Bundesgerichtshof, Urteil vom 22.06.2011, Az. 2 StR 580/10

2. Strafsenat | REWIS RS 2011, 5535

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Gegenstand

Unerlaubte Ausübung der Heilkunde: Generelle Gefährlichkeit der konkreten Tat als Tatbestandsmerkmal


Leitsatz

Unter die strafbewehrte Erlaubnispflicht nach § 1 Abs. 1 HeilprG fallen nur solche Behandlungen, die gesundheitliche Schäden verursachen können. Bei dem Straftatbestand des § 5 HeilprG handelt es sich um ein potentielles Gefährdungsdelikt, bei dem nur eine generelle Gefährlichkeit der konkreten Tat, nicht aber der Eintritt einer konkreten Gefahr zum Tatbestand gehört .

Tenor

1. Die Revision der Angeklagten gegen das Urteil des [X.] vom 15. Juni 2010 wird als unbegründet verworfen.

2. Die Angeklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Von Rechts wegen

Gründe

1

Das [X.] hat die Angeklagte wegen unerlaubter Ausübung der Heilkunde in elf Fällen zu einer Gesamtgeldstrafe von 120 Tagessätzen verurteilt und in weiteren 20 Fällen freigesprochen. Die gegen ihre Verurteilung gerichtete, auf die Sachrüge gestützte Revision der Angeklagten hat keinen Erfolg.

2

I. Nach den Feststellungen des [X.]s führte die Angeklagte in ihrer Wohnung Behandlungen nach der sog. Synergetik-Methode durch. Nach der dieser Methode zugrunde liegenden Lehre lassen sich bei den zu behandelnden Klienten in Tiefenentspannung innere Bilder bearbeiten. Hierdurch sollen unverarbeitete Erlebnisse und Konflikte aufgearbeitet werden und auf [X.] eine Hintergrundauflösung von Krankheiten erfolgen. Um Kunden zu gewinnen, wandte sich die Angeklagte mit einer eigenen Internetseite und mit Flyern u.a. an Menschen mit Ängsten, Depressionen, Traumata und weiteren psychischen Problemen. In ihrem Informationsmaterial erläuterte die Angeklagte zur Methode der Synergetik, dass diese die wirkungsvollsten Aspekte anderer Therapieformen einbeziehe, und nannte beispielhaft neben anderen auch die psychotherapeutische Methode des katathymen [X.]. Bei ihren Therapiesitzungen gelangten die Klienten in einen Zustand hypnoid verminderten Bewusstseins, und sie erlebten [X.], die sie der Angeklagten mit den damit verbundenen Gefühlen beschrieben. Während der mitunter von [X.] begleiteten Behandlung wurden die Klienten teilweise mit belastenden Erinnerungen konfrontiert. Eine Besprechung zwischen der Angeklagten und ihren Klienten über das zuvor Erlebte fand im Einzelnen nicht statt. Für ihre Behandlungen, die sie auch zu Heilzwecken ausüben wollte, besaß die Angeklagte keine Erlaubnis nach dem Heilpraktikergesetz. Sie wusste, dass die Ausübung von Heilkunde erlaubnispflichtig ist, und war darüber informiert, dass aufgrund mehrerer [X.] verschiedener Gesundheitsämter auf [X.] über die Einordnung der [X.] als Ausübung der Heilkunde gestritten wurde. Elf Klienten suchten die Angeklagte mit Krankheiten bzw. Leiden auf, deren Besserung sie sich erhofften. In neun dieser elf der Verurteilung zugrunde liegenden Behandlungsfälle hatten die behandelten Personen psychische Leiden; zwei der behandelten Personen litten unter körperlichen Krankheiten. Bei keiner dieser Personen wurden durch die Behandlung, die einer konfrontativen Psychotherapie entsprach, gesundheitliche Schäden verursacht. Allerdings hat das [X.] in sämtlichen elf Fällen die Gefahr einer unmittelbaren Gesundheitsbeschädigung angenommen.

3

II. Die Nachprüfung des angefochtenen Urteils aufgrund der Sachrüge hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten ergeben. Die rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen tragen den Schuldspruch.

