Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 02.08.2017, Az. VII ZR 155/15

VII. Zivilsenat | REWIS RS 2017, 7041

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[X.]:[X.]:[X.]:2017:020817BVIIZR155.15.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

BESCHLUSS

VII ZR
155/15

vom

2. August 2017

in dem Rechtsstreit

-
2
-
Der VII.
Zivilsenat des [X.] hat am
2. August 2017
durch [X.]
Eick, den
Richter Dr.
Kartzke
und die Richterinnen
Graßnack, [X.] und Dr. Brenneisen
beschlossen:
Der Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revi-sion wird stattgegeben.
Das Urteil des 23.
Zivilsenats des [X.] vom 9.
Juni
2015 wird im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben,
als zum Nachteil der Klägerin entschieden worden ist,
§
544 Abs.
7 ZPO.
Im Umfang der Aufhebung wird der Rechtsstreit zur neuen [X.] und Entscheidung, auch über die Kosten des Nichtzu-lassungsbeschwerdeverfahrens, an das Berufungsgericht [X.].
Gegenstandswert

Gründe:
I.
Die Klägerin, ein Bauunternehmen, begehrt von der [X.], einer Bauträgergesellschaft, Werklohn für Rohbauarbeiten an verschiedenen Objek-ten in J. Zunächst schlossen die Parteien einen Vertrag betreffend ein nicht 1
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-
streitgegenständliches Bauvorhaben in der [X.]. Vertragsbestandteil
war unter anderem
ein von der Klägerin unter dem 6.
April
2009 ausgefülltes Leis-tungsverzeichnis der [X.] (im Folgenden: [X.]
1) mit [X.]. Zudem
beauftragte die Beklagte die Klägerin mit Erd-, Maurer-
und
Betonarbeiten am Bauvorhaben
[X.], ebenfalls unter ausdrücklicher Bezugnahme auf das [X.]
1.
Am 12.
März
2010 erteilte die Klägerin einen Auftrag zum Neubau eines Doppelhauses in der Alte
L., am 12.
Mai
2010 einen
solchen für ein Doppelhaus an der [X.] und am 21.
Juni 2010 über Maurer-
und Betonarbeiten zum Neubau eines Einfamilienhauses auf dem Grundstück [X.], wobei
bei sämtli-chen Verträgen
gemäß 2.1. des von der [X.] vorgegebenen [X.] das [X.]
1 Vertragsinhalt
werden sollte. Neben diesem
Passus ist jeweils hand-schriftlich vermerkt
"Angebot Standard-Klose".

Die Beklagte kürzte die Schlussrechnungen für die sechs
Bauvorhaben [X.], [X.]
links, [X.]
rechts, [X.], [X.] links und
Alte
L. rechts. Im Januar 2011 sprachen die Geschäftsführer der Parteien in [X.] über streitige Rechnungspositionen.
Die Klägerin
hat behauptet, mit dem Zusatz "Angebot Standard-Klose" habe die Beklagte in den Angeboten auf ein von der Klägerin
erstelltes Stan-dardleistungsverzeichnis vom 19.
April
2010 (im Folgenden: [X.]
2)
Bezug ge-nommen, welches dadurch Vertragsbestandteil geworden sei. Sie
hat den sich aus den sechs Schlussrechnungen ergebenden Restwerklohn eingeklagt.
Das [X.] hat die Beklagte verurteilt, an die Klägerin 33.047,97

nebst Zinsen zu zahlen. Soweit für das [X.] noch von Interesse,
hat es zur Begründung ausgeführt, nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme stehe zur Überzeugung des Gerichts fest, dass die Parteien 2
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sich bei der gemeinsamen Besprechung
über jede Position der streitigen Schlussrechnungen abschließend verständigt hätten. Die Klägerin habe daher
Anspruch auf den sich hieraus ergebenden Restwerklohn.
Auf die Berufung der [X.] hat das Berufungsgericht das Urteil [X.], der Klägerin nur noch 7.843,86

[X.] zugesprochen und die Klage im Übrigen abgewiesen.
Gegen die Nichtzulassung der Revision im Berufungsurteil wendet sich die Klägerin mit der Beschwerde, mit der sie nach Zulassung der Revision die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils erreichen möchte.

