Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 22.06.2011, Az. 2 StR 580/10

2. Strafsenat | REWIS RS 2011, 5560

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Entscheidungstext


Formatierung

Dieses Urteil liegt noch nicht ordentlich formatiert vor. Bitte nutzen Sie das PDF für eine ordentliche Formatierung.

PDF anzeigen


BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL
2 StR 580/10
vom
22. Juni 2011
Nachschlagewerk: ja
[X.]R: ja
[X.]St: nein
Veröffentlichung: ja

[X.] §
5

Unter die strafbewehrte Erlaubnispflicht nach §
1 Abs.
1 [X.] fallen nur
solche Behandlungen, die gesundheitliche Schäden verursachen können. Bei dem Straftatbestand des §
5 [X.] handelt es sich um ein potentielles [X.], bei dem nur eine generelle Gefährlichkeit der konkreten Tat, nicht aber der [X.] einer konkreten Gefahr zum Tatbestand gehört.

[X.], Urteil vom 22.
Juni 2011 -
2
StR
580/10
-
[X.] [X.]

in der Strafsache
gegen

wegen
unerlaubter Ausübung der Heilkunde

-
2
-
Der 2.
Strafsenat des [X.] hat in der Sitzung vom 22.
Juni 2011, an der teilgenommen haben:
[X.] am [X.] Prof. Dr. [X.]
als Vorsitzender

und die [X.] am [X.]
Prof. [X.],
[X.],
Prof. Dr. [X.],
[X.],

[X.]in am Amtsgericht

als Vertreterin
der Bundesanwaltschaft,

Rechtsanwalt

als Verteidiger,

Justizangestellte

als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:

-
3
-
1.
Die Revision der Angeklagten gegen das Urteil des Land-gerichts [X.] vom 15.
Juni 2010 wird als unbe-gründet verworfen.
2.
Die Angeklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Von Rechts wegen

Gründe:
Das [X.] hat die Angeklagte wegen unerlaubter Ausübung der Heilkunde in elf Fällen zu einer Gesamtgeldstrafe von 120 Tagessätzen verur-teilt und in weiteren 20 Fällen freigesprochen. Die gegen ihre Verurteilung ge-richtete, auf die Sachrüge gestützte Revision der Angeklagten hat
keinen [X.].
[X.] Nach den Feststellungen des [X.]s führte die Angeklagte in ih-rer Wohnung Behandlungen nach der sog. Synergetik-Methode durch. Nach der dieser Methode zugrunde liegenden Lehre lassen sich bei den zu [X.] Klienten in Tiefenentspannung innere Bilder bearbeiten. Hierdurch [X.] unverarbeitete Erlebnisse und Konflikte aufgearbeitet werden und auf [X.] eine Hintergrundauflösung von Krankheiten erfolgen.
Um Kun-den zu gewinnen,
wandte sich die Angeklagte mit einer eigenen Internetseite und mit Flyern u.a. an Menschen mit Ängsten, Depressionen, Traumata und weiteren psychischen Problemen. In ihrem Informationsmaterial erläuterte die Angeklagte zur Methode der Synergetik, dass diese die wirkungsvollsten As-pekte anderer Therapieformen einbeziehe, und nannte beispielhaft neben an-1
2
-
4
-
deren auch die psychotherapeutische Methode des katathymen [X.]. Bei ihren Therapiesitzungen gelangten die Klienten in einen Zustand hypnoid verminderten Bewusstseins,
und sie erlebten [X.], die sie der [X.] mit den damit verbundenen
Gefühlen beschrieben. Während der mitunter von [X.] begleiteten Behandlung wurden die Klienten teil-weise mit belastenden Erinnerungen konfrontiert. Eine Besprechung zwischen der Angeklagten und ihren Klienten über das zuvor Erlebte fand im Einzelnen nicht statt. Für ihre Behandlungen, die sie auch zu Heilzwecken ausüben [X.], besaß die Angeklagte keine Erlaubnis nach dem Heilpraktikergesetz. Sie wusste, dass die Ausübung von Heilkunde erlaubnispflichtig ist, und war [X.] informiert, dass aufgrund mehrerer [X.] verschiedener Gesundheitsämter auf [X.] über die Einordnung der [X.] als Ausübung der Heilkunde gestritten wurde. Elf Klienten suchten die Angeklagte mit Krankheiten bzw. [X.] auf, deren Besserung sie sich erhofften. In neun dieser elf der Verurteilung zugrunde liegenden Behand-lungsfälle hatten die behandelten Personen psychische [X.]; zwei der be-handelten Personen litten unter körperlichen Krankheiten. Bei keiner dieser Personen wurden
durch die Behandlung, die einer konfrontativen Psychothera-pie entsprach, gesundheitliche Schäden verursacht. Allerdings hat das [X.] in sämtlichen elf Fällen die
Gefahr einer
unmittelbaren Gesundheitsbe-schädigung
angenommen.
I[X.] Die Nachprüfung des angefochtenen Urteils aufgrund der Sachrüge hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten ergeben. Die rechtsfeh-lerfrei getroffenen Feststellungen tragen
den
Schuldspruch.

