Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 19.12.2023, Az. 2 B 43/22

2. Senat | REWIS RS 2023, 9784

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Tenor

Die Beschwerde der Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts der [X.] vom 8. Juni 2022 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Gründe

1

1. [X.]ie Beklagte wendet sich gegen ihre Entfernung aus dem Beamtenverhältnis.

2

[X.]ie im Jahr 1971 geborene Beklagte wurde 1991 in den Postdienst eingestellt, 1998 in ein Beamtenverhältnis auf Lebenszeit berufen und 2016 zur Posthauptsekretärin (Besoldungsgruppe A 8) befördert.

3

[X.] wurde die Beklagte innerhalb der [X.] zur Niederlassung Privatkunden/Filialen, Gebietsleitung B. versetzt. Ihre Aufgabe bestand dort darin, Privatfilialen, die mit der [X.] zusammenarbeiteten, zu betreuen. Sie nahm diese Aufgabe im Home-Office wahr, wobei sie regelmäßig auswärtige Termine zu erledigen hatte. Ende 2016 verließ ihr Vorgesetzter die [X.]ienststelle. Seine Stelle wurde nicht nachbesetzt; die Fachvorgesetztenfunktion für die Beklagte wurde kommissarisch auf [X.] delegiert. Ab Januar 2018 kam es zu [X.]ifferenzen zwischen der Beklagten und [X.] [X.]ie Beklagte war längere Zeit dienstunfähig, ignorierte Anweisungen von [X.], nahm angeordnete Besprechungstermine nicht wahr und reichte Krankmeldungen verspätet ein. Im Juni 2018 leitete die Klägerin ein [X.]isziplinarverfahren gegen die Beklagte ein, dehnte dieses im Januar 2019 auf weitere Vorwürfe aus, enthob die Beklagte im März 2019 vorläufig des [X.]ienstes und erhob im Oktober 2019 [X.]. [X.]as Verwaltungsgericht hat die Beklagte in das Amt einer Postobersekretärin (Besoldungsgruppe [X.]) versetzt.

4

Auf die Berufungen beider Beteiligter hat das Oberverwaltungsgericht die Beklagte aus dem Beamtenverhältnis entfernt. [X.]ie Beklagte habe vorsätzlich durch die sich über mehrere Monate erstreckende Nichtbeachtung dienstlicher Anweisungen in einer hohen Anzahl von Fällen ihre beamtenrechtliche Folgepflicht und durch die mehrmalige verspätete Vorlage der Nachweise der [X.]ienstunfähigkeit ihre Gehorsamspflicht verletzt. [X.]ie Klägerin habe die Einleitung des [X.]isziplinarverfahrens nicht pflichtwidrig verzögert. [X.]ie [X.] hätte auch durch frühzeitigere niederschwellige Maßnahmen nicht verhindert werden können.

5

2. [X.]ie gegen die Nichtzulassung der Revision gerichtete und auf alle Zulassungsgründe gestützte Beschwerde der Beklagten hat keinen Erfolg.

6

a) [X.]ie Revision ist nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) zuzulassen.

7

Eine Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung i. S. v. § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO, wenn sie eine Frage des revisiblen Rechts von allgemeiner, über den Einzelfall hinausreichender Bedeutung aufwirft, die im konkreten Fall entscheidungserheblich ist. Ein derartiger Klärungsbedarf besteht nicht, wenn die Rechtsfrage bereits geklärt ist oder auf der Grundlage der bestehenden Rechtsprechung mit Hilfe der anerkannten Auslegungsregelungen auch ohne [X.]urchführung eines Revisionsverfahrens eindeutig beantwortet werden kann (stRspr, vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 24. Januar 2011 - 2 B 2.11 - NVwZ-RR 2011, 329 Rn. 4; vom 9. April 2014 - 2 B 107.13 - [X.] 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 2 VwGO Nr. 20 Rn. 9, vom 20. Juni 2017 - 2 B 84.16 - juris Rn. 9 und vom 26. April 2023 - 2 B 41.22 - juris Rn. 5). [X.]ie Prüfung des [X.] ist dabei auf die mit der Beschwerde dargelegten Rechtsfragen beschränkt (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO).

