Bundesgerichtshof, Beschluss vom 27.03.2014, Az. IX ZB 52/13

9. Zivilsenat | REWIS RS 2014, 6702

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KOSTENFESTSETZUNG GEBÜHRENSTREITWERT

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Gegenstand

Kostenfestsetzung für den Schuldneranwalt im Insolvenzeröffnungsverfahren nach Rücknahme eines Gläubigerantrages: Selbständige Streitwertfestsetzung durch den Rechtspfleger


Tenor

Auf die Rechtsbeschwerde der weiteren Beteiligten wird der Beschluss der 4. Zivilkammer des [X.] vom 6. Juni 2013 aufgehoben.

Auf die sofortige Beschwerde der Schuldnerin wird der Kostenfestsetzungsbeschluss des [X.] vom 8. April 2013 aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittelverfahren, an den Rechtspfleger des [X.] zurückverwiesen.

Gerichtskosten für das Beschwerde- und Rechtsbeschwerdeverfahren gegen den genannten Kostenfestsetzungsbeschluss des [X.] werden nicht erhoben (§ 21 Abs. 1 Satz 1 GKG).

Der Wert des Rechtsbeschwerdeverfahrens wird auf 311 € festgesetzt.

Gründe

I.

1

Die weitere Beteiligte, eine gesetzliche Krankenversicherung, beantragte mit der Begründung, die Schuldnerin habe [X.] in Höhe von 6.293,35 € über einen Zeitraum von acht Monaten nicht entrichtet und die Zwangsvollstreckung sei erfolglos versucht worden, das Insolvenzverfahren über deren Vermögen zu eröffnen. Die anwaltlich vertretene Schuldnerin bestritt die behaupteten Forderungen. Daraufhin nahm die weitere Beteiligte den Insolvenzantrag zurück. Auf Antrag der Schuldnerin erlegte das Insolvenzgericht der weiteren Beteiligten die Kosten des Verfahrens auf.

2

Nunmehr hat die Schuldnerin beantragt, die ihr entstandenen Rechtsanwaltskosten - berechnet aus einem Gegenstandswert von 25.000 € - in Höhe von 706 € festzusetzen (1,0 Verfahrensgebühr für das Eröffnungsverfahren Nr. 3313 VV [X.] zuzüglich Pauschale für Post- und Telekommunikation Nr. 7002 VV [X.]). Die Rechtspflegerin des Amtsgerichts hat die von der weiteren Beteiligten an die Schuldnerin zu erstattenden Kosten auf 395 € nebst Zinsen festgesetzt, wobei sie einen Gegenstandswert von 6.293,35 € zugrunde gelegt hat. Auf die form- und fristgerechte Beschwerde der Schuldnerin hat das [X.] - nach Übertragung der Sache durch den Einzelrichter auf die Kammer (§ 568 Satz 2 ZPO) - die der Schuldnerin zu erstattenden Kosten auf weitere 311 €, insgesamt auf 706 €, nebst Zinsen festgesetzt. Mit der vom [X.] zugelassenen Rechtsbeschwerde möchte die weitere Beteiligte die Wiederherstellung der amtsgerichtlichen Entscheidung erreichen.

II.

3

Die Rechtsbeschwerde ist statthaft (§ 104 Abs. 3 Satz 1, § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO, § 4 [X.]) und auch im Übrigen zulässig (§ 575 ZPO, § 4 [X.]). Sie hat in der Sache Erfolg und führt zur Aufhebung der angefochtenen Beschlüsse und zur Zurückverweisung der Sache an die Rechtspflegerin des Insolvenzgerichts (§ 577 Abs. 4 Satz 1, § 572 Abs. 3 ZPO, § 4 [X.]). Weder die Rechtspflegerin beim Insolvenzgericht noch das Beschwerdegericht waren zu einer Entscheidung der streitentscheidenden Rechtsfrage berufen ([X.], Beschluss vom 20. März 2014 - [X.]/11 zVb).

4

Die Schuldnerin hat sich nämlich gegen den angefochtenen [X.] ausschließlich mit der Begründung gewandt, die Rechtspflegerin habe ihrer Entscheidung zu den Anwaltsgebühren einen unzutreffenden Gegenstandswert zugrunde gelegt. Sie hat diesen Einwand bereits in ihrer Stellungnahme zu dem Hinweis der Rechtspflegerin erhoben, die den Gegenstandswert gemäß § 28 Abs. 1 [X.] in Verbindung mit § 58 Abs. 2 GKG (so auch [X.], [X.] 1994, 1253 für § 77 [X.]; [X.] in [X.]/[X.]/[X.]/[X.], [X.], 21. Aufl., § 28 Rn. 4) nach dem Betrag der Forderung und nicht, wie von der Schuldnerin beantragt, nach dem Wert der Masse zur Zeit der Beendigung des Verfahrens gemäß § 28 Abs. 1 [X.] in Verbindung mit § 58 Abs. 1 GKG ([X.] in [X.]/[X.]/Schons, Praxiskommentar zum [X.], 2. Aufl., § 28 Rn. 15; [X.], [X.] Anwaltshandbuch Vergütungsrecht, 2. Aufl., § 35 Rn. 75 f; [X.]/[X.]/[X.], [X.], 9. Aufl., § 28 Rn. 4; so wohl auch [X.]/[X.]/[X.], [X.], 6. Aufl., § 28 Rn. 8, 10; Wolf in [X.]/Wolf, [X.] [X.], 6. Aufl., § 28 Rn. 5; v. Seltmann/[X.]/[X.], [X.], [X.], 2012, § 28 Rn. 3; [X.]/[X.]/Onderka, [X.], 13. Aufl. Rn. 3186; Wolf/Mock in [X.]/Wolf, [X.], 7. Aufl., § 28 Rn. 4; [X.] in [X.]/[X.]/[X.], [X.], 16. Aufl., § 28 Rn. 5) berechnet hat. Hierin liegt ein konkludenter Antrag auf förmliche [X.] für die Rechtsanwaltsgebühren gemäß § 33 Abs. 1 Alt. 1 [X.] (vgl. KG, [X.] 2009, 799, 800). Über diesen Antrag hätte die Rechtspflegerin mangels eigener Zuständigkeit nicht im Rahmen des Kostenfestsetzungsverfahrens selbst entscheiden dürfen, sondern sie hätte dieses entsprechend § 11 Abs. 4 [X.], § 148 ZPO aussetzen und eine richterliche Entscheidung des [X.] über den Antrag auf [X.] für die Rechtsanwaltsgebühren anregen müssen. Erst auf der Grundlage eines derart festgesetzten [X.] hätte über den [X.] der Schuldnerin entschieden werden können (vgl. [X.], [X.] 2010, 568, 569).