1. Gemäß §
5 Abs.
1 [X.] ist strafbar, wer ohne zur Ausübung des ärztlichen Berufs berechtigt zu sein und ohne eine Erlaubnis nach §
1 Abs.
1 [X.] zu besitzen, die Heilkunde ausübt. Ausübung der Heilkunde ist nach der Legaldefinition des §
1 Abs.
2 [X.] jede berufs-
oder gewerbsmäßig vorgenommene Tätigkeit zur Feststellung, Heilung oder Linderung von Krank-3
4
-
5
-
heiten, [X.] oder Körperschäden
bei Menschen. Wegen der mit dem Erlaub-niszwang verbundenen Beschränkung des
Grundrechts
der Berufsfreiheit (Art.
12 Abs.
1 GG) ist nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwal-tungsgerichts eine verfassungskonforme einschränkende Auslegung dieses Begriffs geboten;
danach fallen nur solche Behandlungen
unter die [X.], die gesundheitliche Schäden
verursachen können,
wobei nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ein nur geringfügiges Gefahrenmoment nicht ausreicht
(vgl. [X.]E 23, 140, 146; 35,
308, 311; [X.], Urteil vom 26.
August 2010 -
3 C 28/09, NVwZ-RR
2011, 23, zur Erlaubnispflicht der
[X.]). Mit dieser Auslegung, nach der allein das Gefährdungs-potential der in Rede stehenden Tätigkeit geeignet ist, die strafbewehrte [X.] nach dem Heilpraktikergesetz auszulösen
(vgl. auch [X.], [X.] vom 2.
März 2004 -
1
BvR 784/03, NJW-RR 2004, 705
-
"Geistheiler"; Beschluss vom 3.
Juni 2004 -
2 BvR 1802/02, NJW 2004, 2890
-
"Wunder-heiler"),
soll deren
Gesetzeszweck
Rechnung getragen werden, der Bevölke-rung einen ausreichenden Schutz gegenüber Gesundheitsgefährdungen durch Unberufene zu geben (vgl. zum Schutzzweck des [X.] auch [X.], Beschluss vom 10.
Mai 1988 -
1 [X.], 1 BvR 1166/85,
[X.]E 78, 179, 194; [X.], Beschluss vom 3.
Juni 2004 -
2 BvR 1802/02, aaO).
Die einschränkende Auslegung des von der primären öffentlich-rechtlichen Verhaltensnorm in §
1 [X.] verwendeten Begriffs "Ausübung
der Heilkunde"
ist auch für die akzessorische strafrechtliche Beurteilung von Heilbehandlungsfällen nach §
5 [X.] maßgeblich (vgl. [X.], Beschluss
vom 3.
Juni 2004 -
2 BvR 1802/02, aaO)
und wird seit längerem auch
in der Rechtsprechung der Strafgerichte vertreten (vgl. [X.], Urteil vom 2.
Juni 1981 -
1 [X.], [X.] 1981, 443; BayObLG, [X.] 1982, 474; [X.]-RR 2000, 381; [X.], [X.] 1987, 468; noch offen gelassen von [X.], Urteil vom 13.
September 1977 -
1
StR 389/77, NJW 1978, 599). Danach handelt es sich bei dem Straftatbestand des §
5 [X.] im Hinblick auf das Erfordernis [X.]
-
6
-
nenswerter mittelbarer oder unmittelbarer Gesundheitsgefährdungen
als unge-schriebenes Tatbestandsmerkmal der Erlaubnispflicht nach
§
1 Abs.
1
[X.] um ein potentielles Gefährdungsdelikt. Bei dieser Untergruppe der abstrakten Gefährdungsdelikte gehört nur eine generelle Gefährlichkeit der konkreten Tat, nicht aber der Eintritt einer konkreten Gefahr zum Tatbestand (vgl. allgemein zum Typus des potentiellen Gefährdungsdelikts [X.]St 46, 212, 218; [X.], Urteil vom 25.
März 1999 -
1 [X.], NJW 1999,
2129; [X.], StGB 58.
Aufl., Vor §
13 Rn. 19
mwN; s. auch zur systematischen Einordnung der Gefährdungseignung einer das Leben gefährdenden Behandlung bei §
224 Abs.
1 Nr.
5 StGB,
[X.], aaO, §
224 Rn.
12). Der Tatrichter hat dabei zu [X.], ob die jeweilige Handlung bei genereller Betrachtung der konkreten [X.] gefahrengeeignet ist.
