Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 28.02.2012, Az. XI ZR 192/11

XI. Zivilsenat | REWIS RS 2012, 8741

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Entscheidungstext


Formatierung

Dieses Urteil liegt noch nicht ordentlich formatiert vor. Bitte nutzen Sie das PDF für eine ordentliche Formatierung.

PDF anzeigen


[X.]UNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL
XI [X.]
Verkündet am:

28. Februar 2012

Herrwerth,

Justizangestellte

als Urkundsbeamtin

der Geschäftsstelle

in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja
ZPO § 185 Nr. 1
[X.] § 199 Abs. 1 Nr. 2, § 204 Abs. 1 Nr. 1 und 3, § 768 Abs. 1
EG[X.] Art. 229 § 6 Abs. 1 Satz 2, Abs. 4 Satz 1
a)
Hat der Gläubiger vor dem Stichtag des 1.
Januar 2002 gemäß Art.
229 §
6 Abs.
1 Satz
2, Abs.
4 Satz
1 EG[X.] Kenntnis von der Anschrift des Schuldners, verliert er diese Kenntnis jedoch vor diesem Stichtag, beginnt die nach §
199 Abs.
1 Nr.
2 [X.] kenntnisabhängige dreijährige [X.] nach §
195 [X.] erst, wenn der Gläubiger nach dem genannten Stichtag erstmals wieder Kenntnis von der Anschrift des Schuldners erlangt oder grob fahrlässig nicht erlangt.
b)
Der Gläubiger ist in derartigen [X.] nicht gehalten, zur Hemmung der Verjährung die Klage gemäß §
185 Nr.
1 ZPO öffentlich zustellen zu lassen.
c)
[X.]esteht die [X.] nach dem Wegfall der Hauptforderung infolge des Untergangs des [X.] als Rechtsperson als selbständige Forderung weiter und kann der Gläubiger deshalb die Unterbrechung bzw. Hemmung der Verjährung der Hauptforderung nur noch im [X.] zum [X.]ürgen bewirken (Senatsurteil vom 28.
Januar 2003 -
XI
ZR 243/02, [X.], 337, 340
ff.), ist bei der Prüfung der für die [X.]erechnung des [X.]eginns der Verjährungsfrist erforderlichen subjektiven Voraussetzungen des §
199 Abs.
1 [X.] auf die Person des [X.]ürgen abzustellen.
[X.], Urteil vom 28. Februar 2012 -
XI [X.] -
OLG [X.]

LG [X.]

-
2
-
Der XI.
Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom 28. Februar 2012 durch [X.] [X.], den Richter Dr.
Joeres, die Richterin [X.] und [X.]
Ellenberger und Dr.
Matthias
für Recht erkannt:
Die Revision des [X.]eklagten gegen das Urteil des 17.
Zivilsenats des [X.] vom 15.
März 2011 wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:
Die [X.]en streiten darüber, ob der von der Klägerin erhobenen [X.]ürg-schaftsforderung die Verjährungseinreden des [X.]eklagten entgegenstehen.
Der [X.]eklagte, der alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer der A.

mbH (nachfolgend: Hauptschuldnerin) war, verbürgte sich mit [X.]ürgschaftsvertrag vom 3.
Juni 1987 gegenüber der Klägerin unbegrenzt und selbstschuldnerisch für sämtliche Ansprüche der Klägerin aus der Ge-schäftsverbindung zur Hauptschuldnerin. Mit Schreiben vom 17.
September 1993 kündigte die Klägerin die Geschäftsverbindung zur Hauptschuldnerin und stellte den Saldo von deren Kontokorrentkonto in Höhe von 71.978,67
DM zum 15.
Oktober 1993 fällig. Mit Schreiben vom 10.
November 1993 forderte die 1
2
-
3
-
Klägerin den [X.]eklagten als [X.]ürgen zum Ausgleich ihrer Forderung bis zum 8.
Dezember 1993 auf. Nachdem sich die Hauptforderung durch die Verwertung anderer Sicherheiten reduziert hatte, beantragte die Klägerin am 14.
Februar 1994 den Erlass eines Mahnbescheids in Höhe von 58.642,60
DM, der unter der damaligen Adresse des [X.]eklagten (S.