8

[X.]ie als grundsätzlich bedeutsam aufgeworfenen Fragen

"Ist eine Ahndung nicht mehr zeitnah, wenn der in § 62 [X.] genannte Zeitrahmen überschritten ist und ist dies dann als Verfahrensmangel mildernd zu berücksichtigen? Ist bei der Betrachtung des Zeitrahmens der Zeitpunkt der Ausdehnungsverfügung maßgeblich?",

rechtfertigen nicht die Zulassung der Revision, denn sie lassen sich - soweit sie einer Beantwortung in verallgemeinerungsfähiger Weise zugänglich sind - unter Heranziehung des Gesetzeswortlauts und auf der Grundlage der Senatsrechtsprechung ohne die [X.]urchführung eines Revisionsverfahrens beantworten.

9

Nach § 17 Abs. 1 Satz 1 [X.] hat die dienstvorgesetzte Stelle ein [X.]isziplinarverfahren einzuleiten, wenn zureichende tatsächliche Anhaltspunkte vorliegen, die den Verdacht eines [X.]ienstvergehens rechtfertigen. [X.]iese Pflicht besteht nicht, solange es noch etwaiger Verwaltungsermittlungen bedarf, um einen bloß vagen Verdacht aufzuklären, der personell oder sachlich noch nicht hinreichend konkretisiert worden ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 29. März 2012 - 2 A 11.10 - [X.], [X.], [X.]/[X.] 1.1 Nr. 26 Rn. 21 zum [X.]). [X.]en [X.]ienstvorgesetzten trifft aber eine Einleitungspflicht, sobald er erstmals Kenntnis von zureichenden tatsächlichen Anhaltspunkten erlangt, die den Verdacht eines [X.]ienstvergehens begründen. Er darf, wenn die Voraussetzungen zur Einleitung vorliegen, nicht abwarten und weiteres Belastungsmaterial sammeln (BVerwG, Urteile vom 15. November 2018 - 2 C 60.17 - BVerwGE 163, 356 Rn. 21 und vom 28. März 2023 - 2 C 20.21 - NVwZ 2023, 1586 Rn. 28).

[X.]ie frühzeitige Einleitungspflicht nach § 17 Abs. 1 Satz 1 [X.] besteht für den [X.]ienstvorgesetzten auch in der Konstellation einer Vielzahl gleichartiger, zeitlich aufeinanderfolgender [X.]. [X.]ass im Zeitpunkt der Einleitung des [X.]isziplinarverfahrens bereits weitere gleichartige Pflichtverletzungen hinzugetreten oder künftig zu erwarten sind, hindert die gesonderte Ahndung der bisherigen Verstöße nicht. [X.]er Grundsatz der Einheit des [X.]ienstvergehens (§ 77 Abs. 1 Satz 1 [X.]) steht einer gesonderten Verfolgung von [X.] nicht entgegen. Seit dem Inkrafttreten des [X.] am 1. Januar 2002 lässt sich daraus ein verfahrensrechtliches Gebot der gleichzeitigen Entscheidung über mehrere [X.] nicht mehr herleiten. Gemäß § 19 Abs. 1 [X.] kann der [X.]ienstherr ein eingeleitetes [X.]isziplinarverfahren auf danach neu hinzutretende Pflichtverletzungen ausdehnen. Nach Erhebung der [X.] können neue Handlungen durch Erhebung einer Nachtragsdisziplinarklage gemäß § 53 Abs. 1 [X.] in das [X.]isziplinarverfahren einbezogen werden. Aus den Ermächtigungen in § 19 Abs. 1 [X.] und § 53 [X.] folgt, dass dem Grundsatz der Einheit des [X.]ienstvergehens materiell-rechtlich Rechnung zu tragen ist. [X.]er Beamte darf im Ergebnis materiell-rechtlich nicht schlechter gestellt werden als er im Falle einer gleichzeitigen und einheitlichen Ahndung des [X.]ienstvergehens stünde. [X.]em Grundsatz der materiell-rechtlichen einheitlichen Bewertung ist in dem zuletzt zur Entscheidung anstehenden [X.]isziplinarverfahren (nachträglich) Geltung zu verschaffen (vgl. BVerwG, Urteil vom 14. Februar 2007 - 1 [X.] 12.05 - BVerwGE 128, 125 Rn. 22 ff. <25>). [X.] bleibt dem [X.]ienstherrn daher auch, im jeweiligen Verfahrensstadium ein weiteres neues [X.]isziplinarverfahren einzuleiten (BVerwG, Urteil vom 28. März 2023 - 2 C 20.21 - NVwZ 2023, 1586 Rn. 29).

