Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 16.07.2013, Az. VIII ZR 397/12

VIII. Zivilsenat | REWIS RS 2013, 4130

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
VIII ZR 397/12
vom

16. Juli 2013

in dem Rechtsstreit

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Der VIII.
Zivilsenat des [X.] hat am 16. Juli 2013
durch den Vorsitzenden [X.], die [X.]innen
Dr. Milger
und Dr. Hessel sowie
die [X.] [X.] und [X.]
beschlossen:
Auf die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin wird das Urteil des 16. Zivilsenats des [X.] vom 7.
Dezember 2012 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revisionsinstanz, an einen
anderen Senat des
Berufungsgerichts
zurückverwiesen.
Der Streitwert für die Revisionsinstanz wird auf 141.703,90

festgesetzt.

Gründe:
I.
Die Klägerin begehrt Schadensersatz wegen Verstoßes
gegen ein Wett-bewerbsverbot. Der Beklagte hatte der Klägerin
mit notariellem Vertrag vom 31.
August 2007 sämtliche Geschäftsanteile an der
G.

GmbH
(im Folgenden: G.

)
verkauft und sich verpflichtet, für die Dauer von fünf Jahren nicht in Wettbewerb zu
der
veräußerten Gesellschaft zu treten. Von dem Wettbewerbsverbot ausgenommen waren bestimmte
Tätig-keitsbereiche der neu gegründeten D.

GmbH
(im [X.]: D.

GmbH), unter anderem die "Einführung neuer Produkte, [X.]
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lung, Großhandel, Vertrieb". Zusätzlich schlossen die Parteien einen Berater-vertrag, durch den die ordnungsgemäße Überleitung der Geschäfte der [X.] auf die Klägerin sichergestellt werden sollte.
Im Jahr 2008
bezog die [X.]

GmbH (im Folgenden: [X.]

), mit der die G.

in den Jahren 2006 und 2007 Umsätze von und 1.074.68tätigt
hatte, von
der D.

GmbH Gussteile zum Preis von

des Beklag-ten

Das [X.] hat der Klage stattgegeben. Mit seinem Lieferangebot
an die [X.]

, das zudem unterhalb der ihm bekannten Preise der G.

gelegen habe, habe der Beklagte seine vertraglichen Pflichten aus dem Kaufvertrag und dem Beratervertrag verletzt. Der Beklagte könne sich auch nicht darauf berufen, dass er nach dem Kaufvertrag zum Vertrieb neuer Produk-te durch die D.

GmbH berechtigt gewesen sei. Denn die
von ihr gelieferten Produkte wiesen lediglich Detailänderungen bei gleichem technischem Anwen-dungsbereich auf.
Der von der Klägerin geltend gemachte Schaden ([X.] Gewinn) sei auch durch die Pflichtverletzung des Beklagten verursacht worden, denn aufgrund der Aussage des Zeugen J.

stehe fest, dass die [X.]

ohne das Angebot des Beklagten ihre Produkte
im Jahr 2008
von der G.

bezogen hätte.

Das [X.] hat das Urteil des [X.] auf die Berufung des Beklagten abgeändert
und die Klage abgewiesen.
Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer Nichtzulassungsbeschwerde.

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II.
[X.] hat zur Begründung seiner
Entscheidung, soweit für das Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde von Interesse,
ausgeführt:
Der Beklagte
habe
über sein
neues
Unternehmen
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entgegen der Auffas-sung des [X.] -
an die [X.]

ein "neues"
Produkt geliefert, was ihm nach dem Kaufvertrag
ausdrücklich gestattet gewesen sei. Der Beklagte
habe behauptet, dass die an [X.]

gelieferten Bauteile in einer von ihm entwickelten Legierung mit so genannten "seltenen Erden"
hergestellt worden seien
und deshalb über deutlich verbesserte Materialeigenschaften verfügt [X.], unter anderem
über
eine höhere Verschleiß-
und Hitzebeständigkeit. Da es sich um nach den Vorgaben des Bestellers gegossene Teile gehandelt habe,
müsse bei der Beurteilung der "Neuheit"
nicht auf die Form, sondern auf das Material abgestellt werden.
Diesen substantiierten Vortrag habe die Klägerin nur pauschal bestritten. Soweit sie in Abrede gestellt habe, dass überhaupt Legierungen geliefert [X.] seien, die sich von denen
der G.

signifikant unterschieden hätten, habe der Beklagte zu Recht auf die in den Rechnungen der D.