straße

in [X.]) nicht zugestellt werden konnte. Ein gegen die Hauptschuldnerin gerichteter Konkurs-antrag wurde am 14.
Mai 1994 mangels Masse abgewiesen. Daraufhin wurde die Hauptschuldnerin am 12.
Dezember 1994 wegen Vermögenslosigkeit im Handelsregister gelöscht.
Die Zustellung des Mahnbescheids vom 17.
Februar 1994 erfolgte nach über 15
Jahren, in denen die Klägerin nach dem Verbleib des [X.]eklagten [X.] hatte, am 10.
Juli 2009 unter der jetzigen Anschrift des [X.]eklagten
(S.

straße

in [X.]). Der [X.]eklagte legte am 15.
Juli 2009 Widerspruch ein.
In dem vorliegenden Rechtsstreit begehrt die Klägerin die Verurteilung des [X.]eklagten zur Zahlung von 28.989,35

die Klage wegen Verjährung sowohl der Haupt-
als auch der [X.]ürgschaftsforde-rung abgewiesen. Das [X.]erufungsgericht hat der Klage stattgegeben. Mit der vom [X.]erufungsgericht zugelassenen Revision begehrt der [X.]eklagte die [X.] des landgerichtlichen Urteils.

Entscheidungsgründe:
Die Revision ist unbegründet.

3
4
5
-
4
-
I.
Das [X.]erufungsgericht hat zur [X.]egründung seiner Entscheidung im [X.] ausgeführt:
Mit der Löschung der Hauptschuldnerin im Handelsregister sei die Hauptforderung weggefallen, weshalb sie nicht mehr habe verjähren können. Die [X.] bestehe nunmehr als selbständige Forderung weiter. Da sich deren Inhalt, Umfang und Durchsetzbarkeit aber weiterhin nach der Hauptschuld bestimmten, könne sich der [X.]eklagte nach wie vor auf deren [X.] berufen. Allerdings könne der Gläubiger die Verjährung der Hauptforde-rung nach ihrem Wegfall durch verjährungshemmende Maßnahmen im [X.] zum [X.]ürgen verhindern. Dies sei durch die Zustellung des Mahnbescheids erfolgt. Für die Verjährung der Hauptforderung gelte die dreijährige [X.] des §
195 [X.], weil diese kürzer sei und wegen der in §
199 Abs.
4 [X.] bestimmten Höchstdauer von zehn Jahren jedenfalls früher ende als die nach der Kündigung vom 17.
September 1993 angelaufene dreißigjährige Frist nach §
195 [X.] aF (Art.
229 §
6 Abs.
4 EG[X.]).
Der [X.]eginn der neuen dreijährigen Regelverjährung hänge auch in dem hier zu beurteilenden Überleitungsfall von den subjektiven Voraussetzungen des §
199 Abs.
1 Nr.
2 [X.] ab. Dabei sei die Stichtagsregelung in Art.
229 §
6 Abs.
4 Satz
1 EG[X.] so zu verstehen, dass der 1.
Januar 2002 als frühest-möglicher Fristbeginn für die regelmäßige Verjährung nach §
195 [X.] nur dann maßgeblich sei, wenn an diesem Stichtag die subjektiven Voraussetzun-gen des §
199 Abs.
1 Nr.
2 [X.] vorlägen. Dies sei hier nicht der Fall gewesen, denn die Klägerin habe am 1.
Januar 2002 zwar die den Anspruch begründen-den Umstände und den Namen des [X.]eklagten, aber nicht mehr dessen aktuelle Anschrift gekannt. Dass die Klägerin die Anschrift des [X.]eklagten im [X.]punkt 6
7
8
-
5
-
ihrer Kündigung am 17.
September 1993 gekannt habe, sei unerheblich, denn zu diesem [X.]punkt habe ihr Anspruch noch der dreißigjährigen Regelverjäh-rung nach §
195
[X.] aF unterlegen. In derartigen [X.] komme es nicht auf die Entstehung des Anspruches, sondern auf den nach Art.
229 §
6 Abs.
4 Satz
1 EG[X.] maßgeblichen Stichtag an. Dies folge nicht nur aus Wort-laut und Systematik der Vorschrift, sondern auch aus der sonst eintretenden Schlechterstellung des Überleitungsgläubigers im Vergleich zu Fällen, in denen ausschließlich entweder altes oder neues Verjährungsrecht Anwendung finde.
Danach habe die Verjährungsfrist des §
195 [X.] nicht vor dem Schluss
des Jahres 2009 und damit auch nicht vor der Zustellung des Mahnbescheides am 10.
Juli 2009 begonnen, denn die Klägerin habe die Anschrift des [X.]eklagten erst im Laufe des Jahres 2009 in Erfahrung gebracht. Die Frage, ob und seit wann die Klägerin die Möglichkeit gehabt habe, die Verjährung durch die öffent-liche Zustellung einer Klage zu hemmen, sei für den [X.]eginn der Verjährung oh-ne [X.]edeutung. Die [X.]eschränkung der Voraussetzungen des §
199 Abs.
1 Nr.
2 [X.] für den [X.]eginn der Verjährung auf die Kenntnis oder grob fahrlässige Un-kenntnis von der Person des Schuldners zeige, dass dem Gläubiger die für eine öffentliche Zustellung erforderlichen Nachforschungen sowie deren Nachweis gegenüber dem Gericht nicht zugemutet werden sollten.