Aus § 62 [X.] ergeben sich keine über die dargestellten Grundsätze hinausgehenden Erkenntnisse. Nach § 62 Abs. 1 Satz 1 [X.] kann der Beamte bei dem Gericht die gerichtliche Bestimmung einer Frist zum Abschluss des [X.]isziplinarverfahrens beantragen, wenn ein behördliches [X.]isziplinarverfahren nicht innerhalb von sechs Monaten seit der Einleitung durch Einstellung, durch Erlass einer [X.]isziplinarverfügung oder durch Erhebung der [X.] abgeschlossen worden ist; nach § 62 Abs. 2 Satz 1 [X.] bestimmt das Gericht eine Frist, in der das [X.]isziplinarverfahren abzuschließen ist, wenn ein zureichender Grund für den fehlenden Abschluss des behördlichen [X.]isziplinarverfahrens innerhalb von sechs Monaten nicht vorliegt. § 62 [X.] betrifft somit schon nicht einen etwaigen Zeitraum für die Einleitung des [X.]isziplinarverfahrens, sondern für dessen Abschluss. Im Übrigen ist es stets eine Frage der konkreten Umstände des Einzelfalls, innerhalb welchen Zeitraums ein [X.]isziplinarverfahren einzuleiten und abzuschließen ist, die sich einer Beantwortung in verallgemeinerungsfähiger Form - etwa unter Heranziehung der Sechsmonatsfrist des § 62 Abs. 1 Satz 1 [X.] - entzieht.

b) [X.]ie Revision ist auch nicht wegen [X.]ivergenz (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) zuzulassen.

Eine die Revision eröffnende [X.]ivergenz ist nur dann i. S. d. § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO hinreichend bezeichnet, wenn die Beschwerde einen inhaltlich bestimmten, die angefochtene Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz benennt, mit dem die Vorinstanz einem in der Rechtsprechung des [X.] aufgestellten ebensolchen die Entscheidung des [X.] tragenden Rechtssatz in Anwendung derselben Rechtsvorschrift widersprochen hat. Zwischen den Gerichten muss ein prinzipieller Auffassungsunterschied über den Bedeutungsgehalt einer bestimmten Rechtsvorschrift oder eines Rechtsgrundsatzes bestehen. [X.]as Aufzeigen einer fehlerhaften oder unterbliebenen Anwendung von Rechtssätzen, die das [X.] in seiner Rechtsprechung aufgestellt hat, genügt nicht den Zulässigkeitsanforderungen einer [X.]ivergenzrüge (stRspr, vgl. etwa BVerwG, Beschluss vom 15. Januar 2020 - 2 B 38.19 - [X.] 11 Art. 33 Abs. 2 GG Nr. 99 Rn. 14).

[X.]iesen Anforderungen genügt die [X.]ivergenzrüge im vorliegenden Fall nicht. [X.]ie Beschwerde bezeichnet keinen Rechtssatz des [X.], der im Widerspruch zu der von ihr referierten Rechtsprechung des [X.] steht, wonach das Sammeln einzelner [X.] über einen längeren Zeitraum, um sodann im Wege einer Gesamtschau die [X.] zu verhängen, unzulässig ist. Sie führt lediglich eine Reihe einzelfallbezogener tatsächlicher Aspekte an, denen sie entnimmt, dass das Berufungsgericht unzutreffend zu dem Ergebnis gekommen ist, dass der Klägerin im Streitfall ein solcher Vorwurf nicht zu machen ist. [X.]amit rügt sie aber keine rechtssatzmäßige [X.]ivergenz.