GmbH ausge-wiesenen Materialien (seltene Erden) hingewiesen. Dafür,
dass diese in den Rechnungen bewusst falsche Angaben aufgenommen hätte, bestünden keine Anhaltspunkte.
Der Verweis auf die erstinstanzliche Vernehmung des Zeugen J.

helfe der Klägerin nicht weiter. Zwar habe der Zeuge bekundet, dass lediglich eine Lamelle aus einem anderen Werkstoff gefertigt worden sei. Auf der ande-ren Seite habe der Zeuge aber auch angegeben, dass
Anlass für den Wechsel die günstigeren Preise der D.

GmbH gewesen seien. Dem stehe aber entge-gen, dass deren Preise fast ausnahmslos über den Preisen der G.

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legen hätten. Jedenfalls habe der Beklagte keinesfalls seine Kenntnisse um die Preisstruktur bei der G.

genutzt, um diese zu unterbieten. Unter diesen Umständen könne aus den Angaben des Zeugen J.

auch nicht der Schluss gezogen werden, die D.

GmbH habe entgegen den Angaben in ihren Rech-nungen keine Produkte mit anderen Legierungen an die [X.]

geliefert.

III.
Der Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin ist stattzugeben, weil die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des [X.] erfordert (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Alt. 2, § 544 Abs. 6 und 7 ZPO). [X.] hat -
wie die Nichtzulassungsbeschwerde mit Recht gel-tend macht -
den Anspruch der Klägerin auf Gewährung rechtlichen Gehörs in entscheidungserheblicher Weise verletzt, indem es die Aussage des
Zeugen J.

, auf die sich die Klägerin berufen hat,
in wesentlichen Teilen nicht zur Kenntnis genommen und sie im Übrigen anders gewürdigt hat als das [X.], ohne den Zeugen zuvor selbst vernommen zu haben. Diese rechtsfehler-hafte Anwendung der
§
529 Abs.
1 Nr.
1, § 398 Abs. 1 ZPO verletzt den [X.] auf rechtliches Gehör nach Art.
103 Abs.
1 GG (vgl. [X.], NJW 2005, 1487; [X.], Beschluss vom 5.
April 2006 -
IV
ZR 253/05, [X.], 946; Senatsurteil vom 14. Juli 2009 -
VIII ZR 3/09, NJW-RR 2009, 1291 Rn. 4).
1. Der für die [X.]

tätige Zeuge J.

hat vor dem [X.] bekundet, dass er nach seinem Empfinden vom Beklagten für dessen neue Firma abgeworben worden sei. Der Beklagte habe ihn darauf hingewiesen, dass der Geschäftsführer der Klägerin nicht über die für die Produktion von Gussteilen erforderlichen Spezialkenntnisse verfüge. Er habe ihm ein umfas-9
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sendes Angebot gemacht, das auch kleine Änderungen einiger Gussteile unter Berechnung anteiliger Modelländerungskosten enthalten habe. Im Übrigen ha-be der Beklagte die Teile aber etwas billiger angeboten als bisher die G.

. Der größte Teil der Produktpalette sei völlig identisch gewesen, ledig-lich eine Lamelle sei aus einem anderen Werkstoff gefertigt worden. Ohne das Angebot der D.

GmbH hätte er die Produkte bei der Klägerin beziehen müs-sen. Denn der beabsichtigte Wechsel zu einer anderen Gießerei sei aus pro-duktionstechnischen Gründen nur mit einer zeitlichen Verzögerung von etwa acht bis zwölf Monaten möglich, weil es erforderlich sei, zunächst Modelle zu fertigen und Probeabgüsse zu erstellen. Aufgrund des Angebots der D.

