Bundessozialgericht, Beschluss vom 12.04.2018, Az. B 14 SF 1/18 R

14. Senat | REWIS RS 2018, 10889

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Gegenstand

Sozialgerichtliches Verfahren - Rechtsweg - maßgebliches Rechtsverhältnis - Bürgschaftserklärung für Mietkaution im Rahmen der Erbringung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB 2 - auf Mietbürgschaft gestützte Zahlungsklage - rechtliche Eigenständigkeit der Bürgschaft


Tenor

Die Beschwerde der Klägerin gegen den Beschluss des [X.] vom 14. Dezember 2017 wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens der weiteren Beschwerde trägt die Klägerin.

Der Streitwert wird auf 442,20 [X.] festgesetzt.

Gründe

1

I. Umstritten ist die Zulässigkeit des Rechtswegs zu den Sozialgerichten bei einem Streit um Zahlung aus einer Bürgschaft.

2

Die Klägerin ist Vermieterin einer von einem Empfänger von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem [X.] gemieteten Wohnung. Das beklagte Jobcenter gab bezogen auf dieses Mietverhältnis gegenüber der die Vermieterin vertretenden Rechtsanwaltskanzlei am 24.2.2015 eine Bürgschaftserklärung ab. Mit dieser erteilte er für die Kautionsforderung aus dem Mietvertrag eine selbstschuldnerische Bürgschaft unter Verzicht auf die Einreden nach §§ 768, 770, 771 und 776 [X.] in Höhe von 675 [X.] mit Geltung bis zum [X.], wenn das Mietverhältnis nicht bereits vor diesem Zeitpunkt ende. Bei Fortbestand des Mietverhältnisses könne die Bürgschaft auf Antrag des Mieters oder der Vermieterin verlängert werden. In der Bürgschaftserklärung wies der [X.] darauf hin, dass mit dieser Bürgschaft dem Mietvertrag nicht als Partei beigetreten werde.

3

Mit Schreiben von Juni und August 2017 zeigte die Klägerin dem [X.]n an, dass und in welchem Umfang sie die Bürgschaft aufgrund von Zahlungsrückständen ihres Mieters in Anspruch nehme und forderte den [X.]n unter Fristsetzung zur Zahlung in Höhe von 442,20 [X.] auf. Im September 2017 hat die Klägerin vor dem [X.] Klage auf die Zahlung dieses Betrags nebst Zinsen erhoben. Der Rechtsweg zum [X.] sei nach § 51 Abs 1 [X.] 4a [X.]G eröffnet, weil der [X.] die Bürgschaftserklärung im Rahmen seiner Tätigkeit zur Durchführung des [X.] ihr gegenüber abgegeben habe.

4

Das [X.] hat nach Anhörung der Beteiligten den zu ihm beschrittenen Rechtsweg für unzulässig erklärt und den Rechtsstreit an das [X.] verwiesen (Beschluss vom 2.11.2017): Bei dem Zahlungsanspruch aus der Bürgschaftserklärung handele es sich nicht um eine öffentlich-rechtliche, sondern um eine privatrechtliche Streitigkeit. Der [X.] habe sich mit Abgabe der Bürgschaftserklärung zur Erfüllung seiner öffentlichen Aufgabe gegenüber dem Leistungsberechtigten der Mittel des Privatrechts bedient und diese seien für den Rechtsstreit prägend. Das L[X.] hat die Beschwerde der Klägerin zurückgewiesen (Beschluss vom 14.12.2017): Der Rechtsstreit sei [X.]r Natur und der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten eröffnet, denn die Klägerin stütze ihre Klageforderung ausschließlich auf die selbstschuldnerische Bürgschaftserklärung des [X.]n. Der Streit um die Rechte und Pflichten aus einer Bürgschaft als ein Rechtsgeschäft des bürgerlichen Rechts gehöre regelmäßig in den [X.], selbst wenn sie eine öffentlich-rechtliche Forderung sichere. Vorliegend habe der [X.] gegenüber der Klägerin neben der (privatrechtlichen) mietvertraglichen Verpflichtung des Leistungsberechtigten befristet die eigene (privatrechtliche) einseitige Verpflichtung im Sicherungsfall in Form einer Mietbürgschaft übernommen, ohne bei Abgabe der Erklärung hoheitlich aufgetreten zu sein.