Für den Schuldspruch war es in objektiver Hinsicht damit erforderlich und ausreichend, dass die von der Angeklagten angewandte Therapieform
nach einer ex ante-
Betrachtung in jedem einzelnen Fall geeignet war, die Ge-sundheit ihrer Patienten nennenswert zu schädigen. Ob sich diese potentielle Gesundheitsgefährdung in einzelnen Fällen konkretisiert oder gar realisiert [X.], war nur für den Strafausspruch bedeutsam.
2. Das [X.] ist in den elf der Verurteilung zugrunde liegenden Fällen rechtsfehlerfrei zu dem Ergebnis erlangt, dass die von der Angeklagten bei diesen Patienten jeweils durchgeführte
Behandlung
als Ausübung der Heil-kunde anzusehen ist, bei deren Anwendung eine hinlängliche Wahrscheinlich-keit unmittelbarer Gesundheitsgefahren
bestanden hat.
a) Die sachverständig beratene [X.] hat die [X.] als eine Art Psychotherapie
beurteilt und dies tragfähig
damit begrün-det, dass sie neben suggestiven Elementen, wie sie bei einer Hypnosetherapie oder beim autogenen Training eingesetzt würden, auch psychoanalytische Elemente aufweise, indem abgespaltene Persönlichkeitsanteile bewusst ge-6
7
8
-
7
-
macht und so wieder in die Persönlichkeit integriert würden. [X.] sei auch das psychoanalytische und psychotherapeutische Prinzip des Wiederer-lebens traumatischer Erfahrungen. Die [X.] entspreche vor allem der anerkannten psychotherapeutischen Methode des katathymen [X.]. Dabei nutze der Therapeut Schlummerbilder, wie sie spontan auch in der [X.] auftauchen. Der entspannte Klient werde ermuntert, Bilder auftauchen zu lassen, um unbewusste Konflikte symbolisch aufzuarbeiten.
Weiterhin hat die [X.] Psychotherapie zutreffend als Ausübung der Heilkunde i.S.v. §
1 Abs.
2 [X.] angesehen und sich dabei auf
die hier-zu
grundlegende Entscheidung des [X.] (Urteil vom 10.
Februar 1983 -
3 C 21/82, [X.], 367 = NJW 1984, 1414) gestützt
(vgl.
auch [X.], Beschluss vom
10.
Mai 1988
-
1 [X.], 1
BvR 1166/85, [X.]E 78, 179; BayObLG, [X.] 1982, 474).
Der danach für psy-chotherapeutische Tätigkeiten bestehende Erlaubnisvorbehalt nach §
1 Abs.
1 [X.] ist auch durch das Psychotherapeutengesetz vom 16.
Juni 1998 nicht entfallen, sondern
nur für den durch die [X.] als Psychologischer Psy-chotherapeut abgedeckten Bereich
gegenstandslos geworden. Denn nach der Gesetzesbegründung sollte durch das Psychotherapeutengesetz das im Übri-gen unberührt bleibende Heilpraktikergesetz insoweit erweitert werden, als ne-ben Ärzten und Heilpraktikern auch den Angehörigen der neuen psychothera-peutischen Heilberufe eine eigenverantwortliche Ausübung von Heilkunde in-nerhalb des durch ihre [X.] abgedeckten Bereichs gestattet wurde
(vgl. BT-Drucks. 13/8035, S.
15 Rn.
15). Ausdrücklich festgehalten wurde in den Gesetzesmaterialien, dass das Verbot der unerlaubten Ausübung der [X.] und die Strafvorschrift des §
5 [X.] fortgelten
soll, soweit es um heilkund-liche Tätigkeiten außerhalb der durch das Psychotherapeutengesetzes geregel-ten Psychotherapie geht. Danach handelt auch nach Inkrafttreten des [X.] rechtswidrig und macht sich strafbar, wer ohne Approba-tion als Arzt oder als Psychotherapeut Psychotherapie betreibt, wenn er nicht 9
-
8
-
im Besitz einer Heilpraktikererlaubnis ist (vgl. zur unveränderten Strafbarkeit eines unerlaubt psychotherapeutisch Tätigen auch [X.], Urteil vom
28.
November 2002
-
3 C 44/01, DVBl. 2003, 677).