II.
Die Nichtzulassungsbeschwerde führt gemäß §
544 Abs.
7 ZPO zur Auf-hebung des angefochtenen Urteils
im tenorierten Umfang
und insoweit zur Zu-rückverweisung des Rechtsstreits an das Berufungsgericht. Das Berufungsge-richt hat den Anspruch der Klägerin auf Gewährung rechtlichen Gehörs nach Art.
103 Abs.
1 GG entscheidungserheblich verletzt.
1. Das Berufungsgericht führt aus, es könne nicht festgestellt werden, dass die Parteien im
Januar
2011 einen Abrechnungsvergleich über die Höhe sämtlicher Restwerklohnforderungen geschlossen hätten.
Zwar stehe nach der Beweisaufnahme fest, dass die Parteien an diesem Tag über die Abrechnung des Bauvorhabens [X.] gesprochen hätten, aber nicht, dass man sich auf einen abschließenden Zahlbetrag geeinigt hätte. Auch eine Verständigung über die
streitigen Rechnungspositionen sei nicht bewie-sen. Zwar
habe der Zeuge B. bekundet, eine solche sei hinsichtlich aller Rech-6
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-
nungspositionen erfolgt, er habe aber nur ausweichend auf den Vorhalt
geant-wortet, dass nicht über alle Punkte eine Einigung herbeigeführt worden sei. [X.] solche lasse sich nicht dem Exemplar der Schlussrechnung entnehmen, welches der Zeuge B. mit Durchstreichungen versah und handschriftlich er-gänzte, zumal sich hieraus nicht ergebe, worauf sich die Parteien bezüglich ei-niger der streitigen Punkte geeinigt hätten. Die Beklagte könne deshalb als Schlusszahlung für das Bauvorhaben [X.] nur den durch die Beklagte nach Rechnungsprüfung anerkannten Betrag verlangen.
Auch eine Einigung hinsichtlich des Restwerklohns
für die übrigen [X.] sei nicht bewiesen. Zwar habe dies der Zeuge B. so erklärt. Dies [X.] aber für das Bauvorhaben [X.] offensichtlich nicht zu. Die Klägerin selbst habe dies noch nicht einmal behauptet, sondern darauf verwiesen, dass die Beklagte erstmals mit der Klageerwiderung hierzu eine Rechnungsprüfung vor-gelegt habe. Die pauschale Aussage des [X.], es sei über alle streitge-genständlichen Rechnungen gesprochen worden, sei daher nicht glaubhaft. Es sei auch nicht erklärlich, warum der Zeuge B. die Rechnung betreffend [X.] mit handschriftlichen Vermerken versah, nicht aber diejenigen für die
Bauvor-haben [X.] und [X.] Im nachfolgenden Schriftverkehr habe die Kläge-rin die vermeintlich getroffene Vereinbarung nicht thematisiert.
Die Klägerin könne unabhängig davon für die übrigen Bauvorhaben keinen Restwerklohn beanspruchen, denn sie habe nicht substantiiert darge-legt, dass sie die für die
Bauvorhaben [X.], [X.] und Alte
L. in Rech-nung gestellten
Mehrforderungen beanspruchen könne. Insbesondere lasse sich dem Vortrag nicht entnehmen, dass die Beklagte die höheren [X.], Zulagen oder zusätzlichen Leistungsverzeichnispositionen des [X.]
2 vom 19.
April
2010 akzeptiert habe. Die Klägerin habe nicht substantiiert vorgetra-gen, wann sie der [X.] das Angebot [X.]
2 übermittelt habe und die Be-11
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6
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klagte deshalb den handschriftlichen Zusatz "Angebot Standard-Klose" dahin verstehen musste, dass hiermit die Preise des [X.]