c) Schließlich ist die Revision auch nicht wegen eines Verfahrensfehlers (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) zuzulassen.

aa) [X.]ie Rüge, das Berufungsgericht habe verfahrensfehlerhaft nicht die Befassung des Präsidenten der [X.] für Post und Telekommunikation [X.]eutsche Bundespost im Rahmen der Beteiligung nach § 1 Abs. 5 Postpersonalrechtsgesetz - PostPersRG - für erforderlich gehalten, greift nicht durch.

Nach § 1 Abs. 5 Satz 1 und 2 PostPersRG hat der Vorstand des Postnachfolgeunternehmens oder ein ihm nachgeordneter Stelleninhaber mit den Befugnissen eines [X.]ienstvorgesetzten vor der Erhebung der [X.] diese unter Vorlage der Akten von der [X.] für Post und Telekommunikation [X.]eutsche Bundespost auf Rechtmäßigkeit und sachgerechte Ausübung des Ermessens prüfen zu lassen. Zur Prüfung verpflichtet ist mithin die [X.] als Behörde. [X.]as Gesetz enthält keinen Hinweis darauf, dass allein der Präsident der [X.] hierfür zuständig ist und er diese Aufgabe nicht behördenintern anderweitig zuordnen kann. Hätte der Gesetzgeber dies gewollt, wäre eine entsprechende ausdrückliche Regelung umso mehr zu erwarten gewesen, als dieselbe Norm hinsichtlich der Ausübung der [X.]isziplinarbefugnis eine entsprechende Eingrenzung ("Vorstand des Postnachfolgeunternehmens oder ein ihm nachgeordneter Stelleninhaber mit den Befugnissen eines [X.]ienstvorgesetzten") enthält. [X.]ementsprechend hat der Senat in seinem Urteil vom 22. Juni 2006 - 2 C 11.05 - ([X.] 235.1 § 34 [X.] Nr. 2 = juris Rn. 21 f.) nur auf die [X.], nicht aber auf deren Präsidenten rekurriert.

bb) Auch die Sachaufklärungsrügen greifen nicht durch.

(1) Eine Aufklärungsrüge nach § 86 Abs. 1 Satz 1 VwGO erfordert nach der ständigen Rechtsprechung des Senats zum einen die substanziierte [X.]arlegung, hinsichtlich welcher tatsächlichen Umstände aus der materiell-rechtlichen Sicht des Berufungsgerichts Aufklärungsbedarf bestanden hat, welche für geeignet und erforderlich gehaltenen Aufklärungsmaßnahmen hierfür in Betracht gekommen wären und welche tatsächlichen Feststellungen bei der [X.]urchführung der unterbliebenen Sachverhaltsaufklärung voraussichtlich getroffen worden wären und inwiefern diese bei Zugrundelegung der materiell-rechtlichen Auffassung des Tatsachengerichts zu einer für den Beschwerdeführer günstigeren Entscheidung hätten führen können. Zum anderen muss dargelegt werden, dass bereits im Berufungsverfahren, insbesondere in der mündlichen Berufungsverhandlung, auf die Sachverhaltsaufklärung, deren Unterlassen nunmehr gerügt wird, hingewirkt worden ist, oder dass sich dem Berufungsgericht die Notwendigkeit der bezeichneten Ermittlungen auch ohne ein solches Hinwirken hätte aufdrängen müssen. [X.]ie Aufklärungsrüge ist kein Mittel, um Versäumnisse eines anwaltlich vertretenen Beteiligten in der Tatsacheninstanz zu kompensieren, vor allem wenn er es - wie hier - unterlassen hat, einen Beweisantrag zu stellen (stRspr, vgl. BVerwG, Urteil vom 22. Januar 1969 - 6 C 52.65 - BVerwGE 31, 212 <217 f.> und Beschlüsse vom 19. August 1997 - 7 B 261.97 - [X.] 310 § 133 VwGO Nr. 26 S. 14, vom 29. März 2017 - 2 [X.] - [X.] 235.1 § 58 [X.] Nr. 13 Rn. 7 f., vom 10. [X.]ezember 2020 - 2 B 6.20 - NVwZ-RR 2021, 469 Rn. 7 f. und vom 30. März 2022 - 2 B 46.21 - [X.] 235.1 § 13 [X.] Nr. 55 Rn. 21).