5

Im Kostenfestsetzungsverfahren nach den §§ 104 ff ZPO wird lediglich geprüft, ob die geltend gemachten Kosten das diesem zugrundeliegende Verfahren betreffen, entstanden sind und notwendig waren (vgl. MünchKommZPO/[X.], 4. Aufl., § 104 Rn. 24; Musielak/[X.], ZPO, 10. Aufl., § 104 Rn. 5; Vorwerk/Wolf/[X.], [X.]-ZPO, 2014, § 104 Rn. 15). Der Rechtspfleger ist in diesem Verfahren zu einer selbständigen [X.] nicht befugt, vielmehr hat die Festsetzung des [X.] durch verbindliche Entscheidung im Verfahren nach § 63 GKG, § 33 [X.] zu erfolgen (MünchKomm-ZPO/[X.], aaO Rn. 33; [X.]/[X.], ZPO, 30. Aufl., § 104 Rn. 21 unter dem Stichwort Streitwert). Zumindest wenn ein Verfahrensbeteiligter gegen den dem [X.] zugrundeliegenden oder gegen den vom Rechtspfleger in den Raum gestellten Gegenstandswert Beanstandungen erhebt, muss dieser seine Entscheidung über den [X.] bis zu einer Festsetzung des [X.] zurückstellen, gegebenenfalls muss er das Kostenfestsetzungsverfahren entsprechend § 148 ZPO, § 11 Abs. 4 [X.] aussetzen ([X.], Beschluss vom 5. Juni 2001 - 14 W 384/01 juris Rn. 7 ff; [X.], [X.] 2010, 568, 569; Vorwerk/Wolf/[X.], [X.], ZPO, 2014, § 104 Rn. 26; [X.] in v. Eicken/Hellstab/[X.]/[X.]/Dörndorfer, [X.], 21. Aufl. Rn. [X.]). Entgegen einer in der Literatur vertretenen Ansicht darf der Rechtspfleger zumindest in den Fällen, in denen zwischen den Verfahrensbeteiligten unterschiedliche Auffassungen über die Höhe des [X.] bestehen, den [X.] nicht selbst ermitteln (Prütting/Gehrlein/[X.], ZPO, 5. Aufl., § 104 Rn. 14; [X.], ZPO, 22. Aufl., § 104 Rn. 13) und kann der vom Rechtspfleger angenommene Gegenstandswert im [X.] gegen den [X.] nicht überprüft werden (so aber [X.], aaO).

6

Der Gesetzgeber hat den Beteiligten Verfahren zur verbindlichen Festsetzung des [X.] zur Verfügung gestellt mit einem Beschwerdeverfahren, das jedenfalls nicht zu einem obersten Gerichtshof des Bundes führt (§ 33 Abs. 4 Satz 3, Abs. 6 Satz 3 [X.]; § 68 Abs. 1 Satz 5 iVm § 66 Abs. 3 Satz 3, Abs. 4 Satz 3 GKG). Diesem gesetzgeberischen Willen würde es widersprechen, den [X.] im Rahmen eines Kostenfestsetzungsverfahrens mit einem [X.] bis zum [X.] (§ 104 Abs. 3 Satz 1, § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO) überprüfen zu lassen. Weiter spricht gegen die Zulassung der Prüfung des [X.] im Kostenfestsetzungsverfahren, dass die [X.] ohnehin nicht bindend wäre. Das nach § 63 GKG, § 33 [X.] zuständige Gericht könnte gegebenenfalls auf entsprechenden Antrag den Streitwert ohne Bindung an die Annahmen des [X.] und der hierzu ergangenen Beschwerdeentscheidungen festsetzen.

Kayser                     Gehrlein                          Pape

               Grupp                        [X.]

Meta

IX ZB 52/13

27.03.2014

Bundesgerichtshof 9. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZB

vorgehend LG Neubrandenburg, 6. Juni 2013, Az: 4 T 87/13, Beschluss

§ 21 Abs 1 S 1 GKG, § 63 GKG, § 33 RVG, § 104 ZPO, §§ 104ff ZPO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 27.03.2014, Az. IX ZB 52/13 (REWIS RS 2014, 6702)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 6702

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