II.
Diese Ausführungen halten rechtlicher Überprüfung im Wesentlichen stand, so dass die Revision zurückzuweisen ist. Der [X.]eklagte kann sich weder in [X.]ezug auf die Haupt-
noch in [X.]ezug auf die [X.] mit Erfolg auf die Einrede der Verjährung berufen.
9
10
-
6
-
1. Rechtsfehlerfrei und von der Revision nicht angegriffen ist das [X.] davon ausgegangen, dass die Hauptschuldnerin mit ihrer Lö-schung im Handelsregister wegen Vermögenslosigkeit am 12.
Dezember 1994 als Rechtsperson untergegangen ist (vgl. Senatsurteil
vom 14.
Juli 2009 -
XI
ZR 18/08, [X.]Z 182, 76 Rn.
14, 26) sowie dass die gegen sie gerichtete Haupt-forderung der Klägerin damit vor dem Eintritt ihrer Verjährung weggefallen ist und deswegen nicht mehr verjähren kann (Senatsurteil vom 28.
Januar 2003 -
XI
ZR 243/02, [X.], 337, 340, 341; vgl. auch [X.], Urteil vom 5.
April 1979 -
II
ZR 73/78, [X.]Z 74, 212, 215).
2. Ebenfalls rechtsfehlerfrei
und von der Revision nicht angegriffen
ist das [X.]erufungsgericht davon ausgegangen, dass der infolge des Unterganges der Hauptschuldnerin als Rechtsperson eingetretene Wegfall der Hauptforde-rung nicht zum Wegfall der [X.] geführt hat. Die [X.] besteht in einem solchen Fall als selbständige Forderung weiter, de-ren Inhalt, Umfang und Durchsetzbarkeit sich gemäß §§
767, 768 [X.] nach der Hauptschuld richten ([X.], Urteil vom 25.
November 1981 -
VIII
ZR 299/80, [X.]Z 82, 323, 326
f. [X.]). Der [X.]ürge kann sich deshalb gegenüber dem Gläubiger auch weiterhin auf die Einrede der Verjährung der Hauptforderung berufen (Senatsurteil vom 28.
Januar 2003 -
XI
ZR 243/02, [X.], 337, 340
ff. [X.]). Demgegenüber kann der Gläubiger die Unterbrechungs-
bzw. [X.] hinsichtlich der Verjährung der Hauptforderung
-
wegen des Wegfalls des [X.] und der Verselbständigung der [X.]ürgschaft
-
nur noch im Verhältnis zum [X.]ürgen bewirken (Senatsurteil vom 28.
Januar 2003 -
XI
ZR 243/02, [X.], 337, 342
f.).
3. Weiter hat das [X.]erufungsgericht, das insoweit nicht zwischen Haupt-
und [X.] unterschieden hat, angenommen, dass vor der am 10. Juli 2009 erfolgten Zustellung des Mahnbescheids an den [X.]eklagten keine 11
12
13
-
7
-
Verjährung eingetreten ist, so dass durch die Zustellung des Mahnbescheids nach §
204 Abs.
1 Nr.
3 [X.] die Verjährung gehemmt worden ist. Dagegen wendet sich die Revision ohne Erfolg. Das gilt nicht nur in [X.]ezug auf die -
ge-mäß vorstehenden Ausführungen weggefallene
-
Hauptforderung, sondern auch für die [X.].
a) Die Verjährungsfrist für den der Höhe nach
unstreitigen Anspruch der Klägerin auf Ausgleich des Kontokorrentsaldos aus §§
607, 609 [X.] aF und die entsprechende [X.] aus §
765 Abs.
1 [X.] betrug [X.] dreißig Jahre ab Fälligkeit (§§
195, 198 [X.] aF) und hätte somit erst im Oktober
2023 geendet. Mit Inkrafttreten des [X.] gilt jedoch seit dem 1.
