Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 23.09.2008, Az. XI ZR 395/07

XI. Zivilsenat | REWIS RS 2008, 1848

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[X.]IM NAMEN DES VOLKES URTEIL [X.] Verkündet am: 23. September 2008 [X.], Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja [X.]Z: nein [X.]R ja _____________________

BGB § 199 Abs. 1 Nr. 2 Eine Bank als Bürgschaftsgläubiger trifft nach Fälligkeit der Bürgschaftsforde-rung die Obliegenheit, die ihr bei Abschluss des [X.] ange-gebene Anschrift des Bürgen zeitnah auf ihre Richtigkeit zu überprüfen. [X.], Urteil vom 23. September 2008 - [X.] - OLG [X.]

LG Flensburg - 2 - Der [X.]. Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhand-lung vom 23. September 2008 durch [X.] h.c. No[X.]e sowie [X.] [X.], [X.], [X.] und [X.] für Recht erkannt: Auf die Rechtsmittel der Klägerin werden das Urteil des 5. Zivilsenats des [X.]-Holsteinischen Oberlan-desgerichts in [X.] vom 5. Juli 2007 aufgehoben und das Urteil der 2. Zivilkammer des [X.] vom 12. Januar 2007 abgeändert. Der Beklagte wird neben dem Hauptschuldner [X.]verurteilt, an die Klägerin 38.858,18 • zuzüg-lich Zinsen in Höhe von 8.121,38 • für die [X.] vom 25. Januar 2001 bis zum 23. Dezember 2004 und weite-re Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jewei-ligen Basiszinssatz auf 38.858,18 • seit dem 30. April 2005 zu zahlen. Im Übrigen werden die Klage abgewiesen und die Rechtsmittel der Klägerin zurückgewiesen. Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Von Rechts wegen - 3 - Tatbestand:
1 Die Klägerin, eine Bank, nimmt den Beklagten aus einer Bürg-schaft in Anspruch. Der Beklagte erhebt die Einrede der Verjährung. 2 Die Klägerin gewährte dem [X.] des Beklagten (im Folgenden: Hauptschuldner) am 18. Juni 1993 einen Kredit über 136.000 DM. Mit Urkunde vom selben Tag übernahm der Beklagte eine selbstschuldneri-sche Bürgschaft bis zum Betrag von 76.000 DM für sämtliche bestehen-den und künftigen Ansprüche der Klägerin gegen den Hauptschuldner. Nachdem der Hauptschuldner auf das Darlehen keine Zahlungen mehr geleistet hatte, kündigte die Klägerin spätestens im Jahr 2001 das [X.], das noch in einer den [X.] übersteigenden Höhe offensteht. Erst mit Schreiben vom 23. Dezember 2004 nahm die Kläge-rin den Beklagten aus der Bürgschaft in Anspruch. Am 28. Dezember 2004 hat die Klägerin beim zuständigen Amts-gericht den Erlass eines Mahnbescheides über 38.858,18 • nebst Zinsen und vorgerichtlicher Mahnkosten gegen den Beklagten beantragt. Da die-ser an der von der Klägerin angegebenen Anschrift nicht mehr wohnhaft war, konnte ihm der am 4. Januar 2005 erlassene Mahnbescheid [X.] nicht zugestellt werden. Nach zwei weiteren erfolglosen Zustell-versuchen an von der Klägerin benannten anderen Adressen hat sie erst am 27. April 2005 die zutreffende Anschrift des Beklagten mitgeteilt, woraufhin ihm der Mahnbescheid am 30. April 2005 zugestellt worden ist. Nachdem der Beklagte hiergegen Widerspruch erhoben hatte, hat das Amtsgericht die Klägerin am 10. Mai 2005 hierüber benachrichtigt und 3 - 4 - einen weiteren [X.] eingefordert. Dieser ist nebst der Anspruchsbegründung am 27. Dezember 2005 eingegangen. 4 Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Mit der vom [X.] zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Klagebe-gehren weiter. Entscheidungsgründe:
