Bundessozialgericht, Beschluss vom 21.07.2014, Az. B 14 SF 1/13 R

14. Senat | REWIS RS 2014, 3921

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Tenor

Auf die weitere Beschwerde des Beklagten werden der Beschluss des [X.] vom 8. Juli 2013 und der Beschluss des [X.] vom 21. Juni 2013 aufgehoben.

Der Rechtsweg zu den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit ist zulässig.

Außergerichtliche Kosten für das Beschwerdeverfahren vor dem [X.] und das weitere Beschwerdeverfahren vor dem [X.] sind nicht zu erstatten.

Gründe

1

I. Umstritten ist die Zulässigkeit des Rechtswegs zu den Sozialgerichten bei einem Streit um ein Hausverbot.

2

Der im Jahr 1984 geborene Kläger, der am [X.] einen [X.]ntrag auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem [X.] ([X.]) beim beklagten Jobcenter gestellt hatte, war am [X.] in den Räumen des Standortes [X.] des Beklagten zur Wahrnehmung eines Beratungsgesprächs mit der für ihn zuständigen [X.]rbeitsvermittlerin. Im [X.] hieran sprach der Beklagte dem Kläger gegenüber durch [X.] ein Hausverbot für die Diensträume dieses Standortes für die Zeit bis zum 31.3.2014 aus und ordnete die sofortige Vollziehung des Hausverbotes nach § 80 [X.]bs 2 [X.] (VwGO) an ([X.] vom 18.3.2013, Widerspruchsbescheid vom [X.]). Zugleich wies er darauf hin, dass der Kläger eventuelle [X.]nträge ab sofort nur noch schriftlich stellen oder eine Person mit seiner Vertretung bevollmächtigen solle. Sollte es für den Kläger unabdingbar sein, persönlich vorzusprechen, bedürfe es hierzu der - telefonisch vorher einzuholenden - Zustimmung des [X.] oder der zuständigen Teamleitung. Zur Begründung führte der Beklagte aus, der Kläger habe aufgrund massiver Beleidigungen, Beschimpfungen und Bedrohungen im Rahmen des persönlichen Gesprächs am [X.] und einem sich hieran anschließenden Telefonat mit der für ihn zuständigen [X.]rbeitsvermittlerin den Dienstbetrieb erheblich gestört. Das Hausverbot sei zur [X.]ufrechterhaltung des [X.], zum Schutz der Mitarbeiter sowie im Interesse der anderen Kunden erforderlich. Nach der Rechtsbehelfsbelehrung im Widerspruchsbescheid ist die Klage zum Sozialgericht ([X.]) [X.] zulässig.

3

[X.]uf die vom Kläger erhobene Klage hat das [X.] nach [X.]nhörung der Beteiligten den Rechtsweg zu den Sozialgerichten für unzulässig erklärt und den Rechtsstreit an das Verwaltungsgericht ([X.]) [X.] verwiesen (Beschluss vom [X.]). Die Beschwerde des Beklagten zum [X.] (L[X.]) [X.] wurde zurückgewiesen (Beschluss vom [X.]) und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Die Sonderzuweisung nach § 51 [X.]bs 1 [X.] ([X.]G) erstrecke sich ebenso wie die anderen Tatbestände des [X.] nicht auf Streitigkeiten um das Hausrecht in den Gebäuden und sonstigen Liegenschaften des Sozialleistungsträgers, da das Begehren des [X.] bzw umgekehrt das Handeln des Beklagten seine Grundlage weder im [X.] noch andernorts im Sozialgesetzbuch ([X.]B) habe, sondern im allgemeinen öffentlich-rechtlichen, richterrechtlich begründeten Hausrecht als notwendiger [X.]nnex zur Sachkompetenz einer Behörde und es von deren Leiter kraft der ihm zustehenden Organisationsgewalt zur Gewährleistung und [X.]ufrechterhaltung eines geordneten Dienstbetriebs ausgeübt werde. Dieses Hausrecht erfahre durch Vorschriften des [X.] keine derart prägende grundsicherungsrechtliche [X.]nreicherung, dass von einem besonders engen Sachzusammenhang zwischen dem [X.]ntragsbegehren und der Verwaltungstätigkeit der Behörden nach dem [X.] auszugehen sei, die eine Zuweisung der Überprüfung von [X.] an die Sozialgerichte rechtfertige.

4

Mit seiner vom L[X.] zugelassenen Beschwerde wendet sich der Beklagte gegen die Verweisung des Rechtsstreits an das [X.]. Er hält unter Verweis auf den Beschluss des [X.] (B[X.]) vom [X.] ([X.] SF 1/08 R - [X.] 4-1500 § 51 [X.]) den Rechtsweg zu den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit für eröffnet, da auch das im vorliegenden Fall zwischen den Beteiligten stattgefundene Gespräch zum Zwecke der [X.]rbeitsvermittlung des [X.] die vom B[X.] geforderte Sachnähe geprägt habe und das Hausverbot im Rahmen bzw aus [X.]nlass eines zwischen den Beteiligten geführten Verwaltungsverfahrens ausgesprochen worden sei.