Januar 2002 die dreijährige Regelverjährung des §
195 [X.], die gemäß Art.
229 §
6 Abs.
1 Satz
1, Abs.
4 Satz
1 EG[X.] ab dem 1.
Januar 2002 zu berechnen ist und
somit grundsätzlich am 31.
De-zember 2004 geendet hätte (Senatsurteil vom 21.
Oktober 2008 -
XI
ZR 466/07, [X.], 420 Rn.
13). Allerdings ist der Fristbeginn in [X.] nach der ständigen Rechtsprechung des [X.] gemäß Art.
229 §
6 Abs.
4 Satz
1 EG[X.] unter Einbeziehung der subjektiven Voraussetzungen des §
199 Abs.
1 [X.] zu berechnen (Senatsurteil vom 23.
Januar 2007 -
XI
ZR 44/06, [X.]Z 171, 1 Rn.
19
ff.; [X.], Urteile vom 9.
November 2007 -
V
ZR 25/07, [X.], 89 Rn.
8, vom 8.
Mai 2008 -
VII
ZR 106/07, [X.], 2272 Rn.
10 und vom 8.
Juli 2010 -
III
ZR 249/09, [X.]Z 186, 152 Rn.
25). Zu der danach erforderlichen Kenntnis oder grob fahrlässigen Unkenntnis von der [X.] gehört auch dessen Anschrift (Senatsurteil vom 23.
Sep-tember 2008 -
XI
ZR 395/07, [X.], 2165 Rn.
12 [X.]).
b) Nicht zu beanstanden ist, dass das [X.]erufungsgericht bei der [X.]erech-nung des [X.]eginns der Verjährungsfrist nach neuem Recht auch bezüglich der Hauptforderung auf die Kenntnis des Gläubigers -
hier der Klägerin
-
von der 14
15
-
8
-
Person des [X.]ürgen -
hier des [X.]eklagten
-
abgestellt hat. Wenn nämlich dem schutzwürdigen Interesse des Gläubigers an der Unterbrechung der Verjährung der Hauptforderung nach Wegfall des [X.] und Verselbständigung der [X.]ürgschaft dadurch Rechnung getragen wird, dass nunmehr allein Unter-brechungsmaßnahmen gegen den [X.]ürgen genügen (Senatsurteil vom 28.
Ja-nuar 2003 -
XI
ZR 243/02, [X.], 337, 342
f.), kann für die vorgelagerte Frage nach dem [X.]eginn der Verjährungsfrist bezüglich der Hauptforderung in [X.] nichts anderes gelten. Ab dem [X.]punkt des Wegfalls des [X.] -
hier im Jahr 1994
-
bleibt folglich als einziger Anknüpfungs-punkt der subjektiven Merkmale des §
199 Abs.
1 [X.] die Person des [X.]ürgen.
Nach den [X.] und unangegriffenen Feststellungen des [X.]e-rufungsgerichts hat die Klägerin die neue Anschrift des [X.]eklagten nach dem Inkrafttreten des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes am 1.
Januar 2002 erst im Laufe des Jahres 2009
in Erfahrung gebracht. Die Verjährungsfrist des §
195 [X.] begann danach hinsichtlich Hautforderung und [X.] nicht vor Schluss des Jahres 2009 und damit nicht vor Zustellung des Mahnbe-scheids am 10.
Juli 2009
zu laufen.
c) Ohne Erfolg beruft sich die Revision demgegenüber darauf, dass der Klägerin nach den Feststellungen des [X.]erufungsgerichts vor dem Inkrafttreten des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes am 1.
Januar 2002 bei der [X.] gegenüber der Hauptschuldnerin und damit zum [X.]punkt der Entstehung des [X.]ürgschaftsanspruches (vgl. Senatsurteil vom 23.
Septem-ber 2008 -
XI
ZR 395/07, [X.], 2165 Rn.
10) die damalige Anschrift des [X.]eklagten
