Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 31.01.2023, Az. 1 W-VR 27/22

1. Wehrdienstsenat | REWIS RS 2023, 1727

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Gegenstand

Konkurrentenstreit um einen B 6-Dienstposten; Eilverfahren


Tenor

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt.

Tatbestand

1

Der Antragsteller begehrt vorläufigen Rechtsschutz in einem Konkurrentenstreit um die Besetzung des nach der Besoldungsgruppe [X.] bewerteten Dienstpostens des Kommandeurs und Ärztlichen Direktors des [X.]es [X.]

2

Der 19... geborene Antragsteller ist Berufssoldat. Seine Dienstzeit wird voraussichtlich mit dem 30. September 20... enden. Am 16. Juli 2008 wurde er zum Flottenarzt befördert und mit Wirkung vom 1. Juli 2008 in eine Planstelle der Besoldungsgruppe [X.] eingewiesen. Er wird seit 2005 beim ... verwendet, wo er derzeit als Klinischer Direktor ... eingesetzt ist. Am 17. September 2021 ist ihm der akademische Grad eines Doktors der Medizin verliehen worden. Mit Bescheid vom 3. Januar 2022 wurde für ihn ab dem 5. November 2021 die Schwerbehinderteneigenschaft mit einem Grad der Behinderung von 100 festgestellt.

3

Der Beigeladene ist ebenfalls Berufssoldat. Seine Dienstzeit wird voraussichtlich mit dem 30. September 20... enden. Im März 2006 wurde er zum Oberstarzt [X.] befördert und mit Wirkung vom 1. Oktober 2019 in eine Planstelle der Besoldungsgruppe [X.] eingewiesen. Der akademische Grad eines Doktors der Medizin wurde ihm am 17. August 1992 verliehen. Er wurde seit Juni 2009 beim [X.] [X.], dort zuletzt als Leitender Arzt der Abteilung ... und im [X.] seit Juni 2019 als stellvertretender Kommandeur und Ärztlicher Direktor des [X.]es B. verwendet. Der Beigeladene wurde mit Verfügung vom 18. Februar 2022 zum 1. April 2022 auf den streitgegenständlichen Dienstposten versetzt und trat den Dienst dort am 21. März 2022 an. Im Dezember 2022 wurde er zum Generalarzt befördert.

4

Am 28. September 2020 entschied die damalige Bundesministerin der Verteidigung unter Bestätigung des Ergebnisses der [X.] vom 23. September 2020, den zum 1. April 2022 vakanten, streitgegenständlichen Dienstposten mit dem Beigeladenen zu besetzen. Dem lag für den fraglichen Dienstposten ("Ring 9") folgendes Anforderungsprofil zugrunde:

"Der Kommandeur und Ärztliche Direktor bzw. die Kommandeurin und Ärztliche Direktorin (Kdr/ÄrztlDir) des [X.]es [X.] ([X.]) führt das [X.] und ist [X.](r) der Stufe III. Er bzw. sie ist als Kdr/ÄrztlDir eines 'Akademischen Lehrkrankenhauses' insbesondere zuständig für die Einbindung in das zivile Gesundheitswesen und das akademische Umfeld sowie für die personelle, materielle und organisatorische Einsatzbereitschaft der Dienststelle verantwortlich.

Für den Dienstposten ist daher erforderlich:

- Führungskompetenz und Führungserfahrung,

- fachliche und wissenschaftliche Expertise (erforderlich: Promotion),

- Vorerfahrung im Bereich Krankenhausmanagement,

- Einsatzerfahrung [X.] wünschenswert."

5

Ausweislich der [X.] wurden alle Kandidaten der Dotierungshöhe [X.] mit diesem Profil betrachtet. Im Einzelnen vorgestellt wurde neben dem Beigeladenen, dessen Auswahl empfohlen wurde, noch ein weiterer Oberstarzt, nicht aber der Antragsteller.

6

Unter dem 22. Februar 2022 beschwerte sich der Antragsteller gegen die Auswahlentscheidung. Unter Aufzählung verschiedener eigener Qualifikationen und Vorverwendungen rügte er, für den streitgegenständlichen Dienstposten nicht mitbetrachtet worden zu sein. Das [X.] wertete die Beschwerde als Antrag auf gerichtliche Entscheidung, hat diesen aber noch nicht vorgelegt.

7

Am 2. November 2022 hat der Antragsteller Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz gestellt.

