom 2. November 1993 - [X.] ZR 245/92 - [X.], 104, 105). 12 Die Aufklärung hat patientenbezogen und damit den Umständen des konkreten Falles entsprechend zu erfolgen (vgl. Senatsurteile vom 4. November 1975 - [X.] ZR 226/73 - [X.], 293, 294; vom 22. April 1980 - [X.] ZR 37/79 - VersR 1981, 456, 457). Der [X.] wird hierbei einerseits durch das Gewicht der medizinischen Indikation bestimmt, das sich wiederum aus der Notwendigkeit des Eingriffs, seiner zeitlichen Dringlichkeit und den Heilungs-chancen ergibt, andererseits ist insbesondere die Schwere der Schadensfolgen für die Lebensführung des Patienten im Fall der [X.] mitbe-stimmend (vgl. [X.]/[X.], [X.], 5. Aufl. 2006, [X.] Rn. 49). Bei diagnostischen Eingriffen ohne therapeutischen Eigenwert - wie der [X.] - sind deshalb grundsätzlich strengere Anforderungen an die Aufklärung des Patien-ten über damit verbundene Risiken zu stellen (vgl. Senatsurteil vom 15. Mai 1979 - [X.] ZR 70/77 - VersR 1979, 720, 721; [X.] [X.], 643, 645 (Angiographie) mit Nichtannahmebeschluss des [X.] vom 3. April 1984 - [X.] ZR 173/83 -; [X.] VersR 1988, 832, 833 (Angiographie); [X.] NJW-RR 2002, 816, 818 (Angiographie); [X.]/[X.], aaO; Katzen-meier, Arzthaftungsrecht, 2002, [X.]; Laufs/[X.], Handbuch des Arzt-rechts, 3. Aufl., § 68 Rn. 12). Bei ihnen bedarf es einer besonders sorgfältigen Abwägung zwischen der diagnostischen Aussagekraft, den [X.] - 7 - sen und den besonderen Risiken für den Patienten (vgl. Senatsurteil vom 4. April 1995 - [X.] ZR 95/94 - [X.], 1055, 1056). 14 b) Nach diesen Grundsätzen war es im Streitfall erforderlich, die Klägerin nicht nur über das bei einer [X.] grundsätzlich bestehende Schlaganfallrisiko aufzuklären, sondern ihr auch mitzuteilen, dass dieses Risiko für sie durch ihre Vorgeschichte erhöht war. In dem vom Zeugen [X.] geführten Aufklärungsgespräch wurde aber nicht auf das erhöhte Schlaganfallrisiko der Klägerin wegen des bereits erlitte-nen Schlaganfalls hingewiesen. Auch in dem von der Klägerin unterzeichneten Formularaufklärungsbogen war dieses nur undeutlich angesprochen, wenn es heißt, dass sehr selten Hirndurchblutungsstörungen durch abgelöste und in das Gehirn verschleppte [X.] eintreten könnten, wodurch es ausnahmsweise zu einem Schlaganfall mit bleibenden Schäden kommen kön-ne. Dies weist zwar auf das grundsätzlich bestehende Schlaganfallrisiko hin. Auch der weitere Hinweis, dass das Risiko bei bereits bestehenden Nerven-/und/oder schweren Gefäßschäden erhöht sei, macht aber das bei der Klägerin wegen des erlittenen früheren Schlaganfalls bestehende besondere Risiko nicht ausreichend klar. 15 Unter diesen Umständen ist die Würdigung des Berufungsgerichts nicht zu beanstanden, dass die Klägerin nicht vollständig aufgeklärt worden ist. Es kommt insoweit entscheidend darauf an, ob ihr alle spezifischen Risiken aufge-zeigt worden sind, die für ihre Einwilligung in den Eingriff ernsthaft ins Gewicht fallen könnten. Deshalb hat das Berufungsgericht zu Recht angenommen, dass die Klägerin auch darüber hätte aufgeklärt werden müssen, dass bei ihr ein er-höhtes Risiko bestand, bei der zerebralen Angiographie einen weiteren Schlag-anfall zu erleiden. Im Hinblick auf die besonders schwere Belastung für die [X.] - 8 - bensführung der Klägerin bei Verwirklichung eines weiteren Schlaganfalls konn-te die Information über das bei ihr bestehende besondere Risiko für ihre Einwil-ligung ernsthaft ins Gewicht fallen. Nur wenn ihr das bei ihr bestehende indivi-duelle Risiko bekannt war, hatte sie alle notwendigen Informationen für die Ent-scheidung, ob sie die diagnostische Maßnahme für die ihr vorgeschlagene Klä-rung ihrer atypischen Hirnblutung vornehmen ließ. 3. Die Revision hat auch keinen Erfolg, soweit sie zur Überprüfung des Senats stellt, ob der vom Berufungsgericht herangezogene Sachverständige fachlich geeignet war, sich zum Inhalt eines radiologischen Aufklärungsge-sprächs zu äußern. 