(2) [X.]iesen Anforderungen genügen die Sachaufklärungsrügen im vorliegenden Fall nicht.

[X.]ies gilt zunächst für die Rüge, das Berufungsgericht habe den dienstpostenbezogenen Konflikt zwischen der Beklagten und [X.] nicht genügend aufgeklärt und dabei insbesondere nicht ermittelt, warum "eine Veränderung der Beziehungen" insbesondere mittels eines Mediationsverfahrens nicht forciert wurde. [X.]ie Beschwerde bezeichnet nicht, welche für geeignet und erforderlich gehaltenen Aufklärungsmaßnahmen für die vermisste Sachaufklärung in Betracht gekommen wären. Außerdem legt sie nicht dar, dass bereits im Berufungsverfahren, insbesondere in der mündlichen Berufungsverhandlung - in der keinerlei Beweisanträge gestellt worden sind -, auf die Sachverhaltsaufklärung, deren Unterlassen nunmehr gerügt wird, hingewirkt worden ist, oder dass sich dem Berufungsgericht die Notwendigkeit der bezeichneten Ermittlungen auch ohne ein solches Hinwirken hätte aufdrängen müssen. Abgesehen davon ist für eine solche freiwillige und eigenverantwortliche konsensuale Konfliktbeilegung ab dem Zeitpunkt kein Raum mehr, in dem zureichende tatsächliche Anhaltspunkte vorliegen, die den Verdacht eines [X.]ienstvergehens rechtfertigen; ab diesem Zeitpunkt muss die dienstvorgesetzte Stelle zum [X.]isziplinarverfahren übergehen, einerseits um den Beamten vor möglichen disziplinaren Rechtsverlusten zu schützen und andererseits die Gesetzmäßigkeit des Verwaltungshandelns durch Wahrung der beamtenrechtlichen [X.]ienstpflichten durchzusetzen (BVerwG, Urteil vom 15. November 2018 - 2 C 60.17 - BVerwGE 163, 356 Rn. 25).

Es gilt außerdem für die [X.], das Berufungsgericht habe die Konzernstruktur und die sich aus den Veränderungen ergebenden Zuständigkeiten und das Bestehen von [X.] der disziplinarisch handelnden Personen nicht ausreichend aufgeklärt. Auch insoweit bezeichnet die Beschwerde weder, welche für geeignet und erforderlich gehaltenen Aufklärungsmaßnahmen für die vermisste Sachaufklärung in Betracht gekommen wären, noch legt sie dar, dass bereits im Berufungsverfahren, insbesondere in der mündlichen Berufungsverhandlung auf die Sachverhaltsaufklärung, deren Unterlassen nunmehr gerügt wird, hingewirkt worden ist, oder dass sich dem Berufungsgericht die Notwendigkeit der bezeichneten Ermittlungen auch ohne ein solches Hinwirken hätte aufdrängen müssen.

cc) Schließlich greift auch die Rüge nicht durch, das Berufungsgericht habe durch einen Verstoß gegen das Gebot umfassender Sachaufklärung und durch eine defizitäre Gesamtwürdigung den Überzeugungsgrundsatz (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO) verletzt.

(1) Gemäß § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. [X.]ie Einhaltung der sich daraus ergebenden verfahrensmäßigen Verpflichtungen ist nicht schon dann in Frage gestellt, wenn ein Beteiligter eine aus seiner Sicht fehlerhafte Verwertung des vorliegenden Tatsachenmaterials rügt, aus dem er andere Schlüsse ziehen will als das angefochtene Urteil. [X.]enn damit wird ein (vermeintlicher) Fehler in der Beweiswürdigung angesprochen. Solche Fehler sind revisionsrechtlich regelmäßig nicht dem Verfahrensrecht, sondern dem sachlichen Recht zuzuordnen und können einen Verfahrensmangel i. S. v. § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO deshalb grundsätzlich nicht begründen.