8

Er stellt seinen Werdegang und seine Qualifikationen ausführlich dar und macht geltend, der Beigeladene werde bereits mehr als sechs Monate auf dem streitgegenständlichen Dienstposten verwendet und könne dort einen beurteilungsrelevanten Erfahrungsvorsprung erwerben. Die Auswahlentscheidung sei rechtswidrig, weil er nicht in eine vergleichende Betrachtung mit dem Beigeladenen einbezogen sei. Aus seiner Sicht sei er nach seinen Vorverwendungen und Qualifikationen besser geeignet als der Beigeladene und der mit diesem in der [X.] verglichene weitere Oberstarzt. Er übertreffe das geforderte Anforderungsprofil erheblich, habe in der Vergangenheit bereits Dienstposten innegehabt, die der Dotierungshöhe [X.] entsprächen. Die Perspektivhöhe [X.] sei ihm zugestanden worden.

9

Die Dokumentation der Auswahlentscheidung sei mangelhaft. Der über ihn erstellte Personalbogen gebe seine Qualifikationen und Vorverwendungen nicht vollständig wieder. Er sei von 2010 bis 2013 mit der Besoldungsgruppe [X.] als Medizinischer Koordinator Interdisziplinärer Prozesse des [X.]es [X.], dem Vorgängerdienstposten des [X.]-Dienstpostens des Abteilungsleiters zentrales klinisches Prozessmanagement, eingesetzt gewesen und sei damit Stellvertreter des [X.], also des damaligen Chefarztes und jetzigen Kommandeurs, gewesen. Außerdem habe er vom 1. März 2011 bis zum 30. September 2011 das [X.] [X.] als kommissarischer Chefarzt alleinverantwortlich geführt und dabei auch Beurteilungs- und Disziplinarbefugnisse wahrgenommen. Sein Antrag, dies als [X.]-Verwendung anzuerkennen, sei ignoriert worden.

Mit den genannten Verwendungen habe er Führungserfahrung und Vorerfahrungen im Krankenhausmanagement nachgewiesen. Darüber hinaus nehme er in Urlaubs-, Krankheits- und Abwesenheitsfällen seit 2017 im ... die Stellvertretung des Kommandeurs wahr. Zum Zeitpunkt der Auswahlentscheidung habe er zwar seine wissenschaftliche Expertise noch nicht durch eine Promotion nachgewiesen, habe aber über den akademischen Grad "Executive MBA" verfügt. Zudem habe seine Promotion kurz vor dem Abschluss gestanden, was der Kommandeur Gesundheitseinrichtungen und sein damaliger Kommandeur auch gewusst hätten. Dass sich das [X.] auf seine bei der Auswahlentscheidung noch nicht abgeschlossene Promotion berufe, sei willkürlich und werde vorgeschoben, um ihn zu verhindern. Anders als der Beigeladene verfüge er zudem über Einsatzerfahrung im [X.]. Er verfüge außerdem über die Fähigkeit zu systemübergreifenden Konzeptionen und habe Kenntnisse in der Weiterentwicklung von Gesundheitssystemen. Seine Fachkompetenz ergebe sich auch aus der Tatsache, dass er regelmäßig an wöchentlichen Videotelefonkonferenzen der Kommandeure ... teilnehme und immer wieder durch die Führung des Sanitätsdienstes als operativ tätiger Mediziner um seine Expertise gebeten werde.

Der Zeitpunkt der Auswahlentscheidung über zweieinhalb Jahre vor der Zurruhesetzung des vorherigen Dienstposteninhabers sei fragwürdig. Fragwürdig sei auch, dass für den Dienstposten in [X.] anders als für den entsprechenden Dienstposten in [X.] keine ministeriale oder Kommandoerfahrung gefordert worden sei.

Für die Führung eines [X.]es gebe es keinen formellen Verwendungsaufbau. Bedarfsträgerforderungen des [X.] seien immer auf den [X.] zugeschnitten. In der Vergangenheit seien auch Kandidaten [X.] geworden, die mit der Versetzung auf den Dienstposten nicht promoviert gewesen seien, keine Facharztqualifikation auswiesen, keine Kommando- bzw. ministeriale Verwendung und kein zur Führung eines Krankenhauses qualifizierendes Masterstudium absolviert hätten.

