Bundesgerichtshof, Urteil vom 12.07.2016, Az. II ZR 74/14

2. Zivilsenat | REWIS RS 2016, 8415

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Gegenstand

Rechtanwaltssozietät in der Rechtsform einer BGB-Gesellschaft: Anspruchsgegner für einen Abfindungsanspruch eines durch Kündigung ausgeschiedenen Gesellschafters


Leitsatz

Der Abfindungsanspruch des aus einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts Ausgeschiedenen richtet sich umfassend gegen die Gesellschaft. Für einen von dem Abfindungsanspruch zu trennenden Ausgleichsanspruch gegen die in der Gesellschaft verbliebenen Gesellschafter ist kein Raum.

Tenor

Auf die Revision des [X.] wird das Urteil des 23. Zivilsenats des [X.] vom 3. Februar 2014 aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Der Kläger war [X.]er der Beklagten, einer in der Rechtsform der [X.] geführten Anwaltssozietät. Er schied durch ordentliche Kündigung zum 31. Dezember 2011 aus der [X.] aus, die gemäß § 4 Abs. 3 des [X.]svertrags von den beiden verbliebenen [X.]ern [X.]und [X.]       fortgesetzt wird. Der [X.]svertrag enthält keine Regelung zur Abfindung eines durch Kündigung ausgeschiedenen [X.]ers.

2

Der Kläger macht nach einvernehmlicher Aufteilung des Inventars und der Mandate unter anderem geltend, dass noch die Kapitalkonten der [X.]er auszugleichen seien, was insbesondere deshalb erforderlich sei, weil der [X.]er [X.]       in der Vergangenheit übermäßig hohe Beträge entnommen habe. Mit der von ihm erhobenen Stufenklage begehrt der Kläger die Errechnung und Auszahlung seiner (weitergehenden) Abfindung, wobei er die Erstellung einer Abfindungsbilanz in erster Linie unter Aussparung des bereits aufgeteilten [X.] und Inventars beansprucht, hilfsweise unter umfassender Berücksichtigung der gesellschaftlichen Vermögenswerte.

3

Das [X.] hat die Beklagte durch Teilurteil auf der ersten Stufe unter Abweisung des [X.] gemäß dem Hilfsantrag zur Erstellung einer Abfindungsbilanz zum 31. Dezember 2011 verurteilt. Das Berufungsgericht hat die Berufung des [X.] zurückgewiesen und auf die Berufung der Beklagten die Stufenklage insgesamt abgewiesen. Dagegen wendet sich der Kläger mit seiner vom Berufungsgericht zugelassenen Revision.

Entscheidungsgründe

4

Die Revision hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

5

I. Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt:

6

Die Stufenklage sei insgesamt abzuweisen, weil die beklagte [X.] nicht Schuldnerin der geltend gemachten Ausgleichsansprüche sei. Ein Abfindungsanspruch gegen die [X.] bestehe nur, solange noch [X.]svermögen zu verteilen sei. Nach Beendigung der Liquidation finde der interne Ausgleich, jedenfalls sofern es sich wie hier um eine überschaubare [X.] mit nur drei [X.]ern handele, ausschließlich zwischen den [X.]ern statt. Im Streitfall sei die Liquidation der Beklagten mit der einvernehmlichen Aufteilung des Inventars und der Mandate beendet. Für eine zusätzliche Bewertung der verbleibenden und der mitgenommenen Mandate und daraus folgende Ausgleichsansprüche sei nach der einvernehmlich vollzogenen Realteilung kein Raum. Ein offener Dissens bestehe nur noch hinsichtlich der Frage, ob und wie die Kapitalkonten auszugleichen seien. Der Streit hierüber sei aber zwischen den [X.]ern auszutragen.

7

Soweit die Beklagte, wie in der Berufungsverhandlung vorgetragen, Zahlungen einbehalten habe, die Mandanten auf vom Kläger mitgenommene Mandate geleistet hätten, werde sie zwar die zu Unrecht einbehaltenen Beträge noch an den Kläger auszahlen müssen. Der insoweit bestehende Anspruch des [X.] sei aber kein Abfindungsanspruch, sondern ein der beendeten Auseinandersetzung nachfolgender, hier nicht streitgegenständlicher Bereicherungsanspruch.

8

II. Das Berufungsurteil hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Der hier geltend gemachte, mit dem unterschiedlichen Stand der geführten [X.]erkonten und übermäßigen Entnahmen eines Mitgesellschafters begründete Zahlungsanspruch des [X.] ist Teil des gegen die Beklagte bestehenden Abfindungsanspruchs; die Beklagte trifft auch die Verpflichtung zur Aufstellung einer [X.].