4

1. Gemäß § 5 Abs. 1 [X.] ist strafbar, wer ohne zur Ausübung des ärztlichen Berufs berechtigt zu sein und ohne eine Erlaubnis nach § 1 Abs. 1 [X.] zu besitzen, die Heilkunde ausübt. Ausübung der Heilkunde ist nach der Legaldefinition des § 1 Abs. 2 [X.] jede berufs- oder gewerbsmäßig vorgenommene Tätigkeit zur Feststellung, Heilung oder Linderung von Krankheiten, Leiden oder Körperschäden bei Menschen. Wegen der mit dem Erlaubniszwang verbundenen Beschränkung des Grundrechts der Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) ist nach der ständigen Rechtsprechung des [X.] eine verfassungskonforme einschränkende Auslegung dieses Begriffs geboten; danach fallen nur solche Behandlungen unter die Erlaubnispflicht, die gesundheitliche Schäden verursachen können, wobei nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ein nur geringfügiges Gefahrenmoment nicht ausreicht (vgl. [X.]E 23, 140, 146; 35, 308, 311; [X.], Urteil vom 26. August 2010 - 3 C 28/09, NVwZ-RR 2011, 23, zur Erlaubnispflicht der [X.]). Mit dieser Auslegung, nach der allein das Gefährdungspotential der in Rede stehenden Tätigkeit geeignet ist, die strafbewehrte Erlaubnispflicht nach dem Heilpraktikergesetz auszulösen (vgl. auch [X.], Beschluss vom 2. März 2004 - 1 BvR 784/03, NJW-RR 2004, 705 - "Geistheiler"; Beschluss vom 3. Juni 2004 - 2 BvR 1802/02, NJW 2004, 2890 - "Wunderheiler"), soll deren Gesetzeszweck Rechnung getragen werden, der Bevölkerung einen ausreichenden Schutz gegenüber Gesundheitsgefährdungen durch Unberufene zu geben (vgl. zum Schutzzweck des [X.] auch [X.], Beschluss vom 10. Mai 1988 - 1 BvR 482/84, 1 BvR 1166/85, [X.]E 78, 179, 194; [X.], Beschluss vom 3. Juni 2004 - 2 BvR 1802/02, aaO).

5

Die einschränkende Auslegung des von der primären öffentlich-rechtlichen Verhaltensnorm in § 1 [X.] verwendeten Begriffs "Ausübung der Heilkunde" ist auch für die akzessorische strafrechtliche Beurteilung von Heilbehandlungsfällen nach § 5 [X.] maßgeblich (vgl. [X.], Beschluss vom 3. Juni 2004 - 2 BvR 1802/02, aaO) und wird seit längerem auch in der Rechtsprechung der Strafgerichte vertreten (vgl. [X.], Urteil vom 2. Juni 1981 - 1 [X.], [X.] 1981, 443; BayObLG, [X.] 1982, 474; [X.]-RR 2000, 381; [X.], [X.] 1987, 468; noch offen gelassen von [X.], Urteil vom 13. September 1977 - 1 StR 389/77, NJW 1978, 599). Danach handelt es sich bei dem Straftatbestand des § 5 [X.] im Hinblick auf das Erfordernis nennenswerter mittelbarer oder unmittelbarer Gesundheitsgefährdungen als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal der Erlaubnispflicht nach § 1 Abs. 1 [X.] um ein potentielles Gefährdungsdelikt. Bei dieser Untergruppe der abstrakten Gefährdungsdelikte gehört nur eine generelle Gefährlichkeit der konkreten Tat, nicht aber der Eintritt einer konkreten Gefahr zum Tatbestand (vgl. allgemein zum Typus des potentiellen Gefährdungsdelikts [X.]St 46, 212, 218; [X.], Urteil vom 25. März 1999 - 1 [X.], NJW 1999, 2129; [X.], StGB 58. Aufl., Vor § 13 Rn. 19 mwN; s. auch zur systematischen Einordnung der Gefährdungseignung einer das Leben gefährdenden Behandlung bei § 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB, [X.], aaO, § 224 Rn. 12). Der Tatrichter hat dabei zu prüfen, ob die jeweilige Handlung bei genereller Betrachtung der konkreten Tatumstände gefahrengeeignet ist.