Der Antragsteller beantragt,

das [X.] im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, bis zu einer Entscheidung des [X.] über seinen Antrag auf gerichtliche Entscheidung gegen die Auswahlentscheidung des [X.] in der [X.] vom 23. September 2020 zur Besetzung des Kommandeurs und Ärztlichen Direktors des [X.]es [X.] vorläufig rückgängig zu machen,

hilfsweise dem [X.] im Wege der einstweiligen Anordnung zu untersagen, bis zu einer Entscheidung des [X.] über seinen Antrag auf gerichtliche Entscheidung gegen die Auswahlentscheidung des [X.] zur Besetzung des Dienstpostens des Kommandeurs und Ärztlichen Direktors des [X.]es [X.], geführt unter dem Aktenzeichen [X.] 2 - 25-05-12 240/22, den Beigeladenen mit der vorläufigen, kommissarischen oder teilweisen Wahrnehmung der Aufgaben des Dienstpostens zu betrauen.

Das [X.] beantragt,

den Antrag zurückzuweisen.

Dem Antragsteller fehle der Anordnungsanspruch. Da er erst nach der Auswahlentscheidung den Grad eines Doktors der Medizin erworben habe, erfülle er zum maßgeblichen Zeitpunkt anders als der Beigeladene das zwingende Kriterium der Promotion nicht. Die Forderung sei sachgerecht, da das [X.] [X.] ein akademisches Lehrkrankenhaus sei, das in den "[X.]" integriert sei und eng mit der D. kooperiere. Der Kommandeur und Ärztliche Direktor sei Vorgesetzter aller Bereiche der Einrichtung und repräsentiere sie nach außen. Wegen seiner Aufgaben und seiner exponierten Stellung in Öffentlichkeit und Wissenschaft sei eine Promotion unabdingbar. Der Antragsteller verfüge außerdem nicht über die zwingend erforderliche Vorerfahrung im Bereich Krankenhausmanagement. Hierfür sei die temporäre Vertretung des Kommandeurs und Ärztlichen Direktors nicht ausreichend. Die Auswahlentscheidung leide auch nicht an einem Dokumentationsmangel, da dem [X.] zum "Ring 9" die Hauptaufgaben und die daraus abgeleiteten zwingenden Kriterien zu entnehmen seien. Die Organisationsgrundentscheidung "Aufsteigende" ergebe sich aus dem Umstand, dass ausweislich des [X.]s für den [X.]-Dienstposten Kandidaten der Dotierungshöhe [X.] betrachtet worden seien. Der Antragsteller lege diese Organisationsgrundentscheidung seinem Antrag ebenfalls zugrunde.

Der Beigeladene hat keinen eigenen Antrag gestellt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes wird auf den Inhalt der beigezogenen Akten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung hat keinen Erfolg.

1. Der gemäß § 23a Abs. 2 Satz 1 [X.] i. V. m. § 123 VwGO statthafte Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist zwar zulässig. Sachlich zuständig ist das [X.] als Gericht der Hauptsache (§ 123 Abs. 2 Satz 1 VwGO, § 21 Abs. 1 Satz 1 [X.]). Der Antrag kann - wie hier - auch schon vor Rechtshängigkeit des Antrags auf gerichtliche Entscheidung gestellt werden (§ 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

Der Zulässigkeit des Antrags steht § 3 Abs. 2 [X.] nicht entgegen. Das [X.] hat in seiner Stellungnahme vom 29. November 2022 ausdrücklich erklärt, dass [X.] nicht erfolgen wird. Dem Erfordernis, dass die nach § 3 Abs. 2 [X.] zuständige Stelle vor einer gerichtlichen Entscheidung Gelegenheit gehabt haben soll, selbst eine einstweilige Maßnahme zu treffen, ist damit Rechnung getragen ([X.], Beschluss vom 18. Dezember 2017 - 1 [X.] 8.17 - juris Rn. 15).

Insbesondere hat sich der Rechtsstreit nicht dadurch erledigt, dass der strittige Dienstposten mit dem Beigeladenen besetzt und dieser zwischenzeitlich zum Generalarzt befördert wurde (vgl. [X.], Beschluss vom 29. November 2018 - 1 [X.] 44.17 - juris Rn. 16). Nach ständiger Rechtsprechung des Senats verfestigt sich eine einmal getroffene militärische Verwendungsentscheidung - auch nach einer der Bewertung des Dienstpostens entsprechenden Beförderung oder Planstelleneinweisung - nicht dahin, dass der durch sie begünstigte Soldat eine rechtlich gesicherte Position erwirbt, auf dem ihm zugewiesenen Dienstposten verbleiben zu können; er müsste es vielmehr hinnehmen, von dem Dienstposten wegversetzt zu werden, wenn der Antragsteller bei der Stellenbesetzung ihm gegenüber rechtswidrig übergangen worden wäre (stRspr, vgl. z. B. [X.], Beschluss vom 25. April 2007 - 1 [X.] 31.06 - [X.]E 128, 329 Rn. 39 m. w. N.).