5

Mit ihrer vom L[X.] zugelassenen Beschwerde wendet sich die Klägerin gegen die Verweisung des Rechtsstreits an das AG. Sie hält den Rechtsweg zur Sozialgerichtsbarkeit für eröffnet, weil der Rechtsstreit nach seinem Sachzusammenhang öffentlich-rechtlicher Natur sei. Der [X.] habe aufgrund seiner öffentlich-rechtlichen Leistungsbeziehung zum leistungsberechtigten Mieter gehandelt, als er zur Vermeidung einer Barzahlung im Rahmen von § 22 Abs 6 Satz 1 [X.] eine kautionsähnliche Mietsicherheit im Gewand zivilrechtlicher Regeln gewährt habe.

6

Der [X.] verweist auf den Beschluss des L[X.].

7

II. Die zulässige weitere Beschwerde der Klägerin ist unbegründet. Zutreffend haben [X.] und L[X.] entschieden, dass für die Klage auf Zahlung aus der Bürgschaft, die der [X.] gegenüber der Klägerin abgegeben hat, die Sozialgerichtsbarkeit nicht zuständig und der ordentliche Rechtsweg - hier zum [X.] - eröffnet ist.

8

Als Rechtsgrundlage für eine Zuständigkeit der Sozialgerichte kommt vorliegend nur § 51 Abs 1 [X.] 4a [X.]G in Betracht, nach dem die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit über öffentlich-rechtliche Streitigkeiten in Angelegenheiten der Grundsicherung für Arbeitsuchende entscheiden. Vor die ordentlichen Gerichte hingegen gehören nach § 13 GVG ua die bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten, die Familiensachen und die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (Zivilsachen), für die nicht entweder die Zuständigkeit von Verwaltungsbehörden oder Verwaltungsgerichten begründet ist oder aufgrund von Vorschriften des Bundesrechts besondere Gerichte bestellt oder zugelassen sind.

9

Wenn es - wie vorliegend - an einer ausdrücklichen Sonderzuweisung für den zuständigen Rechtsweg fehlt, bestimmt sich die gerichtliche Zuständigkeit nach der Natur des Rechtsverhältnisses, aus dem der [X.] hergeleitet wird (stRspr; Gemeinsamer Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes <[X.]> vom 4.6.1974 - GmS-OGB 2/73 - B[X.]E 37, 292 = [X.] 1500 § 51 [X.]; [X.] vom 10.4.1986 - GmS-OGB 1/85 - [X.], 312 = [X.] 1500 § 51 [X.]; [X.] vom 29.10.1987 - GmS-OGB 1/86 - [X.], 280 = [X.] 1500 § 51 [X.]; [X.] vom [X.] - GmS-OGB 1/88 - [X.], 284 = [X.] 1500 § 51 [X.] 53; zum Rechtsverhältnis zwischen den Beteiligten als entscheidendes Kriterium zur Beurteilung des Rechtswegs vgl letztens etwa B[X.] vom 21.7.2014 - B 14 SF 1/14 R - [X.] 4-1500 § 51 [X.] 12 Rd[X.] 8; B[X.] vom 25.10.2017 - B 7 SF 1/16 R - juris, Rd[X.] 6).