6

Für den Schuldspruch war es in objektiver Hinsicht damit erforderlich und ausreichend, dass die von der Angeklagten angewandte Therapieform nach einer ex ante- Betrachtung in jedem einzelnen Fall geeignet war, die Gesundheit ihrer Patienten nennenswert zu schädigen. Ob sich diese potentielle Gesundheitsgefährdung in einzelnen Fällen konkretisiert oder gar realisiert hatte, war nur für den Strafausspruch bedeutsam.

7

2. Das [X.] ist in den elf der Verurteilung zugrunde liegenden Fällen rechtsfehlerfrei zu dem Ergebnis erlangt, dass die von der Angeklagten bei diesen Patienten jeweils durchgeführte Behandlung als Ausübung der Heilkunde anzusehen ist, bei deren Anwendung eine hinlängliche Wahrscheinlichkeit unmittelbarer Gesundheitsgefahren bestanden hat.

8

a) Die sachverständig beratene [X.] hat die [X.] als eine Art Psychotherapie beurteilt und dies tragfähig damit begründet, dass sie neben suggestiven Elementen, wie sie bei einer Hypnosetherapie oder beim autogenen Training eingesetzt würden, auch psychoanalytische Elemente aufweise, indem abgespaltene Persönlichkeitsanteile bewusst gemacht und so wieder in die Persönlichkeit integriert würden. [X.] sei auch das psychoanalytische und psychotherapeutische Prinzip des [X.] traumatischer Erfahrungen. Die [X.] entspreche vor allem der anerkannten psychotherapeutischen Methode des katathymen [X.]. Dabei nutze der Therapeut Schlummerbilder, wie sie spontan auch in der [X.] auftauchen. Der entspannte Klient werde ermuntert, Bilder auftauchen zu lassen, um unbewusste Konflikte symbolisch aufzuarbeiten.

9

Weiterhin hat die [X.] Psychotherapie zutreffend als Ausübung der Heilkunde i.S.v. § 1 Abs. 2 [X.] angesehen und sich dabei auf die hierzu grundlegende Entscheidung des [X.] (Urteil vom 10. Februar 1983 - 3 C 21/82, [X.], 367 = NJW 1984, 1414) gestützt (vgl. auch [X.], Beschluss vom 10. Mai 1988 - 1 BvR 482/84, 1 BvR 1166/85, [X.]E 78, 179; BayObLG, [X.] 1982, 474). Der danach für psychotherapeutische Tätigkeiten bestehende Erlaubnisvorbehalt nach § 1 Abs. 1 [X.] ist auch durch das Psychotherapeutengesetz vom 16. Juni 1998 nicht entfallen, sondern nur für den durch die [X.] als Psychologischer Psychotherapeut abgedeckten Bereich gegenstandslos geworden. Denn nach der Gesetzesbegründung sollte durch das Psychotherapeutengesetz das im Übrigen unberührt bleibende Heilpraktikergesetz insoweit erweitert werden, als neben Ärzten und Heilpraktikern auch den Angehörigen der neuen psychotherapeutischen Heilberufe eine eigenverantwortliche Ausübung von Heilkunde innerhalb des durch ihre [X.] abgedeckten Bereichs gestattet wurde (vgl. BT-Drucks. 13/8035, [X.] Rn. 15). Ausdrücklich festgehalten wurde in den Gesetzesmaterialien, dass das Verbot der unerlaubten Ausübung der Heilkunde und die Strafvorschrift des § 5 [X.] fortgelten soll, soweit es um heilkundliche Tätigkeiten außerhalb der durch das Psychotherapeutengesetzes geregelten Psychotherapie geht. Danach handelt auch nach Inkrafttreten des Psychotherapeutengesetzes rechtswidrig und macht sich strafbar, wer ohne [X.] als Arzt oder als Psychotherapeut Psychotherapie betreibt, wenn er nicht im Besitz einer Heilpraktikererlaubnis ist (vgl. zur unveränderten Strafbarkeit eines unerlaubt psychotherapeutisch Tätigen auch [X.], Urteil vom 28. November 2002 - 3 C 44/01, DVBl. 2003, 677).