2. Der Antrag ist aber nicht begründet.

a) Für die begehrte einstweilige Anordnung besteht ein Anordnungsgrund (§ 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO).

Nach der Rechtsprechung des Senats kann sich in [X.] um die Besetzung eines Dienstpostens ein Anordnungsgrund aber daraus ergeben, dass ein rechtswidrig ausgewählter Bewerber auf dem Dienstposten einen Erfahrungsvorsprung erlangt, der im Fall des Obsiegens des Antragstellers in der Hauptsache bei einer erneuten Auswahlentscheidung zu berücksichtigen wäre. Ein insoweit beurteilungsrelevanter Erfahrungsvorsprung und damit ein Anordnungsgrund ist allerdings erst anzunehmen, wenn zwischen dem Dienstantritt des ausgewählten Bewerbers auf dem strittigen Dienstposten und der (noch zu treffenden) gerichtlichen Entscheidung in der Hauptsache ein [X.]raum von deutlich mehr als sechs Monaten liegt (stRspr, vgl. [X.], Beschlüsse vom 29. April 2010 - 1 [X.] 2.10 - [X.] 310 § 123 VwGO Nr. 28 Rn. 20 f. und vom 19. Dezember 2011 - 1 [X.] 5.11 - [X.]E 141, 271 Rn. 29 f.).

Da der Beigeladene ausweislich der Versetzungsverfügung vom 18. Februar 2022 am 21. März 2022 den Dienst auf dem streitgegenständlichen Dienstposten angetreten hat, ist die Spanne von sechs Monaten vorliegend überschritten.

b) Der Antragsteller hat aber keinen Anordnungsanspruch (§ 123 Abs. 3 VwGO i. V. m. § 920 Abs. 2 ZPO) glaubhaft gemacht. Die Entscheidung der Bundesministerin der Verteidigung vom 28. September 2020, den streitgegenständlichen Dienstposten mit dem Beigeladenen zu besetzen, ist nach summarischer Prüfung im Ergebnis rechtmäßig und verletzt den Bewerbungsverfahrensanspruch des Antragstellers (Art. 33 Abs. 2 GG, § 3 Abs. 1 SG) nicht.

aa) Nach der Rechtsprechung zu beamtenrechtlichen [X.] um [X.] folgt aus Art. 33 Abs. 2 GG ein Bewerbungsverfahrensanspruch, der Bewerbern um ein öffentliches Amt ein grundrechtsgleiches Recht auf leistungsgerechte Einbeziehung nach Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung in die Bewerberauswahl gibt; die Bewerbung darf nur aus Gründen abgelehnt werden, die durch Art. 33 Abs. 2 GG gedeckt sind (vgl. [X.], Urteil vom 17. August 2005 - 2 C 37.04 - [X.]E 124, 99 <102>). § 3 Abs. 1 SG übernimmt die Grundsätze des Art. 33 Abs. 2 GG in das Dienstverhältnis der Soldaten und erstreckt sie über Ernennungen hinaus auf [X.]. Der Senat hat deshalb einen dem Beamtenrecht entsprechenden Bewerbungsverfahrensanspruch auch für soldatenrechtliche Konkurrenzverhältnisse anerkannt (vgl. z. B. [X.], Beschluss vom 29. Januar 2013 - 1 [X.] 60.11 - NVwZ 2013, 1227 Rn. 40 m. w. N.). Allerdings beschränkt sich die Geltung des Grundsatzes der Bestenauslese im Bereich der [X.] auf Entscheidungen über - wie hier - höherwertige, die Beförderung in einen höheren Dienstgrad oder die Einweisung in die Planstelle einer höheren Besoldungsgruppe vorprägende Verwendungen (vgl. klarstellend [X.], Beschluss vom 30. Januar 2014 - 1 [X.] 1.13 - [X.] 449.2 § 6 SLV 2002 Nr. 6 Rn. 32).