17 Die Auswahl des Sachverständigen steht im Ermessen des Gerichts. Es liegt jedoch eine fehlerhafte Ermessensausübung vor, wenn das Gericht einen Sachverständigen aus einem falschen Sachgebiet ausgewählt hat (§ 404 Abs. 1 Satz 1 ZPO; vgl. Senatsurteil vom 16. März 1999 - [X.] ZR 34/98 - [X.], 716; [X.], Urteil vom 25. Februar 1953 - [X.]/52 - NJW 1953, 659 f.; [X.], Urteil vom 20. Oktober 1970 - 2 [X.] - AP Nr. 4 zu ZPO § 286; Zöller-Greger, ZPO, 26. Aufl., § 404 Rn. 1). Grundsätzlich ist bei der Auswahl auf die Sachkunde in dem medizinischen Fachgebiet abzustellen, in das der Eingriff fällt (vgl. [X.], 249 mit Nichtannahmebeschluss des Senats vom 20. Oktober 2000 - [X.] ZR 129/00; [X.]/[X.], Arzthaftungsrecht, 2. Aufl., S. 686 m.w.N.). Hierfür können die fachärztlichen Weiterbildungsord-nungen herangezogen werden (vgl. [X.], Urteil vom 13. März 2003 - 1 U 34/02 - juris Rn. 45 = [X.] 2003, 348 (nur Leitsatz); [X.], Urteil vom 23. April 1997 - L 5 Ka 89/95 - juris Rn. 25; [X.]/[X.]/[X.]Scheuch, [X.] im Arzthaftungsrecht, 2. Aufl., Rn. 62). Soweit ein Eingriff mehrere Fachbereiche berührt, kommt es darauf an, welchem Fachbereich die konkrete Beweisfrage zuzuordnen ist. 18 - 9 - Die [X.] gehört zur radiologischen Diagnostik und damit zum Weiterbil-dungsgebiet der diagnostischen Radiologie, insbesondere Neuroradiologie (vgl. Masuhr/[X.], Neurologie, 6. Aufl., [X.]; Weiterbildungsordnung ([X.]) der [X.], Stand 1. Oktober 2003, S. 31 f.). Diese Diagnostik ist zugleich eine unerlässliche Erkenntnisquelle für die neuro-logische oder neurochirurgische Behandlung (vgl. [X.]/[X.], Neurologie, 11. Aufl., [X.]). Ihre Indikationsstellung, Methodik und Befundbewertung gehö-ren daher auch zur neurologischen Weiterbildung (zum Beispiel: [X.] der [X.], aaO, [X.]). Der vorliegende Fall berührt somit beide Fachgebiete. 19 Unter diesen Umständen ist die - in beiden Tatsacheninstanzen von den [X.]en nicht beanstandete - Auswahl eines Facharztes für Neurologie und Neurochirurgie als Sachverständigen nicht ermessensfehlerhaft, obgleich die [X.] von einem Radiologen durchgeführt worden ist und der Sachverständige nicht selbst als verantwortlicher Arzt zerebrale Angiographien vorgenommen hat. Das Berufungsgericht hat darauf abgestellt, dass es hier nicht um Fehler des Arztes bei der Durchführung der Untersuchung, sondern um Risiken geht, die mit einer zerebralen Angiographie verbunden sind. Diese Risiken beträfen vorrangig Schädigungen des Gehirns, so dass die Beantwortung der [X.] in den Fachbereich eines Facharztes für Neurologie und Neurochirurgie und damit in den des Sachverständigen Dr. S. falle. Dies lässt einen Ermes-sensfehler des Tatrichters nicht erkennen, zumal auch ein den Auftrag für radio-logische Untersuchungen erteilender Neurologe oder Neurochirurg Zweck, Ab-lauf und Risiken der radiologischen Diagnostik abwägen muss (vgl. OLG Düs-seldorf [X.], 643 mit Nichtannahmebeschluss des Senats vom 3. April 1984 - [X.] ZR 173/83). Im Übrigen haben die [X.]en nicht in Zweifel gezogen, dass das Risiko eines Schlaganfalls im Rahmen einer zerebralen Angiographie erhöht ist, wenn der Patient bereits zuvor einen Schlaganfall erlitten hatte. 