Das hier maßgebliche Rechtsverhältnis zwischen der Klägerin und dem [X.]n beruht nicht auf dem [X.], sondern auf der selbstschuldnerischen Bürgschaft (§§ 765, 773 Abs 1 [X.] 1 [X.]), die der [X.] gegenüber der Klägerin auf [X.] mit dieser erklärt hat, weshalb es nicht öffentlich-rechtlicher, sondern privatrechtlicher Natur ist. Zwar war Anlass der Erklärung des [X.]n dessen Erbringung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem [X.] an den Leistungsberechtigten, dem die Klägerin eine Wohnung vermietet hat. Doch wird das Rechtsverhältnis der Beteiligten nicht von dieser sozialrechtlichen Leistungsbeziehung geprägt, sondern von der nach den Vorschriften des [X.] abgegebenen Bürgschaftserklärung des [X.]n für mietvertragliche Forderungen der Klägerin gegenüber dem Leistungsberechtigten. Diese eigenständige [X.] Erklärung des [X.]n und die durch sie vom [X.]n gegenüber der Klägerin begründete selbstständige eigene Bürgschaftsschuld sind rechtlich von dem [X.] zwischen [X.]m und [X.] gelöst (zur rechtlichen Eigenständigkeit der Bürgschaft, die ihren Rechtsgrund in sich selbst trägt, vgl nur [X.] vom [X.] - [X.]Z 90, 187, juris Rd[X.] 10 ff; [X.] vom [X.] - IX ZR 236/00 - [X.]Z 147, 99, juris Rd[X.] 9); sie sind Rechtsgrundlage für die vorliegend allein auf die Bürgschaft gestützte Zahlungsklage und deshalb bestimmend für den zulässigen Rechtsweg für diese Klage. Für diesen Rechtsweg vermag nichts anderes daraus zu folgen, wenn der [X.] in anderer Angelegenheit (Herausgabeverlangen Nebenkostenguthaben) in anderer Weise an die Klägerin herangetreten sein sollte, wie diese mit ihrem Beschwerdevorbringen behauptet hat.

Aufgrund der für die Rechtswegzuweisung maßgeblichen rechtlichen Eigenständigkeit der Bürgschaft, auf die die Klägerin ihre Zahlungsklage allein gestützt hat, ist vorliegend nicht über die [X.] für Rechtsstreite zwischen Vermietern und [X.] zu entscheiden, denen Kostenübernahmeerklärungen oder Direktzahlungen nach § 22 Abs 7 [X.] zugrunde liegen (vgl zu Kostenübernahmeerklärungen BVerwG vom 19.5.1994 - 5 C 33.91 - BVerwGE 96, 71; B[X.] vom 25.10.2017 - B 7 SF 1/16 R - juris; vgl zu Direktzahlungen Schleswig-Holsteinisches L[X.] vom [X.] AS 42/10 - juris; Bayerisches L[X.] vom [X.] - L 7 AS 381/12 - juris; L[X.] Nordrhein-Westfalen vom [X.] AS 2329/13 - juris; L[X.] Niedersachsen-Bremen vom 28.11.2016 - L 11 [X.]/15 - juris; vgl zur Rückforderung nach Direktzahlung auch [X.] vom 31.1.2018 - VIII ZR 39/17 - juris).

Die Kostenentscheidung (zu deren Notwendigkeit vgl B[X.] vom [X.] - B 14 SF 1/08 R - [X.] 4-1500 § 51 [X.] 6 Rd[X.] 19 f) beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 3 [X.]G iVm § 154 Abs 2 VwGO.

Die Festsetzung des Streitwerts für das Beschwerdeverfahren in Höhe der begehrten Zahlung folgt aus § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 1 [X.]G iVm § 52 Abs 1 und 3 Satz 1 GKG. Eine geringere Festsetzung für die Vorabentscheidung über den Rechtsweg (vgl dazu B[X.] vom 25.10.2017 - B 7 SF 1/16 R - juris, Rd[X.] 12) ist vorliegend nicht angezeigt.

Meta

B 14 SF 1/18 R

12.04.2018

Bundessozialgericht 14. Senat

Beschluss

Sachgebiet: SF

vorgehend SG Düsseldorf, 2. November 2017, Az: S 29 AS 3790/17, Beschluss

§ 51 Abs 1 Nr 4a SGG, § 13 GVG, § 22 Abs 6 S 1 SGB 2, § 765 BGB, § 768 BGB, § 770 BGB, § 771 BGB, § 776 BGB

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Beschluss vom 12.04.2018, Az. B 14 SF 1/18 R (REWIS RS 2018, 10889)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2018, 10889

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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