Bei einem freien und besetzbaren Dienstposten liegt es im Organisationsermessen des Dienstherrn, wie er die Art des Dienstpostens bestimmt (vgl. zum gesamten Folgenden [X.], Beschlüsse vom 28. September 2017 - 1 [X.] 44.16 und 1 [X.] 45.16 - juris Rn. 29 und vom 19. Juli 2018 - 1 [X.] 3.18 - [X.] 449 § 3 SG Nr. 92 Rn. 31). Der Bewerbungsverfahrensanspruch aus Art. 33 Abs. 2 GG wird nicht verletzt, wenn für die Besetzung des Dienstpostens bestimmte dienstrechtliche und/oder haushaltsrechtliche Voraussetzungen aufgestellt sind ([X.], Beschluss vom 6. Januar 2012 - 1 [X.] 7.11 - [X.] 449 § 3 SG Nr. 64 Rn. 31 m. w. N.). Der Dienstherr ist insbesondere berechtigt, im Einzelnen die Kriterien der Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung in Bezug auf den Aufgabenbereich des Dienstpostens im Vorfeld einer Auswahlentscheidung in einem Anforderungsprofil zu konkretisieren; insofern muss der Inhalt dieses Anforderungsprofils mit Art. 33 Abs. 2 GG vereinbar sein (vgl. [X.], [X.] vom 25. November 2011 - 2 BvR 2305/11 - NVwZ 2012, 368 Rn. 15; [X.], Urteil vom 26. Januar 2012 - 2 A 7.09 - [X.]E 141, 361 Rn. 19). Dabei fällt die Entscheidung darüber, welchen "Zuschnitt" ein Dienstposten haben soll, welche Zuständigkeiten ihm im Einzelnen zugewiesen sind und welche Fachkenntnisse zur Erfüllung der Aufgaben auf dem Dienstposten erforderlich sind, in das Organisationsermessen des Dienstherrn, das hinsichtlich der Maßgaben militärischer Zweckmäßigkeit nicht, im Übrigen nur auf sachfremde Erwägungen gerichtlich überprüfbar ist ([X.], Urteile vom 16. Oktober 2008 - 2 A 9.07 - [X.]E 132, 110 Rn. 54 sowie vom 26. Januar 2012 - 2 A 7.09 - [X.]E 141, 361 Rn. 18 und Beschluss vom 16. Dezember 2008 - 1 [X.] 39.07 - [X.]E 133, 1 Rn. 42). Festlegungen des Anforderungsprofils oder einer Aufgabenbeschreibung für den Dienstposten entfalten Bindungswirkung für die Festlegung und Gewichtung der Leistungsmerkmale im Auswahlverfahren; ob die zuständige Stelle ihre Auswahlentscheidung an dem Anforderungsprofil bzw. an der Aufgabenbeschreibung ausgerichtet hat, ist gerichtlich in vollem Umfang überprüfbar (stRspr, z. B. [X.], Urteil vom 16. August 2001 - 2 A 3.00 - [X.]E 115, 58 <61> und Beschluss vom 25. September 2012 - 1 [X.] 44.11 - juris Rn. 30).

Aus Art. 33 Abs. 2 i. V. m. Art. 19 Abs. 4 GG folgt ferner die Verpflichtung des Dienstherrn, die seiner Entscheidung zugrunde liegenden wesentlichen Auswahlerwägungen schriftlich niederzulegen, um eine sachgerechte Kontrolle durch den unterlegenen Bewerber und ggf. durch das Gericht zu ermöglichen (vgl. [X.], [X.] vom 9. Juli 2007 - 2 BvR 206/07 - NVwZ 2007, 1178 <1179>). Dem folgend hat der Senat eine entsprechende Verpflichtung zur Dokumentation der wesentlichen Auswahlerwägungen auch für Entscheidungen angenommen, die ein Konkurrenzverhältnis um eine höherwertige militärische Verwendung betreffen (vgl. z. B. [X.], Beschlüsse vom 25. April 2007 - 1 [X.] 31.06 - [X.]E 128, 329 Rn. 50 und vom 16. Dezember 2008 - 1 [X.] 19.08 - [X.]E 133, 13 Rn. 36). Zur Dokumentation verpflichtet ist dabei primär die Stelle, die für die zu treffende Auswahlentscheidung zuständig ist (vgl. [X.], Beschluss vom 23. Februar 2010 - 1 [X.] 36.09 - BeckRS 2010, 51350 Rn. 27).

bb) Hiernach ist nach summarischer Prüfung die Auswahlentscheidung nicht aus formellen Gründen, insbesondere nicht wegen einer Verletzung der Dokumentationspflicht, aufzuheben.