5

Der Kläger hat sich nicht geäußert.

6

II. Die zulässige weitere Beschwerde des beklagten [X.] ist begründet. Die Beschlüsse des L[X.] und des [X.] sind aufzuheben. Für Streitigkeiten über ein Hausverbot, das von einem Jobcenter gegenüber einem [X.]ntragsteller auf Leistungen nach dem [X.] ausgesprochen wurde, sind die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit zuständig und nicht die allgemeinen Verwaltungsgerichte oder die ordentlichen Gerichte; an dieser schon mit Beschluss vom [X.] ([X.] SF 1/08 R - [X.] 4-1500 § 51 [X.]) begründeten Rechtsprechung hält der Senat entgegen der hieran geübten Kritik (vgl etwa L[X.] Nordrhein-Westfalen Beschluss vom 4.3.2014 - L 19 [X.]S 2157/13 B, aufgehoben durch Beschluss des Senats vom heutigen Tag - [X.] SF 1/14 R; Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen Beschluss vom 13.5.2011 - 16 E 174/11, NJW 2011, 2379 ff; L[X.] [X.] Beschluss vom [X.] - L 4 [X.]S 246/12 [X.]; [X.]isches O[X.] Beschluss vom 17.10.2013 - 3 So 119/13, NJW 2014, 1196 ff; O[X.] Bremen Beschluss vom 2[X.] - 1 B 33/13; [X.] in [X.], [X.]G, Stand 12/2013, § 51 Rd[X.] 51; [X.]/[X.], [X.]G, 2012 § 51 Rd[X.] 16) fest.

7

Rechtsgrundlage hierfür ist § 51 [X.]bs 1 [X.] 4a [X.]G, nach dem die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit über öffentlich-rechtliche Streitigkeiten in [X.]ngelegenheiten der Grundsicherung für [X.]rbeitsuchende entscheiden. Der Verwaltungsrechtsweg ist - hingegen - in allen öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten nichtverfassungsrechtlicher [X.]rt gegeben, soweit die Streitigkeiten nicht durch [X.] einem anderen Gericht ausdrücklich zugewiesen sind (§ 40 [X.]bs 1 Satz 1 VwGO). Vor die ordentlichen Gerichte gehören die bürgerlich-rechtlichen Rechtsstreitigkeiten, die Familiensachen und die [X.]ngelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (Zivilsachen) sowie die Strafsachen, für die nicht entweder die Zuständigkeit von Verwaltungsbehörden oder Verwaltungsgerichten begründet ist oder aufgrund von Vorschriften des Bundesrechts besondere Gerichte bestellt oder zugelassen sind (§ 13 Gerichtsverfassungsgesetz ; siehe hinsichtlich des Rechtswegs zu den Gerichten für [X.]rbeitssachen §§ 2 ff [X.]rbeitsgerichtsgesetz <[X.]rbGG> und des [X.] § 33 Finanzgerichtsordnung ).

8

Wenn es an einer ausdrücklichen Sonderzuweisung für den zuständigen Rechtsweg fehlt, bestimmt sich die gerichtliche Zuständigkeit nach der Natur des Rechtsverhältnisses, aus dem der [X.] hergeleitet wird (Gemeinsamer Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes <[X.]> vom 4.6.1974 - GmS-OG[X.]/73 - B[X.]E 37, 292 = [X.] 1500 § 51 [X.] 2 = NJW 1974, 2087; [X.] vom 10.4.1986 - GmS-OGB 1/85 - [X.], 312 = [X.] 1500 § 51 [X.] 39; [X.] vom 29.10.1987 - GmS-OGB 1/86 - [X.], 280, 283 = [X.] 1500 § 51 [X.] 47; vgl speziell zum Hausrecht: B[X.] vom [X.] - [X.] SF 1/08 R - [X.] 4-1500 § 51 [X.] Rd[X.] 9 mwN; zum Rechtsverhältnis zwischen den Beteiligten als entscheidendes Kriterium zur Beurteilung des Rechtswegs vgl zuletzt B[X.] vom 18.3.2014 - B 8 SF 2/13 R - vorgesehen für [X.] 4-3500 § 75 [X.] 3 Rd[X.] 7; [X.] <[X.]> vom 15.10.2012 - 7 [X.]/12 - Juris Rd[X.] 14 ff).