Die Revision ist im Wesentlichen begründet. 5 [X.] Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt: 6 [X.] sei verjährt. Maßgeblich sei die dreijäh-rige Verjährungsfrist gemäß §§ 195, 199 BGB i.V. mit Art. 229 § 6 Abs. 1 und 4 EGBGB, die am 1. Januar 2002 begonnen habe. Die Verjährung der Bürgschaftsforderung beginne mit der Fälligkeit der Hauptforderung, die im Jahr 2001 eingetreten sei. Zu diesem [X.]punkt sei der Klägerin die Person des Beklagten und seine Zahlungsverpflichtung aus der selbstschuldnerischen Bürgschaft bekannt gewesen. Die Verjährung, die am 31. Dezember 2004 geendet hätte, sei durch die Einreichung des [X.] am 28. Dezember 2004 zwar rechtzeitig gehemmt worden. Die Hemmung habe aber gemäß § 204 Abs. 2 BGB am 10. November 2005 geendet, nachdem die Klägerin das Verfahren sechs Monate nicht 7 - 5 - mehr betrieben habe und es dadurch in Stillstand geraten sei. Aufgrund dessen sei der [X.] verjährt, bevor die Klägerin das Verfahren am 27. Dezember 2005 weiter betrieben habe.
I[X.] Diese Ausführungen halten rechtlicher Überprüfung in einem we-sentlichen Punkt nicht stand. Die Forderung der Klägerin aus § 765 Abs. 1 BGB ist nicht verjährt. 8 1. Die Frist für die Verjährung der Bürgschaftspflicht des Beklagten beträgt nach der für das Verjährungsrecht geltenden Überleitungsvor-schrift in Art. 229 § 6 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 Satz 1 EGBGB gemäß § 195 BGB in der seit dem 1. Januar 2002 geltenden Fassung drei Jahre. Diese Frist beginnt gemäß § 199 Abs. 1 BGB mit dem Schluss des Jahres, in dem der [X.] der Klägerin entstanden ist und der Gläu-biger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt hat oder ohne grobe Fahrlässigkeit hät-te erlangen müssen. 9 2. Das Berufungsgericht hat rechtsfehlerfrei ausgeführt, dass der Anspruch aus der selbstschuldnerischen Bürgschaft des Beklagten - mangels abweichender Vereinbarung der Parteien - mit Fälligkeit der gesicherten Forderung entstanden ist. Wie der Senat nach Erlass des Berufungsurteils entschieden (Urteile vom 29. Januar 2008 - [X.] ZR 160/07, [X.], 729, 731 f. [X.]. 22 ff., für [X.]Z 175, 161 [X.], vom 11. März 2008 - [X.] ZR 81/07, [X.]. 9 ff. und vom 8. Juli 10 - 6 - 2008 - [X.] ZR 230/07, [X.], 1731, 1732 [X.]. 18) und im Einzelnen begründet hat, kommt es für den Beginn der Verjährungsfrist nicht auf die Geltendmachung der [X.] durch den Gläubiger an. Die Ausführungen der Revision geben zu einer abweichenden Beur-teilung keinen Anlass. Dass - worauf die Revision unter Bezugnahme auf § 497 Abs. 3 Satz 3 BGB hinweist - die Bürgschaftsforderung vor der ge-sicherten Forderung verjähren kann, beruht auf dem getrennten Schick-sal beider Forderungen nach deren Fälligkeit und stellt weder eine Folge des Verjährungsbeginns der Bürgschaftsforderung mit Fälligkeit der ge-sicherten Forderung noch eine Besonderheit beim Verbraucherdarlehen dar, sondern kann allgemein z.B. durch eine Hemmung der Verjährung nur gegenüber dem Schuldner der gesicherten Forderung eintreten. 3. Rechtsfehlerhaft ist hingegen die Auffassung des Berufungsge-richts, auch die - erforderlichen (Senat [X.]Z 171, 1, 7 ff. [X.]. 19 ff.) - subjektiven Voraussetzungen des § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB hätten im [X.] bereits im Jahr 2001 vorgelegen. Dies war vielmehr erst zu einem späteren [X.]punkt der Fall, weshalb die Verjährung frühestens mit Ablauf des 31. Dezember 2005 geendet hätte und daher durch das [X.] des Verfahrens am 27. Dezember 2005 rechtzeitig gehemmt wurde. 11 a) Nach der Rechtsprechung des [X.] zu § 852 BGB a.F., die zur Auslegung des § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB herangezogen werden kann, liegt die erforderliche Kenntnis von der Person des Schuldners im Allgemeinen vor, wenn dem Gläubiger die Erhebung einer Klage Erfolg versprechend, wenn auch nicht risikolos, möglich ist ([X.] vom 3. Juni 2008 - [X.] ZR 319/06, [X.], 1346, 1349 [X.]. 27 12 - 7 - m.w.Nachw.). Hierzu bedarf es u.a. der Kenntnis von Namen und An-schrift des Schuldners ([X.], Urteile vom 16. Dezember 1997 - [X.], NJW 1998, 988, 989, vom 6. März 2001 - [X.], NJW 2001, 1721, 1722 und vom 8. Oktober 2002 - [X.], [X.], 288, 289, jeweils m.w.Nachw.). Dass der Klägerin die aktuelle An-schrift des Beklagten bei Entstehung des [X.]s positiv bekannt war, hat das Berufungsgericht nicht festgestellt. Hierfür ist auch nichts ersichtlich. b) Die Unkenntnis der Klägerin beruhte jedoch auch nicht auf gro-ber Fahrlässigkeit. 