Die zur Vorbereitung der [X.] vom 23. September 2020 erstellten [X.] weisen für den streitgegenständlichen Dienstposten neben den Hauptaufgaben des in Rede stehenden Dienstpostens die aus ihnen abgeleiteten Kriterien des Anforderungsprofils aus. Dass nur eines dieser Kriterien lediglich wünschenswert ist, ist ausdrücklich niedergelegt. Hiernach ist davon auszugehen, dass alle weiter angeführten Anforderungen zwingend sind, was sich aus der Formulierung "Für den Dienstposten ist daher erforderlich (...)" mit der gebotenen Deutlichkeit ergibt. Für die Forderung nach einer Promotion ist dies als Konkretisierung der zwingenden Forderung nach fachlicher und wissenschaftlicher Expertise zudem noch gesondert ausgewiesen. ("erforderlich: Promotion"). Hinsichtlich der Hauptaufgaben des Dienstpostens und des Anforderungsprofils sind die [X.] mithin erfüllt, kann hiernach doch der Antragsteller erkennen, wieso er nicht in den Vergleich mit dem Beigeladenen einbezogen wurde.

Zwar ist in den [X.] nicht ausdrücklich niedergelegt, dass keine Querversetzung, sondern ein Aufstiegswettbewerb beabsichtigt war. Es ist daher zweifelhaft, dass die Dokumentationspflichten hinsichtlich der Organisationsgrundentscheidung (vgl. dazu [X.], Beschluss vom 24. Februar 2022 - 1 [X.] 40.21 - [X.]E 175, 53 Rn. 27 ff.) beachtet wurden. Jedoch sind ausschließlich Kandidaten betrachtet worden, die noch nicht auf einem Dienstposten der [X.] verwendet wurden. Damit ist den [X.] jedenfalls zu entnehmen, dass keine Organisationsgrundentscheidung zugunsten einer Querversetzung der Mitbetrachtung des Antragstellers entgegenstand und dass ein Aufstiegswettbewerb gewollt war.

Es bedarf keiner Entscheidung, ob die Beschränkung des Kandidatenfeldes auf Soldaten der [X.] erfolgt ist und ob eine solche Entscheidung den [X.] genügt. Dies ist zweifelhaft, weil ein Grund hierfür an keiner Stelle niedergelegt wurde. Da der Antragsteller allerdings wegen eines hinreichend dokumentierten, zwingenden Kriteriums des Anforderungsprofils nicht weiter betrachtet wurde, werden diesbezügliche [X.] für eine Verletzung seiner Rechte nicht kausal.

Dem Antragsteller ist durch die Zusendung der die Dokumentationspflicht erfüllenden Unterlagen auf seine Beschwerde hin bzw. im gerichtlichen Eilverfahren auch Akteneinsicht gewährt worden.

cc) Der Ausschluss des Antragstellers von einem Eignungs- und Leistungsvergleich mit dem Beigeladenen verletzt bei summarischer Betrachtung seinen Bewerbungsverfahrensanspruch nicht. Denn das zwingende Kriterium der Promotion wird den rechtlichen Vorgaben voraussichtlich gerecht und wurde zum maßgeblichen [X.]punkt zwar durch den Beigeladenen, nicht aber durch den Antragsteller erfüllt.

(1) Bei der gerichtlichen Kontrolle des dem Dienstherrn insoweit zustehenden Organisationsermessens ist im Hinblick auf Art. 33 Abs. 2 GG und § 3 Abs. 1 SG nicht die Ausweitung, sondern die Verengung des [X.] mittels eines Anforderungsprofils rechtfertigungsbedürftig (vgl. [X.], Beschluss vom 19. Dezember 2014 - 2 VR 1.14 - [X.] 11 Art. 33 Abs. 2 GG Nr. 65 Rn. 31). Soweit allgemeine Bedarfsträgerforderungen, die für eine Vielzahl gleich bewerteter Dienstposten in vergleichbarer Weise gelten, in ein Anforderungsprofil aufgenommen werden, können dafür regelmäßig tragfähige militärfachliche Gründe ins Feld geführt werden und mögliche Bewerber können sich auf diese Erfordernisse einstellen. Werden hingegen darüber hinausgehende zwingende dienstpostenbezogene Kriterien ins Anforderungsprofil aufgenommen, müssen sich dafür auch hinreichend gewichtige sachliche Gründe für die Aufgabenerfüllung auf dem konkreten Dienstposten finden lassen. Daran kann es fehlen, wenn die geforderten Vorerfahrungen oder Eignungsstufen nicht für die Erfüllung von Kernaufgaben des Dienstpostens erforderlich, sondern nur für die Erfüllung von untergeordneten Nebenaufgaben von Nutzen sind (vgl. [X.], Beschluss vom 20. Juni 2013 - 2 VR 1.13 - [X.]E 147, 20 Rn. 39 ff.).