9

1. Das Berufungsgericht geht im Ansatzpunkt noch zutreffend davon aus, dass sich der Abfindungsanspruch nach § 738 Abs. 1 Satz 2 BGB gegen die [X.] richtet, unbeschadet der daneben entsprechend § 128 [X.] für diese Verbindlichkeit der [X.] bestehenden persönlichen Haftung der [X.]er ([X.], Urteil vom 17. Mai 2011 - [X.], [X.], 1359 Rn. 11 f. [X.]). [X.] ist jedoch die Annahme des Berufungsgerichts, es sei bei der Anwendung von § 738 BGB zwischen einer Liquidation und einem nachfolgenden internen Ausgleich zu unterscheiden, der ausschließlich zwischen den [X.]ern stattzufinden habe.

a) Das Berufungsgericht berücksichtigt nicht hinreichend, dass keine Liquidation der beklagten [X.] stattgefunden hat. Die Beklagte ist vielmehr von den beiden in der [X.] verbliebenen [X.]ern fortgesetzt worden und besteht als werbende [X.] mit entsprechendem [X.]svermögen weiter. Die durch das Ausscheiden eines [X.]ers bedingte Auseinandersetzung ist zwischen dem [X.] und der [X.] vorzunehmen. Für einen hiervon zu trennenden internen [X.]erausgleich ist jedenfalls während des Fortbestands der [X.] vorbehaltlich abweichender Vereinbarungen kein Raum.

b) Etwas anderes folgt nicht daraus, dass die [X.] dem [X.] dasjenige zu zahlen hat, was er bei der Auseinandersetzung erhalten würde, wenn die [X.] zur Zeit seines Ausscheidens aufgelöst worden wäre (§ 738 Abs. 1 Satz 2 BGB). Die Ausrichtung des Abfindungsanspruchs auf ein fiktives [X.] bedingt nicht die Übernahme der im Fall der Auseinandersetzung in Betracht zu ziehenden Trennung zwischen der Abwicklung des [X.]svermögens (§ 730 Abs. 1 BGB) und dem internen Ausgleich unter den [X.]ern (vgl. hierzu [X.], Urteil vom 15. November 2011 - [X.], [X.]Z 191, 293 Rn. 34; Urteil vom 13. Oktober 2015 - [X.], [X.], 216 Rn. 15 f. [X.]). Weder kommt es beim Ausscheiden eines [X.]ers zu einer mit der vollständigen Verteilung des [X.]svermögens verbundenen Vollbeendigung der [X.] (vgl. [X.]/[X.], 6. Aufl., § 730 Rn. 2 f.; [X.]/Strohn, [X.], 2. Aufl., § 730 BGB Rn. 12, [X.]. [X.]; vgl. [X.]/[X.], [X.], 5. Aufl., § 149 Rn. 24 und § 155 Rn. 9 zur Berücksichtigung fortbestehender Ansprüche aus § 735 BGB), noch hätte eine entsprechende Differenzierung praktische Erleichterungen zur Folge (vgl. hierzu [X.], Urteil vom 13. Oktober 2015 - [X.], [X.], 216 Rn. 15 f.).

Das dem ausgeschiedenen [X.]er als Abfindung zustehende [X.] ist zwar auf der Grundlage des anteiligen Unternehmenswerts zu berechnen, die Abrechnung ist aber nicht auf die Erfassung des anteiligen Unternehmenswerts beschränkt. Vielmehr sind, sofern vorhanden, auch sonstige, nicht unternehmenswertbezogene gegenseitige Ansprüche aus dem [X.]sverhältnis in die Berechnung einzustellen ([X.], Urteil vom 17. Mai 2011 - [X.], [X.], 1359 Rn. 17 [X.]); dabei ist auch ein möglicher Anspruch auf Rückerstattung von Einlagen nach § 733 Abs. 2 BGB zu berücksichtigen. Im Übrigen können zu dem Vermögen der [X.], das der Berechnung des Abfindungsanspruchs zugrunde zu legen ist, auch Ansprüche der [X.] gegen einen Mitgesellschafter auf Rückzahlung unberechtigter Entnahmen gehören.

2. Das Berufungsgericht hat auch rechtsfehlerhaft angenommen, der Kläger habe keinen Anspruch auf Aufstellung einer [X.].

Dem Ausgeschiedenen steht zur Ermittlung seines Abfindungsanspruchs ein Anspruch auf Aufstellung der [X.] zu, der sich - jedenfalls auch - gegen die [X.] richtet (vgl. [X.], Beschluss vom 22. September 2008 - [X.], [X.], 2359 Rn. 11). Er kann mit dem noch zu beziffernden Zahlungsanspruch in einer Stufenklage verbunden werden([X.]/[X.], 6. Aufl., § 738 Rn. 30; [X.]/[X.], [X.], 5. Aufl., § 131 Rn. 153; MünchKomm[X.]/[X.], 4. Aufl., § 131 Rn. 136; [X.] in Baumbach/[X.], [X.], 36. Aufl., § 131 Rn. 57; [X.]/[X.], [X.], 4. Aufl., § 131 Rn. 65).