bekannt war. Zu
Recht hat das [X.]erufungsgericht diese Kenntnis für unerheblich gehalten. Vor dem Inkrafttreten des [X.] galt die kenntnisunabhängige dreißigjährige Verjährungsfrist des §
195 [X.] aF. Erst seit dem 1.
Januar 2002 gilt die nach §
199 Abs.
1 Nr.
2 16
17
-
9
-
[X.] kenntnisabhängige dreijährige Verjährungsfrist des §
195 [X.] [X.] Zu die-sem [X.]punkt hatte die Klägerin nach den unangegriffenen Feststellungen des [X.]erufungsgerichts jedoch keine Kenntnis mehr von der Anschrift des [X.]eklagten. Hat
der Gläubiger -
wie hier die Klägerin
-
vor dem Stichtag des 1.
Januar 2002 Kenntnis von der Anschrift des Schuldners -
hier des [X.]eklagten
-, verliert er diese Kenntnis jedoch vor diesem Stichtag, beginnt die
nach §
199 Abs.
1 Nr.
2 [X.] kenntnisabhängige
dreijährige Verjährungsfrist des
§
195 [X.] erst, wenn der Gläubiger nach dem genannten Stichtag erstmals wieder Kenntnis von der Anschrift des Schuldners erlangt
oder grob fahrlässig nicht erlangt. Dies folgt aus dem vom Gesetzgeber mit der Einführung der subjektiven Voraussetzun-gen des
§
199 Abs.
1 Nr.
2 [X.] für den [X.]eginn der Verjährungsfrist verfolgten Konzept.
[X.])
Der Gesetzgeber hat die Einführung der kurzen Regelverjährungsfrist von drei Jahren deshalb als unbedenklich angesehen, weil die Verkürzung der Frist durch den nach dem subjektiven System des §
199 [X.] hinausgeschobe-nen Fristbeginn kompensiert wird und die [X.] die Gefahr der Verjäh-rung von unbekannten Ansprüchen auf ein hinnehmbares Maß reduzieren ([X.]T-Drucks.
14/6040 S.
108; Senatsurteil vom 23.
Januar 2007 -
XI
ZR 44/06, [X.]Z 171, 1 Rn.
29). Diesem Anliegen wird nur dann Rechnung getragen, wenn in [X.]
für das Vorliegen der subjektiven Voraussetzungen des §
199 Abs.
1 Nr.
2 [X.] auf den Stichtag des 1.
Januar 2002 bzw. die [X.] danach abgestellt wird. Nur dadurch steht dem Gläubiger die dreijährige Über-legungsfrist des §
195 [X.] in vollem Umfang zur Verfügung.
[X.])
Die von der Revision vertretene [X.] würde dazu führen, dass die Dreijahresfrist des §
195 [X.] entgegen ihrer gesetzgeberischen Kon-zeption (vgl. [X.]T-Drucks.
14/6040 S.
95, 97) nicht kenntnisabhängig und daher keine Überlegungsfrist mehr wäre (vgl. Senatsurteil vom 23.
Januar 2007
18
19
-
10
-
-
XI
ZR 44/06, [X.]Z 171, 1 Rn.
26). Die neue dreijährige Verjährungsfrist des §
195 [X.] würde selbst dann mit Ablauf des 31.
Dezember 2004 enden, wenn der Gläubiger zwischen dem 1.
Januar 2002 und dem
Schluss des Jahres 2004 keine Kenntnis von der Anschrift des Schuldners erlangt, sofern er diese Kenntnis zu einem früheren [X.]punkt hatte und später -
sei es auch durch Un-tertauchen des Schuldners
-
wieder verlor. Dies hätte
eine vom Gesetzgeber nicht gewollte (Senatsurteil vom 23.
Januar 2007 -
XI
ZR 44/06, [X.]Z 171, 1 Rn.
27) Schlechterstellung des Überleitungsgläubigers