2 maßgeblich sein sollten.
2. Die Nichtzulassungsbeschwerde rügt zu Recht, dass das Berufungs-gericht den erstinstanzlich vernommenen [X.] entgegen §
529 Abs.
1 Nr.
1, § 398 Abs.
1 ZPO nicht erneut vernommen hat, obwohl es seine Aussage im Ergebnis anders würdigt als das [X.].
a) Das Grundrecht auf Gewährung rechtlichen Gehörs verpflichtet das Rechtsmittelgericht, erstinstanzlich vernommene Zeugen erneut zu vernehmen, wenn es deren protokollierte Aussagen anders als die Vorinstanz verstehen oder würdigen will ([X.], Urteil vom 29.
September
2011
-
VII
ZR
87/11, BauR
2012, 115 Rn. 16
= NZBau 2011, 746; Beschluss vom 10.
Oktober
2013
-
VII ZR 269/12, BauR
2014, 141
Rn. 8). Eine nochmalige Vernehmung kann allenfalls dann unterbleiben, wenn sich das Rechtsmittelgericht lediglich auf solche Umstände stützt, die weder die Urteilsfähigkeit, das Erinnerungsvermö-gen oder die Wahrheitsliebe des Zeugen noch die Vollständigkeit oder Wider-spruchsfreiheit seiner
Aussage betreffen ([X.], Beschluss vom 4.
Juli
2013
-
VII
ZR
165/12, BauR
2013, 1726
Rn. 12
m.w.[X.]).
b) Ein solcher Ausnahmefall liegt entgegen der Auffassung des [X.]s
nicht vor.
aa) [X.] hat ausgesagt, dass das Treffen im Januar
2011 dazu gedient habe, über
die Restwerklohnforderungen zu sprechen, um die die [X.] die Schlussrechnungen gekürzt habe. Die Geschäftsführer seien die Rechnungen Punkt für Punkt durchgegangen und hätten sich hierüber verstän-digt. Man sei so auseinander gegangen, dass das jeweils
erzielte Ergebnis ha-be gelten sollen. Ein Zahlbetrag
sei dabei nicht ausgerechnet worden, es sei seine Aufgabe gewesen, die sich jeweils aus der Verständigung ergebenden 13
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7
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Endsummen
zu Hause auszurechnen, was er getan habe. Bei dem Termin [X.] die vier Schlussrechnungen besprochen worden, die Gegenstand des [X.] seien, einschließlich der G.-Straße.
[X.]) Das [X.] hat die Aussage des [X.] dahin
gewürdigt, dass die Parteien anlässlich des Gesprächs eine abschließende Einigung über die
Rechnungspositionen getroffen haben, auch wenn der Zahlbetrag nicht konkret ermittelt worden sei. Demgegenüber sieht das Berufungsgericht weder für das Bauvorhaben [X.] noch für die übrigen Bauvorhaben eine solche Einigung als bewiesen an. Es hält die Aussage des [X.], wonach über alle streitgegenständlichen Rechnungen
abschließend
gesprochen worden sei, nicht für glaubhaft. Das Berufungsgericht stützt sich jedoch nicht lediglich auf die Glaubhaftigkeit der Aussage, sondern auf die Wahrheitsliebe und das Erin-nerungsvermögen des [X.]
cc) Das Berufungsgericht hätte deshalb den [X.] erneut verneh-men müssen.
3. Auf dem vorgenannten [X.] beruht die angefochtene Entscheidung des Berufungsgerichts, soweit zum Nachteil der Klägerin ent-schieden wurde, denn es ist nicht auszuschließen, dass das Berufungsgericht nach erneuter Zeugeneinvernahme die Berufung der [X.] weitergehend zurückgewiesen hätte.