Eine Ausnahme kommt nur bei Mängeln in Betracht, die allein die Tatsachenfeststellung und nicht auch die Subsumtion unter die materiell-rechtliche Norm betreffen. [X.]erartiges liegt bei einer aktenwidrigen, gegen die [X.]enkgesetze verstoßenden oder sonst von objektiver Willkür geprägten Sachverhaltswürdigung vor, etwa bei denkfehlerhaften, aus Gründen der Logik schlechterdings unmöglichen oder sonst willkürlichen Schlussfolgerungen von Indizien auf Haupttatsachen (stRspr, vgl. etwa BVerwG, Urteil vom 19. Januar 1990 - 4 C 28.89 - BVerwGE 84, 271 <273 f.>; Beschlüsse vom 6. März 2008 - 7 [X.] u. a. - [X.] 310 § 108 Abs. 1 VwGO Nr. 54 Rn. 8 und vom 22. Mai 2008 - 9 B 34.07 - [X.] 442.09 § 18 [X.] Nr. 65 Rn. 22). Ein [X.]enkfehler in diesem Sinne liegt allerdings nicht bereits dann vor, wenn die tatrichterliche Würdigung auch anders hätte ausfallen können. [X.]enkgesetze werden durch Schlussfolgerungen nur dann verletzt, wenn nach dem gegebenen Sachverhalt nur eine einzige Folgerung gezogen werden kann, jede andere Folgerung aus Gründen der Logik schlechterdings unmöglich ist und das Gericht die allein mögliche Folgerung nicht gezogen hat (BVerwG, Beschlüsse vom 18. Februar 1972 - 8 [X.] u. a. - [X.] 310 § 108 VwGO Nr. 62 S. 28, vom 6. März 2008 - 7 [X.] - [X.] 310 § 108 Abs. 1 VwGO Nr. 54 Rn. 8 und vom 11. Juli 2022 - 2 B 31.21 - [X.] 11 Art. 33 Abs. 2 GG Nr. 111 Rn. 24).

Überprüft werden kann auch, ob das Tatsachengericht allgemeine Sachverhalts- und Beweiswürdigungsgrundsätze verletzt hat, etwa ob es gegen das Verbot selektiver Verwertung des Prozessstoffs (BVerwG, Urteil vom 20. März 1990 - 9 C 91.89 - BVerwGE 85, 92 <95> und Beschluss vom 20. August 2003 - 1 [X.] - [X.] 402.25 § 1 AsylVfG Nr. 275 S. 100), ob es gegen das Gebot rationaler, um Objektivität bemühter Beurteilung verstoßen (BVerwG, Beschluss vom 2. November 1995 - 9 [X.] - [X.] 310 § 108 VwGO Nr. 266 S. 20) oder ob es den ihm gezogenen Beurteilungsrahmen überschritten hat, sei es dadurch, dass es von einem zweifelsfrei unrichtigen oder unvollständigen Sachverhalt ausgegangen ist, insbesondere ob es in das Verfahren eingeführte Umstände übergangen hat, deren Entscheidungserheblichkeit sich aufdrängt (BVerwG, Urteile vom 2. Februar 1984 - 6 C 134.81 - BVerwGE 68, 338 <339 f.> und vom 5. Juli 1994 - 9 [X.] - BVerwGE 96, 200 <208 f.>), sei es, dass es gesetzliche Beweisregeln, allgemeine Erfahrungssätze, unumstrittene Geschichtstatsachen oder gar die [X.]enkgesetze missachtet hat (stRspr, vgl. etwa BVerwG, Beschlüsse vom 2. November 1995 - 9 [X.] - [X.] 310 § 108 VwGO Nr. 266 S. 20 und vom 11. Juli 2022 - 2 B 31.21 - [X.] 11 Art. 33 Abs. 2 GG Nr. 111 Rn. 25).

