Bundesgerichtshof, Beschluss vom 01.06.2023, Az. I ZR 154/22

1. Zivilsenat | REWIS RS 2023, 4219

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Tenor

Auf die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin wird das Urteil des 29. Zivilsenats des [X.] vom 12. Mai 2022 aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Nichtzulassungsbeschwerde, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Der Streitwert des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens wird auf 150.000 € festgesetzt.

Gründe

1

Die Klägerin, die Inhaberin der eingetragenen [X.] Wort-Bild-Marke

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mit Schutz unter anderem für Abgaskrümmer für Motoren ist, entwickelte einen Abgaskrümmer mit der Bezeichnung [X.] und lässt diesen in ihrem Auftrag fertigen.

2

Ende Mai 2018 zeigte die Beklagte, die [X.] der Abgastechnik für den freien Ersatzteilmarkt anbietet, in ihrem "[X.]" auf ihrer Homepage einen als "[X.], Abgasanlage" bezeichneten Abgaskrümmer. Die Klägerin erwarb am 23. Mai 2018 im Rahmen eines Testkaufs bei einem Dritten einen solchen Abgaskrümmer, der auf der Rechnung als "Original [X.]" bezeichnet wurde. Das Produkt enthielt auf der rechten Seite die Kennzeichnung "7J11K3". An drei Stellen links davon befanden sich Abflexungen.

3

Die Klägerin wandte sich unter dem 30. Mai 2018 an die Beklagte und teilte ihr mit, die [X.] seien unter rechtswidriger Nutzung der in ihrem Eigentum stehenden Gussmodelle, Werkzeuge und Vorrichtungen gegen ihren Willen produziert und manipuliert worden. Mit Anwaltsschreiben vom 22. Juni 2018 mahnte die Klägerin die Beklagte erfolglos ab und erwirkte sodann den Erlass einer einstweiligen Verfügung. Die Beklagte gab keine Abschlusserklärung ab.

4

Die Klägerin hat zuletzt beantragt, die Beklagte unter Androhung näher bezeichneter Ordnungsmittel zu verurteilen, es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr in Deutschland

a) Abgaskrümmer anzubieten, zu bewerben und/oder in den Verkehr zu bringen, die mit den [X.] und Werkzeugen der Klägerin hergestellt wurden und bei welchen die fest in den Abgaskrümmer eingegossene Marke "[X.]" der Klägerin entfernt worden ist, wenn diese die nachfolgend eingelichtete Erscheinung aufweisen:

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und/oder

b) Abgaskrümmer unter dem Zeichen "H. " anzubieten, zu bewerben und/oder in den Verkehr zu bringen, die mit den [X.] und Werkzeugen der Klägerin hergestellt wurden und bei welchen die fest in den Abgaskrümmer eingegossene Marke "[X.]" der Klägerin entfernt worden ist, wenn dies geschieht wie folgt:

Abbildung

5

Die Klägerin hat zudem Auskunft und Rechnungslegung, Rückruf, Feststellung der Schadensersatzpflicht sowie die Erstattung der Kosten für die Abmahnung und das [X.], jeweils nebst Zinsen, verlangt.

6

Das [X.] hat die Klage abgewiesen. Die Berufung der Klägerin ist ohne Erfolg geblieben. Das Berufungsgericht hat die Revision nicht zugelassen. Hiergegen richtet sich die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin. Mit der angestrebten Revision will sie ihr Klagebegehren weiterverfolgen.

7

II. Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung, soweit für das Beschwerdeverfahren relevant, im Wesentlichen ausgeführt:

8

Der Unterlassungsanspruch folge nicht aus § 4 Nr. 4 UWG wegen einer gezielten Mitbewerberbehinderung, weil bei den [X.] die Herstellerkennzeichnung der Klägerin - "[X.]" - abgeflext worden sei und damit der Vertrieb die Werbewirkung der Kennzeichnung der Klägerin unterlaufe. Es könne schon nicht davon ausgegangen werden, dass die [X.] jemals mit der Kennzeichnung der Klägerin versehen gewesen seien. Die Klägerin schließe dies daraus, dass die [X.] mit ihren Gussformen und von derselben Gießerei hergestellt worden seien wie ihre eigenen Abgaskrümmer. Es sei daher zwingend ihr Kennzeichen miteingegossen worden; ihre Gussformen wiesen diese Kennzeichnung auf. Die Beklagte stelle jedoch in Abrede, dass die [X.] auf denselben Gussformen hergestellt worden seien wie die [X.]-Krümmer der Klägerin.

9

Aus den unstreitigen Übereinstimmungen der beiden Krümmer folge zur Überzeugung des Senats nicht, dass die [X.] auf den [X.] der Klägerin hergestellt worden seien und daher zunächst ihre Kennzeichnung aufgewiesen hätten, zumal in dem [X.] der Klägerin ausgeführt werde, eine Änderung an den Zeichen erfordere eine Umarbeitung der Form. Auch an anderer Stelle werde im [X.] eine Manipulation der Gussform in den Raum gestellt, wenn es dort heiße, (nur) wenn keine Manipulation der Form vorgenommen worden sei, seien die untersuchten Krümmer nach der Gussform verwendungsgleich. Ob in eine manipulierte Gussform weiterhin das Zeichen der Klägerin eingearbeitet sei, sei zweifelhaft.