GmbH habe er angenommen, dass diese schon über die erforderlichen Modelle verfü-ge.
2. [X.] hat nur einen kleinen Ausschnitt dieser Aussage in Betracht gezogen, nämlich die Frage, ob eine Abwerbung über den Preis
er-folgte.
Die weiteren Angaben des Zeugen, dass es sich um eine im [X.] gleiche
Angebotspalette und somit nicht um "neue"
Produkte gehandelt habe und dass der Beklagte die Fachkompetenz der G.

in Frage ge-stellt habe, hat das Berufungsgericht nicht gewürdigt.
Auch hat es den Umstand nicht berücksichtigt, dass
die Angaben des Zeugen zu der erforderlichen [X.] bei einem Wechsel der Gießerei es zumindest nahelegen, dass der [X.] aufgrund seiner bisherigen Tätigkeit für die G.

noch über die er-forderlichen Modelle verfügte und sein neues
Unternehmen
deshalb -
anders als eine fremde Gießerei -
den Bedarf der [X.]

kurzfristig decken konn-te; es liegt auf der Hand, dass eine etwaige Ausnutzung derartiger Möglichkei-ten zum Nachteil der Klägerin vertragswidrig wäre, weil es die Erfüllung des
Vertragszwecks sowohl des
Kaufvertrages als auch des [X.], die Überleitung der Kundenbeziehungen des veräußerten Unternehmens auf die Klägerin sicherzustellen, vereiteln konnte.
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Soweit das Berufungsgericht
die Angaben
des Zeugen berücksichtigt hat, hat es diesen
zudem als unglaubwürdig angesehen
und seine Aussage damit anders gewürdigt als das [X.].
Nach §
529 Abs.
1 Nr.
1 ZPO ist das Berufungsgericht grundsätzlich an die Tatsachenfeststellungen des ersten [X.] gebunden. Bei Zweifeln
an der Richtigkeit und Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen ist eine erneute Beweisaufnahme zwingend geboten. Insbesondere muss das Berufungsgericht die bereits in [X.] Instanz vernommenen Zeugen nochmals gemäß §
398 Abs.
1 ZPO verneh-men, wenn es deren Aussagen anders würdigen will als die Vorinstanz ([X.], Urteile
vom 28.
November 1995 -
XI
ZR 37/95, NJW 1996, 663
unter III 3; vom 8.
Dezember 1999 -
VIII
ZR 340/98, [X.], 1199 unter [X.] a, st. Rspr.). Die nochmalige Vernehmung eines Zeugen kann allenfalls dann unterbleiben, wenn sich das Rechtsmittelgericht auf solche Umstände stützt, die weder die Urteils-fähigkeit, das Erinnerungsvermögen oder die Wahrheitsliebe des Zeugen noch die Vollständigkeit oder Widerspruchsfreiheit seiner Aussage betreffen
([X.], Urteile
vom 19.
Juni 1991 -
VIII
ZR 116/90, NJW 1991, 3285 unter [X.] [X.]; vom 10.
März 1998 -
VI
ZR 30/97, NJW 1998, 2222
unter II 1 b).
Ein solcher Ausnahmefall liegt hier nicht vor. Denn das Berufungsgericht hält
die Angaben des Zeugen,
das Angebot der [X.]

sei günstiger als die von der G.

angebotenen Preise gewesen, für unzutreffend, [X.] das [X.] davon ausgegangen ist, dass der Beklagte für die [X.]

die ihm bekannten Preise der G.

unterboten habe. Auch wenn das [X.] bei diesen Ausführungen nicht ausdrücklich auf die Aussage des Zeugen Bezug nimmt, beruhen seine
Feststellungen
jedoch
auch insoweit ersichtlich auf den entsprechenden Angaben dieses einzigen
vernommenen
Zeugen, den das [X.]
an anderer Stelle ohne jede Einschränkung als glaubwürdig angesehen hat.
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IV.
Die
aufgezeigten Verletzungen des rechtlichen Gehörs nötigen zur Auf-hebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache, denn es ist nicht ausgeschlossen, dass das Berufungsgericht ohne den Verfahrensfehler zu einem für die Klägerin günstigeren Ergebnis gelangt wäre. Bei der Zurückver-weisung macht der Senat von der Möglichkeit des § 563 Abs. 1 Satz 2 ZPO Gebrauch.
[X.]
Dr. Milger
Dr. Hessel

[X.]
[X.]

Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 08.11.2011 -
11 O 18/11 -

OLG [X.], Entscheidung vom 07.12.2012 -
I-16 [X.] -

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Meta

VIII ZR 397/12

16.07.2013

Bundesgerichtshof VIII. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 16.07.2013, Az. VIII ZR 397/12 (REWIS RS 2013, 4130)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 4130

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