(2) Welche [X.]isziplinarmaßnahme im Einzelfall erforderlich ist, richtet sich gemäß § 13 Abs. 1 Satz 2 bis 4 [X.] nach der Schwere des [X.]ienstvergehens unter angemessener Berücksichtigung der Persönlichkeit des Beamten und des Umfangs der durch das [X.]ienstvergehen herbeigeführten [X.]. [X.]ie sich aus § 13 Abs. 1 Satz 2 bis 4 [X.] ergebenden Bemessungskriterien müssen mit dem ihnen im Einzelfall zukommenden Gewicht ermittelt und in die Entscheidung eingestellt werden. [X.]ieses Erfordernis beruht auf dem im [X.]isziplinarverfahren geltenden Schuldprinzip und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (Übermaßverbot). [X.]ie gegen den Beamten ausgesprochene [X.]isziplinarmaßnahme muss unter Berücksichtigung aller be- und entlastenden Umstände des Einzelfalls in einem gerechten Verhältnis zur Schwere des [X.]ienstvergehens und zum Verschulden des Beamten stehen.

Nach § 13 Abs. 1 Satz 2 [X.] ist die Schwere des [X.]ienstvergehens [X.] für die Bestimmung der erforderlichen [X.]isziplinarmaßnahme. [X.]ies bedeutet, dass das festgestellte [X.]ienstvergehen nach seiner Schwere einer der im Katalog des § 5 [X.] aufgeführten [X.]isziplinarmaßnahme zuzuordnen ist. [X.]avon ausgehend kommt es für die Bestimmung der [X.]isziplinarmaßnahme darauf an, ob Erkenntnisse zum Persönlichkeitsbild des Beamten und zum Umfang der [X.] nach § 13 Abs. 1 Satz 3 und 4 [X.] im Einzelfall derart ins Gewicht fallen, dass eine andere als die durch die Schwere indizierte Maßnahme geboten ist. Je schwerwiegender das [X.]ienstvergehen oder die mit ihm einhergehende [X.] ist, umso gewichtiger müssen die sich aus dem Persönlichkeitsbild ergebenden mildernden Umstände sein, um gleichwohl eine andere Maßnahme zu rechtfertigen. Umgekehrt können Gesichtspunkte des Persönlichkeitsbilds oder eine besondere [X.] die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis rechtfertigen, obwohl diese Maßnahme nach der Schwere des [X.]ienstvergehens für sich genommen nicht indiziert ist (stRspr, vgl. nur BVerwG, Urteil vom 20. April 2023 - 2 A 18.21 - [X.] 2023, 420 Rn. 26 ff. m. w. N.).

(3) [X.]anach ist ein Verfahrensfehler durch einen Verstoß gegen den Überzeugungsgrundsatz (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO) nicht dargetan. [X.]ass von einem Verstoß gegen das Sachaufklärungsgebot nicht ausgegangen werden kann, wurde bereits ausgeführt. Ebenso ist eine einen Verstoß gegen den Überzeugungsgrundsatz darstellende defizitäre Gesamtwürdigung i. S. d. § 13 [X.] nicht dargetan. [X.]as Berufungsgericht hat in einer revisionsrechtlich nicht zu beanstandenden Weise angenommen, dass bezüglich der Beklagten ein endgültiger Vertrauensverlust eingetreten ist. [X.]ie von der Beschwerde angeführten Milderungsgründe können deshalb der Verhängung der [X.] nicht entgegenstehen.

3. [X.]ie Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Einer Festsetzung des Streitwerts für das Beschwerdeverfahren bedarf es nicht, weil sich die Gerichtsgebühr aus dem Gebührenverzeichnis ergibt (Anlage zu § 78 [X.]).

Meta

2 B 43/22

19.12.2023

Bundesverwaltungsgericht 2. Senat

Beschluss

Sachgebiet: B

vorgehend Oberverwaltungsgericht der Freien Hansestadt Bremen, 8. Juni 2022, Az: 3 LD 151/21, Urteil

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 19.12.2023, Az. 2 B 43/22 (REWIS RS 2023, 9784)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2023, 9784

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