b) Die Feststellung der [X.], dass bei Anwendung der [X.] durch die Angeklagte die erforderliche hinlängliche Wahrscheinlichkeit unmittelbarer Gesundheitsgefährdung bestand (vgl. [X.], 20, 28), ist im Ergebnis in sämtlichen der abgeurteilten Behandlungsfälle nicht zu beanstanden.

aa) Die [X.] hat auf der Grundlage eines Sachverständigengutachtens nachvollziehbar dargelegt, dass die [X.] eine konfrontative Psychotherapie-Methode darstelle, die sich für bestimmte psychisch kranke Menschen nicht eigne. Bei Personen, die sich bereits in einem veränderten Bewusstseinszustand mit verminderter Realitätskontrolle befänden, könne das katathyme Bilderleben, das mit einer solchen Therapie verbunden sei, zur Auslösung regressiver Prozesse und zum Auftreten von Dekompensationen führen. Nach den Ausführungen des Sachverständigen waren in dessen langjähriger Berufspraxis solche Fälle mehrfach aufgetreten.

Zu dem [X.], bei dem eine [X.] kontraindiziert ist, zählen nach den Feststellungen des [X.]s neben Personen, die zunächst Psychopharmaka benötigen, um therapiefähig zu werden, auch Menschen mit (latenten) Psychosen oder Borderlinestörungen. Ob ein Patient zu dem Kreis von Personen zählt, bei dem die Gefahr der Verursachung psychischer Dekompensationen besteht, lässt sich jedenfalls ohne entsprechende medizinische bzw. psychotherapeutische Kenntnisse nicht zuverlässig beurteilen. Es mag zwar sein, dass etwa auch eine Befragung des Patienten durch eine insoweit nicht ausgebildete Person, etwa zur Krankheitsvorgeschichte und zu eingenommenen Medikamenten, Aufschlüsse über gewisse Kontraindizierungen geben kann. Es liegt aber auf der Hand, dass dadurch allein nicht alle eine Behandlung ausschließenden Krankheitsbilder aufgespürt werden könnten, die wie (latente) Psychosen oder auch Borderlinestörungen für einen Laien nicht ohne Weiteres erkennbar sind. Insoweit stellt schon - unabhängig davon, ob es sich bei dem zu behandelnden Patienten um eine Person handelt, bei der tatsächlich ein solches Risiko besteht - die Gefahr des Nichterkennens einer das katathyme Bilderleben kontraindizierenden psychischen Krankheit und die daran anschließende unmittelbare Verursachung einer psychischen Dekompensation ein nennenswertes potentielles Risiko bei der Anwendung dieser oder einer damit vergleichbaren psychotherapeutischen Methode dar. Diese Gefahr lässt sich nur ausräumen, wenn die Behandlung durch einen Therapeuten durchgeführt wird, der über eine entsprechende ärztliche oder psychotherapeutische Qualifikation oder über eine Ausbildung nach dem Heilpraktikergesetz verfügt (s. dazu näher unten II. 3.). Nur dann ist entsprechend dem Schutzzweck des Gesetzes, der Bevölkerung einen ausreichenden Schutz vor Gesundheitsgefährdungen durch Unberufene zu geben, gewährleistet, dass die Therapie nur zur Anwendung kommt, wenn das Vorliegen relevanter psychischer Vorerkrankungen ausgeschlossen ist. Da die Angeklagte, die im Übrigen keine ausführlichen Vorgespräche mit ihren Patienten führte und insoweit nicht einmal bemüht war, deren Krankheitsvorgeschichte aufzuklären, über eine entsprechende Qualifikation nicht verfügte, war danach in sämtlichen Behandlungsfällen die erforderliche unmittelbare Gesundheitsgefährdung gegeben, ohne dass es auf das Vorliegen einschlägiger Krankheiten im Einzelfall noch ankäme.