b) Die Feststellung der [X.], dass bei Anwendung der Syner-getik-Therapie durch die Angeklagte die erforderliche hinlängliche Wahrschein-lichkeit unmittelbarer Gesundheitsgefährdung bestand (vgl. [X.], 20, 28), ist im Ergebnis in sämtlichen der abgeurteilten Behandlungsfälle nicht zu bean-standen.
aa) Die [X.] hat auf der Grundlage eines Sachverständigengut-achtens nachvollziehbar dargelegt, dass die [X.] eine [X.] Psychotherapie-Methode darstelle, die sich für bestimmte psychisch kranke Menschen nicht eigne. Bei Personen, die sich bereits in einem verän-derten Bewusstseinszustand
mit verminderter Realitätskontrolle befänden, könne das katathyme Bilderleben, das mit einer solchen Therapie verbunden sei, zur Auslösung regressiver Prozesse und zum Auftreten von Dekompensa-tionen führen. Nach den
Ausführungen des Sachverständigen waren in dessen langjähriger Berufspraxis solche Fälle mehrfach aufgetreten.
Zu dem [X.], bei dem eine [X.] kontraindiziert ist, zählen nach den Feststellungen des [X.]s neben Personen,
die [X.] Psychopharmaka benötigen, um therapiefähig zu werden, auch Men-schen mit (latenten) Psychosen oder [X.]. Ob ein Patient zu dem Kreis von Personen zählt, bei dem die Gefahr der Verursachung [X.] Dekompensationen besteht, lässt sich jedenfalls ohne entsprechende medizinische bzw. psychotherapeutische Kenntnisse nicht zuverlässig beurtei-len. Es mag zwar sein, dass etwa auch eine Befragung des Patienten durch eine insoweit nicht ausgebildete Person, etwa zur Krankheitsvorgeschichte und zu eingenommenen Medikamenten, Aufschlüsse über gewisse Kontraindizie-rungen geben kann. Es liegt aber auf der Hand, dass dadurch allein nicht alle 10
11
12
-
9
-
eine Behandlung ausschließenden Krankheitsbilder aufgespürt werden könn-ten, die wie (latente) Psychosen
oder auch [X.] für einen Laien nicht ohne Weiteres
erkennbar sind. Insoweit stellt schon -
unabhängig davon, ob es sich bei dem
zu behandelnden Patienten
um eine Person handelt, bei der tatsächlich ein solches Risiko besteht
-
die Gefahr des Nichterkennens einer das katathyme Bilderleben kontraindizierenden psychischen Krankheit und die daran anschließende unmittelbare Verursachung einer psychischen Dekom-pensation ein nennenswertes potentielles Risiko bei der Anwendung dieser
oder einer
damit vergleichbaren psychotherapeutischen Methode dar. Diese Gefahr lässt sich nur ausräumen, wenn die Behandlung durch einen Therapeu-ten durchgeführt wird, der über eine entsprechende ärztliche oder psychothera-peutische Qualifikation oder über eine Ausbildung nach dem Heilpraktikerge-setz verfügt (s.