(2) Hiernach schließt der Umstand, dass die Forderung nach einer Promotion nicht zu den allgemeinen Bedarfsträgerforderungen für Dienstposten der vorliegenden Art gehört, es zwar nicht aus, im Einzelfall von den [X.] abweichend weitere zwingende Kriterien in das Anforderungsprofil aufzunehmen. Dies muss aber im Hinblick auf die Kernaufgaben des konkreten Dienstpostens gefordert sein. Mit der zwingenden Forderung nach einer Promotion hat der Dienstherr das ihm zustehende Organisationsermessen bei der Ausgestaltung des Anforderungsprofils für den hier in Rede stehenden Dienstposten jedoch nach summarischer Prüfung nicht überschritten.

Zwar ist es fraglich, ob eine zwingende Forderung nach einer Promotion bei der Besetzung eines vorwiegend administrativ und nicht wissenschaftlich geprägten Dienstpostens sachgerecht wäre (vgl. [X.], Beschluss vom 29. November 2018 - 1 [X.] 47.17 - juris Rn. 28 m. w. N. zum Dienstposten eines [X.] ...). Jedenfalls bei herausgehobenen Dienstposten eines akademischen Lehrkrankenhauses ist es rechtlich nicht zu beanstanden, wenn von Bewerbern eine Promotion verlangt wird ([X.], Beschluss vom 30. April 2020 - 1 [X.] 67.19 - [X.] 449 § 3 SG Nr. 101 Rn. 33 für den Dienstposten des unmittelbar dem Ärztlichen Direktor ... unterstellten Leiters des [X.]). Das [X.] ist seit 1994 als akademisches Lehrkrankenhaus in die Ausbildung von Medizinstudenten der D., einer der größten Universitätskliniken [X.], eingebunden und erfüllt dabei Aufgaben der Forschung und der akademischen Lehre in allen Abschnitten. Die Promotion stellt den Nachweis der Fähigkeit zum selbständigen wissenschaftlichen Arbeiten dar. Unabhängig davon, welchen Stellenwert der Promotion im Übrigen für die berufliche und gesellschaftliche Anerkennung zukommt, bildet sie im akademisch-universitären Umfeld eine formale Qualifikation, die für die Wahrnehmung von Funktionen, die das [X.] überschreiten, nicht selten normativ gefordert und ansonsten sowohl innerhalb der Ausbildungseinrichtung als auch von den Studierenden erwartet wird.

Das [X.] weist nachvollziehbar darauf hin, dass das in Rede stehende [X.] besondere Bedeutung für die medizinische Forschung hat und eng mit der D. kooperiert. Der Ärztliche Direktor eines akademischen Lehrkrankenhauses von dieser Bedeutung ist in der Öffentlichkeit und der wissenschaftlichen Gemeinschaft besonders exponiert und benötigt für die angemessene Repräsentanz dieser Einrichtung in dem hier in Rede stehenden Umfeld daher eine besondere wissenschaftliche Qualifikation, wie sie - mindestens - der akademische Grad eines Doktors der Medizin ausweist. Der Dienstherr überschreitet seinen Einschätzungsspielraum auch nicht dadurch, dass er der vom Antragsteller erworbenen Qualifikation eines "Executive MBA" nicht denselben Stellenwert einräumt.

(3) Wie in seiner Personalakte dokumentiert hat der Antragsteller den Doktorgrad am 17. September 2021 erworben, während der Beigeladene ausweislich seiner Personalgrundakte seit 1992 Doktor der Medizin ist. Unerheblich ist, dass der Antragsteller zum [X.]punkt der Auswahlentscheidung bereits an seiner Dissertation arbeitete und dass dies im [X.] auch bekannt war. Denn angesichts des Umstandes, dass er den Doktorgrad beinahe ein Jahr nach der in Rede stehenden Auswahlentscheidung erworben hat, kann nicht die Rede davon sein, dass der Erwerb der notwendigen Qualifikation durch ihn zum maßgeblichen [X.]punkt unmittelbar bevorstand.