zur Folge, weil er
die dreißigjährige Verjährungsfrist
nach altem Recht
verlieren
würde,
ohne gleich-zeitig in den Genuss der nach
§
199 Abs.
1 Nr.
2 [X.]
für den [X.]eginn der drei-jährigen Verjährungsfrist erforderlichen subjektiven Voraussetzungen
zu kom-men.
d) Die Revision kann sich auch nicht mit Erfolg darauf berufen, dass eine [X.]ank als [X.]ürgschaftsgläubiger wegen der erst bei Fälligkeit der Hauptforderung eintretenden Entstehung des [X.]ürgschaftsanspruches im eigenen Interesse die Obliegenheit trifft, sich zeitnah zu vergewissern, ob die ihr bekannte Wohnan-schrift des [X.]ürgen noch aktuell ist, und sich gegebenenfalls nach der neuen Adresse des [X.]ürgen zu erkundigen
(vgl. Senatsurteil vom 23.
September 2008
-
XI
ZR 395/07, [X.], 2165 Rn.
14). Wie das [X.]erufungsgericht rechtsfeh-lerfrei und von der Revision unangegriffen festgestellt hat, hat der hinsichtlich der subjektiven Voraussetzungen des §
199 Abs.
1 Nr.
2 [X.] darlegungs-
und beweisbelastete [X.]eklagte (Senatsurteil vom 3.
Juni 2008 -
XI
ZR 319/06, [X.], 1346 Rn.
33) insoweit weder Erkenntnismöglichkeiten aufgezeigt, denen sich die Klägerin grob fahrlässig verschlossen hätte, noch hat er dargelegt, dass entsprechende Nachforschungen rechtzeitig zum Erfolg geführt hätten.
e) Anders als die Revision unter [X.]ezugnahme auf vereinzelt gebliebene Stimmen in der Literatur ([X.] in [X.], [X.], Neubearbeitung 20
21
-
11
-
2009, §
199 Rn.
6, 70 und [X.]/[X.] in [X.]/[X.], [X.], 2.
Aufl., §
199 Rn.
31 unter Verweis auf ein Urteil des [X.], NJW-RR 1999, 1474, 1477) meint, steht das Wissen um die Nichtermittelbarkeit des Auf-enthaltsortes des Schuldners der Kenntnis von dessen Anschrift auch nicht deshalb gleich, weil der Gläubiger die öffentliche Zustellung der Klage [X.] könnte.
Diese Auffassung
widerspricht dem Sinn und Zweck des §
199 Abs.
1
Nr.
2 [X.], da sie höhere Anforderungen an die Erkundigungspflicht des [X.] und dementsprechend bei deren Nichterfüllung niedrigere Anforderungen an den Fristbeginn stellt, als dies der Gesetzgeber in §
199 Abs.
1 Nr.
2 [X.] vorgesehen hat.
[X.]) Die öffentliche Zustellung einer Klage gem. §
185 Nr.
1 ZPO kommt erst dann in [X.]etracht, wenn sowohl der Aufenthaltsort einer Person unbekannt als auch eine Zustellung an einen Vertreter oder Zustellungsbevollmächtigten nicht möglich ist. Dabei muss der Aufenthaltsort nicht nur dem Gegner und dem Gericht, sondern allgemein unbekannt sein ([X.], Urteil vom 19.
Dezember 2001 -
VIII
ZR 282/00, [X.]Z 149, 311, 314). Da die öffentliche Zustellung einer Klageschrift unmittelbar das rechtliche Gehör und die Rechtsverfolgungs-
und Rechtsverteidigungsmöglichkeiten der [X.] berührt ([X.], [X.]eschluss vom 14.
Februar 2003 -
IXa
Z[X.] 56/03, [X.], 653, 654
f.), gelten hier strenge Anforderungen (vgl. [X.], [X.]eschlüsse vom 1.
Juni 2001 -
