Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 25.10.2005, Az. V ZR 241/04

V. Zivilsenat | REWIS RS 2005, 1157

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[X.]BESCHLUSS V ZR 241/04
vom 25. Oktober 2005 in dem Rechtsstreit

- 2 - Der V. Zivilsenat des [X.] hat am 25. Oktober 2005 durch den Vorsitzenden [X.] Prof. Dr. [X.], die [X.] Dr. [X.] und [X.], die [X.]in [X.] und den [X.] [X.] beschlossen:
Auf die Nichtzulassungsbeschwerde der Beklagten wird das [X.]eil des 22. Zivilsenats des [X.] vom 19. Oktober 2004 aufgehoben.

Der Rechtsstreit wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Verfahrens der Nichtzulassungsbe-schwerde, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens beträgt 86.236,69 •.

Gründe:
[X.] Die Klägerin verlangt von der Beklagten - eine der [X.] der [X.] - den Ersatz von Schäden sowie die [X.] von Maßnahmen zur Abwehr des Zustroms von Grundwasser, das durch schädliche Bodeneinwirkungen verunreinigt ist. Die Beklagte verteidigt sich im Rechtsstreit u.a. damit, dass die Verunreinigungen nicht aus ihren ehemaligen Bahnhofsgrundstücken herrührten, welche sie zum Teil bis 1989 1 - 3 - an eine [X.] verpachtet hatte, sondern ausschließlich aus dem jenseits der [X.] belegenen ehemaligen Betriebsgelände der [X.]stammten und allein durch den Grundwasserstrom durch ihr Grundstück hindurch auf das Betriebsgelände der Klägerin transportiert würden, die dort auf Grund einer wasserrechtlichen Erlaubnis zwei Brunnen betreibt. Das [X.] hat zwei hydrogeologische Gutachten eingeholt. Nach Eingang des zweiten Gutachtens hat das [X.] durch Verfügung des Vorsitzenden vom 19. März 2003 den [X.]en aufgegeben, binnen einer Frist von sechs Wochen nach Zustellung der Verfügung zu dem Gutachten Stellung zu nehmen. Mit Schriftsätzen im Mai und im Juni 2003 hat die Beklagte zweimal beantragt, die Frist zur Stellungnahme wegen Wechsels des [X.] der Beklagten und wegen Überlastung des Anwalts zu verlängern; den Anträgen wurde entsprochen Nachdem die Stellungnahme auch nicht innerhalb der verlängerten Frist eingegangen war, hat der Vorsitzende Termin auf den 11. November 2003 an-beraumt. Mit Schriftsatz vom 29. Oktober 2003 hat die Beklagte Beweis-einreden erhoben, an den Sachverständigen zu stellende Fragen formuliert und beantragt, den Sachverständigen zur Erläuterung seines Gutachtens zu laden. Dieser teilte mit, dass er am 11. November 2003 einen anderen Termin habe und zu dem umfangreichen Schriftsatz der Beklagten auch nicht binnen einer Woche sachgerecht Stellung nehmen könne. Der Termin wurde ohne den Sachverständigen durchgeführt. Das Land-gericht hat der Klage stattgegeben und in den [X.]eilsgründen den Antrag der Beklagten auf Ladung des Sachverständigen nach § 411 Abs. 4 ZPO i.V.m § 296 Abs. 1 ZPO wegen Verspätung zurückgewiesen. 2 3 4 - 4 - In der Berufungsinstanz hat die Beklagte nochmals die Anhörung des Sachverständigen unter Vorlage eines von ihr eingeholten [X.] beantragt. Das [X.] hat dem Antrag unter Bezugnahme auf die Gründe im [X.]eil des [X.]s nicht entsprochen und die Berufung ohne Beweisaufnahme zurückgewiesen. I[X.] Das angefochtene [X.]eil ist aufzuheben. Die statthafte und auch im Übrigen zulässige Nichtzulassungsbeschwerde ist begründet. Das Berufungs-gericht hat den Anspruch der Beklagten auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) verletzt, indem es sich die rechtsfehlerhaften Ausführungen des Land-gerichts zu eigen gemacht und deswegen von einer Anhörung des Sach-verständigen auch im [X.] abgesehen hat. 1. a) Das [X.] hat zu Unrecht den Antrag der Beklagten auf Ladung des Sachverständigen zur Erläuterung seines Gutachtens nach § 411 Abs. 4 Satz 2 i.V.m. § 296 Abs. 1 ZPO als verspätet zurückgewiesen. Eine Zurückweisung aus diesem Rechtsgrund setzt eine wirksame richterliche Fristsetzung voraus, an der es hier fehlt. Der [X.] lässt insoweit dahinstehen, ob die nicht in einer mündlichen Verhandlung gem. § 411 Abs. 4 ZPO bestimmte Frist von sechs Wochen zur Stellungnahme zu dem Gutachten schon deshalb keine [X.] für verspätetes Vorbringen nach § 296 Abs. 1 ZPO herbeiführen konnte, weil die mit einer Frist versehene Aufforderung nicht durch die Kammer beschlossen, sondern allein durch den Vorsitzenden verfügt worden ist (vgl. [X.], [X.]. vom 22. Mai 2001, [X.]/00, NJW-RR 2001, 1431, 1432). Einen Ausschluss der erst lange nach Fristablauf von der Beklagten vorgetragenen 5 6 7 8 - 5 - [X.] und des Antrags auf Ladung des Sachverständigen konnte die Fristsetzung hier jedenfalls deshalb nicht herbeiführen, weil es an dem dafür erforderlichen Hinweis an die [X.]en über die Folgen einer Nichtbeachtung der Frist fehlte. Eine Präklusionswirkung kann der Ablauf einer richterlichen Frist zum Vorbringen der Einwendungen gegen das Gutachten und der die Begutachtung betreffenden Anträge nach § 411 Abs. 4 Satz 1 ZPO nur dann auslösen, wenn bei der [X.] keine Fehlvorstellungen über diese Wirkung aufkommen können ([X.], [X.]