20 - 10 - 4. Das Berufungsurteil hält den Angriffen der Revision jedenfalls im Er-gebnis auch stand, soweit das Berufungsgericht das Vorbringen der Beklagten zu einer hypothetischen Einwilligung als neues Vorbringen nicht zugelassen hat (§ 531 Abs. 2 ZPO). 21 22 a) Zu Recht geht das Berufungsgericht davon aus, dass der Einwand der [X.], die Patientin hätte sich dem Eingriff auch bei zutreffender Aufklärung über dessen Risiken unterzogen, grundsätzlich beachtlich ist (st. Rspr.; vgl. Senatsurteile [X.] 90, 103, 111; vom 17. April 2007 - [X.] ZR 108/06 - [X.], 999, 1000). Den Arzt trifft insoweit die [X.] und Beweislast. Erst wenn sich die [X.] auf eine hypothetische Einwil-ligung berufen hat, muss der Patient darlegen, dass er sich bei [X.] in einem Entscheidungskonflikt darüber befunden hat, ob er den tatsächlich durchgeführten Eingriff vornehmen lassen sollte (vgl. Senatsurteile vom 9. November 1993 - [X.] ZR 248/92 - [X.], 682, 684; vom 9. Juli 1996 - [X.] ZR 101/95 - [X.], 1239, 1240; vom 10. Oktober 2006 - [X.] ZR 74/05 - [X.], 66, 68; [X.]/[X.], aaO, [X.] Rn. 138 f.; [X.]/Pauge, Arzthaftungsrecht, 10. Aufl., Rn. 444). Wird der Einwand der hypothetischen Einwilligung erst im zweiten Rechtszug erhoben, handelt es sich grundsätzlich um ein neues Verteidigungsmittel im Sinne des § 531 Abs. 2 ZPO. b) Im Streitfall wurde dieser Einwand erst im zweiten Rechtszug erhoben. Der erstinstanzliche Prozessvortrag der Beklagten, die Klägerin habe nach ord-nungsgemäßer Aufklärung eingewilligt, erfasste entgegen der Ansicht der Revi-sion das für die hypothetische Einwilligung erforderliche Vorbringen nicht. Er ließ es nicht, wie die Revision meint, "anklingen", so dass sich der zweitinstanz-liche Vortrag nur als Konkretisierung des erstinstanzlichen darstellen würde. Bei dem rechtmäßigen Alternativverhalten beruft sich der Schädiger nämlich darauf, dass im Falle seines rechtswidrigen Verhaltens der Schaden auch bei [X.] - 11 - rechtem Verhalten eingetreten wäre ([X.], aaO, § 249 Rn. 211 ff.; [X.]/[X.], [X.], 2005, § 249 Rn. 102). Dem [X.]vortrag muss daher zu entnehmen sein, dass er sich nicht auf die [X.] ordnungsgemäße Aufklärung, sondern auf eine fiktive Einwilligungssituation bezieht. 24 c) Die Beklagte hatte indes Anlass, sich schon in der ersten Instanz [X.] hilfsweise auf eine hypothetische Einwilligung zu berufen. Eine [X.] muss schon im ersten Rechtszug die Angriffs- und Verteidigungsmittel vorbrin-gen, deren Relevanz für den Rechtsstreit ihr bekannt ist oder bei Aufwendung der gebotenen Sorgfalt hätte bekannt sein müssen und zu deren Geltendma-chung sie dort imstande ist (vgl. Senat, [X.] 159, 245, 253; Musielak/Ball, ZPO, 6. Aufl., § 531 Rn. 19; Rimmelspacher, NJW 2002, 1897, 1904; [X.], [X.], 421, 428; [X.]. 