III.
Für das weitere Verfahren weist der Senat auf Folgendes hin:

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8
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Sollte das Berufungsgericht in Würdigung der nachzuholenden erneuten Vernehmung des [X.] den Beweis, dass im Januar 2011 eine Einigung über alle streitigen Rechnungspositionen erzielt wurde, als nicht geführt anse-hen, wird es in die Sachprüfung eintreten müssen, ob und in welcher Höhe die geltend gemachten Restwerklohnforderungen berechtigt sind,
und hierzu [X.] den [X.] der Klägerin nachgehen müssen.
Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts hat die Klägerin die Restwerklohnforderungen bezüglich der fünf Bauvorhaben [X.]
links und rechts, Alte
L. links und rechts und H.
K., die nach dem [X.] abgerechnet wurden, schlüssig dargelegt. Die Klägerin behauptet, dass in einem Gespräch der Geschäftsführer im Vorfeld der Beauftragung des
Bauvorhabens
[X.] the-matisiert worden sei,
dass das [X.]
1 zu ungenau und lückenhaft sei und Zusatz-leistungen nicht enthalte. Der Geschäftsführer der Klägerin habe dem [X.] der [X.] vorgeschlagen, ein detaillierteres
Standardleis-tungsverzeichnis zu erstellen, welches für künftige Aufträge alle Wünsche preis-lich erfasse und beziffere. Hiermit sei der Geschäftsführer der [X.] ein-verstanden gewesen, woraufhin das [X.]
2 vom 19. April
2010, überschrieben mit "Bauvorhaben für verschiedene Objekte",
erstellt worden sei. Dieses Stan-dardleistungsverzeichnis
sei dadurch Vertragsbestandteil geworden, dass die kaufmännische Mitarbeiterin der [X.] hierauf Bezug genommen habe, indem sie die Vertragsunterlagen jeweils handschriftlich mit dem Zusatz "[X.]" versehen und der Klägerin zugesandt
habe.

Mit diesen Angaben genügt die Klägerin den [X.] (vgl. [X.], Beschluss vom 9. Februar
2009 -
II
ZR
77/08, BauR
2009, 1003
Rn. 4), denn
-
die Richtigkeit
des Vorbringens unterstellt
-
beinhaltet der Vortrag, dass die Beklagte das [X.]
2 vom 19.
April
2010 kannte, hierunter das "Angebot Standard-Klose"
verstand
und die Beklagte -
und nicht wie das Beru-21
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9
-
fungsgericht meint, die Klägerin
-
es durch den handschriftlichen Vermerk und die Übersendung an die Klägerin zum Bestandteil ihrer Willenserklärung [X.] hat.

Sollte die Klägerin weder
beweisen können, dass das [X.]
2
als solches
in die Verträge über die fünf
Bauvorhaben einbezogen worden ist, noch dass der Geschäftsführer der [X.] anlässlich der Besprechung im Januar 2011 die im [X.] gelisteten Preise akzeptiert hat, wird das Berufungsgericht
dennoch, dann unter Zugrundelegung
des [X.]
1, zu prüfen haben, ob und in welcher Höhe die geltend gemachten Restwerklohnforderungen berechtigt sind. Das [X.] hat unberücksichtigt gelassen, dass die Beklagte Rechnungskür-zungen nur zu einem kleinen Teil wegen Preisdifferenzen der Leistungsver-zeichnisse
[X.]
1 und [X.]
2, zu einem größeren Teil unter anderem
wegen ver-meintlicher Nichtausführungen abgerechneter
Leistungen und im Hinblick auf angeblich nur geringere Massen
vorgenommen hat
(vgl. hierzu [X.] des [X.]s vom 28.
September 2012).
24
-
10
-
Vorstehendes gilt auch für das Bauvorhaben [X.], welches nach dem übereinstimmenden Vortrag der Parteien anhand des [X.] abzurechnen war und deshalb von dem Streit um die Einbeziehung der Leistungsverzeichnisse ohnehin nicht betroffen ist.

Eick
Kartzke
Graßnack

[X.]

Brenneisen

Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 18.07.2014 -
7 O 10/12 -

OLG Düsseldorf, Entscheidung vom 09.06.2015 -
I-23 [X.] -

25

Meta

VII ZR 155/15

02.08.2017

Bundesgerichtshof VII. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 02.08.2017, Az. VII ZR 155/15 (REWIS RS 2017, 7041)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 7041

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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I-21 U 149/05 (Oberlandesgericht Düsseldorf)


24 U 46/07 (Oberlandesgericht Hamm)


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VII ZR 269/12

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