bb) Soweit das [X.] darüber hinaus bei der von der Angeklagten durchgeführten Behandlungsmethode einer sog. "[X.]" die weitere Gefahr gesehen hat, dass der Patient tiefer in einen regressiven Zustand verfalle und dies nachteilige gesundheitliche Folgen habe, wenn die durch die [X.] ausgelösten regressiven Prozesse nicht in einem Gespräch verarbeitet würden ([X.], 23), kommt es darauf für die Strafbarkeit der Angeklagten konstitutiv nicht mehr an. Auch insoweit wohnte allerdings ihrer Behandlung, an deren Ende keine nachbereitende Besprechung über das zuvor Erlebte stand, die Eignung inne, gesundheitliche Schädigungen hervorzurufen. Dabei besteht die Gefahr einer Vertiefung regressiver Prozesse nicht nur beim Wiedererleben traumatischer Erlebnisse (wie in den Fällen [X.] und II. 6 der Urteilsgründe), sondern auch hinsichtlich des psychoanalytischen Elements der Konfrontation, die sich nach den Feststellungen des [X.]s auf die Vorstellung innerer Bilder bezieht ([X.], 20), mit denen abgespaltene Persönlichkeitsbilder bewusst gemacht werden sollen. Danach kann die Methode des Bildererlebens auch ohne das Wiedererleben eines Traumas regressive Prozesse auslösen, die in jedem Fall gesprächsweise verarbeitet werden müssen, um unmittelbare Gesundheitsgefahren zu vermeiden. Dabei liegt es im Übrigen - obwohl sich die Kammer dazu nicht verhält - nahe, dass ein solches Gespräch auch nur von einem Therapeuten durchgeführt werden kann, der über eine entsprechende Ausbildung verfügt.

3. Der Einwand der Revision, dass eine Erlaubnispflicht hier unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des [X.] zur Heilbehandlung von Geist- bzw. Wunderheilern durch Handauflegen (vgl. [X.], Beschluss vom 2. März 2004 - 1 BvR 784/03, NJW-RR 2004, 705 - "Geistheiler"; Beschluss vom 3. Juni 2004 - 2 BvR 1802/02, NJW 2004, 2890 - "Wunderheiler") unverhältnismäßig sei, da einer Gesundheitsgefahr auch durch gewerberechtliche Auflagen, die lediglich die Behandlung bestimmter, mit Gesundheitsgefahren verbundener Vorerkrankungen ausschließt, begegnet werden könne, verfängt nicht. Einerseits sind die in Rede stehenden Fälle des Handauflegens eines Wunderheilers, dessen spirituell wirkende und auf rituelle Heilung zielende Tätigkeit das [X.] lediglich unter dem Gesichtspunkt mittelbarer Gesundheitsgefährdung durch Verzögerung ärztlicher Hilfe zu prüfen hatte, nicht mit den hier zu beurteilenden Fällen einer psychotherapeutischen Behandlung vergleichbar; denn von der Behandlungsmethode der Angeklagten gehen die beschriebenen unmittelbaren Gefahren aus und die ihr zugrunde liegende Lehre erhebt nach den Feststellungen des [X.]s den Anspruch, eine alternative, naturwissenschaftlich begründete Therapieform neben schulmedizinischer Behandlung von Krankheiten zu sein. Zum anderen würde eine gewerberechtliche Untersagung von Behandlungen bestimmter Vorerkrankungen deren Erkennung voraussetzen, die entsprechende medizinische bzw. psychologische Kenntnisse erfordern würde. Die erforderlichen Grundkenntnisse, ob eine Heilmethode gefahrlos angewendet werden kann oder die Grenzen der Fähigkeiten des Anwenders überschritten sind, werden neben der nötigen charakterlichen Zuverlässigkeit gerade durch die Überprüfung vor Erteilung einer Heilpraktikererlaubnis sichergestellt. Nach § 2 Abs. 1 Buchst. i der [X.] zum Heilpraktikergesetz (zuletzt geändert durch Verordnung vom 4. Dezember 2002, [X.] I S. 4456) wird die Heilpraktikererlaubnis nicht erteilt, wenn sich aus einer Überprüfung der Kenntnisse und Fähigkeiten des Antragstellers durch das Gesundheitsamt ergibt, dass die Ausübung der Heilkunde durch den Betreffenden eine Gefahr für die Gesundheit der Bevölkerung bedeuten würde. Dabei sind Grundkenntnisse von psychischen Krankheiten, die für deren Diagnose und Therapie erforderlich sind, Gegenstand sowohl einer allgemeinen als auch einer auf das Gebiet der Psychotherapie beschränkten Überprüfung (vgl. etwa Ziff. 6, 7 und 8.2 der Richtlinien des [X.]. [X.] zur Durchführung des [X.] vom 11. Juli 2007, [X.]. [X.]. 2007, S. 1495). Dementsprechend ist auch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren über mehrere Untersagungsbescheide, mit denen u.a. dem Begründer der die selbständige Ausübung der [X.] als unerlaubte Ausübung der Heilkunde untersagt worden war, diese Einordnung als verhältnismäßiger Eingriff in die Berufsfreiheit angesehen worden, da kein gleich geeignetes milderes Mittel ersichtlich sei ([X.], Urteil vom 26. August 2010 - 3 C 28/09, NVwZ-RR 2011, 23). Dass weitergehende Kenntnisse und Fähigkeiten durch eine erfolgreiche Ausbildung nach der Bundesärzteordnung oder dem Psychotherapeutengesetz erlangt werden können, macht die Erlaubnispflicht nach dem Heilpraktikergesetz nicht ungeeignet. Der strafbewehrte Erlaubnisvorbehalt ist jedenfalls geeignet, die vom [X.] festgestellten von der Synergetik-Methode ausgehenden Gefahren zu verringern (vgl. auch [X.], Urteil vom 26. August 2010, aaO).