III. Die Entscheidung des Berufungsgerichts stellt sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 561 ZPO). Der Auffassung der Revisionserwiderung, der Kläger sei von der Beklagten bereits vollständig abgefunden worden, kann auf der Grundlage der bisher getroffenen Feststellungen nicht gefolgt werden.

Nach der Rechtsprechung des Senats ist die Teilung der Sachwerte und die rechtlich nicht begrenzte Möglichkeit, um die bisherigen Mandanten zu werben, die sachlich nahe liegende und angemessene Art der Auseinandersetzung einer Freiberuflersozietät. Gehen die [X.]er in dieser Weise vor, ist damit der Geschäftswert abgegolten. Eine weitergehende Abfindung kann grundsätzlich nicht beansprucht werden und bedarf einer entsprechenden Vereinbarung (vgl. [X.], Beschluss vom 31. Mai 2010 - [X.], [X.], 1594 Rn. 2 [X.]; Beschluss vom 18. September 2012 - [X.]/10 juris).

Eine vollständige „Realteilung“ in diesem Sinne, die eine weitergehende Abfindung vorbehaltlich anderweitiger Vereinbarung ausschließt, ist im Streitfall indessen nicht festgestellt. Das Berufungsgericht hat zwar angenommen, dass sich die [X.]er auf eine Teilung der Sachwerte und die rechtlich nicht beschränkte Mitnahme von Mandaten geeinigt hätten, ohne einen weiteren Wertausgleich der Mandate vereinbart zu haben. Es hat in diesem Zusammenhang die aus Rechtsgründen nicht zu beanstandende Feststellung getroffen, dass die Parteien sich hinsichtlich der Mandate darauf verständigt hätten, statt einer aufwendigen, mit Hilfe eines Sachverständigen durchzuführenden Abschichtung der Forderungen gegen die Mandanten eine schlichte Realteilung vorzunehmen.

Das Berufungsgericht hat aber auch festgehalten, dass zwischen den [X.]ern ein offener Dissens hinsichtlich der Frage bestanden habe, ob und wie die Kapitalkonten auszugleichen seien. Bestehen insoweit noch auszugleichende Ansprüche, so schließt dies die Annahme einer vollständigen Aufteilung der in der Rechtsprechung des Senats so bezeichneten Sachwerte aus, zu denen neben körperlichen Gegenständen wie dem Büroinventar jedenfalls auch solche Forderungen gehören, die nicht einzelnen Mandatsverhältnissen zuzuordnen sind und damit in die „Realteilung“ fallen. Im Streitfall sind insbesondere ein möglicher Anspruch des [X.] auf Rückzahlung von Einlagen bzw. stehen gelassenen Gewinnen sowie ggf. Ansprüche der [X.] auf Rückzahlung überhöhter Entnahmen anderer [X.]er in Betracht zu ziehen.

IV. Die Berufungsentscheidung ist danach aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Die Sache ist, da sie nicht endentscheidungsreif ist, an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 und 3 ZPO).

Für das weitere Verfahren weist der Senat auf Folgendes hin:

1. Das Berufungsgericht wird sich hinsichtlich der Frage, ob der Kläger bereits vollständig abgefunden wurde, wie die Beklagte geltend macht, auch mit der Funktion der von den Parteien so bezeichneten Kapitalkonten zu befassen haben. Es ist nach den bisher getroffenen Feststellungen in Betracht zu ziehen, dass die erwähnten [X.]erkonten nicht, wie die Revisionserwiderung annimmt, (nur) den [X.]eiligen Kapitalanteil ausweisen, sondern (auch) der Erfassung wechselseitiger Forderungen und Verbindlichkeiten dienen.

2. Hinsichtlich der von der Beklagten vereinnahmten Zahlungen aus Mandatsverhältnissen, die der Kläger „mitgenommen“ hat, ist zu berücksichtigen, dass die [X.] auf den Stichtag des Ausscheidens zu erstellen ist (vgl. [X.], Urteil vom 7. Dezember 1992 - II ZR 248/91, [X.], 195, 196 zum Anspruch auf Beteiligung am Ergebnis schwebender Geschäfte).

Strohn                       Caliebe                       Wöstmann

                 Born                         Sunder

Meta

II ZR 74/14

12.07.2016

Bundesgerichtshof 2. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend KG Berlin, 3. Februar 2014, Az: 23 U 86/13

§ 738 Abs 1 S 2 BGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 12.07.2016, Az. II ZR 74/14 (REWIS RS 2016, 8415)

Papier­fundstellen: NJW 2016, 3597 WM 2016, 1639 REWIS RS 2016, 8415

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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