dazu näher unten I[X.]
3.). Nur dann ist entsprechend dem Schutzzweck des Gesetzes, der Bevölkerung einen ausreichenden Schutz vor Gesundheitsgefährdungen durch Unberufene zu geben, gewährleistet, dass die Therapie nur zur Anwendung kommt, wenn das Vorliegen relevanter [X.] Vorerkrankungen ausgeschlossen ist. Da die Angeklagte, die im Übrigen keine ausführlichen Vorgespräche mit ihren Patienten führte und insoweit nicht einmal bemüht war, deren Krankheitsvorgeschichte aufzuklären, über eine ent-sprechende Qualifikation nicht verfügte, war danach in sämtlichen Behand-lungsfällen die erforderliche unmittelbare Gesundheitsgefährdung gegeben, ohne dass es auf das Vorliegen einschlägiger Krankheiten im Einzelfall
noch ankäme.
bb) Soweit das [X.] darüber hinaus bei der von der Angeklagten durchgeführten Behandlungsmethode einer sog. "Innenweltreise"
die weitere Gefahr gesehen hat, dass der Patient tiefer in einen regressiven Zustand verfal-le und dies nachteilige gesundheitliche Folgen habe, wenn die durch die
[X.] ausgelösten regressiven Prozesse nicht in einem [X.] verarbeitet würden ([X.], 23), kommt es darauf für die Strafbarkeit 13
-
10
-
der Angeklagten konstitutiv nicht mehr an.
Auch insoweit wohnte allerdings ih-rer Behandlung, an deren Ende keine nachbereitende Besprechung über das zuvor Erlebte stand, die Eignung inne, gesundheitliche Schädigungen hervorzu-rufen. Dabei besteht die Gefahr einer Vertiefung regressiver Prozesse nicht nur beim Wiedererleben traumatischer Erlebnisse (wie in den Fällen I[X.] 5 und I[X.]
6 der Urteilsgründe), sondern auch hinsichtlich des psychoanalytischen Elements der Konfrontation, die sich nach den Feststellungen des [X.]s auf die Vorstellung innerer Bilder bezieht ([X.], 20), mit denen abgespaltene [X.] bewusst gemacht werden sollen. Danach kann die Methode des Bildererlebens auch ohne das Wiedererleben eines Traumas regressive Prozesse auslösen, die in jedem Fall gesprächsweise verarbeitet werden müs-sen, um unmittelbare Gesundheitsgefahren zu vermeiden. Dabei liegt es im Übrigen -
obwohl sich
die Kammer dazu nicht verhält
-
nahe, dass ein solches Gespräch auch nur von einem Therapeuten durchgeführt werden kann, der über eine entsprechende Ausbildung verfügt.
3. Der Einwand der Revision, dass eine Erlaubnispflicht hier unter Be-rücksichtigung der Rechtsprechung des [X.] zur Heil-behandlung von Geist-
bzw. Wunderheilern durch Handauflegen (vgl. [X.], Beschluss vom
2.
März 2004 -
1 BvR 784/03, NJW-RR 2004, 705
-
"Geist-heiler"; Beschluss vom 3.
Juni 2004 -
2 BvR 1802/02, NJW 2004, 2890
-