4. Keinen durchgreifenden Bedenken begegnet schließlich die von der Revision gerügte Annahme des [X.]s, dass die Angeklagte vorsätzlich gehandelt habe. Zwar hat die [X.] bei ihren diesbezüglichen Ausführungen nicht ausdrücklich festgestellt, dass sich der bedingte Vorsatz der Angeklagten, wie es die Einstufung des Straftatbestands des § 5 [X.] als potentielles Gefährdungsdelikt erfordert, auch auf die Eignung der [X.] bezog, bei Menschen mit psychischen Leiden gesundheitliche Schäden hervorzurufen. Die Angeklagte kannte nach den Feststellungen jedoch sämtliche tatsächlichen Umstände, aus denen sich die potentielle Gesundheitsgefährdung ihrer Patienten ergab. Die Gefährdungseignung, die mit der von ihr angewendeten Methode verbunden war, liegt hier auf der Hand. Es erscheint auch aus der [X.] einsichtig, dass die bei ihrer Behandlung beabsichtigte "[X.]" und die damit verbundene Konfrontation mit unverarbeiteten Erlebnissen und Konflikten auch wegen der hierdurch mitunter ausgelösten Affektzustände insbesondere für Menschen mit schweren psychischen Erkrankungen gefährlich sein können (vgl. auch [X.], Urteil vom 26. August 2010, aaO), die entstehenden regressiven Prozesse aber auch schon bei Patienten mit sonstigen Leiden die Gesundheit gefährden können. Diese Einsicht lag für die Angeklagte umso näher, als ihr nach den Feststellungen des [X.]s die [X.] verschiedener Gesundheitsämter bekannt waren, sie sich als Mitglied des [X.] aktiv am Kampf gegen eine Untersagung der [X.] beteiligte und an Diskussionen um die Erforderlichkeit einer Heilpraktikererlaubnis teilnahm ([X.], 7, 15). Einer näheren Erörterung, dass die Angeklagte das Gefährdungspotential ihrer Behandlungsmethode, das deren Erlaubnispflicht nach § 1 Abs. 1 [X.] begründete, billigend in Kauf nahm, bedurfte es daher nicht.

[X.]                                     Schmitt                                   Berger

                       Krehl                                   Eschelbach

Meta

2 StR 580/10

22.06.2011

Bundesgerichtshof 2. Strafsenat

Urteil

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Frankfurt, 15. Juni 2010, Az: 5/26 KLs 2/10, Urteil

§ 1 Abs 1 HeilprG, § 5 HeilprG

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 22.06.2011, Az. 2 StR 580/10 (REWIS RS 2011, 5535)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 5535

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