. vom 22. Mai 2001, [X.]/00, aaO). Daran fehlte es hier. In der Verfügung wurden die [X.]en zu einer Stellungnahme zu dem Gutachten in einer von dem [X.] bestimmten Frist aufgefordert, ohne dass dies mit einem Hinweis auf einen Ausschluss eines erst nach Ablauf der Frist eingehenden Vorbringens verbunden wurde. b) Die fehlerhafte Zurückweisung des Antrags auf Anhörung des Sach-verständigen zu den von ihr erhobenen [X.] verletzt deren [X.] auf rechtliches Gehör aus Art. 103 Abs. 1 GG. Die Verletzung des [X.] folgt daraus, dass der Beklagten unter Verstoß gegen die Vorschriften der Zivilprozessordnung das Fragerecht an den Gutachter aus §§ 402, 397 Abs. 1 ZPO zu Unrecht versagt worden ist ([X.] NJW-RR 1996, 183, 185; NJW 1998, 2273, 2274 und [X.], [X.]. v. 15. November 1996, [X.], [X.] § 315 Nr. 52a). 2. a) Das Berufungsgericht hat den Fehler fortgeführt, indem es sich unter Berufung auf die Gründe des [X.]s an einer Ladung des Sach-verständigen gehindert gesehen hat. Die in erster Instanz erhobenen [X.] und das daraus begründete Fragerecht waren - infolge fehlerhafter Zurückweisung durch das [X.] - nicht nach § 531 Abs. 1 ZPO im [X.] ausgeschlossen. Das Berufungsgericht wäre zur 9 10 - 6 - Behebung des Fehlers verpflichtet gewesen, dem in zweiter Instanz erneut gestellten Antrag auf Anhörung des Sachverständigen zu entsprechen (vgl. [X.], [X.]. v. 24. Oktober 1995, [X.], NJW 1996, 788, 789 und v. 29. Oktober 2002, [X.], NJW-RR 2003, 208, 209). b) Damit hat auch das Berufungsgericht den Anspruch der Beklagten auf rechtliches Gehör verletzt. Zwar führt nicht jede fehlerhafte Anwendung einer Präklusionsvorschrift durch das Berufungsgericht zu einem Verstoß gegen das Verfahrensgrundrecht; eine solche Verletzung liegt jedoch dann vor, wenn der Fehler - wie hier - zur Folge hat, dass der [X.] in beiden Tatsacheninstanzen auf Grund von Verfahrensfehlern das Fragerecht gegenüber dem Sachverständigen abgeschnitten wird (vgl. [X.] NJW 1995, 2980). 3. a) Das angefochtene [X.]eil beruht auch auf der Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör. Dies ist bereits dann so, wenn nicht ausgeschlossen werden kann, dass das Berufungsgericht bei Berücksichtigung der [X.] und einer Anhörung des gerichtlichen Sachverständigen dazu anders entschieden hätte ([X.], [X.]. v. 18. Juli 2003, [X.], NJW 2003, 3205 f. und [X.]. v. 9. Juni 2005, [X.], NJW 2005, 2624, 2625). So liegt es hier. Es ist nicht ausgeschlossen, dass das Berufungsgericht nach einer Anhörung des gerichtlichen Sachverständigen zu den von der Beklagten erhobenen Einreden zu einem anderen Beweisergebnis gelangt wäre. b) Die Beweisfrage betrifft auch einen entscheidungserheblichen Punkt. Über die von der Klägerin geltend gemachten Abwehr- und Schadensersatz-ansprüche wäre anders zu urteilen, wenn die die Verunreinigung des Grund-wassers auslösenden schädlichen Bodenveränderungen durch [X.] allein 11 12 13 - 7 - auf den früheren [X.] der [X.]
, und nicht auch auf den ehemaligen Bahnhofsgrundstücken der Beklagten erfolgten. - 8 - Zur Abwehr von Beeinträchtigungen der Klägerin, die ausschließlich auf dem Durchfluss bereits verunreinigten Grundwassers von dem ehemaligen Betriebsgrundstück der [X.] zu den [X.] und der auf diesen befindlichen Brunnenanlage der Klägerin beruhen, wäre die Beklagte nicht verpflichtet. Ein solcher Anspruch gegen Beeinträchtigungen aus dem natürlichen Grundwasserstrom setzt vielmehr voraus, dass die Störung [X.] mittelbar auf den Willen des Eigentümers zurückgeführt werden kann (vgl. [X.], [X.]Z 90, 255, 266; 114, 183, 187). Störungen, die auf schädliche Bodenveränderungen auf den im Eigentum der [X.]

stehenden [X.] zurückzuführen sind, hätte die Beklagte indes weder durch eigene Handlungen ermöglicht noch durch pflichtwidriges Unterlassen herbeigeführt. II[X.] Der [X.] hat von der Möglichkeit der Aufhebung und Zurückverweisung durch [X.]uss nach § 544 Abs. 7 ZPO Gebrauch gemacht. 14 15 - 9 - Die Entscheidung über den Gegenstandswert der Nichtzulassungs-beschwerde folgt aus § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG, § 3 ZPO. [X.] [X.] Lemke

[X.][X.]: [X.], Entscheidung vom 23.12.2003 - 5 O 38/94 - O[X.], Entscheidung vom 19.10.2004 - 22 U 17/04 - 16

Meta

V ZR 241/04

25.10.2005

Bundesgerichtshof V. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 25.10.2005, Az. V ZR 241/04 (REWIS RS 2005, 1157)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2005, 1157

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