"Wunderheiler") unverhältnismäßig sei, da einer Gesundheitsgefahr auch durch gewerberechtliche Auflagen, die lediglich
die
Behandlung bestimmter,
mit Ge-sundheitsgefahren verbundener Vorerkrankungen ausschließt,
begegnet wer-den könne, verfängt nicht.
Einerseits sind die in Rede stehenden Fälle des Handauflegens eines Wunderheilers, dessen spirituell wirkende und auf rituelle Heilung zielende Tätigkeit das [X.] lediglich unter dem Gesichtspunkt mittelbarer Gesundheitsgefährdung
durch Verzögerung [X.] Hilfe zu prüfen hatte, nicht mit den hier zu beurteilenden Fällen einer psy-chotherapeutischen
Behandlung vergleichbar;
denn von der [X.]
-
11
-
thode der Angeklagten gehen
die beschriebenen unmittelbaren Gefahren aus und die ihr zugrunde liegende Lehre
erhebt nach den Feststellungen des Land-gerichts den Anspruch, eine alternative, naturwissenschaftlich begründete [X.] neben schulmedizinischer Behandlung von Krankheiten zu sein.
Zum anderen würde eine gewerberechtliche Untersagung von Behandlungen [X.] Vorerkrankungen deren Erkennung voraussetzen, die entsprechende medizinische bzw. psychologische Kenntnisse erfordern würde. Die erforderli-chen Grundkenntnisse, ob eine Heilmethode gefahrlos angewendet werden kann oder die Grenzen der Fähigkeiten des Anwenders überschritten sind, werden neben der nötigen charakterlichen Zuverlässigkeit gerade durch die Überprüfung vor Erteilung einer Heilpraktikererlaubnis sichergestellt. Nach §
2 Abs.
1 Buchst.
i der [X.] zum Heilpraktikergesetz (zuletzt geändert durch Verordnung vom 4.
Dezember 2002, BGBl.
I S.
4456) wird die Heilpraktikererlaubnis nicht erteilt, wenn sich aus einer Überprüfung der Kenntnisse und Fähigkeiten des Antragstellers durch das Gesundheitsamt ergibt, dass die Ausübung der Heilkunde durch den Betreffenden eine Gefahr für die Gesundheit der Bevölkerung bedeuten würde. Dabei
sind
Grundkennt-nisse von psychischen Krankheiten, die für deren
Diagnose und Therapie er-forderlich
sind,
Gegenstand
sowohl einer allgemeinen
als auch einer auf das Gebiet der Psychotherapie beschränkten Überprüfung
(vgl. etwa Ziff. 6, 7 und 8.2 der Richtlinien des [X.]. [X.] zur Durchführung des [X.] vom 11.
Juli 2007, [X.]. StAnz.
2007, S.
1495). Dementsprechend ist
auch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren über mehrere Untersagungsbescheide, mit denen u.a. dem Begründer der die selbständige Ausübung der [X.] als unerlaubte Ausübung der Heilkunde untersagt worden war, diese Einordnung als verhältnismäßiger
Eingriff in die Berufsfreiheit angesehen
wor-den, da
kein gleich geeignetes milderes Mittel ersichtlich
sei ([X.], Urteil vom 26.
August 2010 -
3 C 28/09, NVwZ-RR
2011, 23). Dass weitergehende Kenntnisse und Fähigkeiten durch eine erfolgreiche Ausbildung nach der [X.] oder dem Psychotherapeutengesetz erlangt werden können, -
12
-
macht die Erlaubnispflicht nach dem Heilpraktikergesetz nicht ungeeignet.