14/4722 S. 101 f.). Die Beklagte hätte daher be-reits aufgrund des [X.] vom 28. April 2006 in Betracht ziehen müssen, dass das [X.] ihrem Sachvortrag zu einer ordnungsgemäßen Aufklärung nicht folgen würde. Darin wurde dem Sachverständigen u.a. die Frage gestellt, ob der Zeuge [X.] auf eine Risikoerhöhung habe hinweisen müssen. Jedenfalls nach Erhalt des Sachverständigengutachtens war deutlich, dass eine Verurteilung wegen einer nicht erfolgten Aufklärung über das bei der Klägerin bestehende erhöhte Risiko im Raum stand und es geboten war, sich zumindest hilfsweise mit rechtmäßigem Alternativverhalten zu verteidigen. Der Beklagten oblag es mithin, sich - falls sie dies wollte - bereits im ersten Rechts-zug auf das neue Verteidigungsmittel zu berufen, ohne dass es dafür eines Hinweises nach § 139 Abs. 2 Satz 1 ZPO bedurfte. d) Bei dieser Sachlage hat das Berufungsgericht das neue [X.] der Beklagten gemäß § 531 Abs. 2 Nr. 3 ZPO im Ergebnis zu Recht nicht zugelassen. Im Streitfall waren nämlich die der hypothetischen [X.] - 12 - gung zugrunde liegenden Tatsachen zwischen den [X.]en streitig, worauf die Revisionserwiderung mit Recht hingewiesen hat. In einem solchen Fall findet die Präklusionsvorschrift des § 531 Abs. 2 ZPO Anwendung, ohne dass es auf die vom Berufungsgericht vertretene und inzwischen durch eine Entscheidung des Großen Senats für Zivilsachen des [X.] (vgl. Beschluss vom 23. Juni 2008 - [X.]/08 - NJW 2008, 3434) überholte Streitfrage an-kommt, ob bei unstreitigem Sachverhalt der Einwand einer hypothetischen [X.] in den ärztlichen Eingriff erstmals in zweiter Instanz erhoben werden kann. Zwar meint das Berufungsgericht, der "unstreitige" [X.]vortrag deute darauf hin, dass die Voraussetzungen einer hypothetischen Einwilligung vorge-legen hätten, weil die Klägerin während des gesamten Rechtsstreits nicht zur Kenntnis genommen habe, dass bei ihr nach den Erläuterungen des Sachver-ständigen Dr. S. eine eindeutige Indikation für den diagnostischen Eingriff [X.] habe. Dabei verkennt es jedoch die Besonderheiten der hypotheti-schen Einwilligung und der Darlegung eines Entscheidungskonflikts durch den Patienten. Nach den oben unter 4 a) dargelegten Grundsätzen hatte die Kläge-rin keinen Anlass, ihren Entscheidungskonflikt substantiiert darzulegen und plausibel zu machen, bevor sich die Beklagte auf eine hypothetische Einwilli-gung berufen hatte. Zudem ist nicht entscheidend, wie sich ein "vernünftiger" Patient voraussichtlich verhalten hätte, vielmehr kommt es allein auf die persön-liche Entscheidungssituation der Klägerin aus damaliger Sicht an (vgl. Senats-urteil vom 9. November 1993 - [X.] ZR 248/92 - [X.], 682, 684 m.w.N.). Die Revisionserwiderung hat insoweit darauf verwiesen, dass die Klägerin in ihrer Berufungserwiderung vorgetragen hat, sie hätte niemals in die [X.] eingewilligt, wenn man sie über das erhöhte Risiko bezüglich eines Schlagan-falls aufgeklärt hätte. Unter diesen Umständen kommt es aus Rechtsgründen nicht darauf an, ob der Vortrag der Klägerin zur Darlegung eines Entschei-26 - 13 - dungskonflikts ausgereicht hätte, zumal dies grundsätzlich erst nach einer [X.] beurteilt werden konnte (vgl. Senatsurteil vom 17. April 2007 - [X.] ZR 108/06 - aaO). 27 5. Nach allem hat das Berufungsgericht im Ergebnis richtig entschieden. Die Revision der Beklagten ist mithin mit der Kostenfolge des § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen. [X.] Wellner [X.]

[X.] Zoll Vorinstanzen: [X.], Entscheidung vom 03.11.2006 - 4 O 1106/05 - [X.], Entscheidung vom 04.07.2007 - 5 U 106/06 -

Meta

VI ZR 198/07

18.11.2008

Bundesgerichtshof VI. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 18.11.2008, Az. VI ZR 198/07 (REWIS RS 2008, 792)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2008, 792

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