13 aa) Grob fahrlässige Unkenntnis liegt vor, wenn dem Gläubiger die Kenntnis fehlt, weil er die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in ungewöhn-lich grobem Maße verletzt und auch ganz nahe liegende Überlegungen nicht angestellt oder das nicht beachtet hat, was jedem hätte einleuchten müssen (vgl. [X.], Urteil vom 13. Dezember 2004 - [X.], [X.], 382, 384; [X.], [X.]. § 199 Rdn. 28; [X.] m.w.Nachw.). Eine Bank als Bürgschaftsgläubiger hat zu beden-ken, dass der Anspruch aus der Bürgschaft - anders als dies bei [X.] sonst der Regelfall ist - nicht bereits mit Vertragsabschluss, sondern erst mit der Fälligkeit der Hauptforderung entsteht. Wegen des unter Umständen langen [X.]ablaufs seit Vertrags-schluss kann sich die Wohnanschrift des Bürgen geändert haben, ohne dass der Bürgschaftsgläubiger davon Kenntnis erlangt hat; eine entspre-chende Benachrichtigungspflicht des Bürgen besteht nicht. Aufgrund dessen trifft die Bank im eigenen Interesse die Obliegenheit, sich im [X.] zeitlichen Zusammenhang mit der Entstehung des [X.] zu vergewissern, ob die ihr bekannte Wohnanschrift des Bürgen noch aktuell ist, und sich gegebenenfalls nach der neuen Adresse des Bürgen zu erkundigen, sofern ihr diese nicht z.B. aus einer anderen mit dem Bürgen bestehenden Geschäftsverbindung ohnehin bekannt ist. Mit dem Eintritt des [X.] besteht für die Bank Anlass, die ihr für die notleidend gewordene Hauptforderung gewährten Sicherheiten auf ihre Werthaltigkeit zu überprüfen. Bei einer Bürgschaft gehört hierzu auch die Feststellung der aktuellen Anschrift des Bürgen, um ihn über-haupt in Anspruch nehmen zu können. [X.]) Nach diesen Maßstäben kann eine grob fahrlässige Unkenntnis der Klägerin von der aktuellen Wohnanschrift des Beklagten vor dem 1. Januar 2002 nicht bejaht werden. Der Beklagte, der als Schuldner die Darlegungs- und Beweislast für Beginn und Ablauf der Verjährung und damit für die subjektiven Voraussetzungen des § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB trägt (Senat [X.]Z 171, 1, 10 f. [X.]. 32), hat nicht dargelegt, wann genau im Verlauf des Jahres 2001 das Darlehen gekündigt wurde und ab wel-chem [X.]punkt die Klägerin daher Nachforschungen nach seiner An-schrift anstellen musste. Darüber hinaus ist auch nicht festgestellt oder vom Beklagten vorgetragen worden, dass diese Ermittlungen noch im Jahr 2001 Erfolg gehabt hätten; es ist daher nicht auszuschließen, dass die Nachfragen der Klägerin erst im Jahr 2002 erfolgreich gewesen [X.]. 15 - 9 - II[X.] 16 Das Berufungsurteil war demnach aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Da die Sache zur Endentscheidung reif ist, hatte der Senat in der Sache selbst zu entscheiden (§ 563 Abs. 3 ZPO) und den Beklagten unter [X.] des landgerichtlichen Urteils zur Zahlung von 38.858,18 • zu-züglich Zinsen in Höhe von 8.121,38 • für die [X.] vom 25. Januar 2001 bis zum 23. Dezember 2004 und weiterer Zinsen in Höhe von 5 Prozent-punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz auf 38.858,18 • seit dem 30. April 2005 zu verurteilen. Im Übrigen waren die Klage abzuweisen und die weitergehenden Rechtsmittel zurückzuweisen.
No[X.]e [X.] Joeres Grüneberg [X.] Vorinstanzen: [X.], Entscheidung vom 12.01.2007 - 2 O 10/06 - OLG [X.], Entscheidung vom 05.07.2007 - 5 U 41/07 -

Meta

XI ZR 395/07

23.09.2008

Bundesgerichtshof XI. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 23.09.2008, Az. XI ZR 395/07 (REWIS RS 2008, 1848)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2008, 1848

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