Es liegt auch kein Rechtsfehler darin, dass der - für die Bestimmung der maßgeblichen Sachlage ausschlaggebende - [X.]punkt der Auswahlentscheidung vor dem Erwerb des Doktorgrades durch den Antragsteller lag.

Aus der Art. 33 Abs. 2 GG vorgelagerten Organisationsgewalt des Dienstherrn folgt, dass es ihm im Grundsatz obliegt, nicht nur darüber zu entscheiden, ob und wann er welche Statusämter bzw. hier Dienstposten vorhält, sondern - im Rahmen einer angemessenen Ausgestaltung des Auswahlverfahrens - auch, wann er diese endgültig besetzen will (vgl. - auch zum Folgenden - [X.], Urteil vom 17. November 2016 - 2 C 27.15 - [X.]E 156, 272 Rn. 35 m. w. N.). Die organisatorische Entscheidungshoheit des Dienstherrn über die zeitliche Dimension einer Stellenbesetzung wird somit - abgesehen von Missbrauchsfällen - nicht durch subjektive Rechtspositionen eingeschränkt. Es gibt keinen Anspruch auf eine "zügige Durchführung" des Auswahlverfahrens oder auf eine Entscheidung über die Bewerbung zu einem bestimmten [X.]punkt ([X.], Beschluss vom 27. Juli 2022 - 1 W-VR 7.22 - juris Rn. 22). Für eine rechtsmissbräuchliche Handhabung der Organisationsgewalt des Dienstherrn gibt es vorliegend keinen Anhaltspunkt. Es ist nicht zu beanstanden, dass er die Nachfolge für den herausgehobenen Dienstposten eines Ärztlichen Direktors langfristig vor dem Eintritt der Dienstposteninhaber in den Ruhestand vorbereitet und entscheidet, um gerade in derartig exponierten Positionen den anstehenden Wechsel zeitig im akademischen Umfeld bekannt zu machen und eine reibungslose Übergabe der Dienstgeschäfte ohne Vakanzphasen zu gewährleisten.

(4) Es kommt daher voraussichtlich nicht mehr darauf an, ob dem Antragsteller zusätzlich das Fehlen von Vorerfahrungen im Bereich Krankenhausmanagement entgegengehalten werden kann. Dies ist allerdings zweifelhaft. Nach dem Vortrag des [X.] kann eine entsprechende Vorerfahrung etwa durch die Tätigkeit als Abteilungsleiter Klinisches Prozessmanagement oder als stellvertretender Kommandeur/Ärztlicher Direktor eines [X.]es erworben werden. Der Antragsteller macht geltend, von 2010 bis 2013 Stellvertreter des Chefarztes des [X.]es A. gewesen zu sein und 2011 für ein halbes Jahr den Dienstposten des Chefarztes kommissarisch wahrgenommen zu haben. Seine Beurteilung zum Stichtag 30. September 2011 weist nicht nur die Funktion als ständiger Vertreter des Chefarztes des [X.]es aus, sie führt unter Punkt 3.3 auch aus, dass er sich besonders in der [X.] der vertretungsweisen, mehrmonatigen und alleinverantwortlichen Führung des [X.]es A. in jeder Beziehung bewährt habe. Auch die planmäßige Beurteilung zum Stichtag 30. September 2013 verweist auf die Aufgabe als ständiger Vertreter des Chefarztes des [X.]es A. und führt unter Punkt 3.3 aus, dass er in dieser Funktion überzeugt habe. Hiernach spricht jedenfalls nach summarischer Einschätzung vieles dafür, dass er über entsprechende Erfahrungen von beurteilungsrelevantem Umfang verfügt.

3. Der Beigeladene, der keinen eigenen Sachantrag gestellt hat, trägt die ihm entstandenen Aufwendungen selbst.

Meta

1 W-VR 27/22

31.01.2023

Bundesverwaltungsgericht 1. Wehrdienstsenat

Beschluss

Sachgebiet: False

Art 33 Abs 2 GG, § 21 Abs 1 S 1 WBO, § 23a Abs 2 S 1 WBO, § 123 VwGO

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 31.01.2023, Az. 1 W-VR 27/22 (REWIS RS 2023, 1727)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2023, 1727

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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2 BvR 2305/11

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