AnwZ
([X.]) 14/00, juris Rn.
2 und vom 14.
Februar 2003 -
IXa
Z[X.] 56/03, [X.], 653, 654
f.; [X.]FH, Urteil vom 13.
Januar 2005 -
V
R 44/03, juris Rn.
16
f. und [X.]VerwG, Urteil vom 18.
April 1997 -
8
C 43/95, [X.]VerwGE 104, 301, 306
f. jeweils zu §
15 [X.]).
Liegen die Voraussetzungen einer öffentlichen Zustellung gemäß §
185 Nr.
1 ZPO vor, schließt dies folglich die [X.]ejahung der subjektiven Tatbestands-22
23
24
-
12
-
merkmale des §
199 Abs.
1 Nr.
2 [X.] denknotwendig aus. Ist der Aufenthalts-ort des Schuldners nämlich allgemein -
und somit auch für den Gläubiger
-
un-bekannt, scheidet auch seine grob fahrlässige Unkenntnis dieses Aufenthaltsor-tes von vornherein aus.
[X.]) Die Rechtsansicht der Revision würde den Schuldner zudem im Er-gebnis benachteiligen. Wäre der Gläubiger nämlich
zwecks Hemmung der [X.]
gehalten, die öffentliche Zustellung der Klage zu betreiben, so wäre die Gefahr, dass die betroffene [X.] erst nach Ablauf der gesetzlichen Aus-schlussfrist des §
234 Abs.
3 ZPO Kenntnis vom Verfahren (öffentliche Zustel-lung der Klageschrift) und der gegen sie
ergangenen Entscheidung (öffentliche Zustellung eines Versäumnisurteils) erlangt, besonders groß, weil bei öffentli-chen Zustellungen die Wahrscheinlichkeit, dass der [X.] von der öffentlichen Zustellung tatsächlich Kenntnis erlangt, gering ist ([X.], Urteil vom 19.
Dezember 2001 -
VIII
ZR 282/00, [X.]Z 149, 311, 320). Der Schuldner hätte dann keine Möglichkeit mehr, dem titulierten Anspruch inhaltlich entge-genzutreten.
25
-
13
-
cc) Anders als die Revision meint, lässt sich aus dem Urteil des [X.]undes-gerichtshofs vom 6.
Mai 2004 (IX
ZR 205/00, NJW 2004, 3418
f.) schon deswe-gen nichts Gegenteiliges herleiten, weil dieser Entscheidung eine Prozesssitua-tion nach altem Verjährungsrecht zugrunde lag.

[X.]
Joeres
[X.]

Ellenberger
Matthias
Vorinstanzen:
LG [X.], Entscheidung vom 08.10.2010 -
2 O 105/10 -

OLG [X.], Entscheidung vom 15.03.2011 -
17 U 219/10 -

26

Meta

XI ZR 192/11

28.02.2012

Bundesgerichtshof XI. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 28.02.2012, Az. XI ZR 192/11 (REWIS RS 2012, 8741)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 8741

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

XI ZR 192/11 (Bundesgerichtshof)

Verjährungseinrede gegen die Geltendmachung von Bürgschaftsforderungen: Verjährungshemmung bzw. -unterbrechung im Übergangsfall bei Verlust und Wiedererlangung …


XI ZR 200/14 (Bundesgerichtshof)

Allgemeine Geschäftsbedingungen: Wirksamkeit der Verlängerung der Frist für die Verjährung der Bürgschaftsforderung


XI ZR 200/14 (Bundesgerichtshof)


XI ZR 265/13 (Bundesgerichtshof)


I-24 U 28/09 (Oberlandesgericht Düsseldorf)


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

XI ZR 192/11

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.