Der strafbewehrte Erlaubnisvorbehalt ist jedenfalls geeignet, die
vom [X.] festgestellten
von der Synergetik-Methode ausgehenden Gefahren zu verrin-gern
(vgl. auch [X.], Urteil vom 26.
August 2010, aaO).
4. Keinen durchgreifenden Bedenken begegnet schließlich die von der Revision gerügte Annahme des [X.]s, dass die Angeklagte vorsätzlich gehandelt habe. Zwar hat die [X.] bei ihren diesbezüglichen Ausfüh-rungen nicht ausdrücklich festgestellt, dass sich der bedingte Vorsatz der [X.], wie es die Einstufung des Straftatbestands des §
5 [X.] als
potentielles Gefährdungsdelikt erfordert, auch auf die Eignung der [X.] bezog, bei Menschen mit psychischen [X.] gesundheitliche
Schä-den hervorzurufen. Die Angeklagte kannte nach den Feststellungen jedoch sämtliche tatsächlichen Umstände, aus denen sich die potentielle [X.] ihrer Patienten ergab. Die Gefährdungseignung, die
mit der von ihr
angewendeten Methode verbunden
war,
liegt
hier auf der Hand. Es [X.] auch
aus der [X.] einsichtig, dass die bei ihrer Behandlung be-absichtigte "Innenweltreise"
und
die damit verbundene Konfrontation mit unver-arbeiteten Erlebnissen und Konflikten auch wegen der hierdurch mitunter [X.] insbesondere für Menschen mit schweren
psychischen Erkrankungen gefährlich sein können
(vgl. auch [X.], Urteil vom 26.
August 2010, aaO), die entstehenden
regressiven Prozesse aber auch schon bei Pati-enten mit sonstigen [X.] die Gesundheit gefährden können.
Diese Einsicht
lag
für die Angeklagte umso näher, als ihr nach den Feststellungen des Land-gerichts die [X.] verschiedener Gesundheitsämter bekannt waren, sie sich als Mitglied des [X.] aktiv am Kampf gegen eine Untersagung der [X.] beteiligte und an
Diskussionen um die Erforderlichkeit einer Heilpraktikererlaubnis teilnahm
(UA
S.
5, 7, 15).
Einer näheren Erörterung, dass die Angeklagte das Gefähr-15
-
13
-
dungspotential ihrer Behandlungsmethode, das deren Erlaubnispflicht nach §
1 Abs.
1 [X.] begründete, billigend in Kauf nahm, bedurfte es daher nicht.

[X.]

Schmitt

Berger

[X.]

Eschelbach

Meta

2 StR 580/10

22.06.2011

Bundesgerichtshof 2. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 22.06.2011, Az. 2 StR 580/10 (REWIS RS 2011, 5560)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 5560

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

2 StR 580/10 (Bundesgerichtshof)

Unerlaubte Ausübung der Heilkunde: Generelle Gefährlichkeit der konkreten Tat als Tatbestandsmerkmal


3 C 28/09 (Bundesverwaltungsgericht)

Ausübung der Heilkunde; Erlaubnispflicht der Synergetik-Therapie


3 C 8/17 (Bundesverwaltungsgericht)

Sektorale Heilpraktikererlaubnis für das Gebiet der Logopädie


3 C 17/17 (Bundesverwaltungsgericht)


3 C 16/17 (Bundesverwaltungsgericht)


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

2 StR 580/10

3 C 28/09

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.