9

Das hier maßgebliche Rechtsverhältnis zwischen dem Kläger und dem Beklagten beruht auf dem [X.], weil der Kläger einen [X.]ntrag auf Leistungen nach dem [X.] bei dem Beklagten als dafür zuständige Behörde gestellt hat, und für Streitigkeiten aus diesem Rechtsverhältnis sind die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit zuständig, wie sich unmittelbar aus dem genannten § 51 [X.]bs 1 [X.] 4a [X.]G ergibt und auch von [X.] und L[X.] nicht in [X.]brede gestellt wird (B[X.] vom [X.] - [X.] SF 1/08 R - [X.] 4-1500 § 51 [X.], auch zum Folgenden). Bestätigt wird die öffentlich-rechtliche Natur des Rechtsverhältnisses durch die vom Beklagten gewählte [X.] (vgl § 31 Satz 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - <[X.]B X>), die in der Form seines Schreibens vom 18.3.2013 an den Kläger deutlich zum [X.]usdruck kommt, durch die Bezeichnung als "[X.]", die [X.]nordnung der sofortigen Vollziehung (nach § 80 [X.]bs 2 [X.] 4 VwGO) sowie eine Rechtsmittelbelehrung. In [X.]nspruch genommen sein können hierfür nur Befugnisse, die dem Beklagten in dem durch das [X.] konstituierten Verhältnis zum Kläger eingeräumt sind.

[X.]us dem Umstand, dass vorliegend um ein von dem Beklagten gegenüber dem Kläger ausgesprochenes Hausverbot für bestimmte Räume seines Standortes [X.] gestritten wird, folgt nichts anderes. Das Hausrecht und das aus ihm abgeleitete Recht von Behörden, ein Hausverbot auszusprechen, beruhen ebenso wie bei Personen des Privatrechts - die entsprechende Rechtsstellung vorausgesetzt - zunächst auf den privatrechtlichen Besitz- und Eigentumsrechten nach §§ 859 ff, 903, 1004 [X.] (, vgl schon [X.] <[X.]> vom [X.] - [X.]Z 33, 230; [X.] vom 13.3.1970 - [X.] 80.67 - [X.]E 35, 103). Daneben ist auch ein öffentlich-rechtliches Hausrecht anerkannt, zu dessen Begründung auf den Zweck des Besuchs der Person, der gegenüber das Hausverbot ausgesprochen wird, abgestellt (vgl [X.] und [X.] aaO) oder allgemein auf die Sicherstellung eines ordnungsgemäßen Verwaltungsablaufs verwiesen wird (vgl [X.] in [X.]/[X.]/Sachs, Verwaltungsverfahrensgesetz, 8. [X.]ufl 2014, § 35 Rd[X.] 132 ff mwN).

Ob diesem letzten Begründungsansatz zu folgen und ein aus der allgemeinen Wahrnehmung von öffentlich-rechtlichen [X.]ufgaben unabhängig von den Rechtsgrundlagen, die die jeweilige Behörde zum öffentlich-rechtlichen Handeln ermächtigen, abgeleitetes allgemeines öffentlich-rechtliches Hausrecht als [X.]nnex-Kompetenz und demzufolge eine auf § 40 [X.]bs 1 Satz 1 VwGO beruhende allgemeine Zuständigkeit der (allgemeinen) Verwaltungsgerichte für alle Fälle eines öffentlich-rechtlichen Hausverbots anzunehmen ist, kann dahinstehen (vgl etwa zu Zweifeln daran, ob es eine Rechtsgrundlage für ein solches allgemeines öffentlich-rechtliches Hausrecht jeder Behörde gegenüber jedem Bürger gibt [X.] in [X.]/[X.]/Sachs, Verwaltungsverfahrensgesetz, 8. [X.]ufl 2014, § 35 Rd[X.] 133 f mwN: "das" Hausverbot gibt es nicht; ebenso [X.], [X.], 389 ff mit ausführlicher Begründung). Denn jedenfalls in den Fällen wie hier vorliegend, in denen ein Rechtsverhältnis zwischen der Behörde, die das Hausverbot ausspricht, und dem [X.]dressaten des Hausverbots besteht, ist in Übereinstimmung mit der aufgezeigten Rechtsprechung des [X.] und [X.] auf dieses Rechtsverhältnis abzustellen.

[X.] (vgl zu deren Notwendigkeit B[X.] vom [X.] - [X.] SF 1/08 R - [X.] 4-1500 § 51 [X.] Rd[X.] 19 f) beruht auf §§ 183, 193 [X.]G.

Meta

B 14 SF 1/13 R

21.07.2014

Bundessozialgericht 14. Senat

Beschluss

Sachgebiet: SF

vorgehend SG Hamburg, 21. Juni 2013, Az: S 54 AS 1591/13, Beschluss

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Beschluss vom 21.07.2014, Az. B 14 SF 1/13 R (REWIS RS 2014, 3921)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 3921

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