Die Klägerin könne ihre Ansprüche auch nicht auf eine unlautere Irreführung wegen einer Täuschung über die Herstellereigenschaft stützen. Zwar gebe die Beklagte in den Artikeldetails ihres Online-Katalogs zu ihrem [X.] an, Herstellerin zu sein und trage dann selbst vor, tatsächlich nicht Herstellerin zu sein, sondern die Krümmer von Lieferanten zu beziehen. Es fehle jedoch mit Blick auf die Formulierung der Klageanträge an der [X.]. Es habe nicht festgestellt werden können, dass der angegriffene Abgaskrümmer, wie in den [X.] ausdrücklich formuliert, kumulativ mit den [X.] und den Werkzeugen der Klägerin hergestellt und bei ihm die fest in den Abgaskrümmer eingegossene Marke "[X.]" der Klägerin entfernt worden sei. Damit fehle es an einer Entsprechung des Klageantrags mit einem früheren Verhalten der Beklagten (Wiederholungsgefahr). Eine Erstbegehungsgefahr habe die Klägerin diesbezüglich nicht geltend gemacht. Die Begründetheit der [X.] folge auch nicht (hilfsweise) aus Markenrecht.

III. [X.] ist zulässig und hat in der Sache Erfolg. Sie führt gemäß § 544 Abs. 9 ZPO zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht. Die angefochtene Entscheidung verletzt in entscheidungserheblicher Weise das Recht der Klägerin auf Gewährung rechtlichen Gehörs aus Art. 103 Abs. 1 GG.

1. Die Garantie rechtlichen Gehörs verpflichtet die Gerichte, die Ausführungen der Prozessbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Das Gericht braucht dabei zwar nicht jedes Vorbringen ausdrücklich zu bescheiden; es hat vielmehr bei der Abfassung seiner Entscheidungsgründe eine gewisse Freiheit und kann sich auf die für den Entscheidungsausgang wesentlichen Aspekte beschränken. Es müssen in den Gründen aber die wesentlichen Tatsachen- und Rechtsausführungen verarbeitet werden. Wenn ein bestimmter Vortrag einer Partei [X.] des Parteivorbringens darstellt und für den Prozessausgang von entscheidender Bedeutung ist, besteht für das Gericht eine Pflicht, die vorgebrachten Argumente zu erwägen. Ein Schweigen lässt hier den Schluss zu, dass der Vortrag der Prozesspartei nicht oder zumindest nicht hinreichend beachtet wurde ([X.], NJW-RR 2018, 694 [juris Rn. 18] mwN).

2. Nach diesen Maßstäben verletzt die angefochtene Entscheidung Art. 103 Abs. 1 GG. Das Berufungsgericht hat erheblichen Vortrag der Klägerin zu der nach seiner Auffassung nicht auszuschließenden Manipulation der Gussformen übergangen.

a) Die Klägerin hat vor dem [X.] vorgetragen, ihre beiden vom [X.] begutachteten Abgaskrümmer seien gemäß den [X.] vor beziehungsweise nach dem Zeitpunkt hergestellt worden, auf den sich der beanstandete [X.] datieren lasse. Weil ihre beiden Krümmer formidentisch seien, sei eine zwischenzeitliche Manipulation der Gussform ausgeschlossen. Daraus folge zwingend, dass auch der dazwischen produzierte [X.] zunächst das [X.]-Logo der Klägerin getragen habe.

b) Diesen Vortrag hat das Berufungsgericht bei seiner Auseinandersetzung mit dem [X.] übergangen. Es hat vielmehr, ohne auf diese Ausführungen der Klägerin einzugehen, angenommen, eine Manipulation der Gussform sei nicht auszuschließen und es sei zweifelhaft, ob in eine manipulierte Gussform weiterhin das Zeichen der Klägerin eingearbeitet sei.

c) Diese Gehörsverletzung ist entscheidungserheblich.

aa) Es ist nicht auszuschließen, dass das Berufungsgericht bei Berücksichtigung des Vortrags der Klägerin eine Manipulation der Gussform wegen der vorgetragenen zeitlichen Reihenfolge ausgeschlossen hätte. Eine weitere Gussform kann nach dem Vorbringen der Beschwerde nicht zum Einsatz gekommen sein, weil es sonst an den im Gutachten festgestellten Übereinstimmungen gefehlt hätte.

bb) Entgegen der Auffassung der Beschwerdeerwiderung steht der Entscheidungserheblichkeit nicht entgegen, dass Feststellungen dazu fehlen, dass für beide Krümmer Gusseisen mit [X.] verwendet wurde. Das verwendete Material spielt keine Rolle für die Frage, ob die von der Beklagten angebotenen Krümmer und die Krümmer der Klägerin auf derselben Gussform hergestellt worden sind.

cc) Die Beschwerdeerwiderung wendet auch ohne Erfolg ein, die Klägerin habe darüber hinaus nicht bewiesen, dass alle mit demselben [X.] und Werkzeug hergestellten Produkte gleichartige individuelle Besonderheiten aufwiesen, die wie ein Fingerabdruck den Rückschluss vom fertigen Produkt auf das Gussmodell und das verwendete Werkzeug zuließen.

Unabhängig davon, dass die Klägerin hierfür nicht nur Zeugenbeweis, sondern schon in erster Instanz auch ein Sachverständigengutachten angeboten hat, stellt dieser Aspekt lediglich einen weiteren möglichen Beweis für die Identität der für die Krümmer verwendeten Gussform dar. Es ist aber nicht ausgeschlossen, dass das Berufungsgericht bereits unter Berücksichtigung der von der Klägerin aufgezeigten zeitlichen Reihenfolge zur Überzeugung gelangt, dass alle Modelle aus ein und derselben Gussform stammen.

Koch     

  

Schwonke     

  

Feddersen

  

Schmaltz     

  

Odörfer     

  

Meta

I ZR 154/22

01.06.2023

Bundesgerichtshof 1. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZR

vorgehend OLG München, 12. Mai 2022, Az: 29 U 1503/21

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 01.06.2023, Az. I ZR 154/22 (REWIS RS 2023, 4219)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2023, 4219

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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